Alle Beiträge von Asteris Kutulas

Asteris und Ina Kutulas: Die Horen (Rezension von Niki Eideneier)

Niki Eideneier: Asteris und Ina Kutulas: Die Horen, „Ich suche nicht, ich finde“ – Sogar dann, wenn Griechenland verloren zu sein scheint (fotopedia.de)

Horen, Griechenland, Asteris Kutulas

Jeder, der sich auch nur elementar für die neugriechische Literatur und allgemein für die neugriechische Kultur interessiert, dürfte wissen, wer Ina und Asteris Kutulas sind und was ihr Beitrag zur Verbreitung derselben im deutschsprachigen Raum, im Osten wie im Westen dieses Landes, bedeutet: Übertragungen und Nachdichtungen von zeitgenössischen Klassikern, aber auch von jüngeren, die es noch werden könnten, Essays und Beiträge in renommierten Zeitschriften, Organisierung von Lesungen und Diskussionen mit Musikbegleitung – unvergessen die poetische Nacht des Gedenkens an Jannis Ritsos zu seinem 100. Geburtstag im b-Flat in Berlin – erstklassige Konzerte mit und von Mikis Theodorakis und Maria Farantouri und anderen berühmten Interpreten oder das monumentale Buch: „Mikis Theodorakis, Ein Leben in Bildern“, Filme über Theodorakis und über Jannis Ritsos, und das Filmskript zu „Recycling Medea“, ein Projekt, das 2013 realisiert wurde, und, und, und …

Doch die Zusammenstellung der Texte für die Anthologie mit dem vielsagenden Titel: „Sogar dann, wenn jeder Himmel fehlt – Auf der Suche nach einem verlorenen (Griechen) Land“ als 249. Band der „Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik“ die horen (Wallstein Verlag 2013) ist eine Errungenschaft der beiden und ein besonderes Ereignis.

Zeitschrift die horen, Griechenland, Asteris Kutulas

Die Zeitschrift die horen wurden 1795 von Friedrich Schiller gegründet und nach den Töchtern von Zeus und Themis (Göttinnen der Jahreszeiten) genannt: Thalia, Göttin des Blühens, Auxo, Göttin des Wachsens, Karpo, Göttin der Früchte; nach Hesiod: Dike (Gerechtigkeit), Eunomia (Ordnung) und Eirene (Frieden). Die Zeitschrift erschien bis 1798 drei Jahre lang. 1955 wurden die horen von Kurt Morawietz in Hannover neu gegründet.

Bereits dreimal haben sich bis jetzt „die horen“ mit der neugriechischen Literatur und deren Autoren intensiv beschäftigt, sowohl in Krisen- als auch in Hoch-Zeiten Griechenlands. Das erste Mal mit einer Doppel-Edition: Griechenland I+II (Band 86/87 – 1972), also während der Junta Diktatur 1967-1974, ab dann sporadisch mit einzelnen Beiträgen; das zweite Mal mit dem Titel: „Rückkehr und Ankunft – Griechische Literatur aus zwei Jahrhunderten“, ausgewählt von Niki Eideneier und Torsten Israel, zusammengestellt vom Herausgeber Johann P. Tammen im Jahr 2001, als Griechenland Ehrengast der Internationalen Frankfurter Buchmesse gewesen war. Zwei Jahre später, 2003, kam erneut ein zweisprachiger dt./gr. Lyrikband: „Atmen lang von Babel her – Poesie aus Griechenland“, in der Reihe vis-à-vis – Blicke zum Nachbarn, herausgegeben von Gregor Laschen, und übersetzt von deutschen Dichtern nach einer Interlinear- Übersetzung und mit einem Nachwort von Torsten Israel. Und nun, 2013, zu Zeiten der höchsten ökonomischen und moralischen Krise des Landes, dieser Band, – die Zeitschrift befindet sich im 58. Jahrgang – in der Redaktion des jetzigen Herausgebers Jürgen Krätzer.
Der Band kann sich stolz schätzen: „Literatur, Kunst und Kritik“, die Intentionen der Zeitschrift sehen sich hier voll erfüllt. Dreißig – wenn ich richtig zähle – griechische Dichter und Prosaschriftsteller, vom ältesten, Konstantinos Kavafis, geb.1863 in Alexandria/Ägypten, bis zum jüngsten, Jazra Khaleed, geb. 1979 in Grosny/Tschetschenien, und ihre vielen Übersetzer, elf Essayisten und ein Künstler, Ilan Manouach, mit seinen provokant-aktuellen Tuschzeichnungen (geb. 1980 in Athen).

Im Zentrum der globalen Einsamkeit

Der Band ist thematisch in zehn Kapitel gegliedert: 1) Das griechische Gen der Selbstzerstörung; 2) Immer aufs Neue der Untergang; 3) Und frei meine Seele, ohne Scheu … Kavafis zum 150 Geburtstag; 4) Die inwendige Seite – Maria Polydouri und Kostas Karyotakis; 5) Weil die Statuen keine Relikte mehr sind; 6) Hochgemute Nachrichten aus einer fernen Zeit – Verbannungsinsel Makronisos 1948-50; 7) Eine andere Art von Rückkehr – Die Generation der Niederlage; 8) Kaffeehäuser und Kometen nach Mitternacht; 9) Durch transparentes Dunkel; 10) Im Zentrum der globalen Einsamkeit. Verstreut am Anfang oder innerhalb der Kapitel die Zeichnungen von Ilan Manouach, der auch für das Titelblatt zuständig war, wie ein Spiegel der Worte. Dazu kommt eine ausführliche Einleitung von Asteris Kutulas, verfasst zu diesem Band unter dem Titel: „Schießt nicht mit Tränengas auf uns – wir weinen auch so“ (entliehen einem Brief der Freunde von Alexis Grigoropoulos, dem 17jährigen Schüler, der 2008, am Anfang der Jugend-Aufstände in Griechenland, durch eine Polizeikugel getötet und der beim Begräbnis des Getöteten verteilt wurde), und am Schluss Biografisches zu den Autoren, Künstlern und Übersetzern.

Allein die fein ausgewählten Titel der Kapitel fügen sich in die Poetik des gesamten Bandes. Er fängt an mit einem wohl nur bei Insidern bekannten Dichter, Jazra Khaleed, und endet mit der wohl bekanntesten zeitgenössischen Dichterin Griechenlands, Kiki Dimula. Der Essay von Ina Kutulas mit dem erfinderischen Titel: „Dimoularkationslinien“ ist eine Perle nicht nur des Kapitels „Im Zentrum der globalen Einsamkeit“, sondern überhaupt. Nur Dichter können sich so vielfältig und so tief einem anderen Dichter nähern und den Leser in Erstaunen versetzen, wie viel er übersieht, mit was für Blicken anderer Künstler er konfrontiert wird, um das Un-gesehene und Un-gehörte zu entdecken.
Dazwischen die weltberühmten Klassiker: Kavafis, Seferis, Elytis, Ritsos, Engonopoulos, Theodorakis; dazu gesellen sich andere „Klassiker“, etwas verkannt zwar, aber deswegen nicht unwichtig, wie Karyotakis und Poliduri, Ludemis, Livaditis. Dann die Dichter der sogennanten und viel diskutierten „Generation der Niederlage“: Sinopoulos, Kambanellis, Anagnostakis, Rena Chatzidaki, Patrikios. Und Petros Markaris natürlich, der heutige griechische Star auch in der deutschen Literaturlandschaft. Aus dem Kreis der Jüngeren – interessant auch, dass dazu erneut Griechen des Auslands mit aufgenommen wurden, Aris Fioretos z.B. – Dionisis Karatzas, Sakis Serefas, Amanda Michalopoulou, Lefteris Poulios, Michalis Michailidis, Lila Konomara, Christos Chryssopoulos, Agoritsa Bakodimou und Antonis Fostieris. Zu diesen vielen Namen könnte man auch die Essayisten des Bandes und die Übersetzer hinzufügen, aber das hätte wirklich jeden Rahmen gesprengt. Zu bemerken wäre außerdem dass, sofern nicht anders angegeben, alle Texte Erstübertragungen sind bzw. für diese Ausgabe grundlegend revidiert wurden, wie die Herausgeber notieren.

„Schießt nicht mit Tränengas auf uns – wir weinen auch so“

Ich denke, dass die Einleitung eines Sammelwerks, wie des vorliegenden, erst nach der Lektüre des Inhalts gelesen werden sollte, quasi als Nachwort. Sonst ist man recht voreingenommen, der Gliederung des Verfassers aufs Wort zu folgen und die Zeitepochen, die die Historie bestimmen, auf die Werke bzw. deren Autoren so eng zu beziehen, dass man nicht frei bleibt für eigene Erkenntnisse. Denn das Leben und das Schaffen eines jeden Literaten sind von längerer Dauer als die historischen Ereignisse, die oft plötzlichen Wendungen unterliegen. Wie dem auch sei; eine vollkommene Objektivität dabei zu erwarten, wäre nicht möglich und dem Autor würde man Unrecht tun.

Zeitschrift die horen, Griechenland, Asteris Kutulas
Für so eine Anthologie eine Einleitung zu verfassen, ist also eine große Herausforderung. Asteris Kutulas, der diese Aufgabe übernahm, hat eine Verbindung von Geschichte und Literatur gewagt. Er hat dazu eigens zueinander Beziehungen hergestellt, die wiederum auf Aussagen und allgemeinen Ansichten beruhen, hauptsächlich aber seine eigene Meinung zum Ausdruck bringen. Meistens würde man ihm beipflichten, manchmal tauchen aber auch Zweifel auf: Ich glaube z.B. nicht, dass „… das Volk insgesamt für die Regierenden zum Feind wurde, es musste kampfunfähig gemacht werden. Dazu gehörte auch, den Wert seiner kulturellen Traditionen mit Geringschätzigkeit zu bemessen und das Nationalbewusstsein der Griechen zu untergraben und zu zerstören. Also ihre gemeinschaftliche Erinnerung und Kultur auszulöschen. All das bekam das Etikett “Nationalismus“ aufgedrückt“. Aber nicht jeder Fortschritt steht der Tradition feindlich gegenüber. Auch das Zitat von einem Theaterkritiker und Publizisten, Vertreter der älteren Generation, woher diese Aussage Kutulas’ ihren Bezug nimmt, ist bedenklich: „ … Universitätsprofessoren und diverse andere Intellektuelle bezeichneten in öffentlichen Verlautbarungen die Fahnen, die die Menschen auf der Straße getragen hatten, als ‚Lappen’, als ‚nationalistische Symbole’, als ‚Idole der Götzenanbetung’. Dieselben ‚Theoretiker’ wollen uns nun weismachen, dass die Nationen ‚Konstrukte’ seien, die Staaten ‚Gewaltmaschinen’ und die Geschichte unseres Volkes ein Szenarium für eine nachmittägliche Seifenopernserie im Fernsehen. Diese Meinungen werden jetzt tatsächlich in den Vorlesungen vertreten, sie sind in den Schulbüchern zu lesen, und zu großen Teilen wird die Bevölkerung ruhig gestellt mit Kulturgütern aus Staaten, die im Niedergang sind …“. Solche Äußerungen gehen an der Realität vorbei. Richtig dagegen ist, dass die jüngeren Historiker die lang erwünschte und notwendige Aufklärung betreiben und verschiedene „Mythen“ der griechischen Geschichte anhand der neu gelesenen Quellen richtigstellen, indem sie Götzenbilder vom Sockel herunterholen. Die Massendemonstrationen der Jugend sind aus der Ausweglosigkeit ihrer Situation – im Übrigen einem internationalen Phänomen – entstanden und nicht mit einer angeblichen Abkehr von den Traditionen und der „glorreichen“ Vergangenheit zu erklären. Aber das sind Themen, die nicht in einer Buchpräsentation zu behandeln sind.

Zeitschrift die horen, Griechenland, Asteris Kutulas, Süddeutsche Zeitung
Andererseits finde ich eine weitere Aussage Kutulas’ neu und besonders interessant, da sie in der Tat im Zusammenhang mit der neugriechischen Geschichte zu sehen ist: „Der vorliegende Band ist unter anderem das Zeugnis einer permanenten Literatur im Widerstand anzusehen.“ Natürlich könnte man entgegnen, dass jede gute Literatur, von jedem Land, Dichtung wie Prosa, ein wie auch immer begründeter Widerstand ist; den Verhältnissen gegenüber, der Politik, der Gesellschaft, dem Elternhaus, dem „Anderen“, dem eigenen Ich schließlich. Sie möchte wachrütteln, protestieren, mit dem Wort kämpfen, zu verstehen und zu erklären versuchen – was wäre denn sonst die viel gerühmte „Katharsis“! Aber: „Dieser Band offenbart zumindest, dass Griechenland sich seit jeher im „Kriegszustand“ befunden hat und dass bis heute Menschen mit Worten und Taten darauf reagieren und Widerstand leisten. Menschen vor allem, die sich auf ihr „inneres Griechenland“ berufen und Mittler sind zwischen diesem und allen Orten „draußen“, an denen es sich wieder findet.“ Wie wahr, lieber Asteris! Solange es solche Menschen gibt wie dich und Ina, ist Griechenland „kein verlorenes Land“.

Niki Eideneier

»Sogar dann, wenn jeder Himmel fehlt …«Auf der Suche nach einem verlorenen (Griechen)Land, Zusammengestellt von Asteris und Ina Kutulas
Reihe: die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik (Hg. von Jürgen Krätzer); Bd. 249, 58. Jahrgang
240 S., 13 Abb., brosch., 15,5 x 23,5, ISBN: 978-3-8353-1235-7 (2013)

Unstete Sternenhimmel, Chaos & Harmonie

MIKIS THEODORAKIS 98 | 29.7.2023

Seine Laufbahn als Komponist begann Mikis Theodorakis Anfang der 40er Jahre in der arkadischen Stadt Tripolis als Hymnenschreiber für die griechisch-orthodoxe Sonntagsliturgie in der Kirche „Agia Triada“. Seine zwei wichtigsten Werke der damaligen Zeit waren die „Hymne an Gott“ sowie die Liturgie „Kassiani“. Genauso wie seine etwa 30 anderen liturgischen Kantaten aus jener Zeit beruhten diese auf Texten griechisch-orthodoxer Kirchenväter bzw. der Priesterin Kassiani.

Mikis Theodorakis, Asteris Kutulas, Unstete Sternenhimmel
Der vorliegende Artikel wurde in einer gekürzten Fassung in der Zeitschrift exandas veröffentlicht.

1943 geht Theodorakis als 18jähriger ans Athener Konservatorium und hat im Gepäck seine „1. Sinfonie“, ein Oratorium, dessen Worte er selbst verfasste. Darin bricht er seine religiös inspirierte Suche nach Gott in eine Dualität auf, was sich darin zeigt, dass er eine gleichberechtigte Ansprache formuliert – auf der einen Seite an das Licht und auf der anderen Seite an das Dunkel.

Seine zwei Hauptwerke auf dem Gebiet der Kirchenkomposition entstanden viel später in den 80er Jahren, als Theodorakis schon beinah 60 war. Es sind die „Totenmesse“ und das „Requiem“, die beide auf Texten zweier Kirchenväter aus dem 4. und 5. Jahrhundert basieren. Für Theodorakis gehören die Verse des „Requiem“, geschrieben von Johannes Damaskinos im 6. Jahrhundert zu den schönsten griechischen Texten überhaupt. Unter anderem vertonte er 1982 folgenden Abschnitt:

„Lasst uns heraus kommen und in den Gräbern wahrnehmen, dass der Mensch nur das ist: Knochen, Fraß für die Würmer und Gestank. Lasst uns erkennen, was Reichtum, Schönheit, Kraft und Anstand wirklich sind.“

Mikis Theodorakis, Asteris Kutulas, Unstete Sternenhimmel
Der vorliegende Artikel wurde in einer gekürzten Fassung in der Zeitschrift exandas veröffentlicht.

In Tripolis hatte Theodorakis als Gymnasiast die Seminare von Evangelos Papanoutsos besucht, des damals bedeutendsten griechischen Philosophen. Und während der Zeit bei ihm wurde für den jungen Theodorakis das zur Passion, was ihn zeitlebens begleitete: seine tiefe Liebe zu den Schriften der antiken Autoren.

Das Altgriechische perfekt beherrschend, verschlang der 15- bis 17-jährige Theodorakis alles, was die Antike an Schriftgut zu bieten hatte. Nicht nur die Tragiker, sondern auch alle Philosophen, Mathematiker und Astronomen. Beim Pythagoräer Philolaos las Theodorakis, dass die Entfernungen zwischen den Planeten gemessen werden können im Verhältnis zum „zentralen Feuer“, also dem Feuerkern des Alls, den Philolaos auch als „Mutter der Götter“ oder auch als „Altar“ und „Ordnung“ der Natur apostrophiert hatte, um den herum sich zyklisch drehten: die Anti-Erde, die Erde, der Mond, die Sonne, die Planeten und schließlich, in der äußeren Sphäre des Alls, die „unsteten Sternenhimmel“. Für den Vorsokratiker Philolaos ist das Feuer der Ursprung des Lichts und die absolute Quelle der Energie des Absoluten. Und laut Philolaos sind Feuer und Musik Geschenke an die Menschen.

Die Musik als Ausdruck des planetarischen Klangs auf Erden bringe einen Widerhall des Universums hervor, und dieser Widerhall versetze den Menschen in einen rein geistigen Zustand, genauso wie andererseits das Feuer auf der materiellen Ebene zu Reinheit in unseren irdischen Sphären führe.

Diese Gedanken inspirierten Theodorakis und bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Theorie von der Universellen Harmonie.

Seine Liebe zu den Vorsokratikern und ihrer Musik- und Zahlentheorie hatte ihren Ursprung gehabt in den Nächten unter freiem Himmel, die der fünfjährige Mikis auf der Ägäis-Insel Chios mit seinem Vater verbrachte, der ihm stundenlang – und das über Monate – den Sternenhimmel erklärte. Diese himmlische Ordnung prägte sich dem Kind ein und ließ es den Widerspruch zwischen dem Makrokosmos und dem Mikrokosmos, zwischen Harmonie und Chaos schon sehr früh erkennen. Im Kreis der Familie die heile Welt, außerhalb der Familie Gefahr und Leid. Und später dann: Ruhe im Innern, Tod und Folter im Außen.

Mikis Theodorakis, Asteris Kutulas, Unstete Sternenhimmel
Der vorliegende Artikel wurde in einer gekürzten Fassung in der Zeitschrift exandas veröffentlicht.

Theodorakis, der als Komponist seit seiner Kindheit, wie er schrieb, den „Klang“ als Auslöser musikalischer Schöpfung erfuhr, machte in einem Aufsatz vom November 2006 darauf aufmerksam, dass es nur ein kleiner Schritt sei von dem Gedanken der Vorsokratiker bezüglich der Harmonie und der Musik der Sphären bis zu seinem eigenen Gefühl, in sich einen überwältigenden Klang zu hören, bevor dieser die Gestalt der Musik annahm. Diese beiden Dinge seien nur zwei Seiten derselben Medaille – wobei die zweite nur eine Widerspiegelung der ersten bedeuten kann: irdische Musik also als Widerspiegelung des Klangs des Universums.

Viel später, Ende der 90er Jahre, bei seiner Auseinandersetzung mit dem Antigone-Stoff erkannte Theodorakis, dass der Widerspruch zwischen Chaos und Harmonie sich im Zyklus von Theben widerspiegelt: Iokaste als Mutter des Chaos, die das antinomische Paar Eteokles und Polineikes zur Welt bringt, deren Einander-Bekämpfen schließlich zu Iokastes Tod führt, das heißt zum Tod des Chaos. Aus ihm heraus entsteht eine neue Harmonie, die abermals ein neues Chaos hervorbringt: in Gestalt von Kreon. Was einen weiteren Konflikt auslöst und schließlich durch Antigones Tod zu einer neuen Harmonie mit Ödipus in Kolonos führt.

Ödipus, den Sophokles im heiligen Wald von Kolonos verschwinden lässt, als wollte er die Erlösung von Ödipus als eine endgültige festschreiben, also als die schöne Illusion: dass hinsichtlich des menschlichen Schicksals ein harmonisches und endgültiges Finale existieren könnte. Theodorakis weist darauf hin, dass diese finale Harmonie allerdings nur als Wunsch des Dichters Sophokles zum Ausdruck kommt, der einen versöhnlichen Schluss gestalten wollte, angesichts seines bevorstehenden Todes und in Erwartung einer ewigen Ruhe, die nach Theodorakis’ Meinung aber niemals auf Erden zu haben ist.

Und Theodorakis stützt sich bei der Komposition seiner drei Opern auf das dialektische Prinzip von These, Antithese und Synthese, ohne einen Schlusspunkt setzen zu wollen, und er lässt die Begriffspaare Macht und Gewalt, die sich mit dem Chaos verbinden, entgegenstehen dem Begriffspaar der Liebe und der Pflicht, wobei dieser Antagonismus zur Opferung des Lebens und nur dadurch zu einer neuen Harmonie führen kann. In dieser Weise verdeutlicht er in seinen Opern, als Teil seiner philosophischen und politischen Weltanschauung, wie eng die Beziehung zwischen Himmel und Erde, zwischen universellem Chaos und universeller Harmonie und zwischen all diesen und dem Schicksal des Menschen ist.

Asteris Kutulas

Mikis Theodorakis, Asteris Kutulas, Unstete Sternenhimmel
Der vorliegende Artikel wurde in einer gekürzten Fassung in der Zeitschrift exandas veröffentlicht.

Israels Einheit 18 Thriller

Zum Roman von Alexander Günsberg (Begleitwort)


Der Roman „Einheit 18“ ist ein Actionthriller im realen Umfeld des Nahostkonflikts. Militär- und Geheimdienstoperationen, Verfolgungsjagden, Terroranschläge, menschliche Beziehungsdramen, Sex zu Spionagezwecken und wahre Liebesgeschichten laufen wie in einem Film ab, der spannender nicht sein könnte. Der Autor fördert Geschehnisse ans Licht, die den Top Secret-Akten des Mossad, der CIA und des GRU entnommen sein könnten, wird dabei in der Sprache aber immer literarischen Ansprüchen gerecht. Die fast unglaublichen Ereignisse finden in Israel, im Gazastreifen, dem Libanon, in Syrien, im Iran, in Russland und den USA, in die Tiefen des Atlantiks und des Mittelmeers und am Himmel darüber statt. Bis zum Schluss folgen sie einem unerwarteten, aber logischen Handlungsablauf. 

Skizzenhaft lässt Alexander Günsberg die Biografien fast aller Romanfiguren einfließen, die oftmals über mehrere Generationen hinweg verfolgt werden. Diese Fäden kreuzen, aber verwirren sich nicht. Der Autor behält sie alle in der Hand. Er erzählt von der Besonderheit einer jeden Begegnung und davon, was daraus entsteht. Und er erschafft zugleich, wie nebenbei, ein faszinierendes Kompendium jüdischer Geschichte, Bräuche, Denkungsart und Kultur. 

Die Helden des Romans sind Mitglieder der Jechida 18, einer kleinen Elitetruppe der legendären Aufklärungs-Einheit Sayeret Matkal innerhalb der israelischen Armee. Sie werden als Kriegshelden dargestellt, allerdings als solche, die nicht nur siegen, lachen und tanzen, sondern auch leiden und sterben können. Eines lassen sie jedoch nicht zu: dass ihre Heimat Israel tödlich getroffen wird. Die Gefahr der völligen Vernichtung, in der sich der Staat Israel befindet, schwebt wie ein Damoklesschwert über der Handlung. Alexander Günsberg verwebt auf existenzialistische Art die romanhafte Fiktion eines Kampfes auf Leben und Tod mit der blutigen und gnadenlosen Realität des Nahostkonflikts, bei dem es jeden Tag um Sein oder Nicht-Sein geht.

Der Roman erzählt vom permanenten Überlebenskampf Israels, der Heimat nicht nur des jüdischen Volkes, sondern – und das führt der Roman dem Leser wiederholt vor Augen – aller Israelis, gleichgültig ob es Juden, Araber, Christen oder Moslems sind. Aus diesem Buch spricht sowohl die Liebe des Autors zu dieser HEIMAT Israel als auch des Autors Bewunderung für diejenigen, die dieses Land schützen. Zionismus, schreibt Alexander Günsberg, „ist der Wunsch der Juden, in die Heimat zurückzukehren“, und diese Heimat Israel strahlt „auch in höchster Bedrängnis als Licht von Menschliebe, Toleranz und Gleichberechtigung durch die Finsternis der Welt“. Alexander Günsberg offenbart durch sein Buch, dass gerade aus diesem humanistischen und demokratischen Grundansatz heraus die Kraft, die Zuversicht und die Lebensfreude der Verteidiger Israels erwächst. 

Als mir klar geworden war, dass „Einheit 18“ nicht nur ein Action-Thriller, sondern vor allem ein Anti-Hass-Buch ist, erinnerte ich mich an den Festakt zum 50. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen am 7. Mai 1995. Tausende Menschen, unter ihnen viele Überlebende mit ihren Familien, waren zum Appellplatz gekommen, wo Mikis Theodorakis seine Mauthausen-Kantate für sie dirigierte, gesungen von Maria Farantouri, live übertragen vom österreichischen Fernsehen. Neben Mikis stand Simon Wiesenthal, der in seiner Rede unmittelbar vor dem Konzert sagte: „Der Nationalsozialismus, der die Welt beherrschen und versklaven wollte, bestand de facto aus einer Komposition aus Hass und Technologie. Hass ist etwas Furchtbares. Hass ging dem millionenfachen nationalsozialistischen Verbrechen voraus. Wir müssen diese Verbrecher verachten, nicht nur, weil sie unsere Familien hingemordet haben, sondern weil sie die Würde des Menschen zertreten haben und damit auch die Würde Gottes, der die Menschen nach seinem Ebenbild erschuf.“

Diese Sätze berührten mich zutiefst, und ich konnte nicht umhin, Simon Wiesenthal nach dem Konzert zu fragen, warum er in seiner Rede den Hass noch über das Verbrechen des Tötens gestellt hat. Seinen durchdringenden Blick werde ich nicht vergessen, ebenso nicht seine Antwort: „Mit dem Hass fängt es an. Er frisst sich in die Seele des Menschen und macht aus ihnen Verbrecher.“ 

Weil es im Roman von Alexander Günsberg um die Bewahrung genau dieser Würde des Menschen und zugleich um den Kampf gegen den Hass im Inneren wie im Äußeren geht, rufe ich dem Autor in griechisch-jüdischer Verbundenheit zu: Am Jisrael chaj!

Asteris Kutulas

Israel, IDF, Alexander Günsberg, Asteris Kutulas

Verlagsnotiz zum Buch: Israels tödlichster Krieg. Nur die Geheimdienste wissen von ihm.

Die gefährlichsten Militäroperationen gegen seine, von den iranischen Mullahs gesteuerten Todfeinde führen die israelische Elitetruppe Sayeret Matkal nach Gaza, Teheran, Beirut, Ramallah, New York und auf eine U-Boot-Fahrt durch den Nordatlantik und das Mittelmeer, bei der sich ein Unterwasserkrieg mit Russland entwickelt. Durch die Kämpfe schimmert die Geschichte Israels und seines unglaublich anmutenden Erfolgs. Aus der Asche von 6 Millionen Ermordeten im Holocaust entstand eine Nation, die nichts und niemanden mehr zu fürchten braucht. Hinter der Härte der Männer und Frauen der Einheit 18 aber kommen Menschen zum Vorschein, die leben und lieben wollen.

Erschienen im Aber Verlag | 542 Seiten | Softcover

Alexander Günsberg, Israel, IDF, Asteris Kutulas

Feloneye video clip „Boogie“

FELONEYE video clip BOOGIE
Music by Ido Nadiar | Lyrics by 4RAS & Feloneye

With Feloneye, Naya, Dylan Cube, el.tahir, haarriiis00, halaberlin,
ibaking, KK, Lé Juice, MA!, Ousseni, Rasputin, txlha,
unaveragebabyface, widi, Zigo

Video produced & directed by Asteris Kutulas / Asti Music
DOP: René Dame
Light Design: Henning Schletter
2nd camera: meerrlliinn

A WorldganG Entertainment GmbH production, 2023

Links to the hip-hop artists & dancers:
https://instagram.com/widiwhg
https://instagram.com/ibaking_interna…
https://instagram.com/lil_ousseni
https://instagram.com/yigitrasputin
https://instagram.com/ride.with.ma
https://instagram.com/naya.laur
https://instagram.com/dylancube
https://instagram.com/whoislejuice
https://instagram.com/kkfuckinw
https://instagram.com/zigogorzow
https://instagram.com/el.tahir
https://instagram.com/haarriiis00
https://instagram.com/halaberlin__
https://instagram.com/unaveragebabyface
https://instagram.com/txlha.k
https://instagram.com/patrickbarleben

Griechenland Aktuell: Der Regisseur Asteris Kutulas im Interview

(Ich danke der Online-Plattform GRIECHENLAND AKTUELL, dem Griechischen Aussenministerium und Thanassis Lambrou für dieses Interview. A.K.)

Thanassis Lambrou von Griechenland Aktuell sprach mit Asteris Kutulas über seine Pläne und die laufenden Projekte.

Griechenland Aktuell: [Als Sohn griechischer politischer Flüchtlinge wurde Asteris Kutulas in Rumänien geboren und zog später mit seiner Familie in die DDR. Er studierte Germanistik und Philosophiegeschichte an der Universität Leipzig, übersetzte zahlreiche Werke bedeutender griechischer Autoren ins Deutsche, so z.B. von Konstantinos Kavafis, Giorgos Seferis, Jannis Ritsos und Odysseas Elytis, sowie die Autobiographie, verschiedene Schriften und Gedichte von Mikis Theodorakis.

1980 begann Asteris Kutulas seine Zusammenarbeit mit dem Komponisten Mikis Theodorakis, für den er weltweit Konzerte organisierte und über 30 Alben produzierte

Als Regisseur war er zunächst im Dokumentarfilmbereich tätig und schlug dann einen ganz eigenständigen Weg ein mit den hybriden Filmen „Recycling Medea“ und „Dance Fight Love Die – With Mikis on the Road“. Asteris Kutulas‘ Filmschaffen hat einen direkten Bezug zu Griechenland und wendet sich an ein internationales Publikum.

2015 initiierte Asteris Kutulas zusammen mit Ina Kutulas das Filmfestival „Hellas Filmbox Berlin“.

Basierend auf einem reichen Erfahrungsschatz aus der Zeit seiner Zusammenarbeit mit dem Lichtarchitekten Gert Hof und aus seiner dramaturgischen Tätigkeit im Entertainment-Bereich entwickelte Asteris Kutulas mit Liquid Staging eine neue Eventform und reagiert so auf die Bedürfnisse und Sehgewohnheiten jüngerer Generationen. Seine Film-Raum-Installationen sind allerdings Erlebnisfelder für ein Mehrgenerationen-Publikum.] – Griechenland Aktuell

Asteris Kutulas, Mikis Theodorakis, Medea 21, Liquid Staging, Maria Kousouni

GR Aktuell: Erzählen Sie uns von Ihren jüngsten Projekten ELECTRA 21 und MEDEA 21.

Asteris Kutulas: Diese beiden Projekte vereinen auf sehr moderne Weise Musik, Tanz, Lyrics, Film und Installation. Stellen Sie sich das so vor: Das Publikum in der Mitte, vier große Leinwände drum herum. Bei anderen Produktionen könnten es mehr oder auch weniger Screens sein. Bei den Hofer Filmtagen habe ich das zusammen mit meinem Team bereits zweimal realisiert. Also: In einem großen Raum vier Leinwände, auf jeder ein Film, alles gleichzeitig, absolut synchron zur Elektra- bzw. zur Medea-Musik von Mikis Theodorakis. Ich wollte mit diesem neuen Show-Format die Geschichten der beiden faszinierenden Frauengestalten neu und anders erzählen, wobei die Zahl 21 für das 21. Jahrhundert steht. 

Wir haben 2011 die Ballettaufführung der „Medea“ und 2018 die der „Electra“ mit der fantastischen Musik von Mikis Theodorakis und der großartigen Choreografie von Renato Zanella im Apollo-Theater auf Syros gefilmt. Maria Kousouni als Medea und Sofia Pintzou als Elektra sind Weltklasse, und sie tanzen „auf Leben und Tod“. Das muss man einfach gesehen haben … auch wie unsere Cinematographer Michalis Geranios die Medea und James Chressanthis (ASC) die Elektra gefilmt haben. 

2021 und 2022 verschmolz ich das „Electra“- und das „Medea“-Filmmaterial mit meinem Liquid-Staging-Konzept, und so entstanden ELECTRA 21 (63 Minuten) und MEDEA 21 (45 Minuten): Da das Publikum bei jedem der beiden Projekte jeweils vier verschiedene Filme gleichzeitig erlebt, sieht jeder Zuschauer einen anderen Film, weil jeder jeden Augenblick entscheidet, wohin er schaut und welchen „Film“ er sieht. Jeder im Publikum macht im Kopf seinen eigenen Filmschnitt. Am Schluss hat kein Zuschauer dasselbe gesehen. Es ist ein neues, ein „polydimensionales Sehen“. Ein immersives Kino-Erlebnis. 

GR Aktuell: Sie gehören zu den Schöpfern des innovativen Kinos und benutzen dabei Themen aus antiken Dramen. Warum sind diese Stoffe für Sie immer noch interessant?

Asteris Kutulas: Für mich sind sie aktuell, relevant, brisant. Die Storyline des Sophokles-Thrillers „Elektra“: Es geht um Macht. Agamemnon, der Vater, opfert seine Tochter Iphigenie, um in den Krieg gegen Troja ziehen zu können. Seine Ehefrau erschlägt ihn darum zehn Jahre später. Ihre beiden Kinder Elektra und Orest töten wiederum viele Jahre danach die Mutter. Ein Kreis des Hasses und der Rache, der zur Vernichtung der Institution der Familie führt. Ein zeitloses Thema.

Bei der „Medea“ von Euripides führt derselbe Teufelskreis zur Vernichtung jeder Hoffnung auf Zukunft. Auch das hochaktuell. Aus Liebe zu Jason verrät Medea ihre Familie, erschlägt ihren Bruder und flieht aus der Heimat. Sie und Jason haben bald zwei Söhne, aber Jason bleibt nicht bei Medea, die in seinem Land eine Fremde ist. Glauke, die Tochter des Königs, ist eine wesentlich bessere Partie. Medea will sich mit Jason nicht arrangieren; sie tötet aus Rache ihre Rivalin Glauke, und dann tötet sie ihre beiden Söhne, um Jason auf ewig leiden zu lassen. Medea, die ihren Status verlor – eine Kindsmörderin. Wäre sie „einfach vernünftig“ geblieben, wäre das alles nicht passiert. Jason, der Ehemann und Vater, ebenfalls in einem Macht- und Dreieckskonflikt gefangen.

Schließlich die Kinder, die von der eigenen Mutter erschlagen werden – die unschuldigen Opfer der ungelösten Erwachsenen-Konflikte. Genauso wie die Elterngeneration von heute ihre Kinder und Enkel nicht in die Klubs zum Feiern, sondern auf das Schlachtfeld zum Sterben schickt.

Wie in vielen Netflix-Serien handeln „Medea 21“ und „Electra 21“ von Hass, Tod, Verlust der Identitäten, von Heimat, Liebe, Familie und Gemeinschaftlichkeit. Das Zerstörerische tritt immer deutlicher zutage. Wir alle erfahren dies heute weltweit in vielen Krisen und Kriegen. Diese Geschichten zeigen wir in „Medea 21“ und „Electra 21“ auf neue Art und Weise. Durch die Liquid-Staging-Ästhetik ist ein viel spannenderes und emotionaleres Storytelling möglich, das zudem dem „neuen Sehen“ der jüngeren Generationen entspricht, desillusioniert und dynamisch. 

Die Zuschauer müssen sich orientieren: Wo läuft welcher Film? Welcher „Film“ läuft insgesamt ab? Mehrere in einem Raum parallel ablaufende visuelle Erzählstränge, die ein neues cineastisches Erlebnis schaffen, fordernd und überwältigend zugleich. Ich empfinde das als der dramatischen Gegenwartssituation mit ihren vielen Umbrüchen angemessen. Ich habe Schwierigkeiten, in einem Sessel zu sitzen und auf einen Bildschirm zu schauen. Ich bin nicht so drauf in diesen Zeiten. Ich will sie anders packen.

Mikis Theodorakis, Asteris Kutulas

GR Aktuell: Mikis Theodorakis ist vor einem Jahr gestorben. Wann haben Sie ihn kennengelernt? Wie konnte Ihre Freundschaft und Zusammenarbeit so lange dauern?

Asteris Kutulas: Ich habe Mikis 1980 kennengelernt, als ich Germanistik und Geschichte der Philosophie in Leipzig studierte. Ich traf auf einen Mikis Theodorakis – durch und durch Künstler. Wach, genial, belesen, humorvoll, total offen, neugierig. Von ihm ging eine unbändige Energie aus – das hat mich an ihm am meisten fasziniert. Dieses Pulsierende, Lebendige, Anarchische. In seiner Gesellschaft tankte ich ununterbrochen „Poesie“ und atmete das existentielle „Gefühl von Freiheit“. Es traf auf das, was ich studierte und wofür ich mich interessierte. Es war eine Art von Doping.

Unsere langjährige Freundschaft und Zusammenarbeit beruhten darauf, dass Mikis Theodorakis mich von Anfang an als „Künstlerkollegen“ akzeptierte, obwohl uns 35 Jahre Altersunterschied trennten und ich noch am Anfang stand. Das war eine seiner faszinierenden und beglückenden Grundeigenschaften: Mikis hatte diese Offenheit, dieses starke Interesse. Für ihn war das Leben ein permanenter Workshop. Wir kooperierten künstlerisch und tauschten uns aus über Dichtung, Philosophie, Musik, Politik, bildende Kunst, Film, Tanz. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden viele Bücher, einzigartige Alben, Filme, Interviews, Konzept-Touren, exklusive Musik-Produktionen, Ausstellungen und vieles mehr.

GR Aktuell: Welche Zukunftspläne haben Sie noch im Hinblick auf all das, was Theodorakis‘ als vielfältiges und überreiches Werk hinterlassen hat?

Asteris Kutulas: Ich kannte Mikis Theodorakis als einen sehr authentischen, wirklichkeitsnahen Menschen, sehr „bodenständig“, wie man im Deutschen sagt. Das blieb er bis ins hohe Alter hinein. Er sagte: „Das Alter muss gezeigt werden, filme, fotografiere mich so, wie ich bin.“ Und so stellte er sich auch vor „sein“ Publikum, im Rollstuhl, ohne Angst und Eitelkeit, konzentriert auf die Musik, die ihn in diesen Momenten zusammen sein ließ mit den tausenden Menschen, die da waren. Das war so etwas wie die „Honigpumpe“ von Beuys – ein sehr alter Mann in einem Rollstuhl, aber es geht nicht darum, sondern man ist im Lied, in der Melodie, im Text, in etwas, zu dem man sagt: Ich komme von da. Mikis ist aus der Lyrik gekommen, und dann hat der Klang ihn eingeholt.

Als ich in den Neunzigerjahren Mikis‘ drei „Lyrischen Tragödien“ – wie Mikis seine Opern nannte – „Medea“, „Electra“, „Antigone“ hörte, beschloss ich, eine „Thanatos-Trilogie“ zu machen: Über „Killing the Children“ in Medea, „Killing the Parents“ in Electra und „Killing Democracy“ in Antigone. Zusammen mit meiner Ko-Autorin und Ko-Produzentin Ina Kutulas arbeiten wir seit 2018 an diesem Konzept, das Mikis sehr gefallen und unterstützt hat. Dieses Konzept haben wir „in verschiedene Formate gegossen“. Ein Format ist das Liquid-Staging-Kino-Format. Ein weiteres Format ist eine Live-Bühnen-Version: Zusammen mit Renato Zanella und Ina Kutulas habe ich eine Ballett-Tetralogie entwickelt. Der Titel: „Thanatos Trilogy + Epilogue: Make Love not War“. Das bedeutet: Medea – Electra – Antigone – Lysistrata in einem Tanz-Film-Event. Mikis‘ Musik in diesen vier Werken ist sehr cineastisch, sehr modern. Rhythmisch, dramatisch, lyrisch – und dann diese Theodorakis-Melodien, die einfach einzigartig sind. 

Aktuell arbeiten wir mit Achilleas Gatsopoulos, Michalis Argyrou, Ina Kutulas und weiteren Künstlern am SATELLITE CLIPS PROJECT, das auf innovative und spezifische Weise bildende Kunst und Film miteinander verbindet. Es zeigt, wie man durch einen dramaturgischen Ansatz aus einer Reihe von Video-Clips und grafischen Kunstwerken, die zu Film-Grafiken wurden, ein immersives Show-Format entwickeln kann. Wie bei den anderen hier beschriebenen Projekten ist das ein Schritt hin zum polydimensionalen Sehen, zum Kino 2.0.

Griechenland Aktuell. Veröffentlicht am 14. Dezember 2022.

Liquid Staging Manifesto (2016)

GERMAN/DEUTSCHE VERSION & INTERVIEW

LIQUID STAGING – The „spatialisation of film“ as a basis of new spatial produced show creations and new show and event formats

Foreword

Ever since the advent of film, it has been incorporated in theatre and musical productions as well as many other types of shows, from Erwin Piscator in the 1920s and the “Laterna Magica” project of the late 1950s all the way up to the latest phantastic stage and concert productions. Yet until very recently, film has never been considered or used as a medium to blend and unite disparate design components (stage, acting, dance, acrobatics, music, sound, light etc.), i. e. as a medium that keeps changing its role and remains in constant flux and transformation. Most of all, it has never been used to encompass and control the entire theatre’s interior architecture. 

Such a simultaneous and equal development and production of stage and film action generates a new symbiosis, a new “osmotic performance genre” that is far more than the mere sum of what’s happening on stage and the corresponding stage or film set. 

Liquid Staging translates film to theatre spaces and auditoriums, enabling an entirely novel kind of show – “show” denoting all performance types, from theatre, ballet and opera to concerts, musicals, performances, events and exhibitions. 

The Liquid Staging concept creates the scope for an “analogue 3-D show”, one that places the guests truly “center stage”. It serves as the basis for creating a deeply emotional and all-encompassing theatre illusion. The audience no longer needs special glasses or viewing aids to delve deep into another world. Liquid Staging thrusts them straight into a spatial produced “experience space” with exciting scope for the realization of a brand-new type of performance with the options of 21st century technology and aesthetics.

Liquid Staging Asteris Kutulas
Liquid Staging design for the Apassionata production „Der Traum“ (2016) © Pixomondo/Asteris Kutulas/Apassionata World GmbH

Liquid Staging paves the way for spatial stage aesthetics that focus on triggering a new kind of dramatic emotionality, i. e. on addressing the audience’s “heart” and “senses” in a different way. An approach that is less about content and more about an entirely new mode and format since – over the years – I had noticed how all established show traditions not only seemed somewhat “cold” and “abstract” (these terms are not meant to be judgmental), but also strangely staid and outdated: 

– The Revue format, evolved from late 19th century French cabaret, reached its peak in the 1920s and continues to be copied ad infinitum, especially in Paris (Moulin Rouge, Lido) and Berlin (Friedrichstadtpalast). 

Musicals had their heyday between 1930 and 1950. The virtually unchanged format continues to enjoy great success, most of all in its two hubs, London and New York City. 

Cirque de Soleil’s fantastic show circus was developed in the 1980s by Guy Laliberté in Canada and its unique show format keeps going from strength to strength, both internationally and in Las Vegas as a one-of-a-kind theatre production. 

– In theatre, the cult of design formalism (something Apple continues to market in a different arena and with extreme and lasting success) culminated in the exceptional productions of Robert Wilson and many others since the 1990s. 

Opera, circus, variety, rock concerts etc. tend to follow traditional, almost “set in stone” performance formats. Some of these have reached an obvious aesthetic cul-de-sac and need to reinvent themselves sooner or later – which invariably happens when new stage ideas capture the zeitgeist. For prime examples, look no further than the iconic productions of André Heller, Pink Floyd, U2, Roger Water’s „The Wall“ or Rammstein’s seminal 1998 live-from-Berlin gig, not to mention their later concert projects.

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Liquid Staging champions the aesthetics of “unshackled theatre”, of a modular, structured production style that splices epic and dramatic theatre with film; a spatial staging method that – besides empathy (imitation and identification) also leaves room for the abstract (reflection and alienation). Yet Liquid Staging principles could also be used and employed in entirely different ways. In any case, this “spatialization of film” translates to new challenges for directors, costume designers, composers, light designers, and stage technicians. And it completely redefines the role and tasks of the stage designer/art director who now needs to become the show’s scenographer, film director, and motion graphics artist in one. At the same time, Liquid Staging also rewrites the role of the “author” – he becomes a blend of scriptwriter, dramaturge, choreographer, and playwright. 

When implementing this concept, you quickly hit the limits of what is currently feasible in terms of aesthetics, production technology and budgets. After all, such a “real stage movie”, precisely choreographed to sound, light, movement and costumes from the very first second, requires entirely new approaches to work and truly exploit the sheer emotional potential of cinema for a stage production. It’s an enormous challenge – and a fitting one for today’s creative explorations and emotional-creative cravings. The result promises to be a truly unique show as it has never been seen – or experienced – before. 

Asteris Kutulas, 2016

Liquid Staging mood-film by Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos

LIQUID STAGING MANIFESTO

Liquid Staging
… is the basis for new, innovative, spatial show and event formats
… satisfies the emotional and mental needs of our digital age
… allows for „hybrid Gesamtkunstwerke“ (hybrid total works of art), based on the latest technological achievements of the 21st century

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The „Liquid Stage Design“ is a hybrid „medium“ that unites all design components. These components include film, stage, acting, dance, gaming, music, sound, lighting, design, architecture, digital art, virtual reality, etc.

The „Liquid Stage Design“ is a constantly evolving and constantly changing „medium“.

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The „Liquid Stage Design“ is a „film“ that is composed from the first to the last second of the show or event.

The „Liquid Stage Design“ not only plays on the stage background, but also on the entire floor area, the ceiling area of the stage space, the side walls, and, depending on the storyboard, the entire audience area.

The „Liquid Stage Design“ incorporates the architecture of the „theatre“ interior and, if necessary, the „theatre exterior facade“ and „redefines“ it.

With the „Liquid Stage Design,“ a „hybrid experiential space“ is created in which a new „osmotic“ form of performance can be realized with the technical-digital possibilities of the 21st century. („Hybrid“ here always means the inseparable connection of filmic-visual/digital and real action.)

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Liquid Staging completely overcomes the boundaries between „stage“ and „film“.

The „Liquid Stage Design“ opens up new, cross-genre uses of film and establishes a new type of show production. In this context, „show“ refers to all possible forms of performance (e.g., event, theatre, concert, ballet, opera, musical, performance, exhibition, keynote, product presentation, fashion show, etc.).

Liquid Staging introduces many novel options and opportunities just waiting to be tried or rediscovered for future productions. The following aspects are key: 

  • We are dealing with a constantly changing stage design that can switch from static to cinematic to embedded to interactive in an instant according to need.
  • Time and again, the cinematic illusion replaces the theatrical illusion (according to storyboard directions), only to disappear behind the latter and then return to the fore again – an ongoing, dynamic process that shapes the entire show. During certain phases, the stage design morphs into a movie and vice versa.
  • The actors on stage also frequently transform into protagonists of a film scene. Throughout the entire performance, they serve as both theatre and movie actors – or a vital linking medium for this new creative space.

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The medium of film can be used in at least four ways as the most important element of the „Liquid Stage Design“:

  1. as an embedded „Moving Stage Design“ (with varying dynamics, narrative form, aesthetics, etc., depending on the storyline and music)
  2. as a large narrative „cinema“ (e.g., individual film sequences, scene transitions)
  3. as a medium interacting with the performers and various stage elements and props (mapping effects, etc.)
  4. as a medium that can involve the audience in the show

The „Liquid-Staging-Film,“ which corresponds to music, light, movement, text, props, costumes, etc. from the first to the last second, requires completely new approaches in order to „work“ and for the emotional possibilities that „cinema“ offers to be used in live performances.

The concept of „spatialization of film“ inevitably leads to a completely new definition of professional roles:

  • The author – a screenwriter, playwright, dramaturge, and choreographer in one
  • The director – who must master both theater and show, dance, gaming, and film direction
  • The set designer – who should also be a film director, art director, scenographer, and motion graphics artist
  • The projection artist and lighting designer – whose different areas of work merge with those of the Liquid-Stage-Designer

As a result of the Liquid-Staging aesthetic, the scope and methodology of tasks in costume design, music/sound composition and production, prop development and production, etc. are also changing.

Liquid Staging also represents a new challenge for all the involved technical professions.

The „Liquid Stage Design“ implies a new philosophy for shows and events.

Asteris Kutulas, 2010/2016

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Liquid Staging, Asteris Kutulas

In its issue 5/2021, PMA – The Reportage Magazine for the Event Industry, published my „Liquid Staging“ concept for the first time in Germany, as the cover story. My heartfelt thanks to Ray Finkenberger-Lewin, Lisa Schaft, Ralph Larmann, and the PMA Magazine.

Acknowledgments

But the #liquidstaging aesthetic would never have developed as far as it did without the input of Ina Kutulas, Achilleas Gatsopoulos, Gerd Helinski, Alexander Strizhak, Ross Ashton, Michalis Argyrou, James Chressanthis, Alto Metzger & the PRG: Germany team, Lars Krückeberg and the Graft Architects, the PIXOMONDO creatives, and the BLACKSPACE team. My thanks also go to Apassionata World GmbH for their support from 2015 to 2017. And of course to the master & light architect Gert Hof.

Thanks also for the publication of the Greek version of the Liquid Staging Manifesto in the magazine HARTIS and for its translation & introduction text by Paris Konstantinidis.

Finally, my thanks go to Thorsten Schaumann and the International Hofer Filmtage for the world premiere of our Liquid Staging installation Electra 21 and the awarding of the Hans-Vogt-Filmpreis.

Asteris Kutulas, November 2021

Medea 21

MEDEA 211 Soundtrack. 4 Filme auf 4 Screens gleichzeitig.
Die Zuschauer mittendrin.
Polydimensionales Sehen als neues Show-Format.
Ein immersives „Kino 2.0“ Erlebnis für das 21. Jahrhundert.

Mikis Theodorakis, Asteris Kutulas

Eine Liquid Staging Installation von Asteris Kutulas
zu einem Soundtrack von Mikis Theodorakis

MEDEA 21
Verlust von Heimat und Identität.
Liebe, Eifersucht, Mord. Die Mutter tötet ihre Kinder.
Verstörende Schönheit.
Keine Zukunfts-Perspektive. Rebellierende Jugendliche.

Medea 21 by Asteris Kutulas

MEDEA 21 (Synopsis)
Out of love for Jason, Medea betrays her family, slays her brother, and flees her homeland. She and Jason soon have two sons, but Jason does not marry Medea, who is a stranger in his country. He takes as his wife Glauke, the daughter of the king. Medea kills Glauke and the king in revenge, and then she kills her two sons to make Jason suffer forever eternally.

Aus Liebe zu Jason verrät Medea ihre Familie, erschlägt ihren Bruder und flieht aus der Heimat. Sie und Jason haben bald zwei Söhne, aber Jason heiratet nicht Medea, die in seinem Land eine Fremde ist. Er nimmt Glauke zur Frau, die Tochter des Königs. Medea tötet aus Rache Glauke und den König, und dann tötet sie ihre beiden Söhne, um Jason auf ewig leiden zu lassen.
Medea – ein zeitloser Thriller, neu erzählt in vier parallellaufenden Filmen, alle vier absolut synchron zur Soundtrack-Musik von Mikis Theodorakis.

Film 1: Liebe, Eifersucht, Mord. Die Mutter tötet ihre Kinder.
Ein Tanzfilm – die Aufführung des MEDEA-Balletts von Renato Zanella im „Apollo“-Theater in Hermoupolis auf Syros mit der extraordinären Maria Kousouni als Medea. Eine Mischung aus klassischem Ballett und modernem Ausdruckstanz.

Screen 1: Love, jealousy, murder. The mother kills her children.
A dance film – the performance of the MEDEA ballet by Renato Zanella at the „Apollo“ theater in Hermoupolis on Syros with the extraordinary Maria Kousouni as Medea. A mixture of classical ballet and modern expressive dance.

Film 2: Verstörende Schönheit.
Die 15-jährige Bella in einer „heilen Welt“ – wie nicht von dieser Welt –, verstörend idyllisch, verstörend schön. Beinahe unwirklich erscheint sie, eine Fiktion. Keine Fiktion dagegen das Buch, das sie gerade liest, die Worte der 1944 in einem Amsterdamer Hinterhaus-Versteck untergetauchten Anne Frank.

Screen 2: Disturbing beauty.
15-year-old Bella in an „ideal world“ – as if not of this world – disturbingly idyllic, disturbingly beautiful. It seems almost unreal, a fiction. Not a fiction, however, is the book she is reading, the words of Anne Frank, who went into hiding in a backhouse in Amsterdam in 1944.

Film 3: Energie und Freiheit des Schöpferischen.
Der Dokfilm zum Tanzfilm – die spannenden Proben für die Ballett-Aufführung mit den Tänzern und dem Choreografen Renato Zanella.

Screen 3: Energy and freedom of the creative.
Making-of for the dance film – the exciting rehearsals for the ballet performance with the dancers and the choreographer Renato Zanella.

Film 4: Keine Zukunfts-Perspektive. Rebellierende Jugendliche.
Die Jugendaufstände zwischen 2010 und 2014 in Griechenland als Sinnbild des Widerstands der jungen Generation gegen eine gewalttätige und menschenverachtende Gesellschaft. Mittendrin in diesen Aufständen auch der über achtzigjährige Komponist Mikis Theodorakis.
Jugendliche, voller Wut und Verzweiflung. Gestalten aus einer anderen, trostlosen und traumatischen Welt, die sich der Alltagsrealität bemächtigt hat.

Screen 4: No future perspective.
Rebellious youth. The youth uprisings between 2010 and 2014 in Greece as a symbol of the resistance of the young generation against a violent and inhuman policy. The composer Mikis Theodorakis, who is over eighty years old, is also in the midst of these uprisings. Young people, full of rage and despair. Figures from another, bleak and traumatic world that have taken over everyday reality.

Mikis Theodorakis, Renato Zanella, Asteris Kutulas

Director’s Statement
Die Präsentation der Liquid-Staging-Werke 2022 bei den 56. Hofer Filmtagen bietet einen Ansatz, über „Kino 2.0“ sowohl in der realen Welt als auch im Metaversum nachzudenken. MEDEA 21, ELECTRA 21 und das SATELLITE CLIPS PROJECT – hier ist der Wechsel hin zum polydimensionalen Sehen vollzogen, das in der hybriden Lebenswelt der jüngeren „postmodernen“ Generationen längst stattfindet.
Medea, Jason, Bella und Anne Frank, der Komponist Theodorakis, die Tänzer, die rebellierenden vermummten Jugendlichen, vorrückende vermummte Polizisten, der Choreograph Renato Zanella – sie alle sind die Akteure, freiwillige und unfreiwillige, in dieser komplexen, zeitübergreifenden Tragödie „Medea“.
Theodorakis‘ dramatische Musik, die packend elementare Choreografie von Renato Zanella, die fulminante Tanzkunst von Maria Kousouni und Sofia Pintzou, die kinematografische Meisterschaft von James Chressanthis und Mike Geranios sowie der künstlerische Input aller an diesem Projekt beteiligten Künstler machen aus unserer Liquid-Staging-Produktionen ELECTRA 21 und MEDEA 21 innovative und hochemotionale Werke.
Asteris Kutulas, Oktober 2022

Medea 21 by Asteris Kutulas

Composer’s Statement
zum Medea-Projekt von Asteris Kutulas aus Anlass der Fertigstellung der ersten Filmfassung 2014 (Recycling Medea)
Das tragische Element in der Musik hat mich von Anfang an stärker in seinen Bann gezogen als jedes andere. Zweifellos entspricht es meinem Charakter. Es war also nur zu natürlich, dass ich mich dem antiken Drama zugewendet habe, zuerst als ein Liebhaber dieser Kunstgattung, dann als Komponist. Ich begann, Theater- und Filmmusik zu antiken Tragödien zu schreiben, um letztendlich zur Lyrischen Tragödie, also zu meinen Opern, zu kommen.
Renato Zanella entdeckte für sich die Musik meiner Lyrischen Tragödie “Medea”, und sie wurde die Basis seiner gleichnamigen Ballett-Choreografie. Und dann kommt Asteris Kutulas und erschafft ein neues Kunstwerk, das sich seinerseits auf alles soeben von mir Genannte stützt. Aber er filmt das Ballett nicht einfach ab, sondern er kreiert etwas vollkommen Neues und verleiht dem Ganzen dadurch eine zutiefst gesellschaftliche und politische Dimension.

Ich denke, wir haben es hier mit einem wahren Kunstwerk zu tun, das dazu auffordert, Verantwortung zu übernehmen. Ein Werk, das zugleich eine Hymne ist für den Kampf der Menschen und Völker für deren Unabhängigkeit und Freiheit.
Mikis Theodorakis

Medea 21 by Asteris Kutulas

Music Credits
„Medea“ (Opera in two acts, dedicated to Giuseppe Verdi)
Composed by Mikis Theodorakis | Text by Euripides
Published by Schott Music | CD Published on WERGO
Recorded digitally at the Capella Concert Hall St. Petersburg by Gerhard Tsess and Alexandros Karozas | Music Edited by Mikis Theodorakis and Alexandros Karozas
Emilia Titarenko (Medea) | Nikolai Ostrofsky (Jason) | Peter Migounov (Aegeus) | Wladimir Feljaer (Creon) | Irina Liogkaja (Nurse) | Eugeni Witshnewski (Messenger) | Daria Rybakova (Coryphaea) | Juri Worobiow (Paedagogus)
St. Petersburg State Academic Capella Orchestra & Choir
Conducted by Mikis Theodorakis

Ballet Credits
Choreography by Renato Zanella
Maria Kousouni as Medea | Danilo Zeka as Jason | Franziska Hollinek-Wallner as Glauce | Eno Peci as Aegeus | Sofia Pintzou as Coryphaea | Nicky Vanoppen as Creon
Lighting Design by Vinicio Cheli | Assistant Choreographer by Alessandra Pasquali | Chorus Choreographer Angeliki Sigourou | Musical Assistant Jiri Novak
Akropoditi Dance Theater | Anna Vaptisma, Pigi Lobotesi, Maria Mavri, Filia Milidaki, Anna Ouzounidou, Eleni Pagkalia, Nadia Palaiologou, Adamantia Papandreou, Vivi Sklia, Georgia Stamatopoulou, Antigone Choundri
Ballet performances filmed at the „Apollo“ Theater of Hermoupolis (Syros)
International Festival of the Aegean | Presented by MidAmerica Productions of New York and the Municipality of Syros-Hermoupolis | General & Artistic Director Peter Tiboris | Festival Production Coordinator Dimitris Yolassis | Stage Manager Lena Chatzigrigoriou

Medea 21 by Asteris Kutulas

Film Installation Credits
Featuring Maria Kousouni & Bella Oelmann
Music by Mikis Theodorakis
Choreography by Renato Zanella
Cinematography by Mike Geranios
Edited by Babette Rosenbaum & Asteris Kutulas
Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas
Art Direction by Achilleas Gatsopoulos
Scenography & Production by Georgios Kolios
Executive Producers Brigit Mulders & Christopher Kikis
Co-Produced by Schott Music, Klaus Salge & Rafaela Wilde
Written & Produced by Asteris & Ina Kutulas
Created & Directed by Asteris Kutulas

Featuring Bella Oelmann
Special guest André Hennicke
Nicolaus Kausch, Kat Voltage, Rosa Merino Claros, Inka Neumann, Marie-Sophie Brugsch, Michelle Pais, Lois Christmann, Lara Schlesinger, Victor Kausch, Benedict Fritsche, Alexander von Jost, Alessandra Oelmann, Tatjana Schenk, Stella Kalafati, Cyra and Kyra
Casting Director & Assistant Film Director Marcia Tzivara
Sound Recording by Klaus Salge
Sound Editing by Sebo Lilge
Graphic Design by Frank Wonneberg
Text Design by Tino Deus
Colorist Antonia Gogin
Online Editor Neil Reynolds
Assistant Online Editor Felix Bester
Gaffer Vassilis Dimitriadis
Make Up Artist Saretta Rosa
Production coordination in Greece by Dimitris Koutoulas
Additional Photography by
Stefanos Vidalis, VROST, Lefteris Eleftheriadis, Ioannis Myronidis, Vasilis Nousis, Zafeiris Haitidis, James Chressanthis (ASC)
Second camera (ballet) & additional photography by Asteris Kutulas
Textes & Artistic Consultancy by Ina Kutulas

Special thanks to Strecker Stiftung, Internationale Hofer Filmtage, Rafaela Wilde, Dimitris Koutoulas, Dr. Tim Dowdall, Rena Parmenidou, Margarita Theodorakis, George Theodorakis, Thorsten Schaumann, Nana Trandou, Nikos Vlachakis, Jan Perray and many others

With the kind support of Peter Hanser-Strecker, Angelika Oelmann, Andreas Rothenaicher, John Hansen, Florian Staerk, Katrin Zillinger and Optix Berlin GmbH
Anita & Uwe Förster, Mousse T., Peter Tiboris, Alexandros Tsoupras, Tino Deus, Katharina Krist, Daniel Höferlin & The Asphalt Club Berlin Team

Many thanks to Nina Hof, Guy Wagner, Peter Zacher, Alexander Koutoulas, Barbara Eldridge, Ingo Rehnert, Janek Siegele, Jessica Schmidt, Silke Spalony, Christopher Wohlers, Marcus Lenz, Frauke Sandig, Eric Black, Rainer Schulz, Nicolaus Kausch, Marie-Sophie Brugsch, Michelle Pais, Lois Christmann, Lara Schlesinger, Victor Kausch, Benedict Fritsche, Alexander von Jost, Alessandra Oelmann, Fotis Geranios, Velissarios Kossivakis, Eva Kekou, Michalis Adam, Wassilis Aswestopoulos, Tzeni Foundoulaki, Alexandros Karamalikis, Stefanos Kyriakopoulos, Nikos Tzimas, Caroline Auret, James Chressanthis

Satellite Clips Project (Part I)

Eine Liquid Staging Bewegtbild-Ausstellung
Part I von Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos

Das SATELLITE CLIPS PROJECT (Part I) verbindet auf innovative und spezifische Weise bildende Kunst und Film miteinander. Es zeigt modellhaft, wie man durch einen dramaturgischen Ansatz (Liquid Staging) aus einer Reihe von Video-Clips und grafischen Kunstwerken, die zu Film-Grafiken wurden, ein immersives Show-Format entwickeln kann. Wie bei den Projekten MEDEA 21 und ELECTRA 21 wird auch mit dem SATELLITE CLIPS PROJECT ein Schritt hin zum polydimensionalen Sehen, zum Kino 2.0 vollzogen.

SATELLITE CLIPS PROJECT
Musik von Mikis Theodorakis
+ 10 Videoclips von Asteris Kutulas & Co.
+ 10 Digitalgrafiken von Achilleas Gatsopoulos
+ Liquid Staging Show-Format

SOUNDTRACK | Die Musik aller Videoclips stammt von Mikis Theodorakis, hier vorwiegend in diversen Interpretationen und Arrangements junger MusikerInnen (u.a. als Ethno-, Jazz-, Rock-, Klassik- und Electro-Version). 

+ VIDEO CLIPS | Die 10 Satellite Clips entstanden als Zusammenarbeit von etwa 20 KünstlerInnen aus sechs Nationen. Die vor allem Jüngeren unter ihnen (Grafiker, Musiker, Filmemacher, Modedesigner, Kostümbildner, Tänzer, Maler, Choreografen, Autoren, Videokünstler, DJs, Schauspieler, Regisseure, Sänger, Komponisten) haben bei der Gestaltung vieler der Video-Clips ihre eigene Ästhetik eingebracht. Zusammengehalten wird das Ganze durch den gesamtkünstlerischen Ansatz des Berliner Konzept-Künstlers und Filmemachers Asteris Kutulas. 

+ FILM-GRAFIKEN | Die auf den Leinwänden 2/3/4 gezeigten 10 x 3 Film-Grafiken von Achilleas Gatsopoulos sind bearbeitete Still-Frames aus dem Filmmaterial der SATELLITE CLIPS. Achilleas Gatsopoulos hat die zehn Grafiken gestaltet, anschließend digitalisiert und filmkünstlerisch umgesetzt.

+ LIQUID STAGING | Beim Satellite Clips Projekt laufen auf dem Hauptscreen (Leinwand 1) nacheinander 10 Videoclips (die Satellite Clips) und auf den anderen 3 Screens (Leinwände 2/3/4) filmische Umsetzungen von 10 grafischen Werken, wobei die Gestaltung des jeweiligen grafischen Werks von Screen zu Screen variiert. 10 Satellite Clips + 10 x 3 filmgrafische Umsetzungen ergeben 40 Clips. Die Länge der Clips variiert zwischen 30 Sekunden und 3 Minuten. Die Gesamtlänge des Satellite Clips Project Part I beträgt ca. 13 Minuten.

4 Filme auf 4 Screens gleichzeitig. Die Zuschauer mittendrin.

Satellite Clips Project by Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos
Still Frame Collage © by Achilleas Gatsopoulos

Satellite Clips Project – Das Konzept
Das ungenutzte Musik- und Filmmaterial

Der in Berlin lebende Autor, Produzent und Konzept-Künstler Asteris Kutulas entwickelte die Idee zu den Satellite Clips (2014-2022), als er zusammen mit Ina Kutulas 2014 das Drehbuch zum Film „DANCE FIGHT LOVE DIE – With Mikis on the Road“ schrieb, der 2017 bei den Hofer Filmtagen Weltpremiere hatte.

Basis für die Satellite Clips war das für DFLD nicht genutzte Filmmaterial von ca. 600 Stunden aus 30 Jahren sowie das Fiction- und Making-of-Material, das während der Shootings mit den SchauspielerInnen und den jungen MusikerInnen zwischen 2014 und 2018 entstand. 

So wurden aus dem für den Hauptfilm DANCE FIGHT LOVE DIE nicht genutzten Material bislang über 30 Satellite Clips produziert, die um den „DFLD-Mutterfilm-Planeten“ kreisen. 

Die Satellite Clips tragen die Namen der an der Entstehung des jeweiligen Clips maßgeblich beteiligten KünstlerInnen bzw. der MitarbeiterInnen des Regisseurs, weshalb die Titel der Clips oft den Namen der Co-Kreateure entsprechen: z.B. „Stella“, „Alexia“, „Cleopatra“, „Sandra“, „Melentini“ etc.

Satellite Clips Project by Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos
Still Frame Collage © by Achilleas Gatsopoulos

Satellite Clips Project – Das historische Filmmaterial
30 Jahre. 40 Länder. 4 Kontinente.
600 Stunden Film. 54.000.000 Frames.

Asteris Kutulas hat den griechischen Komponisten Mikis Theodorakis zwischen 1987 und 2021 sehr häufig besucht, er begleitete ihn regelmäßig auf Tourneen und ließ dabei seine Videokamera laufen. 

Kutulas filmte Theodorakis bei Konzerten, während diverser Proben mit Orchestern, Solisten, Chören, Bands, on Stage und Backstage, bei CD-Aufnahmen in Studios, bei Opern- und Ballett-Produktionen, in Hotellobbys und auf Hotelzimmern, in Bussen und Lokalen, meist in mehreren Städten nacheinander, aber auch bei einzelnen Veranstaltungen, auf Ausflügen und während privater Treffen. 

Das in all diesen Situationen aufgezeichnete Material bildet einen umfangreichen Fundus von etwa 600 Stunden. Aufgenommen wurde es in Berlin, Athen, St. Petersburg, Verona, Santiago de Chile, Sydney, Tel Aviv, Budapest, Wien, Kopenhagen, Malmö, Pretoria, Çeşme, Amsterdam, Montreal, London, Brüssel, Luxemburg, Barcelona, Zürich, Oslo, Paris, Jerusalem, auf den griechischen Inseln Chios, Kreta und Syros und und und …

Satellite Clips Project by Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos
Poster artwork by Achilleas Gatsopoulos

ASTI MUSIC & HYPNAGOGIA
present an Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos production with the music of Mikis Theodorakis

A Liquid Staging Installation film art exhibition of four movies
by Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos
with Mikis Theodorakis, Air Cushion Finish, Alexia, Rosa Merino Claros, Stella Kalafati, Maria Kousouni, Johanna Krumin, Ilze Liepa, Melentini, Eltion Merja, Sofia Pintzou, Henning Schmiedt, Jocelyn B. Smith, Renato Zanella a.o.

Artistic Consultancy by Ina Kutulas
Edited by Cleopatra Dimitriou, Achilleas Gatsopoulos, Antonia Gogin, Stella Kalafati, Asteris Kutulas
Filmed by Achilleas Gatsopoulos, Mike Geranios, Stella Kalafati, Asteris Kutulas
Scenography & Production by Georgios Kolios
Art Direction by Achilleas Gatsopoulos
Music Editing & Mastering by Alexandros Karozas
Co-Produced by Schott Music

Music by Mikis Theodorakis
Directed by Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos
Created by Asteris Kutulas

World Premiere at the Hof International Film Festival 2022

Achilleas Gatsopoulos (www.hypnagogia.com)
Coming from a Fine Arts background, Greek born Achilleas Gatsopoulos moved to the UK to study VFX and Production Design for Film, finishing with distinction in both degrees.
Achilleas worked in the Art Department of films such as the upcoming Knives Out 2, The Lost Daughter, Harry Potter III, Charlie and the Chocolate Factory, Two Faces of January etc while simultaneously creating stage and motion design for big events in London and Germany. Clients include Mercedes Benz, Volkswagen, Stolichnaya, Vodafone, Warner Bros, Dom Perignon and Absolut.
Achilleas has been directing videos since 2002 for artists such as Pet Shop Boys, James Blunt, Solomun, Steven Wilson, FAUN, Erick Morillo & SKIN (Skunk Anansie) to name a few. His work has also been screened & awarded at international film festivals.

Über das neue Sehen … und „Kino 2.0“ – im Gespräch mit Thorsten Schaumann

DANCE FIGHT LOVE DIE, Gert Hof, ELECTRA 21 und das „Neue Sehen“

Ein Gespräch von Thorsten Schaumann (Künstlerische Leitung Internationale Hofer Filmtage) und Asteris Kutulas (Autor, Filmemacher und Produzent)

Thorsten Schaumann: Asteris, dir wurde bei den 55. Internationalen Hofer Filmtagen der Hans-Vogt-Filmpreis verliehen. Hans Vogt war entscheidend an der Erfindung des Tonfilms beteiligt und sorgte damit für eine absolut neue Ära nicht nur in der Geschichte des Kinos. Er kam aus Rehau bei Hof und war einer der treibenden Entdecker, die diese Gegend geprägt haben. Damit dieser Mann geehrt wird, vergeben wir gemeinsam mit der Stadt Rehau den Hans-Vogt-Filmpreis an Filmschaffende, die innovativ und sorgfältig im Ausdruck und Qualität ihres Filmtones arbeiten. 2021 hast Du diesen wichtigen Preis, unter anderem für dein Liquid-Staging-Projekt ELECTRA 21 bekommen. Die Musik, die bei ELECTRA 21 zu hören ist, stammt von der Komponisten-Legende Mikis Theodorakis.

Bereits vor vier Jahren, 2017, konnten wir hier bei den Internationalen Hofer Filmtagen die Weltpremiere deines Films „DANCE FIGHT LOVE DIE – With Mikis on the Road“ feiern. Mikis Theodorakis ist eine unglaubliche Persönlichkeit, die ich durch deinen Film noch mal neu für mich entdeckt habe. Wie bist du auf dieses sehr spannende Konzept von DANCE FIGHT LOVE DIE gekommen?

Asteris Kutulas: Ich habe drei Jahrzehnte lang mit verschiedenen Amateur-Kameras – ohne jemals an eine Filmproduktion zu denken – sehr viele Situationen mit Mikis auf Reisen, während der Konzerte, während seiner Bühnenauftritte, viele Augenblicke hinter der Bühne etc. auf allen Kontinenten als Video-Tagebuch festgehalten. Insgesamt rund 600 Stunden in etwa 30 Jahren. 

Ina Kutulas, meine Ko-Autorin und Ko-Produzentin, hat mich 2015 mehrfach gedrängt, daraus einen Film zu machen. Hier mussten zwei Dinge zusammengebracht werden. Es ging um den riesigen vielfältigen, musikalischen Kosmos von Theodorakis, den er als die Persönlichkeit mit einem so bewegten, dramatischen Leben in die Welt trug. Mikis suchte den Dialog mit dem Publikum, das gemeinsame Erleben, eine Art von Zusammensein beim Hören der Sinfonien, der Opern, beim Singen während der Konzerte. Mich begeisterte schließlich die Idee, diese Energie durch einen Film miterlebbar zu machen. Und sah mich zugleich vor die Herausforderung gestellt, eine Struktur dafür zu entwickeln. Als ich dafür die Lösung gefunden hatte, konnte der Film gemacht werden. 

Ich habe dann später auch einige fiktionale Szenen gedreht, mit Sandra von Ruffin und Stathis Papadopoulos als Hauptdarsteller. Für mich und Ina gehörte das unbedingt dazu, denn in Theodorakis‘ Autobiografie z.B. tauchen immer wieder Passagen voller Fantastik auf. Grotesk, bizarr, dramatisch, schräg, kurios. Alles zusammen ergab schließlich 60 Stories auf 60 verschiedene Musiken in 87 Minuten. Für mich war das „die Geburt des Films aus dem Geiste der Musik“. 

Thorsten Schaumann: Ihr habt mit Mikis Theodorakis zahlreiche verschiedene Produktionen realisiert, Konzerte, Filme, Opern und auch Ballette. Das konnte man sehr gut in DANCE FIGHT LOVE DIE miterleben, wo Tanz eine große Rolle, wie schon aus dem Titel zu erfahren ist. Das künstlerische Material wiederum für dein Projekt ELECTRA 21, das 2021 bei den Hofer Filmtagen Weltpremiere hatte, kommt größtenteils von einer ELECTRA-Ballettaufführung. Du hast dich offenbar sehr viel mit der Verschmelzung von Tanz und Film beschäftigt.

Asteris Kutulas: Ich war in unterschiedlicher Funktion bei vielen Ballett-Produktionen von Mikis Theodorakis dabei, beim „Zorbas“ in der Arena di Verona, im australischen Perth bei der Weltpremiere des „Axion Esti“-Balletts, bei der Tanz-Version des „Canto General“ in Berlin, an der Moskauer Bolschoi-Oper bei einer Zusammenarbeit mit Vladimir Vassiliev und Ilse Liepa – und dann natürlich ab 2011, bei meiner Zusammenarbeit mit Renato Zanella …

Thorsten Schaumann: … dem italienischen Choreografen …

Asteris Kutulas: … ja, Renato Zanella gehört zu den bekanntesten Choreografen in Europa. Er hat 2011 das „Medea“-Ballett choreografiert, und das habe ich aufgenommen und meinen ersten „Ballett-Film“ RECYCLING MEDEA realisiert, der im Oktober 2022 in die deutschen Kinos kommt. 

Electra, Medea, Antigone. Geplant ist eine Film-Tetralogie, zu der RECYCLING MEDEA, ELECTRA’S REVENGE und LOST ANTIGONE gehören, sowie – als cineastisches „Satyrspiel“ nach antikem Vorbild – DANCE FIGHT LOVE DIE. Man hat bereits im antiken Griechenland das „Serien“-Prinzip gehabt: An einem Tag wurden hintereinander drei Tragödien und eine Komödie gespielt. Da in den drei Tragödien gemordet und geschändet wurde, vergleichbar mit den heutigen Horror-Thrillern, zeigte man abschließend eine Polit-Komödie, damit die Zuschauer „entspannt“ nach Hause gehen und schlafen konnten …

Thorsten Schaumann: Und du bist von einem Film-Projekt, also von ELECTRA’S REVENGE, auf diese innovative Kino-Installation ELECTRA 21 gekommen. Wie war das?

Asteris Kutulas: Ich habe 2018 mit James Chressanthis als DOP die Ballettaufführung „Electra“ in der Choreografie von Renato Zanella auf Syros gefilmt. Eigentlich wollten wir Ende 2021 den Film ELECTRA’S REVENGE als zweiten Teil der Tetralogie fertigstellen. Als ich aber im Juli 2021 den 96jährigen Mikis Theodorakis in Athen besuchte, ging es ihm gesundheitlich so schlecht, dass ich spontan beschloss, ihm noch ein „letztes Geschenk“ als Künstler zu machen, das zukunftsgerichtet sein sollte. 

Innerhalb von drei Tagen entwickelte ich ELECTRA 21, wobei ich das Electra-Filmmaterial mit meinem Liquid-Staging-Konzept verschmolz: Vier Filme spielen gleichzeitig auf vier verschiedenen Leinwänden, absolut synchron zum Electra-Soundtrack. 

Ich stellte Mikis dieses Konzept vor. Er bat mich, ihm am nächsten Tag meine Musikauswahl zu erläutern, denn aus dem musikalischen Material der 2,5-stündigen Oper hatte ich ja „nur“ eine Stunde Musik ausgewählt – ELECTRA 21 hat eine Dauer von 63 Minuten. Nachdem sich Mikis meinen Soundtrack angehört hatte, wollte er ganz genau wissen, warum ich wo welche Schnitte gemacht hatte, warum ich welchen Teil aus der Opernmusik ausgewählt hatte und wie ich das Material dann einsetzen wollte. Er wollte eine genaue Vorstellung davon bekommen. Als er sich vergewissert hatte, dass meiner Vision für dieses Film-Raum-Projekt ein ganz klares Konzept zugrunde lag, gab er mir dafür grünes Licht, nicht, ohne sich vorher im Detail auch darüber zu informieren, wie ich die vier gleichzeitig laufenden Filme gestalten wollte und wie das Ganze aussehen sollte. Mikis war wahrhaftig ein KÜNSTLER, bis zum letzten Augenblick. Er war bei unseren letzten Treffen Ende Juli 2021 schon sehr schwach und trotzdem total neugierig zu erfahren, was künstlerisch entstehen würde. Er starb sechs Wochen später, am 2. September.

Thorsten Schaumann: Das ist eine unfassbare und sehr berührende Geschichte … 

So stand das filmische Konzept: „Electra“, das Ballett mit der Musik von Mikis Theodorakis und in der Choreografie von Renato Zanella, gefilmt 2018. Dann hast du daraus 2021 eine Liquid-Staging-Produktion gemacht. Man könnte von einer „fließenden Bühne“ sprechen: vier Kino-Leinwände, die locker an verschiedenen Stellen im Raum drapiert sind, vier Leinwände, die das Publikum, das im Raum ist, umgeben, so dass das Publikum vier verschiedene Filme gleichzeitig erlebt …

Asteris Kutulas: So ist es. Du kannst dich, wenn du willst, auch auf nur einen Film konzentrieren, wobei jeder der vier Filme absolut synchron zum selben Soundtrack ist. Du entscheidest dich als Zuschauer jeden Augenblick, welchen „Film“ du siehst, je nachdem wie du dich bewegst, den Kopf drehst, was du vom Ganzen erfassen willst, erfassen kannst. Das Partizipationslevel ist dadurch sehr hoch, weil du jede Sekunde deinen eigenen „Schnitt“ machen kannst. Am Schluss hat kein Zuschauer dasselbe gesehen, was ich sehr spannend finde.

Thorsten Schaumann: Du hast bei deiner Liquid-Staging-Masterclass im Oktober 2021 in Hof gesagt, dass du das „eindimensionale Sehen“ durch ein „polydimensionales Sehen“ ablösen willst.

Asteris Kutulas: Das „eindimensionale Sehen“ – also, dass man sich hinsetzt und nach vorn auf eine Handlung schaut –, dieses Zuschauen, wie es das seit der Antike gibt und das sich seit dem 18./19. Jahrhundert etablierte, hat meiner Meinung nach kaum noch etwas mit den Seh- und Lebensgewohnheiten der postmodernen Generationen zu tun. In zwei, drei Jahren wird sich durch die Mixed-Reality-Brillen und durch neue virtuelle Produktionen ohnehin ein ganz anderes „Sehen“ herausbilden. Außerdem kommt es zu einer totalen Verschmelzung von Live-Erlebnis und digitaler Welt, was sich z.B. für die Generation Alpha in ihrem TikTok-Universum bereits tagtäglich abspielt.

Thorsten Schaumann: Was passiert dann mit den traditionellen Entertainment-Formaten, was passiert mit dem Kino?

Asteris Kutulas: Theater, Oper, Kino, Konzert etc., also all diese traditionellen Live-Formate, die wird es weiterhin geben. Aber mit der Zeit werden sie immer „musealer“ und „nischiger“, was nichts Schlechtes ist, sondern schlicht der Lauf der Zeit. Jede Epoche bringt nun mal ihre eigenen Formate hervor. 

Mit meinem Liquid-Staging-Konzept – wobei ELECTRA 21 ein spontanes „Nebenprodukt“ darstellt – mache ich ein Angebot für polydimensionales Sehen als Alternative zum bislang herrschenden eindimensionalen Sehen. Zugleich könnte es ein Konzept für das „Kino 2.0“ sein.

Thorsten Schaumann: ELECTRA 21 war für mich eine sehr spannende und neue Erfahrung. Ich stehe in einem Raum, umgeben von diesen vier Leinwänden. Die Musik setzt ein. Schon die ist was Besonderes. Du fragst dich sofort: Was ist das für Musik? Dann muss man sich umschauen: Wo sitze ich denn gerade? Viele verschiedene Eindrücke prasseln auf dich ein. Du versuchst erstmal zu sortieren: Wo läuft welcher Film? Beziehungsweise: Welcher „Film“ läuft insgesamt ab? Schon das ist packend. Und in gewisser Weise auch sehr lustig. Dann drehst du dich weiter herum. Wer ist hinter mir, wer ist vor mir … Lara, Christian, Asteris … Ich schau von einem Film zum anderen. Dann entscheidet man sich manchmal länger für eine Leinwand, um dann wieder hin und her zu switchen. 

Es ist auf alle Fälle ein neues Erlebnis, sehr fordernd und zugleich sehr mitreißend. Etwas, das in Erinnerung bleibt … Für mich haben sich viele Eindrücke nach der Vorführung sortiert, da man nicht auf alle vier Leinwände gleichzeitig schauen kann.

Asteris Kutulas: Nein, das geht nicht. Das muss man auch nicht … Man kann sich einfach „fallen lassen“ in diesen „Raum“ und genießen, sich dem hingeben. Man kann aber auch aktiv werden und sich sagen: Ich experimentiere jetzt, wo ich diese Möglichkeit habe, ich schaue hin und her, mal sehen, was mit mir passiert … So entsteht eine lebhafte Collage im Kopf oder Chaos oder eine strenge Struktur. Vielleicht erlebt man Überraschungen. Du bist umzingelt von Filmen, die alle zu einer Musik passen und thematisch stringent sind … 

Thorsten Schaumann: Die fünfte Ebene, die der Musik, ist sehr wichtig. Hinzu kommt der Raum, das Raumempfinden: Wer sitzt neben mir? Wo passiert gerade was? Ich liebe solche Sachen und bin sehr glücklich, dass wir hier in Hof die Weltpremiere feiern durften! Wir haben viele begeisterte Reaktionen gehabt. Das ist das Wichtigste, denn diese Installation ist fürs Publikum gemacht, ein Angebot an das Publikum.

Asteris Kutulas: Ja, es ist ein Angebot an das Publikum. Und nur eine Möglichkeit, wie man das Liquid-Staging-Konzept anwenden kann. ELECTRA 21 ist ganz spontan entstanden, weil ich, wie schon erwähnt, Mikis ein Geschenk machen wollte, das er noch erleben sollte. Er hatte mir zwar bereits im Juli schon gesagt: „Wenn du im September wiederkommst, werde ich nicht mehr da sein“, aber ich hatte gehofft, dass wir es vielleicht noch schaffen und ihm das Werk präsentieren könnten. 

Thorsten Schaumann: Wie bist du eigentlich auf dieses neue Liquid-Staging-Show-Format gekommen?

Asteris Kutulas: Ich habe zusammen mit dem Künstler Gert Hof – angefangen mit dem Millennium-Event in Berlin – zwischen 1999 bis 2010 weltweit über 40 große Produktionen gemacht. 1999 haben wir die Outdoor-Lichtshow erfunden und waren dadurch gewissermaßen zu Pionieren einer neuen Art von Events geworden. Vor 1999 gab es das nicht, weil nichtmal die Hardware dafür existierte.

Thorsten Schaumann: Wer war Gert Hof, fast schon ein richtungsweisender Nachname für den Ort der Weltpremiere Deines Projektes …?

Asteris Kutulas: Gert Hof kam vom Brecht-Theater und hatte sich intensiv mit dem Medium Licht und mit Musik beschäftigt, u.a. inszenierte er viele Rammstein-Shows. 

Gert hatte 1998 die Vision, die Konzert- und Theaterbühne zu verlassen und Lichtarchitektur am Himmel zu machen, um Hunderttausende Menschen mit „Art in Heaven“ zu entertainen. Genau das taten wir. Ich war Gerts Partner und Produzent. Gert starb 2012 an Krebs.

Ich beschäftigte mich also zwölf Jahre lang mit den visuellen Medien des Entertainments, mit Pyro-Kunst, Video-Content, Nebel-Ästhetik, Laser, Licht, Aerials, Projektionen etc. In dieser Zeit habe ich sehr viel gelernt und mit großartigen Künstlern zusammengearbeitet wie z.B. mit dem Projektionskünstler Ross Ashton aus London.

Dann war ich bis 2019 zehn Jahre lang bei der Pferdshow „Apassionata“, zuerst Executive Producer und dann Dramaturg, was eine ganz andere Schule bedeutete. 

Ich habe versucht, angeregt durch all diese Erfahrungen, die Welt der „Hochkultur“ mit der Welt des „Show-Entertainments“ zusammenzuführen. Daraus resultierte für mich permanent die Frage nach neuen Showformaten fürs 21. Jahrhundert. Und so entwickelte ich vor etwa 10 Jahren mein Liquid Staging Konzept. Das beinhaltet für mich auch ein räumliches Produzieren für ein räumliches Sehen. Für mich war das immer – und zwar bis heute – auch ein Prozess der Forschung.

Thorsten Schaumann: Stillstand ist das Ende. Natürlich soll man auch innehalten, um sich bewusst zu werden: Was mache ich gerade? Wie geht es mir damit? Das ist wichtig, um wieder Kraft zu schöpfen, weiterzugehen und Neues zu vollbringen. Es braucht beides. Das ist unser Prinzip bei den Internationalen Hofer Filmtagen: Wir sind stets bestrebt, neue Dinge auszuprobieren, neue Formate zu entwickeln, technisch neue Wege zu gehen. Darum fand ich dieses Kino-Erlebnis beim Liquid Staging Projekt ELRCTRA 21 so interessant. Es gibt den klassischen Raum und während der Vorführung entscheidet jede Person im Publikum spontan, ob und wann sie ihre Aufmerksamkeit auf welchen der vier Screens richtet. Die Änderung des Blickwinkels kann beliebig oft erfolgen. Somit sieht niemand im Publikum den gleichen Film. Das ist eine neue Art des „Sehens“, eine neue Art von „Kino“.

Danke Thorsten Schaumann für dieses Gespräch und danke Internationale Hofer Filmtage für die Inspiration und die Unterstützung!

Hans Vogt Preis Asteris Kutulas

The birth of an idea from the spirit of Light – On working with Gert Hof

Working with Gert Hof – The Beginning (1999-2000)

I first met Gert in 1998 at a Mikis Theodorakis project in Berlin.  At the time he seemed both aloof and down to earth, arrogant, an earthy labourer, unfriendly, persuasive, very strict in his ideas, a bit of a prima donna, a genius. 

Gert impressed me with his inimitable talent for analysis and his consistent thought structures.  He turned out to be a control freak, a seismograph for human behavioural patterns.  No matter if it was negotiations with our various partners or the planning of an upcoming event – he taught me to clearly recognise the panoply of human inadequacies, and especially my own.  His persistent and merciless questions on each and every detail, his analytical brain soon revealed the true abilities – and particularly inabilities – of many of our partners.  I hated him for this bluntness and soon got used to being thrown back on myself in my work.  The air in the world we were about to conquer, I soon realised, was very thin indeed. 

Gert Hof Asteris Kutulas Events
Gert Hof (Photo © by Asteris Kutulas)

Spurred on by Gert I made many decisions that would change my later life.  During the first few months of our collaboration I often thought of him as a megalomaniac – until I made his megalomania into my own.  I literally surrendered to the creative potential of his anguished brain and its architectural visions of light.

„Millennium Bells“ in Berlin with Mike Oldfield (Dec 1999)

The invitation to stage the Berlin millennium celebration came out of the blue and at very short notice.  For us the period between September and December 1999 became a baptism of fire, especially on an interpersonal level.  I physically found out that success is married to war, separation and complete exhaustion – and all of this right up to the limits of endurance.  Gert behaved as if he cherished this grey area, as if he meant to take on the whole wide world.  He directed his pent-up anger – most of the time unfairly – at anyone around him and often himself.  But at the same time he managed to inspire complete dedication in everyone working on the event.

Mike Oldfield Asteris Kutulas
Mike Oldfield & Gert Hof (Photo © by Asteris Kutulas)

In Mike Oldfield I found the ideal musician for the project who, after intensive work together with Gert, composed the „Millennium Bell“ – a suitable musical backbone for our mega event.  This was the birth of a new form of art from the spirit of Light. 

Gert Hof Berlin Millennium Asteris Kutulas
Berlin Millennium Event, Victory Column (Photo © by Sabine Wenzel)

The international press named both the Berlin event and our simultaneous New Year’s extravaganza on the Acropolis in Athens as two of the global Top 5 millennial events.

Mike Oldfield, Gert Hof, Asteris Kutulas
Mike Oldfield live in Berlin, New Years Eve 1999/2000

Millennium Event, Berlin, December 31st 1999
Music composed & performed by Mike Oldfield
Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof | Event General Management & Production by Asteris Kutulas | Produced by Achim Perleberg & Egon Banghardt

Acropolis Millennium Event (New Years Eve 2000)

At the same time as the Berlin millennium celebration, our second mega-event was taking place on the Acropolis, Europe’s most important historical edifice.  I had received this commission after many months of negotiations with the Greek Government.  Greece wanted to make a statement both nationally and internationally – in this respect hiring a German director and me as a Greek producer from Berlin was both a courageous and, for those politically responsible, „risky“ decision.  But this wasn’t the only reason why the Acropolis posed a very special challenge for Gert and for me.  We had the greatest respect for what the Parthenon symbolised for European civilisation, we wanted to create something truly special and unique. 

Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Athens Millennium Event, Parthenon at the Acropolis (Photo © Vangelis Scouldatos/AstiMusic)

Gert had „moved“ the Acropolis, showing it in a new light while at the same time paying homage to it.  I remember how, two months before the event, he said to me on the holy hill: „here one has to practice humility.“  For months we were working day and night.  The exertions were about to pay off: during the event the Acropolis was like a giant ship, gliding through a huge, dark Athens and time itself.  Gert’s and my vision – our vision – had become reality.

Acropolis, December 31st 1999
Music composed and conducted by Mikis Theodorakis
Light & Pyro Design Gert Hof | Artistic Direction by Gert Hof & Asteris Kutulas | Produced by Asteris Kutulas for the Greek Ministry of Culture & the Municipality of Athens

Ferropolis – City of Steel (Opening Event, July 2000)

Ferropolis, Gert and Mikis:  The best possible combination.  This city of iron, this tiny island within a huge landscape torn apart by gigantic diggers, perfectly reflected the aesthetic and philosophical background of Mikis Theodorakis and Gert Hof.  On our first visit Gert was absorbed by Ferropolis, it was like an addiction that kept drawing him back to prepare the event.  Here he had found something he had not experienced during the other events: He felt at home.  Rusty monsters of steel, ubiquitous traces of hard human labour, the location’s East German history, an all-pervasive melancholy, the fleeting loneliness – in July 2000 landscape, music and light formed an unrivalled unity.

Ferropolis, July 16th 2000
Music composed and conducted by Mikis Theodorakis
Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof | Produced by Asteris Kutulas for the Expo 2000 Sachsen-Anhalt GmbH & the Government of Sachsen-Anhalt

Ferropolis Gert Hod Asteris Kutulas Spirit of Light
Ferropolis Opening Event, July 2000 (Photo © by Sven Treder)

1000 Years of Hungary Millennium Event (August 2000)

Gert was immediately fascinated by Budapest, the Danube and the Parliament. In early 2000 we flew to Hungary for initial discussions and I noticed how, from day one, Gert began to „see“ images.  I was woken by his call at 2am and soon I was sitting in his hotel room, looking down onto the Chain Bridge and listening to his description of the future event.  In moments like these Gert is lost in another world, until his „longing for prison“ manifests itself again, this dark strife for a soothing yet painful loneliness.  It is in moments like these that I think of something Mikis once said: „Somehow, we were freer in prison than we are now in our bourgeois everyday lives“.  But such moods – hidden, invisible – never alter Gert’s approach, characterized by strict discipline and a resolute rejection of compromise. Even if it seems to be a contradiction in terms: Gert Hof is a hermit who teaches the „art of warfare“.

It turned out to be a long and winding road until the contract was finally signed with the Hungarian government.  Diplomatic snares wherever we turned. The conflicts of interest overwhelming.  We, the „foreigners“, were constantly confronted with distrust, envy and scepticism.  For on the 20th of August 2000 Hungary not only celebrated the turn of the millennium but also 1000 years since the inauguration of their first ever king – a millennium show twice over, in a way.  Gert saw the event as a sign for Hungary’s cultural entry into the European Union, symbolized by a Chain Bridge shrouded in blue neon light – a striking image that went all around the world.

Gert Hof Budapest Asteris Kutulas Spirit of Light
1000 Years Hungary Millennium Event, Budapest, Chain Bridge & Parliament, August 2000 (Photo © by Istvan Oravecz/Asti Music)

Budapest, August 20th 2000
Music by Robert Erdesz
Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof | Event General Management & Production by Asteris Kutulas | Produced by Asteris Kutulas, Happy End Kft. & Art in Heaven GmbH for the Government of Hungary

China Millennium Event (Beijing, Dec 2000)

To us, China was a foreign world, and we were a foreign world to China.  The Chinese experience was that of a „positive nightmare“.  Our Chinese partners had to learn to overcome their yes-to-everything attitude, we our stubborn negativity.  In the Chinese language „no“ does not exist, and most high-level functionaries could not even fathom the idea of refusal.  But China was on the verge of opening up, it wanted to get into the WTO and to stage the Summer Olympics 2008.  Well, it has accomplished both.  Our event was one of those „declarations of openness“.  Our collaboration was therefore similar to an arranged marriage, but I had the impression that the Chinese had to try a lot harder than us – which, in the end, they did, and I think they even did it gladly.

In China Gert suffered because he constantly had to adjust to changing circumstances.  We often had to react quickly to new realities.  It then paid off that Gert had managed to convey this pitiless yearning deep inside himself to his closest employees.  I noticed that they possessed that little bit more than their usual professional motivation which enabled them to master such extreme situations as in China.

China Beijing Millennium Gert Hof Asteris Kutulas Spirit of Light
Beijing Millennium Event, China Millennium Monument, December 1999 (Photo © by Sven Treder)

Klaus Schulze (the former member of Tangerine Dream) wrote the music for our production.  The Chinese delegates accepted the Schulze-Soundtrack without further ado.  This was important to Gert because he kept an eye on his cooperation with the „official China“, but I think he also acknowledged the complete artistic freedom he had been given and considered himself a living proof of the world’s largest country’s will to finally open up.  After the Chinese event I realised that we had accomplished something that no-one had expected to work out and that had only existed in the back of our mind. The birth of an entirely new event format from the spirit of Light.

Beijing, January 1st 2001
Music by Klaus Schulze
Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof
Event General Management & Production by Asteris Kutulas | Produced by Beijing Gehua Cultural Development Co., Beijing Television, Shanghai Eastern Television, Art in Heaven GmbH & Asteris Kutulas for the Chinese Government

Asteris Kutulas

Der Licht-Architekt Gert Hof – Interview mit Asteris Kutulas

Mikis Theodorakis und die DDR – Ein Gespräch mit Asteris Kutulas – von Bart Soethaert

Centrum Modernes Griechenland & Freie Universität Berlin präsentieren: CeMoG-Newsletter vom  17.11.2021

CeMoG-Editorial: Im Gespräch mit Bart Soethaert geht Asteris Kutulas als beteiligter Akteur und Zeitzeuge näher ein auf die Produktions-, Wahrnehmungs- und Rezeptionsbedingungen für die Musik von Theodorakis, insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren in der DDR.

Das Gefühl der Freiheit. Mikis Theodorakis und die DDR: eine Annäherung

Mikis Theodorakis Asteris Kutulas
Mikis Theodorakis, 1981 in der DDR (Photo © by Privatier/Asti Music)

Bart Soethaert: In seinem Nachruf auf Theodorakis für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (02.09.2021) schrieb Gerhard R. Koch, dass dessen Erfolg und anhaltende Wirkung einer „quasi Dreizack-Ästhetik von elaborierter Komposition, aktivem gesellschaftlichem Widerstand und überaus erfolgreicher Popularisierung“ zu verdanken ist. Herr Kutulas, Sie haben als Produzent und Freund über viele Jahre sehr eng mit Theodorakis zusammengearbeitet. In welchem Sinn stellt er für Sie einen „Ausnahmekünstler“ dar?

Asteris Kutulas: Zunächst gilt festzuhalten, dass Mikis Theodorakis ein unglaubliches Talent hatte. Die Musik floss aus ihm als brausender Strom heraus – und das bis 2009, als er seine letzte Komposition „Andalusia“ für Alt und Sinfonieorchester fertigstellte.

Zudem war er ein Energiebündel. Sein umfangreiches Werkschaffen ergab sich aus diesem musikalischen Talent und daraus, dass er ständig arbeitete, ständig komponierte, arrangierte, dirigierte, auf der Bühne stand, bei Aufnahmen in Studios war und so weiter und so fort. Theodorakis wirkte auf mich immer wie ein schöpferisch pulsierender Künstler.

Ein weiteres Element, das sein Wesen ausmachte, war – und das mag anfangs vielleicht banal klingen – dass er alle Menschen bedingungslos liebte, sozusagen mit „Haut und Haar“. Diese positive emotionale Grundeinstellung gegenüber anderen Menschen traf bei Theodorakis mit einer ausgesprochen libertären Gesinnung zusammen. Er war ein Freigeist, ein absoluter Anti-Opportunist, der mit keinen Dogmen – politischen, moralischen, religiösen usw. – zurechtkommen konnte.

Den dritten Aspekt hat, so meine ich, der Künstler Joseph Beuys am besten auf den Punkt gebracht, als er über Theodorakis sagte, dieser sei für ihn eine „soziale Plastik“.

Theodorakis wurde zu dem, der er mit seiner Musik und seiner Persönlichkeit für Griechenland und die Welt geworden ist, weil er aus diesen Grundzügen heraus als personifiziertes „Gesamtkunstwerk“ gesellschaftlich agieren und auf die jeweiligen Verhältnisse einwirken konnte.

Mikis Theodorakis Asteris Kutulas

Bart Soethaert: Worin sehen Sie die soziokulturelle Leistung der Musik von Theodorakis in der griechischen Nachkriegsgesellschaft?

Asteris Kutulas: Weil durch den Bürgerkrieg eine „unnatürliche Entzweiung des griechischen Volkes“ – dieser Ausdruck stammt von Theodorakis selbst – erfolgte, sah er als Komponist und Künstlerpersönlichkeit seine Rolle darin, über die Musik eine Verständigung der sich feindlich gegenüberstehenden politischen Lager herbeizuführen. Dieses Anliegen wird bereits in der Widmung seiner Ersten Sinfonie deutlich. Die Komposition begann er während seiner Verbannung und Haft auf Ikaria und Makronisos 1948, mitten im griechischen Bürgerkrieg, und er beendete sie einige Zeit danach. 1955 wurde die Erste Sinfonie in Athen uraufgeführt. Theodorakis hatte das Werk zwei Freunden gewidmet, Makis Karlis und Vassilis Zannos, die im Bürgerkrieg auf der jeweils anderen Seite – „gegeneinander“ – kämpften und 1948 kurz nacheinander umgekommen waren.

Auch seine Liedkompositionen der 1960er Jahre bewirkten in dieser Hinsicht sehr viel. Er vertonte nicht nur Gedichte des Kommunisten Jannis Ritsos, dessen Werke 20 Jahre lang verbotene Lektüre waren, sondern z.B. auch von Giorgos Seferis, zur selben Zeit Diplomat im Staatsdienst. Es fasziniert mich, dass durch Theodorakis‘ Vertonungen nicht nur die hehre Poesie alsbald in aller Munde war und von den Menschen verinnerlicht wurde, sondern dass Theodorakis darüber hinaus seine Liedkompositionen als ein gesellschaftspolitisches Mittel der Verständigung einzusetzen vermochte. Dieses Engagement zur Aussöhnung der Bürgerkriegsparteien hat ihm stets – jahrzehntelang – Kritik von beiden Seiten eingebracht.

Mikis Theodorakis Jannis Ritsos Asteris Kutulas
Mikis Theodorakis, Jannis Ritsos, Asteris Kutulas, Dresden 1984 (Photo by © Privatier/Asti Music)

Bart Soethaert: Ihre Familie siedelte 1968 aus Rumänien in die DDR über. In welchem Kontext entstand Ihr Interesse an Mikis Theodorakis? Wie kamen Sie mit seiner Musik in Berührung?

Asteris Kutulas: Ich war mit den Schallplatten von Theodorakis aufgewachsen; seine Musik gehörte seit den 1960er Jahren zu unserem Familienleben, Werke wie z.B. Axion Esti haben meine Eltern und ich „rauf und runter“ gehört.

Dadurch hat es mich 1980 einfach mitgerissen, als ich als Zwanzigjähriger Theodorakis zum ersten Mal im Berliner Palast der Republik begegnet bin. Die Erstaufführung des Canto General in der DDR, das war für mich ein sehr besonderer Abend: Theodorakis stand da ganz in meiner Nähe als Dirigent. Ich war damals Dolmetscher für die Sängerin Maria Farantouri. 1981 kam er wieder, um die endgültige Fassung des „Großen Gesang“, basierend auf den Texten von Pablo Neruda, aufzuführen, wo ich dann als sein Dolmetscher arbeitete. Wir freundeten uns an und unsere Zusammenarbeit begann.

Immer, wenn man mit ihm zusammen war und an seiner Energie teilhaben konnte, lebte man wie in einer pulsierenden Wolke aus Musik, Poesie, Philosophie, Geschichte, Politik, darstellender Kunst und einem unbändigen Gefühl von Freiheit. Ich wollte aus dieser Energiewolke nicht mehr raus. Dieses künstlerisch-anarchistische Leben wollte ich unbedingt führen.

Sie müssen wissen, ich bin ein Kind der „politischen“ Diaspora, die aufgrund des Bürgerkriegs (1946-49) ab 1950 auch in der DDR entstand. In diesem Kontext hatte Theodorakis für mich „gesellschaftspolitische Relevanz“, und zwar vor allem durch diese Verbindung, ein Linker und zugleich ein Freigeist zu sein, was die Linken sehr oft irritierte.

Bahnbrechend war für mich darüber hinaus, dass Mikis als „ernster Komponist“ Lieder geschrieben hat, deren Melodien sich mit der höchsten Dichtung der literarischen Moderne Griechenlands verbanden, wobei sich die Popularität dieser Lyrik in Griechenland und auch die internationale Bekanntheit bis heute erhalten haben. Die Trias seiner Ästhetik – Musik, Poesie und Freiheitsanspruch – ist so wirksam, weil sie eine Synthese darstellt.

Mikis Theodorakis
Mikis Theodorakis Werkverzeichnis/Catalogue of Works by Asteris Kutulas, Livanis Edition 1997

Bart Soethaert: Die Aufführung des Canto General 1980 in Berlin-Ost markierte einen Neubeginn für Theodorakis in der DDR, nachdem seine Musik zehn Jahre (1970-1980) nicht mehr im Rundfunk gespielt werden durfte und die in den Lagerbeständen noch vorhandenen Theodorakis-Schallplatten auf Befehl der DDR-Führung zerstört worden waren. Wie kam es dann dazu, dass die DDR in den Achtzigerjahren weder Zeit noch Mühe scheute, Theodorakis eine Bühne zu geben? Er ist einige Jahre lang immer wieder zu Arbeitsaufenthalten in die DDR eingeladen worden, konnte mit den besten Chören, Orchestern und Dirigenten arbeiten und seine Werke aufführen.

Asteris Kutulas: Dass Theodorakis ab 1980 in der DDR wieder präsent war, dass wieder Werke von ihm auf Schallplatte veröffentlicht wurden, dass es zu den ersten Theodorakis-Konzerten überhaupt in der DDR kam, das alles war der Hartnäckigkeit und dem Engagement von Peter Zacher zu verdanken, einem angesehenen Musikkritiker aus Dresden, der stark in die Singe- und Folklorebewegung der DDR involviert war. Peter hatte sich seit 1975 unermüdlich um eine Aufführung des Oratoriums „Canto General“ in der DDR bemüht. Das wurde erst 1980 möglich, als Theodorakis als Parteiloser wieder mit der Kommunistischen Partei Griechenlands kooperierte. Da hob man in einigen sozialistischen Ländern, wie z.B. in der DDR, das Verdikt gegen ihn auf. Peter Zacher konnte dann 1980 die Aufführung des „Canto General“ im Palast der Republik bewirken und später durch seine Vernetzung mit der Musikwelt der DDR u.a. mit Persönlichkeiten wie Herbert Kegel, Kurt Masur, Udo Zimmermann sowie mit Institutionen wie den Dresdner Musikfestspielen, der Halleschen Philharmonie und dem Dresdner Kreuzchor weitere Aufführungen von Theodorakis-Werken initiieren. Auf Vermittlung von Peter Zacher kam es zu den Uraufführungen u.a. der Liturgie Nr. 2, der Frühlingssinfonie, der Sadduzäer-Passion und der 3. Sinfonie. Wenn Peter Zacher nicht gewesen wäre, hätte es das alles nicht gegeben. 1986 haben Peter Zacher und ich auch den Band mit Schriften, Essays und Interviews von Theodorakis gemeinsam übersetzt und bei Reclam herausgegeben. [Mikis Theodorakis, Meine Stellung in der Musikszene, erschienen 1986 in Reclams Universal-Bibliothek]

Jannis Ritsos Asteris Kutulas
Peter Zacher & Jannis Ritsos, Dresden 1984 (Photo © by Asteris Kutulas)

Kennengelernt hatte ich Peter Zacher 1976, als ich an der Dresdner Kreuzschule – heute heisst sie Kreuzgymnasium – Schüler war, weil zu dieser Schule seit dem 15. Jahrhundert auch der weltberühmte Kreuzchor gehörte, und Peter Zacher hat mit dem Kreuzchor zusammengearbeitet. Mit der Musik von Theodorakis war er Mitte der sechziger Jahre in Berührung gekommen, weil im nahen Radebeul seit dem Ende des griechischen Bürgerkriegs 1949 eine griechische Gemeinde existierte. Ab 1966 und bis in die 1970er Jahre betreute Peter Zacher an der TU Dresden (TUD) ein Ensemble junger Musiker, die zu den griechischen Emigranten gehörten, und diese hatten auch viele Theodorakis-Lieder im Repertoire.

In der Zeit, als Theodorakis in der DDR von offizieller Seite totgeschwiegen wurde, brachte 1975 ein junger Dresdner Grieche, Nikos Kasakis, das Theodorakis-Doppelalbum „Canto General“ aus Griechenland mit und lieh es Peter Zacher. Der war schon länger ein Bewunderer von Maria Farantouri, und als er dann den „Canto General“ hörte, verliebte er sich sofort auch in dieses Werk und wollte es unbedingt in die DDR holen. Von da an hat er das wieder und wieder versucht, bis dann schließlich 1980 Theodorakis zum ersten Mal nach Berlin-Ost kommen konnte und mit dem „Canto General“ im Palast der Republik sein erstes Konzert in der DDR gab. Bis dahin hatte es schon hunderte Theodorakis-Konzerte in der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Jetzt begann sich auch in der DDR eine Fangemeinde zu bilden.

Bart Soethaert: Maria Farantouri, Heiner Vogt und der Rundfunkchor Berlin interpretierten an dem Abend im Rahmen des 10. Festivals des politischen Liedes die sieben bis dahin vorliegenden Sätze des Canto General. Bei dieser Gelegenheit lernten Sie, wie vorhin schon erwähnt, Mikis Theodorakis persönlich kennen. Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an diesen Abend zurückdenken, nach dem Theodorakis in der DDR dann wieder in aller Munde war? Was vermittelte der „Canto General“ im vollen Saal im Palast der Republik?

Asteris Kutulas: Der „Canto General“ offenbart einen unikalen melodischen Fingerabdruck; er zeugt von kompositorischer Größe und ist eines der schönsten Chorwerke des 20. Jahrhunderts. Hinzu kommt diese spanischsprachige, meisterhafte Poesie Nerudas! Kurz gesagt: An diesem Abend, im geteilten Berlin, in der DDR, in der es keine Reisefreiheit gab, aus der die meisten Bürger also nie rauskamen, atmete die Aufführung das, was hinter der Grenze lag: „Welt“. Dass Theodorakis‘ und Nerudas Werk – die Werke zweier utopischer Kommunisten – so im Palast der Republik zusammenkamen, das war für viele junge Menschen und Intellektuelle in der DDR ein Glücksfall sowie ein Zeichen der Hoffnung im Hinblick darauf, dass das Ideal eines humanistischen Kommunismus‘, also eines Ideals von Freiheit, Würde und Naturverbundenheit, zumindest gedacht und geträumt werden konnte.

Bart Soethaert: Es ist eine ironische Wendung der Rezeptionsgeschichte, dass Theodorakis erst 1980, am selben Abend im Palast der Republik, die Urkunde der Ehrenmitgliedschaft der Akademie der Künste der DDR – eine Ehrenmitgliedschaft, die ihm bereits 1968 zugesagt worden war – feierlich überreicht worden ist. Wie war es dazu gekommen, dass Theodorakis 1967-1970 in der DDR außerordentlich große Bekanntheit erlangt hatte?

Asteris Kutulas: Als sich im April 1967 in Griechenland das brutale Militärregime an die Macht putschte, musste Theodorakis in die Illegalität gehen; er wurde im August desselben Jahres verhaftet. Am 1. Juni 1967 trat ein Armeebefehl in Kraft, der das Hören, die Wiedergabe oder das Spielen von Theodorakis‘ Liedern und sogar den Besitz von Tonträgern mit Theodorakis-Liedern verbot.

International bekannte Persönlichkeiten wie z.B. Arthur Miller, Harry Belafonte und Dmitri Schostakowitsch gründeten ein Komitee und forderten seine Freilassung.

In der DDR hat sich Mitte November 1967 der Schriftsteller Hermann Kant mit einem Aufruf in der Zeitung Neues Deutschland an alle Kinder der Republik gewandt, Theodorakis auf Postkarten gemalte bunte Blumen zu schicken. Angela Merkel berichtete in einem Interview, dass auch sie damals eine Blume mit dem Aufruf „Freiheit für Theodorakis“ an das Gefängnis Averof in Athen geschickt hatte.

Der Druck der gewaltigen internationale Solidaritätswelle führte dazu, dass Theodorakis aus der Haft entlassen wurde und im April 1970 nach Paris ausreisen konnte.

Mikis Theodorakis Asteris Kutulas
Mikis Theodorakis, Athens 2010 (Photo by © Asteris Kutulas)

Bart Soethaert: Aus dem Dezember 1967 stammt auch das Sonderheft Mikis Theodorakis mit einer Auswahl von Gedichten von Giannis Ritsos in der deutschen Nachdichtung von Bernd Jentzsch und Klaus-Dieter Sommer und mit Liedtexten, inklusive Noten, von Theodorakis. Das Sonderheft erschien in einer Auflage von 50.000 Exemplaren in der ebenfalls 1967 gegründeten und sehr populären Lyrikreihe Poesiealbum beim Berliner Verlag Neues Leben, dem Verlag der DDR-Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ). Im Verlagsgutachten, das zusammen mit dem Manuskript zur Erlangung einer Druckgenehmigung bei der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im DDR-Ministerium für Kultur eingereicht wurde, begründete der Lektor Klaus-Dieter Sommer u.a., dass diese Sonderausgabe nicht nur „unsere Solidarität mit den griechischen Patrioten bekundet“, sondern insbesondere auch „Jugendlichen, vor allem den Singeklubs, ein gutes Material in die Hände gibt“, denn Theodorakis hat mit seinen „außerordentlich einprägsamen, leicht sangbaren Vertonungen“ und „volkstümlichen Kompositionen ein Beispiel dafür geschaffen, wie man mit Liedern, mit politischen Liedern, breite Schichten erreichen kann“. Was sagt aus Ihrer Sicht die Argumentation über den Versuch aus, den Komponisten zu vereinnahmen?

Asteris Kutulas: Es wird hier deutlich, dass Theodorakis’ Musik das Publikum der DDR in mehreren Wellen erreichte und dass die erste Popularitätswelle in der DDR (1967-1970) qualitativ differenzierter zu betrachten ist als die Situation ab 1980. Das Verlagsgutachten macht m.E. klar, wie in der ersten Welle die Aussage der Texte und der Freiheitsanspruch an zweiter Stelle standen und an erster Stelle die etwas unbeholfen als „volkstümliche Kompositionen“ bezeichneten Melodien. Diese – politisch bedingte – „einseitige“ Theodorakis-Rezeption war bereits der Vorbote dessen, dass die DDR-Staatsführung den Komponisten und seine Musik bereits zwei Jahre später schon wieder verboten hat.

Während Theodorakis‘ Lieder im Westen immer wieder zu Hits wurden und die Charts stürmten, wurde in sehr vielen sozialistischen Ländern seine Musik überhaupt nicht gespielt.

Wie vorhin ausgeführt, änderte sich das 1980. Die DDR-Politiker haben in den 80er Jahren zwar nicht direkt etwas für Theodorakis‘ Werk getan, aber sie haben es zumindest nicht mehr blockiert, denn die ideologische Haltung war etwas lockerer geworden. Außerdem haben sie stets versucht, Theodorakis’ Präsenz in der DDR propagandistisch für sich zu nutzen. Theodorakis war allerdings nur schwer zu vereinnahmen – das wussten die DDR-Oberen, und sie waren ihm gegenüber auch stets vorsichtig. Sie misstrauten ihm bis zum Schluss.

Hermann Axen war Mitglied des Politbüros der SED, galt als sehr gebildet, er sprach Französisch, war von den Nazis verfolgt worden, nach Paris geflohen, da hatte er mit Theodorakis einen Berührungspunkt, Paris als Exil; er lud im Januar 1989 Theodorakis zu einem Essen ein. Kaum hatte Mikis eine DDR-kritische Frage zur Inhaftierung von jugendlichen Demonstranten gestellt, fing Herr Axen über alles mögliche zu reden und hörte nicht mehr auf, bis das Treffen beendet war. Zu einem weiteren Treffen kam es nie mehr.

Es gab immer mehr Fans in der DDR, die Theodorakis sprechen wollten, die ihn im Konzert erleben wollten oder denen es teilweise Spaß machte, ihm eine Zigarre zu besorgen oder ihm Fotos zu schenken, Bilder, Grafiken, Texte etc. Das waren die Leute, für die Theodorakis in die DDR kam, diese jungen Leute, die sich dachten: „Die Gedanken sind frei …“ Und dann waren da noch die Leute, die sich aus kompositorisch-musikalischer Sicht für seine Werke begeisterten wie z.B. Günter Mayer, Udo Zimmermann und etliche andere. Dazu gehörte auch Konrad Wolf, der damals den Plan hatte, einen großen Film über die REVOLUTION zu machen auf der Grundlage des Soundtracks von „Canto General“. Es gab mehrere diesbezügliche Gespräche zwischen Theodorakis und Wolf, bei denen ich dolmetschte. Konrad Wolf ist früh gestorben. Das hätte ein interessanter Film werden können. Konrad Wolf war völlig klar, dass Mikis nichts mehr beweisen muss und dass diese Musik, diese Poesie, dieser Freigeist für viele vor allem Inspiration bedeutete, Hoffnung, Energie, und darauf kam es an.

Bart Soethaert: Während in Paris andere prominente Exilanten wie Melina Mercouri, Maria Farantouri und Costa-Gavras auf Theodorakis warteten, um mit ihm vereint den Kampf für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit fortzuführen und es zwischen 1970 und 1974 allein schon in West-Europa hunderte von anti-diktatorischen Konzerten gab, wurde es in der DDR 1970 still um Theodorakis. Was war passiert?

Asteris Kutulas: 1970 war erstmal Schluss, weil Theodorakis sich öffentlich gegen den Einmarsch der Sowjetunion in die Tschechoslowakei aussprach und sich zum Euro-Kommunismus bekannte, der sich vom Moskauer Führungsanspruch lossagte und für die Kommunistischen Parteien in mehreren westeuropäischen Ländern politische und ideologische Selbstständigkeit beanspruchte.

1972 wurde Theodorakis in die Sowjetunion nach Jalta eingeladen, und dort hat Leonid Breschnew ihm angeboten – so erzählte mir Theodorakis –, der nächste Generalsekretär der Kommunistischen Partei Griechenlands zu werden. Theodorakis lehnte ab, weil er die Entscheidung darüber, wer die Führungsperson der griechischen KP sein wird, nicht in der Zuständigkeit des Moskauer Politbüros sah. Außerdem ist Theodorakis zu dieser Zeit nicht Mitglied der KP gewesen; er war aus der Partei ausgetreten. Innerhalb von Stunden musste Theodorakis in Jalta das Hotel wechseln und am Tag darauf die Sowjetunion verlassen.

Drei Jahre, nachdem in der DDR Paul Dessau den vorhin erwähnten Armeebefehl Nr. 13, der „die Wiedergabe oder das Spielen der Musik des Komponisten Mikis Theodorakis“ verbot, zu Ehren von Theodorakis für Sprecher, gemischten Chor und neun Instrumente musikalisch umgesetzt hatte, um in der Deutschen Demokratischen Republik diese Maßnahme des Militärregimes zu verdeutlichen, die u.a. das Ende der Freiheit der Musik bedeutete, wurde Theodorakis auch in der DDR zur persona non grata.

Das Interview mit Asteris Kutulas führte Bart Soethaert.

Weitere Quellen

Asteris Kutulas ist Autor, Filmemacher, Übersetzer, Musik- und Eventproduzent. Sein neuestes Werk Electra 21 feierte bei den 55. Internationalen Hofer Filmtagen am 30. Oktober 2021 Weltpremiere.

Bart Soethaert ist Neogräzist und Postdoc am Exzellenzcluster 2020 „Temporal Communities“ der Freien Universität Berlin. Derzeit erforscht er die Rezeption der Romane von Nikos Kazantzakis in globaler Perspektive (1946–1988).

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Nachtrag: Mikis Theodorakis zu Peter Zacher

„In Ost-Berlin lernte ich 1980 Peter Zacher aus Dresden kennen, der sich während der ganzen Zeit, als ich in der DDR verboten war, für mich und mein Werk und vor allem für den „Canto General“ eingesetzt hatte. Schließlich wurde der „Canto General“ 1980 in Berlin im „Palast der Republik“ aufgeführt. Das Konzert war so ein Riesenerfolg, dass ich danach gleich einen Auftrag für ein sinfonisches Werk bekam. So kehrte ich nach Paris zurück und legte los. Die „2. Sinfonie“ entstand. Sie basierte auf dem Material aus der Pariser Zeit der 50er Jahre. Ich brauchte nicht immer noch mehr und mehr zu schreiben, denn ich hatte bereits einen ganzen Koffer voll fertiger Sachen, so dass ich gar nicht wusste, was ich damit zuerst machen sollte; und so verarbeitete ich dieses Material u.a. in der „2. Sinfonie“. Sogar aus den 40er Jahren, als ich in den Verbannungslagern gewesen war, gab es noch genügend Material.“ (Mikis Theodorakis)

taz Interview mit Asteris Kutulas

Electra 21 – A Liquid Staging installation

Electra 21
Four movies. One Soundtrack. No happy end.

ELECTRA 21, a Liquid Staging show consisting of four films running synchronously to one soundtrack with the music of Mikis Theodorakis. In the center, the audience.

4 films, played simultaneously on
4 different screens that are
placed around the audience area

ELECTRA 21 – An immersive cinematic experience of the 21st century. 

Director’s Statement

For a long time, I’ve had a vision of combining the worlds of cinema, ballet and show – in a work of art for the 21st century. Hence the title ELECTRA 21. 

The Liquid Staging project, ELECTRA 21, consists of four films, played simultaneously on four different screens that are placed around the audience area, showing different dance scenes, rehearsals, and fantasies based on the Electra ballet performance by choreographer Renato Zanella.

The four films are played synchronously to the same musical recording of the Electra opera by Mikis Theodorakis.

This cinematic show installation moves away from the one-dimensional view of the 19th century and offers the audience the polydimensional perspective, which corresponds far better to the complexity of our epoch.

I was extraordinarily lucky to be able to use the phenomenal music of Mikis Theodorakis as the basis for ELECTRA 21, and to work with him personally on the soundtrack in July 2021. 

The music of Mikis Theodorakis, the gripping elemental choreography of Renato Zanella, the fantastic dance artistry of Sofia Pintzou, the mastery of the cinematographer James Chressanthis (ASC) and the artistic input of Achilleas Gatsopoulos and of all the other artists involved in this project, make our liquid staging production, ELECTRA 21, an impressive, highly emotional and innovative work.

Asteris Kutulas, October 2021

Electra 21 Asteris Kutulas

Electra, a timeless thriller by Sophocles.

The father sacrifices his eldest daughter for power and fame.  
Years later, his wife takes revenge and slays him.
Their children, Electra and Orestes, kill her to avenge their father.
A circle of hatred and destruction. No happy ending.

Electra 21, Asteris Kutulas

Mikis Theodorakis on Electra & Clytemnestra

Agamemnon kills his daughter Iphigenia: in doing so, he violates the law of universal harmony; Clytemnestra kills her husband Agamemnon in revenge: she also violates this law; their children Electra and Orestes ostensibly follow this law, but when they kill their mother Clytemnestra, this continues the act of tragic entanglement and begins a new cycle of criminal action.

Electra is a young girl, beautiful but lonely, a princess who has „married“ the shadow of her father Agamemnon, the daughter who loves her murdered father above all else. As a result, there is something magical about this character.

Electra hates her mother Clytemnestra, and this hatred is something unnatural.

Electra loves her father’s shadow, she loves her brother Orestes, the liberator, but she is also an example of harshness and bloodshed. Orestes has returned out of love for his sister and for his father, whom he wants to avenge; but by actually doing so, he himself becomes a victim.

But one must also understand Clytemnestra. She was a witness when her husband murdered Iphigenia, the youngest daughter. There is a lot of talk about Clytemnestra, but there is silence about Cassandra. Agamemnon is in Troy for ten years, waging war. And when he finally returns to Mycenae, he brings Cassandra with him to the palace as his mistress.

For me, Electra or Clytemnestra are not characters from a time two thousand years ago; rather, they represent our world, the torn world of today. The feelings that moved Elektra or Orestes have moved people at all times; their dramas are the same as those that take place today.

Mikis Theodorakis

Electra 21, Asteris Kutulas

ELECTRA 21 – A Liquid Staging audience experience

Presented are four simultaneously running films, all based on the same musical recording of the Electra opera by Mikis Theodorakis.

Precisely synchronized with this ELECTRA 21 music, the four films representing the following four levels (layers) of the complete work, ELECTRA 21, will be shown on four screens:

Screen 1: ballet film | the (cinematic) recorded ballet performance, ELECTRA, in the „Apollo“ theater in Ermoupolis on Syros

Screen 2: genesis of the ballet, rehearsals | recording of the rehearsals for this ballet performance at different locations in Austria and in Greece, with the dancers and the choreographer Renato Zanella

Screen 3: genesis of the text & associations | „fictional scenes“ with the people involved in this ballet production, combined with graphically designed insertions of the Sophocles text passages, each of which can be seen synchronously with the music feed

Screen 4: genesis of the music and the recording | Mikis Theodorakis conducts the musical recording of the opera, ELECTRA, in the studio in St. Petersburg, which was used as the basis for the Electra ballet performance. These film recordings are mixed with video clips of young conductors conducting the 22 scenes of the ELECTRA 21 soundtrack.

Electra 21, Asteris Kutulas
Different versions of built up of the 4 screens for the ELECTRA 21 show by Giorgos Kolios & Asteris Kutulas

Polymedial vision as a new show format for Cinema 2.0. ELECTRA 21 redefines the audience experience. Visitors can decide at any moment what they want to see and where to focus their attention. In the process, the viewer will always perceive more than one thing at once, and no two people see the same thing.

Electra 21, Asteris Kutulas
Electra 21 outdoor installation set in Chania, Crete

ELECTRA 21 CREDITS (INSTALLATION)

A Liquid Staging Installation by Asteris Kutulas on the Music by Mikis Theodorakis

Choreography by Renato Zanella  | Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC | Art Direction by Achilleas Gatsopoulos | Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Scenography & Production by Georgios Kolios | Associated Producer Christopher Kikis | Co-Produced by Schott Music | Concept & Produced by Asteris & Ina Kutulas | Created & Directed by Asteris Kutulas

Featuring Sofia Pintzou,  Alexandra Gravilescu, Tamara Alves Dornelas Souza, Eltion Merja, Valentin Stoica, Florient Cador

Special appearance by Katherina Markowskaya, Maria Zlatani, Lefteris Veniadis, Phaidra Giannelou, Clément Nonciaux, Leandros Zotos, Ariadne Koutoulas

Special thanks to Peter Hanser-Strecker, Tim Dowdall, Rafaela Wilde, Thorsten Schaumann, Oliver Schulze & Frank Wunderatsch

World premiere: hof international film festival 2021

Electra 21 World Premiere

Dancing Medea (Interview mit Renato Zanella)

Interview mit dem Choreographen Renato Zanella zum Ballettfilm „Recycling Medea“

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RECYCLING MEDEA | Medea tötet ihre Söhne. Auf Euripides’ Theaterwerk beruht die Ballett-Story von der Ermordung zweier Kinder durch die eigene Mutter, die Musik stammt von Mikis Theodorakis, die Choreographie von Renato Zanella. Text, Musik und Tanz vereint in einem Film, der die Trostlosigkeit einer Gesellschaft reflektiert, die tagtäglich ihre Kinder zu denen gemacht hat, die zur Verlorenen Generation von heute gehören.

RECYCLING MEDEA | Liebe, Eifersucht, Mord. Verstörende Schönheit, rebellierende Jugendliche, Tanz und Musik. Ein Ballett-Film.

Recycling Medea Asteris Kutulas
Maria Kousouni as Medea (Photo © by Asteris Kutulas)

Asteris Kutulas: Renato, warum tötet Medea ihre eigenen Kinder?

Renato Zanella: Für Medea ist das der Schritt, den sie machen muss, um danach überhaupt noch weiterleben zu können. Dem voraus geht die Phase, da sie zu ihrem Mann sagt: „Verlass mich doch! Aber du hast Kinder. Du hast Kinder – du kannst mich nicht verlassen, wenn du Kinder hast.“ Für mich ist das eine Schlüssel-Szene: „Willst du frei sein?! Gut, dann verlierst du deine Kinder.“ Medea sieht das als die einzige Lösung für sich und ist der Überzeugung, so handeln zu müssen. Ich würde sagen, auf ihre Art war sie sehr konsequent. Ja, und dann hat sie das durchgezogen. Wie auch immer man das beurteilen mag …, sie hat das wegen des Mannes getan, der ihr alles bedeutete. Das Wichtigste in ihrem Leben drohte sie zu verlieren. Wie wir wissen, trifft Medea eine brutale Entscheidung: Sie wird diejenigen töten, die sie am meisten liebt – ihre eigenen Kinder. Aber sie sah darin die einzige Möglichkeit, seelisch zutiefst verwundet, am Leben bleiben zu können, jeden Tag konfrontiert mit der grausamen Demütigung, die ihr Mann ihr zufügte, der ihr sein Leben und seinen Erfolg zu verdanken hatte, seinerseits die Partnerschaft aber später beenden wollte.

Asteris Kutulas: Warum tötet sie nicht ihren Mann? Warum tötet sie ihre beiden Söhne?

Renato Zanella: Ja, das ist eine gute Frage … Ich glaube, die Rache ist wahrscheinlich das Einzige, was bleibt, wenn man so geliebt hat und so verletzt wurde. Ihren Mann umzubringen …, das wäre auch eine Lösung gewesen. Aber wahrscheinlich hätte das auch Medeas Ende bedeutet, vermutlich wäre dann auch sie gestorben. Medea wäre daran zugrunde gegangen, wenn dieser Mann nicht mehr existiert hätte. Sein Leben auszulöschen, zog sie wahrscheinlich gar nicht in Erwägung. Medea sah in Jason den Mann, der sein Leben lebt, aber mit einer anderen. Daher beschäftigte sie vielmehr die Frage: ‚Wie soll ich in dieser unerträglichen Situation weiterleben?’ Medea gebraucht das Wort „Rache“ recht häufig. Sie operiert damit. Sie findet, der Mann müsse büßen und sein ganzes Leben an diesem Schmerz leiden. So zumindest stellte sie auch sicher, dass er jeden Tag an sie denken würde. Und schließlich hat sie ihr Vorhaben dann in die Tat umgesetzt.

Ich wollte diese Tragödie in die heutige Zeit herüber holen, ich wollte, dass sich das in der Gegenwart abspielt, damit man sich mit diesen Fragen auseinander setzt: Wenn so etwas heute passiert – wie … warum geschieht das?

„Nein, das hab ich nicht getan.“

Würde man „Medea“ als ein Zuschauer sehen, der ein Stück aus weit zurückliegender Zeit anschaut, da ginge einem dieses und jenes durch den Kopf. Wie waren die Verhältnisse damals? Und so weiter und so fort. Aber wenn man das wahrnimmt als ein Geschehnis, das in der heutigen Zeit Brisanz hat, dann ist uns das viel näher, wir bekommen unmittelbar damit zu tun und reagieren unmittelbar darauf, weil es uns etwas angeht.

Heute bringen Mütter ihre Kinder um, und diese Mütter vergessen, blenden aus, verdrängen. Das ist eine unglaubliche psychologische Situation. Für eine Mutter ist es oft sehr schwer anzuerkennen, was sie getan hat. Vor der Tat gibt es keinen Zweifel mehr. Sie ist davon überzeugt: „Ich muss das tun. Ich weiß, ich muss das tun.“ Und nach der Tat kann sie sich an nichts mehr erinnern. Sie wird immer sagen: „Nein, das hab ich nicht getan.“

Asteris Kutulas: Was denkst du – hat Medea eine Wahl? Muss sie das wirklich tun? Muss sie ihre eigenen Kinder töten?

Renato Zanella: Sie hat keine Wahl. Für sie ist das, was Jason ihr anbietet, keine Alternative. Weiterzuleben ohne den Mann, den sie über alles liebt … das ist für sie unvorstellbar. Für Medea gibt es nur eine Lösung: „Dann muss ich jetzt so handeln.“ So hat Theodorakis Euripides’ Medea-Stoff aufgefasst. Für diese Frau war das die einzige Lösung, die sie sah. Dieser Mann bedeutete ihr alles. Sie hatte sogar einige Jahre zuvor für ihn getötet. Und dabei war Medea kein Killer, sondern sie war eine Prinzessin, die Tochter des Herrschers. Sie fühlte sich sehr hohen moralischen Werten verpflichtet. Sie war bestrebt, Leben zu retten. Und diese Frau trifft dann so eine Entscheidung.

Das war die „Storyline“ aus alter Antike. Die Verhältnisse waren damals so. Wenn man diese Geschichte jetzt aber herüberholt in die Gegenwart und sich damit auseinandersetzt, dann ist das ein hochaktuelles Thema.

Für mich war diese Erkenntnis sehr wichtig für meine Arbeit mit den Tänzern. Ich sagte mir: Ich muss von etwas „erzählen“, das konkret, das Teil unserer heutigen Realität ist, so dass man sich angesprochen fühlt, dass man von dieser Tragödie ergriffen wird und sich zu fragen beginnt: „War ich selbst schon einmal in so einer Situation? Hab ich selbst schon einmal jemanden so sehr gehasst, dass ich beinah auch so reagiert hätte?“ Ich wollte erreichen, dass man sich diese Frage stellt: „Wie wäre es mir ergangen? Wie hätte meine Entscheidung ausgesehen?“

Für mich waren dieser Mythos und dessen musikalische Umsetzung viel mehr als eine dramatische Geschichte, die man erzählt bekommt und wo man sich sagt: Okay, das und das hat Euripides sich einfallen lassen und so und so hat Theodorakis das musikalisch verarbeitet. Ich habe mich gefragt, wie ich mit meinen künstlerischen Mitteln, mit den Ausdrucksmitteln des Tanzes erreichen kann, dass das Publikum an diesen Punkt kommt, sich diese Frage zu stellen: „Wie hätte ich mich verhalten? Was hätte ich getan in so einer Situation?“ Das macht diese Sache so lebendig, so hochaktuell, so real.

Recycling Medea Mikis Theodorakis Asteris Kutulas Renato Zanella
Renato Zanella & Mikis Theodorakis, Athens 2011 (Photo © by Asteris Kutulas)

Asteris Kutulas: Diese Musik … der Tanz … Euripides, die Antike, die Moderne … Wie bringst du das alles zusammen?

Dancing Medea: Emotion und Minimalismus

Renato Zanella: Es war eigentlich eher die Frage, wie diese Welt der Kunst und das Publikum zusammenkommen. Als Choreograph stehen mir mein Können und mein Fachwissen zur Verfügung, aber auch das, was mich innerlich bewegt, meine Gefühle – eine breite Palette an Möglichkeiten, mit denen ich arbeiten kann, um meine künstlerische Vision sichtbar werden zu lassen.
In diesem Ballett steckt ungeheuer viel, und gleichzeitig gibt es da auch den Minimalismus.

Es ist ja nicht einfach eine Art musikalische Untermalung oder Begleitung, was man da hört. Es ist eine Oper. Ein sehr reiches melodisches Material. Hochdramatisch. Da sind die Bewegungen ab und zu dann sehr minimal. In solchen Augenblicken ist die Singstimme das Wichtigste, und die Aufmerksamkeit gilt vor allem ihr. In anderen Momenten ist es so, als laufe die Musik im Hintergrund und als erzeuge sie dadurch eine bestimmte Stimmung, eine spannungsvolle Situation, in der sich der Konflikt entspinnt. Und an wieder anderen Stellen ist die Choreographie zum Beispiel exakt auf das Wort abgestimmt, und der Text tritt in den Vordergrund.

Asteris Kutulas: Warum dieser Stoff? Was und wen wolltest du erreichen mit diesem Ballett?

Renato Zanella: Ich fühlte bei der Arbeit eine enorme Freiheit. Wie jemand, der ein Buch liest, das ihn begeistert, und der die Handlung vor dem inneren Augen ablaufen sieht, der sich also beim Lesen seine eigene Vorstellung vom Geschehen macht. Ich sah in diesem Mythos etwas ungeheuer Aktuelles. Das wollte ich den Menschen nahe bringen. Ich kann ganz sicher die Theatergeschichte nicht umschreiben.

Ein mythologischer Stoff wird immer als ein solcher wahrgenommen werden. Es wird immer wieder so sein, dass man seinen Blick auf die Vergangenheit richtet, wenn man es mit solch einem Material zu tun hat. Trotzdem – das war in diesem Fall nicht mein Anliegen. Ich habe versucht, das zusammenzubringen, eine Überleitung zu schaffen, also etwas weit Zurückliegendes in die Gegenwart zu holen … oder es sich in der Gegenwart offenbaren zu lassen. Ich glaube, man muss heute außerdem wieder den Mut haben, sich diese Freiheit zu nehmen: sich nicht ewig zu fragen und vornehmlich damit zu beschäftigen, wie, in welcher Art und Weise man ein Thema am idealsten umsetzt, sondern es vor allem endlich zu tun.

Asteris Kutulas: Ausgangspunkt deiner Arbeit ist natürlich die Musik. In diesem Falle die Opernmusik von Mikis Theodorakis zu „Medea“.

Renato Zanella: Theodorakis’ musikalische Vorlage ist sensationell. Die Ouvertüre zum Beispiel, die ich gewählt habe – die hat etwas sehr Hymnisches, sie trägt die Dimension von etwas Unermesslichem, Unerreichbarem in sich, die Dimension des Unendlichen. Als entfalte sich ein Universum, ein Himmel voller Sterne. Und dann plötzlich diese Rhythmen, diese ethnischen Motive, dieses Erdennahe, Akzentuierte, Metrische, das uns Zeit und Raum ermessen, erfahren, erleben lässt. Das empfindet man als Tänzer extrem stark. Der Körper bewegt sich wie von allein. Dieses Werk ist enorm poetisch. Gigantisch – dieser Theodorakis. Seine Musik gestattet einem alle Freiheiten, derer man bedarf, um dieses Material zu ergreifen, damit zu arbeiten, die Botschaft, die es enthält, zu entschlüsseln und zu überbringen. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden ich diese Musik gehört habe, aber jedes Mal hat sie mich erreicht. Sie hat etwas transportiert, in mir ausgelöst und mich mitgerissen.

Diese Komposition gab mir „grünes Licht“, ich fühlte mich frei genug, in jede Richtung gehen zu können, die ich einschlagen wollte. Ich habe den Impuls bekommen und wusste: Das muss gemacht werden.

Recycling Dancing Medea Asteris Kutulas
Maria Kousouni & Mikis Theodorakis, Athens 2011 (Photo © by Asteris Kutulas)

Asteris Kutulas: Und jenseits der Musik? Wie ist es zu diesem „leeren“ Bühnenraum gekommen?

Renato Zanella: Manche Mittel habe ich bewusst sparsam eingesetzt. Das Boot auf der Bühne zum Beispiel. Das haben wir auf einem Müllplatz gefunden. Für mich war das symbolisch. Und zugleich war das Boot selbst ein Symbol. Ebenso der leere Raum. Wo sich eine Wüste ausbreiten könnte, Niemandsland, das Nichts, ein riesiger Freiraum.

Wir fangen bei Null an, und das, was zunächst aufsteigt und anwächst, das sind vor allem die Emotionen und die Beziehungen, die sich ergeben zwischen der Musik und den Tänzern. Zwischen der Musik und der Geschichte. Zwischen den Tänzern und der Geschichte. Zwischen Vergangenheit und Heute. Das war für mich wirklich faszinierend. Mich hat das sehr begeistert. Ich hoffe, dass das Werk das Publikum erreicht … Es braucht nur einen einzigen Moment, da etwas die Zuschauer berührt, und sie fühlen sich auf einmal als ein Teil dieses Stücks und denken: „Das könnte mir auch passieren. Auch ich könnte Medea oder Jason oder Glauke sein. Ohhh, ich versteh das, ja!“ Wenn das passiert, hab ich als Choreograph das Ziel erreicht.

Asteris Kutulas, Syros 2011

Recycling Medea – Not an Opera Ballet Film

A film by Asteris Kutulas | Music by Mikis Theodorakis | Choreography by Renato Zanella | Written by Asteris & Ina Kutulas | With Maria Kousouni as Medea 

Recycling Medea – Film-Rezensionen & Kritiken

 

Liquid Staging Top Story (pma Magazin)

production manager Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story

Liebe Leserinnen und Leser,
 … In dieser Ausgabe der pma, die sich wie gewohnt ausgiebig dem Thema der Theaterwelt widmet, stellen wir Ihnen die Wirklichkeit gewordene Vision eines Liquiden Bühnenbildes, des interdisziplinären Kreativschaffenden Asteris Kutulas vor. Der einstige Weggefährte der 2012 verstorbenen Lichtgestalt Gert Hof hat das seiner Zeit gemeinsam begonnene Konzept des Liquid Staging weiterentwickelt und gibt der pma als erster Fachpublikation Einblicke in die Materie …
Ihre pma-Redaktion | Prisca Roß  & Ray Finkenberger-Lewin

Bühnenbild 4.0 Asteris Kutulas
pma Magazin – Liquid Staging Top Story

TOP-STORY Liquid Staging – Bühnenbild 4.0 (Einleitung der Redaktion)

„Das Liquide Bühnenbild ist ein alle gestalterischen Komponenten vereinigendes hybrides Medium.“ Was sich hinter dieser formelhaften Erklärung verbirgt, präsentiert Asteris Kutulas, seit vielen Jahren erfolgreich interdisziplinär und weltweit Kreativschaffender und langjähriger Weggefährte des Lichtkünstlers Gert Hof.

Wer sich mit der Thematik des Liquid Staging befassen will, kommt an Event- und Musikproduzent, Publizist, Filmemacher und Autor Asteris Kutulas nicht vorbei. Der gebürtige Grieche arbeitet seit mehr als 15 Jahren an der Entwicklung zukunftsweisender Darstellungsformen für Veranstaltungsformate.

Geprägt von den Einflüssen und Erfahrungen, die er auf seinem Wege mit der Lichtgestalt Gert Hof auf internationalen Großprojekten, Events und nicht zuletzt der langjährigen Zusammenarbeit mit dem griechischen Komponisten Mikis Theodorakis erlebt hat, weiß Asteris Kutulas um die technischen Möglichkeiten und das Potential des Machbaren, die er über die letzten Jahre in sein Konzept des Liquid Staging integriert hat.

Zu diesen Komponenten gehören Film, Bühne, Schauspiel, Tanz, Gaming, Musik, Sound, Licht, Design, Architektur, digitale Kunst und die virtuelle Realität.

Das „Liquide Bühnenbild“ ist ein sich ständig wandelndes und unablässig seine Rolle wechselndes „Medium“. Es ist ein von der ersten bis zur letzten Sekunde der Show, des Events durchkomponierter „Film“. Das „Liquide Bühnenbild“ bespielt nicht nur den Bühnenhintergrund, sondern auch die gesamte Bodenfläche, die Bühnenraum-Deckenfläche, die Seitenwände und, je nach Storyboard, auch den gesamten Zuschauerraum.

Das „Liquide Bühnenbild“ bezieht dabei die komplette Innenarchitektur des Theaterbaus mit ein, kann darüber hinaus, je nach Inszenierung, auch Außenfassade des Gebäudes einbeziehen.

Mit dem „Liquiden Bühnenbild“ entsteht ein hybrider – unauflösbarer Verbund filmisch-visueller und realer Handlung – Erlebnisraum, in dem sich eine neue „osmotische“ Aufführungsform mit den technisch-digitalen Möglichkeiten des 21.Jahrhunderts realisieren lässt.

Asteris Kutulas, der in wenigen Tagen den renommierten Hans-Vogt-Filmpreis, anlässlich der Hofer Filmfestspiele verliehen bekommen wird, leitet aus besagtem Anlass zur Thematik Liquid Staging eine Masterclass und erwartet wenige Tage später die Weltpremiere seines Werkes „Electra 21“, einer Liquid Staging-Installation. Kurz vor diesen Ereignissen hatten wir Gelegenheit ausgiebig mit ihm über seine Arbeit und Projekt zu sprechen. – Ray Finkenberger-Lewin

Liquid Staging by Asteris Kutulas
pma Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story (photo © by Ralph Larmann)

production manager (pma) Magazin | Liquid Staging Top Story (Interview mit Asteris Kutulas)

pma: Um das Konzept des Liquid Staging umsetzen zu können, müssen Bühnenbild und Projektion ineinandergreifen als bisweilen auch deckungsgleich funktionieren. Die Herausforderung dabei dürfte jedoch darin bestehen, diesen visuellen Eindruck von jedem Sitzplatz bzw. Standort des Zuschauers zu ermöglichen. Wie muss man das technisch verstehen?

Asteris Kutulas: Bevor ich zu der technischen Herausforderung komme: „Liquid Staging“ ist zunächst einmal ein dramaturgischer Denkansatz, eine „Methode“, mit deren Hilfe man neue Showformate entwickeln kann. Zum andern kann man Liquid Staging auch als eine Art praktischer Anleitung benutzen, als eine theoretische Blaupause, um „Bühnenbild“ in unserem hybriden Zeitalter völlig neu zu denken.

Diese Klarstellung ist wichtig, weil die Anwendung von Liquid Staging nicht zwangsläufig zu der von Ihnen genannten „Herausforderung“ führt, wie zwei völlig gegensätzliche Beispiele zeigen: Weder beim Olympiacos Stadion-Event (2020) noch beim Electra-Ballett (2018) war diese Fragestellung relevant. Im ersten Fall habe ich die Liquid-Staging-Ästhetik benutzt, um quasi drei parallellaufende „Filme“ in einem spannenden Gesamtbild für die TV-Ausstrahlung zusammenzufassen.

Liquid Staging Olympiacos FC Asteris Kutulas
Olympiacos FC Liquid Staging Event (photo © by Ralph Larmann)

Und beim Electra-Ballett verhalf mir der Liquid-Staging-Ansatz, eine visuelle Lösung für den inneren Disput zu finden, den Elektra mit sich selbst führt – ob sie ihre Mutter töten soll oder nicht – durch ein Pas de deux mit ihrer eigenen Person. Ich filmte zunächst die Tänzerin und projizierte diese Aufnahmen dann zum Zeitpunkt der Aufführung auf eine Schleiernessel-Leinwand. So konnte die Elektra-Figur dort live „mit sich selbst“ nach der festgelegten Choreografie von Renato Zanella tanzen. 

Übrigens: Die Produktion für Olympiacos FC wurde in einem riesigen Fußballstadion realisiert, aber schnell, effektiv und mit einem sehr überschaubaren Budget, das Electra-Ballett dagegen in einem kleinen Theater, fast ohne Budget.

Electra 21 Liquid Staging Asteris Kutulas
Electra Liquid Staging Ballet-Szene (photo with Tamara Alves Dornelas Souza © by Maria Hiliopoulou)

Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Das Problem mit den unterschiedlichen Sichtachsen tritt immer dann auf, wenn eine Liquid-Staging-Show in einem mehr oder weniger konventionellen Theater umgesetzt werden soll. Das betraf zum Beispiel die „Traum“-Produktion für den Show-Palast München, die wir 2016/17 im Auftrag der Apassionata World GmbH produzierten. Auf der Grundlage einer Storyidee von Holger Ehlers konzipierte ich auf über 130 Seiten eine umfassende Liquid-Staging-Dramaturgie, die den Video-Content – also das „Bewegte Bühnenbild“ –, die Motion Grafik, die Choreografie, das Lichtdesign, die Soundeffekte etc. sekundengenau definierte. Wir entwickelten gemeinsam mit Thilo Ewers, Felix Haas und Sebastian Meszmann von „Pixomondo“ (Stuttgart) in mehrmonatiger Arbeit die Bildwelt für das „Liquide Bühnenbild“.

Liquid Staging Asteris Kutulas
Liquid Staging Bühnendesign von Asteris Kutulas & Pixomondo für die Apassionata World GmbH, 2016

Die Realisierung der „bewegten Bühnenbilder“ im Raum erfolgte beim Kreativlabel BLACKSPACE in München durch das Team um Jens-Oliver Gasde, Marion Grünsteidl und Marc Ziegler, die ihrerseits den Oscarpreisträger Simone de Salvatore dazuholten. 

Simone De Salvatore Liquid Staging Asteris Kutulas
Liquid Staging Bühnendesign von Simone De Salvatore/Blackspace & Asteris Kutulas für die Apassionata World GmbH, 2016

Insgesamt wurden über 4 Terabyte an Projekdaten mit filmischen Sequenzen in einer 12K-Auflösung für das „Liquide Bühnenbild“ verwendet. Das BLACKSPACE-Team arbeitete von Anfang an „im Raum“ und übertrug die zweidimensionalen Bildwelten in eine „räumliche Inszenierung“.

Um eine Simulierung dieser neuartigen Theater-Illusion zu ermöglichen, wurden u.a. auch VR-Headsets verwendet, so dass wir die Show von jedem Sitz des Theaters aus „sehen“ und kontrollieren konnten. Dadurch war es möglich, unseren Content für jeden Zuschauer perfekt abzustimmen – was einfach klingt, aber eine Meisterleistung darstellte, sowohl hinsichtlich der audiovisuellen Produktion als auch der technischen Umsetzung.

Die technische Planung lag in den Händen unseres langjährigen Partners PRG unter der Leitung von Gerd Helinski: Der Videocontent von BLACKSPACE wurde speziell für die 9 Projektionsebenen eines ca. 4.000 Quadratmeter großen „Screen-Universums“ per Video-Mapping programmiert. Um auch das von Ihnen beschriebene Problem zu lösen, mussten wir die 17 animierten Bühnenbild-Sequenzen über 62 Video-Beamer verteilen. Das Ganze war eine Pionierleistung.

Allerdings haben mich damals die technischen Details bei der Entwicklung dieser Liquid-Staging-Show nicht so sehr interessiert, einerseits weil ich rein schöpferisch als Künstler und Filmemacher funktionierte, und andererseits, weil ich mit dem PRG-Team um Gerd Helinski und dem Blackspace-Team um Jens-Oliver Gasde und Marc Ziegler Partner hatte, die von diesem neuen Show-Format so begeistert waren, dass sie mich immerzu drängten, weiterzumachen … und sie kümmerten sich um die Umsetzung und die technischen Details.

Aber Ihre Frage zielt auch auf einen anderen – für mich äußerst spannenden – Aspekt: In der Konsequenz verlangen die veränderte hybride Welt und das neue Publikum von heute und von morgen nicht nur neue Denkansätze, neue Ideen und neue Showformate, sondern tatsächlich auch eine neue Art von Location bzw. von „Theater“. Das neue „digitale Zeitalter“ verlangt also auch nach neuen Formen, nach neuen „Hüllen“. Das ist die eigentliche Herausforderung.

Liquid Staging by Asteris Kutulas
pma Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story

pma: Untrennbar mit dem visuellen Eindruck ist auch die akustische Wahrnehmung verbunden, die dabei nicht zurückstehen darf. Bei vielen klassischen Werken (wie beispielsweise „Elektra“) halten die Puristen unter den Regisseuren, Intendanten und vor allem auch unter den Zuschauern den unverstärkten Gesang für das einzig Wahre. Ist Liquid Staging somit nur etwas für das neue Zeitalter?

Asteris Kutulas: Klar, den „Puristen“ gehören die Tempel der Vergangenheit, und wir kümmern uns um die Bedürfnisse der Menschen von heute und von morgen. Spaß beiseite: Liquid Staging ist ein möglicher Denkansatz, der durch meine „Kodifizierung“ zu einem Instrument wird, das man neben allen anderen Instrumenten, die uns heute für die Konzeptionierung und Produktion von Shows und Events zur Verfügung stehen, benutzen kann.

Desweiteren kann Liquid Staging als eine Art „Gebrauchsanweisung“ verwendet werden, um neue Live-Show-Formate zu entwickeln, die allerdings in ihrer Mehrzahl – da haben Sie Recht – Musik zur Grundlage haben bzw. Musik als ein wichtiges Element beinhalten. In den meisten Fällen holen sich die meisten Shows einen Großteil ihrer Emotionalität aus der Musik bzw. dem Klangerlebnis – insofern spielt die Einheit von Visuellem und Akustischem, also z.B. die sekundengenaue Synchronität der Inszenierung eine ausschlaggebende Rolle.

Liquid Staging Showformate

Wenn Richard Wagner das Medium Film zur Verfügung gehabt hätte, dann hätte er zweifellos zur Realisierung seiner Gesamtkunstwerke die modernste Timecode-gesteuerte audiovisuelle Technologie benutzt, inklusive High Fidelity und Atmos. Insofern würde ich Ihre Frage so beantworten, dass Oper und Theater Showformate des 19. Jahrhunderts sind, also ins „Museum“ gehören, das wir allerdings hegen und pflegen sollten. Liquid Staging ist ein Instrument zur Entwicklung von Show-Formaten für die heute agierenden postmodernen Generationen, die mit Spotify, TikTok und Netflix aufwachsen.

TON & SOUND | Aber natürlich hat Liquid Staging auch auf die Kreation von Ton und Sound bedeutende Auswirkungen. Für die Umsetzung des oben beschriebenen Apassionata-Projekts im Showpalast München z.B. hatte Martin Hildebrand von PRG ein Tonsystem entwickelt, das die filmische Verräumlichung des „Bildes“ mit einer entsprechenden Verräumlichung des Klanges verband. Musik und Sound sollten dadurch „im Raum“, aus allen Richtungen kommend, wahrnehmbar sein, damit sich der Zuschauer als ein in das Klanggeschehen einbezogenes Individuum empfinden kann. Das Soundkonzept von Martin ermöglichte es in idealer Weise, Musik, Effekte, Licht, Videocontent und Szene miteinander zu verschmelzen. Das gesamte Beschallungssystem wurde durch ein spezielles Audio-Playbacksystem mit über 80 Ausspielwegen gemanagt, welches jeden der 80 im Theater-Zuschauerraum angeordneten Meyer-Sound-Lautsprecher individuell ansteuern konnte. Das System war über ein Netzwerk mit den 10 Video-Medienservern verbunden, die über Timecode synchronisiert wurden.

pma: Ein derart enormer technischer und personeller Aufwand verlangt nach entsprechend hohen Investitionen. Kann sich der geneigte Zuschauer eine Eintrittskarte zu einem derart aufwändigen Event überhaupt noch leisten?

Asteris Kutulas: Die Show „O“ von Cirque du Soleil (Las Vegas) hat ungefähr 180 Millionen gekostet und „Ka“ etwas weniger. In beiden Fällen, weil hierfür eine neue Art von „Bühne“ gebaut werden musste. Aber auch die laufenden Tour-Shows von Cirque du Soleil kosten etwa 60 Millionen. Selbst die Show-Produktion im neuen mehr!-Theater in Hamburg, in deren Story es um den Sohn von Harry Potter geht, hat laut „Spiegel“ über 45 Millionen Euro gekostet. Mit all diesen Shows wird Gewinn gemacht. Bei den von mir konzipierten Liquid Staging Produktionen sprechen wir von einem Bruchteil dieser Kosten.

Liquid Staging Bühnenräume

Ich wiederhole nochmal: Es geht bei der Anwendung von Liquid Staging nicht ums Geld, sondern um Ideen. Es geht darum, wie wir den neuen Lebens- und Sehgewohnheiten der jüngeren Generation entgegenkommen, die fast ausschließlich Bewegtbilder konsumiert, und was wir dieser Generation an neuen Showformaten für die Zukunft anbieten. Man kann „Liquid Staging“ in einem kleinen Theater oder als Outdoor-Show, auf einer Konzert-Tour, bei Ausstellungsprojekten etc. anwenden. Wenn man Liquid Staging als eine Möglichkeit sieht, Shows zu entwickeln und diese Möglichkeit mit anderen dramaturgischen Instrumenten verbindet, dann kann man zielgenau auf jedes Budget hin neue – und im besten Fall unikale – Show-Ideen entwickeln und umsetzen.

Ein Beispiel: Als ich 2010 Executive Producer bei der Family-Entertainment-Show „Apassionata“ wurde, befasste ich mich intensivst mit der Frage, wie man den „Bühnenraum“ erheblich erweitern und „spannender“ gestalten kann. Denn bei „Bühnenräumen“, wie es Arena-Locations sind, handelt es sich um nüchterne Zweckbauten für Sport- und Großveranstaltungen, wo man es zunächst mit einer sehr „kalten“ Atmosphäre zu tun hat, die völlig verändert werden muss. Zur Apassionata-Show kamen vor allem Kinder, also das härteste und gnadenloseste Publikum überhaupt, mit ihren Eltern und Großeltern – Menschen im Alter zwischen 6 und 80.

Das iPhone war 2007 auf den Markt gekommen und verbreitete sich damals rasant. Mir war klar, dass wir bald mit dieser größten Bühne des 21. Jahrhunderts, die in jede Hosentasche passte und 24 Stunden verfügbar war, konkurrieren mussten. Strategisch gesehen waren wir also gezwungen, das visuelle Erlebnis immer spannender und emotionaler zu gestalten. Gert Hof hatte sich in der Apassionata „Sehnsucht“-Show von 2008 die Arena mit einer Armada von Lichtequipment erobert – aber zu einem zu hohen Preis für diese Produktion. 

Liquid Staging Apassionata
Apassionata Show „Sehnsucht“ von Gert Hof  (photo © by Ralph Larmann)

Ich wollte es anders und Budget-gerechter machen, und so entwickelte ich mit meinen Partnern von PRG in Hamburg 2010 das Konzept der Bodenprojektion für den ganzen Arena-Boden. Es gab also nicht mehr nur die Darsteller in der Arena und einen großen Screen hinten, auf dem Filmeinspielungen zu sehen waren, sondern es gab auch Projektionen, die über das Backdrop hinausgingen und den Arena-Boden und teilweise auch Zuschauerreihen und Publikum mit einbezogen. Der zu produzierende Liquid-Staging-Film – der sekundengenau der Bühnenhandlung folgte und mit dieser interagierte – sollte live eine visuelle „Fließ-Situation“ erzeugen und der „Kälte der Halle“ optisch entgegenwirken. Es wäre zu der Zeit etwas vollkommen Neues zu einem fantastischen Preis-Leistungsverhältnis gewesen. 2019, also neun Jahre später, habe ich dieses Konzept der liquiden Arena-Bühne mit so einer Bodenprojektion sehr konsequent umgesetzt gesehen in der „Toruk“-Show von Cirque du Soleil. Das war sehr beeindruckend.

Liquid Staging by Asteris Kutulas
pma Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story

pma: Einer der Vorteile des Liquid Staging ist u.a. die freie Wahl der Veranstaltungslocation, da es die Technik ermöglicht, sich der Kulturstätte beliebig anzupassen. Ist damit zu rechnen, dass man aus wirtschaftlicher Sicht dann vorwiegend auf Venues mit hohem Zuschauerpotential setzt, um bei gestiegenen Investitionen auch den finanziellen Erfolg zu steigern?

Die Anpassungsfähigkeit einer Show durch Liquid Staging ist sicher ein sehr großer Vorteil. Ihre Feststellung führt uns jedoch zu einer für mich zentralen Frage, nämlich inwiefern die traditionellen Locations für Live-Shows mit den neuen Lebens- und Sehgewohnheiten unserer digitalen Welt noch konform gehen. Bereits Richard Wagner war mit den Guckkasten-Theaterbühnen des 19. Jahrhunderts, die zum Teil bis heute die Theater-, Konzert- und Opernwelt beherrschen, nicht mehr zufrieden und baute mit dem Bayreuther Festspielhaus eine neue revolutionäre amphitheatralische Bühne, die seinen Visionen entsprach. Ein anderes Beispiel für die Entstehung eines neuen Showformats ist das Live-Konzert aus der Rock- und Pop-Branche, das sich Mitte der 1960er Jahre entwickelte. Oder das der Festivals, das mit Woodstock 1969 entstand und eine Hervorbringung der Flower-Power-Jugendbewegung war.

Polydimensionales Totaltheater

Wir erkennen an diesen Beispielen, dass bestehende Showformate sich überleben und von neuen Formaten abgelöst werden. Wir sollten uns also die Frage stellen, wie die Showformate und auch, wie die Locations des 21. Jahrhunderts aussehen könnten. Beides hängt zusammen, und ich erinnere an Friedrich Schiller, der es auf den Punkt brachte: „Die Form verschlingt den Inhalt“. Das ist absolut so. Das Ideal wäre für mich also eine Liquid-Staging-Show in einem Totaltheater-Bau, wo es möglich sein müsste, das „eindimensionale Sehen“ des 19. Jahrhunderts durch das „polydimensionale Sehen“ unseres hybriden Zeitalters zu ersetzen. Es müsste zweitens möglich sein, sich auf der Basis der neusten technologischen Errungenschaften von den baulichen und technischen Fesseln, die heute existieren, zu befreien und uns Regisseuren, Produzenten, Kreativdirektoren, Dramaturgen und Autoren der Show- und Werbebranche neue Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen und uns absolute Freiheit für die Verwirklichung all unserer Visionen zu geben. Um es ganz banal auszudrücken: Eine Location, die mobil und modular ist und bei der ich die Rigging Points, die ich brauche, selbst festlegen kann. Diesen Traum haben wir uns dank Liquid Staging erfüllt.

Zusammen mit Alexander Strizhak aus Riga habe ich in den letzten Jahren so ein Gebäude entwickelt, dem wir den Namen „Flexodrom“ gegeben haben und das genau diese Möglichkeiten bietet. Die Notwendigkeit dafür erwuchs aus einem Projekt, das wir 2009 zusammen mit Gert Hof unter dem Namen „Metropolis“ begonnen hatten und mit dem ich mich 2013 wieder zu beschäftigen begann. Es war damals unmöglich, eine passende Location für das neuartige Liquid-Staging-Konzept zu finden, zumal ich eine Location mit drei unterschiedlichen Bühnen brauchte, auf denen drei parallellaufende Handlungsstränge spielen. Also eine Location für das räumliche Produzieren von Shows und Events.

Liquid Staging Metropolis Flexodrom Asteris Kutulas
Liquid Staging Metropolis Projekt 2022 © Asteris Kutulas/Achilleas Gatsopoulos
Liquid Staging Flexodrom Asteris Kutulas
Flexodrom Projekt 2022 © Asteris Kutulas/GRAFT

Außerdem sollte der gesamte Show-Raum aus mehreren „bewegten Bühnenbildern“ bestehen und eine Kapazität von ca. 3.000 Zuschauern haben. Zusammen mit Alexander Strizhak, Lars Krückeberg von GRAFT Architects und mit dem Grafiker und Filmemacher Achilleas Gatsopoulos haben wir mit unserem Metropolis-Projekt sowohl künstlerisch als auch baulich eine fantastische und innovative Lösung gefunden, die wir bald dem Markt präsentieren werden.

Liquid Staging by Asteris Kutulas
pma Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story

pma: Wie sehr ist eine solche Produktionsweise tourtauglich, bzw. dürfte der Vorproduktionsaufwand nicht deutlich höher werden? Gilt es doch, die Veranstaltungshäuser bereits im Vorfeld genauestens zu vermessen. Gibt es dazu bereits Erfahrungswerte?

Asteris Kutulas: Ein wichtiger Grund, Liquid Staging einzusetzen, ist der, dass dieser innovative Denkansatz inhaltlich neue Ideen und optisch neue Resultate hervorbringen kann – und das zu einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis. Ein Beispiel: Als Künstler habe ich ein Problem mit der Starrheit und Künstlichkeit von LEDs, aber auch von geriggten Plastik-Screens. Die Lösung fand ich in den „natürlichen“ Schleiernessel-Projektionsstoffen, die leicht, preiswert, brandschutzkonform und überall relativ einfach anzubringen sind. Außerdem kann man Projektoren inzwischen unkompliziert und schnell installieren, und sie bieten Kino-Qualität. Der andere riesengroße Vorteil einer solchen Lösung ist, dass man z.B. ganze Arenen durch Liquid Staging in phantasmagorische Bühnen verwandeln kann. Dafür muss man natürlich den dafür notwendigen Inhalt generieren.

Voraussetzung dafür ist, wie in meinem Liquid Staging Manifest ausgeführt, „Show“ neu zu denken, das Publikum stets in seine Überlegung mit einzubeziehen und Emotionen zu produzieren. Man muss also Film, Bühnenregie, Design und Choreografie zusammenbringen, sie von Anfang an zusammen denken, damit etwas wunderbar Neues entstehen kann.

pma: Wäre mit Liquid Staging auch ein 360° Event denkbar, in welchem der Zuschauer mit im Zentrum des Bühnengeschehens sitzt?

Asteris Kutulas: 360-Grad-Erlebnisse gibt es schon seit Jahrzehnten, und sie gehören inzwischen – durch Virtual Reality, Mixed Reality und durch Gaming – zum Alltag. Das wird sich auch dank der neuen Brillen-Technologie von Apple weiterentwickeln – wir müssen jene Elemente aus diesen Trends für uns nutzen, die bei Live-Shows Sinn machen und unser jeweiliges Zielpublikum begeistern.

Electra 21

Ein Liquid-Staging-Projekt, mit dem ich so einen anderen Weg gehe, ist ELECTRA 21, das – pandemiebedingt zunächst in kleinerem Rahmen – bei den 55. Internationalen Hofer Filmfesttagen am 30. Oktober 2021 Premiere hatte. Bei diesem Projekt laufen vier unterschiedliche Filme – vorn, links, rechts, hinten – absolut synchron zu einem einzigen Soundtrack. Der Zuschauer entscheidet jeden Augenblick, was er sieht bzw. in welchem Wechsel er welche Filmkonstellation im Blickfeld hat. Damit erreiche ich zwei Dinge: Erstens, ich offeriere dem Zuschauer die Möglichkeit zum polydimensionalen Sehen, und zweitens hebe ich das Partizipationslevel des Zuschauers auf eine extrem hohe Stufe.

Dieses modulare Projekt ELECTRA 21 lässt sich auch in kleinen Räumen umsetzen, ist aber eigentlich konzipiert als Outdoor-Showformat, bei dem diese vier Filme gekoppelt werden mit der Aktion zweier Live-Percussionisten und einer Tänzerin – in dieser Form soll es im Jahr 2023 in Athen und später weltweit aufgeführt werden.  

Wenn man die Möglichkeiten erkennt, die sich aus diesem und den anderen Beispielen ergeben, dann wird einem, glaube ich, sehr schnell klar, was für eine unendliche Vielfalt an Gestaltungsformen durch Liquid Staging möglich ist – und zwar unabhängig davon, ob es sich um klassische Musik, eine Modenschau, ein Musical, eine Produktpräsentation oder ein Konzerterlebnis handelt.

Liquid Staging by Asteris Kutulas
pma Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story

pma: Bis dato haben wir jetzt vorwiegend über einzelne klassische Aufführungen und Entertainment Shows gesprochen. Wie sehr ist Liquid Staging in seinem ganzen Potential bereits für alle Live-Unterhaltungsformate geeignet und wie intensiv sind Sie persönlich bereits in die Verbreitung dieses Formates involviert?

Asteris Kutulas: Die erste Idee zur „Verräumlichung des Films“ hatte ich um die Jahrtausendwende, als ich mit Gert Hof unsere Mega- und Special-Events weltweit realisierte. Dabei arbeiteten wir auch mehrmals mit dem Projektions-Künstler Ross Ashton aus London. 2007 entwickelte ich dann zusammen mit Ross, mit dem Filmemacher James Chressanthis aus Los Angeles sowie dem Bühnendesigner Michalis Argyrou aus Athen die „Paths of Passion“-Produktion für das Epidaurus-Theater. Das war die erste Liquid-Staging-Show, an der ich mitwirkte.

Liquid Staging Asteris Kutulas
Liquid Staging Epidaurus Entwurf von James Chressanthis, Ross Ashton & Asteris Kutulas, 2009
Liquid Staging Epidaurus Entwurf von Michalis Argyrou, 2009

Zwei Jahre später arbeitete ich im Auftrag von Apassionata an einem Theaterbau für eine Pferdeshow in Dubai zusammen mit Lars Krückeberg von Graft Architects. Lars und sein Team setzten den Liquid-Staging-Theaterinnenraum, den ich konzipiert hatte, in großartiger Art und Weise um.

Liquid Staging Asteris Kutulas
Hippodrom Arabia Entwurf von GRAFT & Asteris Kutulas
Liquid Staging & Asteris Kutulas
Hippodrom Arabia Querschnitt von GRAFT & Asteris Kutulas
Liquid Staging Asteris Kutulas GRAFT
Hippodrom Arabia Theater (Entwurf) von Asteris Kutulas und GRAFT

Damals benutzte ich auch zum ersten Mal den Namen „Liquid Staging“ für dieses Konzept. 2016 schrieb ich das Liquid-Staging-Manifest und entwickelte zusammen mit Ina und mit Achilleas Gatsopoulos während der Corona-Zeit mehrere Liquid-Staging-Projekte, die wir jetzt nach und nach diversen Produzenten anbieten werden.

Leider hat Corona im Jahr 2020 drei Liquid-Staging-Umsetzungen verhindert, nämlich die Inszenierung von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ in Wien, das Opening-Event des Digital Summit der EU und der Balkanländer in Tirana und die Premiere des Antigone-Ballets in Trento, Italien. Das sind fertig konzipierte Projekte, von denen ich hoffe, dass sie in Zukunft nachgeholt werden. Aber ich konnte im Sommer 2020 den „Lights of Hope“ Stadion-Event als Liquid-Staging-Produktion fürs TV realisieren. Und mein „Electra 21“ Projekt, also meine Electra für das 21. Jahrhundert, wird am 11.12.2021 in Chania auf Kreta mit Hilfe des Goethe-Instituts griechische Premiere haben.

pma: Gibt es bereits Aufführung außerhalb Ihres Schaffenskreises, denen Sie den Status eines perfekt inszenierten Liquid Staging bescheinigen würden? Welche Events sind das und was genau zeichnet diese im konkreten Falle aus?

Asteris Kutulas: Eine perfekt inszenierte Liquid-Staging-Produktion ist die bereits von mir erwähnte „Toruk“-Show von Cirque du Soleil, wo der gesamte Arena-Boden vom ersten bis zum letzten Augenblick der Show mit Film bespielt wird, was absolut synchron mit dem Bühnengeschehen funktioniert. Eine andere großartige Liquid-Staging-Show war für mich „The Wall“ von Roger Waters, die ich 2013 im Olympia-Stadion gesehen hatte.

Es gibt viele fantastische Beispiele aus unserer Branche, vor allem aus dem Konzert- und Theaterbereich, aber was ich sehr spannend finde, ist auch, was seit einem Jahr in der Filmindustrie passiert. Bei der Produktion des „Mandalorian“-Films waren die meisten Hintergründe gefilmt und fungierten im Studio als realer Background für die Schauspieler. Auf diese Weise wurde 50 Prozent der Disney-Serie gedreht, wobei eine große LED-Wand am Set die verschiedenen Umgebungen in Echtzeit dargestellt hat. Innerhalb weniger Augenblicke konnte eine Wüsten- zu einer Stadtlandschaft werden etc.

Das Liquid-Staging-Produktionsprinzip (des „räumlichen Produzierens“) wird sich also nicht nur im Live-Entertainment und in der Event-Branche, sondern auch in der Filmindustrie immer mehr durchsetzen. Vor einem Monat habe ich wohl auch aus diesem Grund vom Lehrstuhlinhaber des Audiovisuellen Departments der Ionian University das Angebot bekommen, eine Dissertation zu meiner Liquid-Staging-Theorie zu schreiben, was ich tatsächlich in den nächsten Jahren sehr gern tun werde.

Fragen von Ray Finkenberger-Lewin (pma Magazin), Oktober 2021 (Liquid Staging Top Story)


Apassionata Bühnenbild Asteris Kutulas
Apassionata „Der Traum“ Liquid Staging Film von  Asteris Kutulas & BlackSpace für die Apassionata World GmbH, 2016

Statement von Marc Ziegler aus der Zeit der Zusammenarbeit bei der Apassionata-Showproduktion „Der Traum“ (2017)

„Normalerweise verhelfen wir Marken, emotional erlebbar zu werden. Bei Apassionata war es anders. Hier hat das Emotionale unsere Arbeit bestimmt. Bestehend aus Kulisse, Bühne, Schauspiel und Licht, bestimmt heute noch vorranging das Analoge die Theaterwelt. Doch durch Künstler wie Asteris Kutulas und durch Projekte wie Apassionata 2.0 hat ein Wandel eingesetzt. Und an genau diesem Wandel sind wir interessiert: Wie wird sich der Wandel auf die Architektur und den Raum im Theater auswirken? Das liquide Bühnenbild von Asteris Kutulas verändert alles. Vor allem das Raum- und Zeiterlebnis.“

Marc Ziegler, Kreativdirektor & GF Blackspace

Asteris Kutulas Electra 21
Plakatentwurf zu ELECTRA 21 von DomQuichotte

Electra 21 Greek Premiere

Announcement by the Municipality Chania, the Goethe Institute & the Chania Culture KAM

ELECTRA 21 Greek Premiere: Liquid Staging Installation to the music of Mikis Theodorakis – Chania 10th and 11th December

This Liquid Staging Installation by Asteris Kutulas to the music of Mikis Theodorakis is an absolutely new kind of live experience!

WHEN: 10th and 11th December
WHERE: Mikis Theodorakis Theatre, Venetian Harbour, Chania

With Jannis Papatzanis live on percussion

The Liquid Staging experience of ELECTRA 21 consists of the overall experience of the music, four documentaries running simultaneously and an installation. The audience decides for itself: Visitors can direct their attention in each case to whatever captivates them at the moment. In doing so, everyone perceives more than one thing at the same time.

This Liquid Staging show installation moves away from the one-dimensional seeing of the 19th century and offers the audience the polydimensional seeing, which corresponds much more to the complexity of our epoch. A new kind of live experience.

Electra, a timeless thriller. The father sacrifices the eldest daughter for power and fame. His wife slays him for it years later. Their children Electra and Orest kill her to avenge the father. A circle of hatred and destruction. No happy ending.

Electra 21 Liquid Staging by Asteris Kutulas

ELECTRA 21 | A musical recording, a ballet performance, a film production, a liquid staging installation

Credits ELECTRA 21 installation

Music by Mikis Theodorakis
Choreography by Renato Zanella | Electra: Sofia Pintzou
Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC
Art Direction by Achilleas Gatsopoulos
Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas
Scenography by Georgios Kolios
Concept by Asteris & Ina Kutulas
Created & Directed by Asteris Kutulas

Electra 21 Liquid Staging by Asteris Kutulas

On the music of Mikis Theodorakis
„In general, Theodorakis understands the meaning and concept of setting to music differently from most opera composers: the text does not consist in an alternation of recitatives and arias, but in a classification of almost every vocal part into a continuous melismatic fabric, which is of course interrupted by choral parts and some orchestra introductions. Theodorakis sets to music by literally painting characters, emotions, situations, even contents with sounds.“ (Ilias Giannopoulos)

The ELECTRA storyline
The story begins early in the morning (where we experience Electra bemoaning her fate) and ends the same evening with Clytemnestra’s and Aigisthos‘ death, murdered by Orestes and his cousin Pylades. 

Shortly after sunrise two strange men appear (but in fact it is Orestes and Pylades who have disguised themselves) and inform Queen Clytemnestra that her son Orestes has died in exile in a chariot race. Clytemnestra, who together with her lover Aigisthos has killed her husband Agamemnon and therefore fears that her son Orestes, although he fled years ago, could still be dangerous to her, is delighted to learn of his death. Now Clytemnestra sends a messenger to invite the two men to the palace to celebrate this positive news in the evening. When her daughter Electra learns of her brother Orestes‘ fatal accident, she tries in vain to persuade her sister Chrysothemis to revenge their father’s death. Electra is convinced that the mother and her lover must finally die, because they murdered Agamemnon and thus took from the children their father. Now believing that Orestes has been killed in an accident, Electra and Chrysothemis, the two daughters, are to carry out the act of revenge. The „strangers“, Orestes and Pylades, reveal their true identity to Electra, whereupon she instigates her brother to murder Clytemnestra. Orestes finally enters the palace, kills Clytemnestra and then, when he appears, her lover, Aigisthos.

Electra 21 Liquid Staging by Asteris Kutulas

Film Credits (4 movies)

Music by Mikis Theodorakis | Ballet Choreography by Renato Zanella | Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC | Editing by Yannis Sakaridis, Asteris Kutulas & Stella Kalafati | Music Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Art Direction by Achilleas Gatsopoulos | Cameras by Vasilios Sfinarolakis, Mike Geranios, Zoe Chressanthis, Hara Kolaiti, Dionissia Kopana, Stella Kalafati, Asteris Kutulas | Additional filming with Katherina Markowskaya by Sarah Scherer | Sound by Klaus Salge | Assistance to James Chressanthis by Hara Kolaiti | Still photography by Robin Becker | Production Management by Vassilis Dimitriadis | Associated Producer Christopher Kikis

Written & produced by Asteris & Ina Kutulas | Directed by Asteris Kutulas

Music Edition by Schott Music | Special thanks to Peter Hanser-Strecker & Margarita Theodorakis

Cameras provided by Alternative Digital Cinema, Los Angeles & Canon, USA | Special thanks to Joe Lomba & Tim Smith

Soundtrack with kind permission of Mikis Theodorakis & SCHOTT MUSIC, Mainz

Special thanks for the support to the  Strecker-Stiftung, Frank Wunderatsch, Internationale Hofer Filmtage, Rafaela Wilde, Dimitris Koutoulas, Tim Dowdall, Gerd Helinski, Rena Parmenidou, Jörg Krause, Christian Jansen, Nana Trandou, Nikos Vlachakis, Jan Perray, Oliver Schulze, Lefteris Veniadis, Alexander Kutulas, Rafika Chawish, Hofer Filmtage Team & Thorsten Schaumann

Liquid Staging Top Story (pma Magazin)

taz Interview mit Asteris Kutulas

„Es war ein Akt des Widerstands“ – taz Interview mit Asteris Kutulas, befragt von Marina Mai

taz: „Begriffe ohne Anschauung sind leer. Anschauungen ohne Begriffe sind blind“, Asteris, was sagt Dir dieses Zitat heute?

Asteris Kutulas: Darüber könnte ich eine ganze Vorlesung halten. Aber als erstes denke ich da an die „Frage“, die der Roman „Zorbas“ von Nikos Kazantzakis stellt: Was ist wichtiger im Leben: Das Buch oder der Tanz?

taz: Der Satz stammt aus der Erkenntnistheorie des Philosophen Immanuel Kant. Wir haben in den 1980er Jahren gemeinsam in Leipzig Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie gehört. Weil wir uns in Studienzeiten kennengelernt haben, möchte ich dich im taz-Interview duzen. Du hast, so finde ich, damals die Symbiose von begrifflichem und anschaulichem Denken, die Kant für die Philosophie vollzogen hat, gelebt: In Lehrveranstaltungen bist Du gern über Metaebenen geklettert. Nebenher hast Du Künstler von Weltruhm aus dem Griechischen übersetzt, beispielsweise die Lyriker Jannis Ritsos, Giorgos Seferis und Odysseas Elytis, aber auch Texte des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis. Du hast Dich dann später beruflich für das Anschauliche entschieden, Du bist Künstler und Produzent geworden. Hast Du auch einmal mit einer wissenschaftlichen Laufbahn geliebäugelt?

Asteris Kutulas: Das wäre für mich sicherlich spannend gewesen. Aber ich bin schon als Student in den Sog der Lyrik und Musik geraten. Persönlichkeiten wie Jannis Ritsos, Mikis Theodorakis und später der Lichtkünstler Gert Hof haben mich 40 Jahre lang geprägt. Ich habe in einer Welt gelebt, die voll von Literatur, Musik, Kunst, Film, Politik, Geschichte und Philosophie war. Diese Welt wollte ich niemals verlassen. Das war und ist mein Leben.   

Ich habe aber gerade angefangen, eine Dissertation zu schreiben. Darin geht es um meine „Liquid Staging“ Ästhetik, die sich mit der „Verräumlichung des Films“ als Basis für neue Show-Formate im 21. Jahrhundert auseinandersetzt.

taz Interview Asteris Kutulas Liquid Staging Theodorakis Gert Hof

taz: Was ich als Studentin nicht wusste: Du wurdest in Rumänien geboren. Wie hat es Deine Eltern dorthin verschlagen?

Asteris Kutulas: In Griechenland tobte nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 1945 und 1949 ein schrecklicher und blutiger Bürgerkrieg. Die „linken Partisanen“ verloren diesen Krieg, und etwa 60.000 von ihnen, darunter auch mein Vater und die Familie meiner Mutter, flohen über die albanische, die jugoslawische und bulgarische Grenze in die sozialistischen Staaten. Ihr Schicksal wurde besiegelt durch Entscheidungen, die fernab ihrer Heimat getroffen wurden – von Menschen, die sie nur dem Namen nach kannten: Churchill, Stalin, Truman, Tito. So landeten unsere Eltern in der „kommunistischen Diaspora“, irgendwo in Osteuropa, in fernen, ihnen unbekannten Dörfern oder Städten mit für sie exotischen Namen: Radebeul, Bratislava, Taschkent, Zgorzelec. Meine Eltern trafen sich in der rumänischen Stadt Oradea, nahe der ungarischen Grenze. Dort kam ich 1960 in einem Flüchtlingslager zur Welt. Ein paar Jahre später zog meine Familie nach Bukarest, als mein Vater Redakteur bei Neos Kosmos wurde, der theoretischen Zeitschrift der Kommunistischen Partei Griechenlands.

taz: Und unter welchen Umständen kam Deine Familie dann 1968 in die DDR?

Asteris Kutulas: Sitz der Parteiführung der seit 1946 in Griechenland verbotenen Kommunistischen Partei war Bukarest. 1968 gab es eine Spaltung der KPG. Mein Vater gehörte zu der moskautreuen Fraktion, und die wurde von Rumäniens Staatschef Nicolae Ceausescu ausgewiesen – das war eine völlig bizarre und surreale Situation. Die „moskautreuen“ sozialistischen Länder beschlossen daraufhin, den Sitz der Zeitschrift-Redaktion, bei der mein Vater arbeitete, nach Dresden zu verlegen. So zog meine Familie im Sommer 1968 ins „Tal der Ahnungslosen“, wie Dresden damals genannt wurde, weil es die einzige Stadt in der DDR war, in der Westfernsehen nicht empfangen werden konnte.

taz: Als Du in Dresden eingeschult wurdest, warst Du vermutlich der einzige Schüler mit Migrationsgeschichte …

Nein, es gab seit 1950 in Dresden, vor allem in Radebeul, eine große Gemeinde von ca. 600 griechischen Bürgerkriegs-ExilantInnen. Es gab griechischen Sprachunterricht an einzelnen Schulen. Wir haben griechische Feste gefeiert. Richtig ist, dass es darüber hinaus damals noch keine weiteren Zuwanderer und Zuwanderinnen gab. Die ChilenInnen und die VertragsarbeiterInnen kamen später. 

taz: Hast Du Rassismus erlebt?

Asteris Kutulas: Überhaupt nicht.

taz: Du hast in der DDR mit einer griechischen Staatsbürgerschaft gelebt …

Asteris Kutulas: Die habe ich erst 1978 erhalten, vier Jahre nach dem Sturz der Militärdiktatur. Vorher hatte ich nur einen Fremdenpass, war staatenlos. Ab 1975 durfte ich einmal pro Jahr meine Heimat besuchen …

taz: Du sprichst von Griechenland als Deiner Heimat? Du warst doch vor 1975 niemals dort …

Asteris Kutulas: Bei uns zu Hause wurde nur Griechisch gesprochen, griechische Musik gehört – vor allem Theodorakis –, es wurden griechische Bücher gelesen. „Heimat“ bedeutete für mich wie für viele andere Diaspora-Griechen zwei Dinge: die griechische Sprache und die griechische Kultur. In den sechziger Jahren stießen wir zu Silvester stets mit dem Spruch an: „Und nächstes Jahr in der Heimat!“

Bis zum Sturz der Junta 1974 durften wir ja nicht in Griechenland einreisen. Ich habe bis heute nur einen griechischen Pass, obwohl ich seit den siebziger Jahren in diesem Dualismus lebe – zwischen meinem deutschen Geist und meiner griechischen Seele.

taz: Warum bist Du eigentlich nie nach Griechenland gezogen?

Asteris Kutulas: Das stimmt so nicht. Wir haben von 1992 bis 1996 in Athen gelebt, immerhin vier Jahre. Dann zogen wir wieder zurück nach Berlin.

Aber es war eigentlich der Plan, nach meinem Studium 1985 nach Griechenland zu ziehen. Aber 1983 lernte ich Ina kennen, die Liebe meines Lebens. So blieb ich bei ihr in der DDR. Wir fuhren allerdings jeden Sommer für vier Wochen nach Griechenland. Tatsächlich haben wir uns seit Ende 1988 aus politischen Gründen mit dem Gedanken befasst, nach Athen umzuziehen. Die Wende kam dazwischen.

taz: Welche Vor- und Nachteile hatte es in der DDR, mit der griechischen Staatsangehörigkeit zu leben?

Asteris Kutulas: Die Möglichkeit, nach Griechenland zu reisen, war schon ein fundamentaler Vorteil. Später durfte ich auch auf Einladung hin auf Lesereise gehen, um meine Bücher, die in Luxemburg oder in der BRD erschienen, im Westen vorzustellen. Ich muss aber sagen, dass die West-Reisen in meinem Umfeld nicht so ins Gewicht fielen: Meine Gymnasialzeit zwischen 1975 und 1979 verbrachte ich an der Dresdner Kreuzschule. Die Hälfte der Jungen in meiner Klasse sang im Kreuzchor und war auf Konzertreisen im Westen unterwegs. In den achtziger Jahren durften dann auch immer mehr DDR-Künstlerkollegen in den Westen, um bei den Eröffnungsveranstaltungen der Ausstellungen mit ihren Werken und bei den Premieren ihrer Theaterstücke dabei zu sein oder eben Lesungen zu machen.

Und Nachteile als Grieche in Dresden? Mir fällt kein Nachteil ein. Es war eine für mich inspirierende und sehr spannende Zeit.

taz: Ein Vorteil war sicher auch, dass Dir als Grieche der Militärdienst in der NVA erspart blieb …

Asteris Kutulas: Da ich nie die deutsche Staatsangehörigkeit hatte, tangierte mich dieses Thema zu keiner Zeit. Allerdings tat ich alles, um einer Einberufung in die damals sehr faschistisch geprägte griechische Armee zu entgehen. 

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taz: Kulturell hast Du Dich schon damals als Vermittler zwischen beiden Kulturen engagiert. Dafür stehen nicht nur Deine Nachdichtungen bedeutender griechischer Autoren. Ich erinnere mich auch an Deine Veranstaltungen zum „Canto General“ von Pablo Neruda und Theodorakis im Leipziger Studentenclub Moritzbastei. Warum war es Dir wichtig, griechische Kultur in der DDR bekannt zu machen?

Asteris Kutulas: Der Zufall wollte es, dass ich 1980 drei Persönlichkeiten kennenlernte, die mit ihrer zutiefst humanistischen Haltung mein Leben prägten: durch sein Poem „Canto General“ den bereits verstorbenen chilenischen Dichter Pablo Neruda sowie Mikis Theodorakis und Jannis Ritsos, denen ich 1980 erstmals auch real begegnete. Ihnen gemeinsam war, dass sie einen utopischen Kommunismus vertraten, dessen Mittelpunkt die absolute Freiheit des Einzelnen in einer basisdemokratischen Gesellschaft war. Das deckte sich damals mit meinem Ideal und stand damit im Gegensatz zur sozialistischen Staatsdoktrin der DDR, die ein diktatorisches und kleinbürgerliches System aufgebaut hatte. Auch das hat mich veranlasst, ihre Kunst in der DDR bekanntzumachen. Das mag heute etwas schräg klingen, war aber damals für mich so etwas wie ein Akt des Widerstands.

taz: Gab es eigentlich politische Grenzen, die Dir in der DDR gesteckt wurden, Grenzen, die Du nicht überschreiten konntest?

Asteris Kutulas: (überlegt) Als ich als Schüler 1976 von einer Griechenlandreise in die DDR zurückfuhr, wurde mir bei einer Grenzkontrolle aus meinem Reisegepäck das Buch „Der Archipel Gulag“ des sowjetischen Dissidenten Alexander Solschenizyn abgenommen. Ich habe nicht eingesehen, warum diese DDR-Polizeibeamten das Recht hatten, zu entscheiden, was ich lesen durfte und was nicht.

Ab 1987 habe ich gemeinsam mit meiner Frau Ina Kutulas die Buchreihe „Bizarre Städte“ im Selbstverlag herausgegeben. Wir durften nach DDR-Recht maximal 100 Exemplare pro Buch drucken. Immerhin schafften wir uns dadurch eine eigene kleine Öffentlichkeit, da es keine große gab. Aber selbst diese kleinen „Öffentlichkeiten“, derer es in der DDR einige gab, versuchte die Stasi zu kontrollieren und in ihrem Sinn zu beeinflussen. Ein beliebtes Mittel war es, über jeden das Gerücht zu streuen, er sei Mitarbeiter der Stasi. Wir haben schließlich beschlossen, uns davon nicht beeinflussen zu lassen.

Die Situation war allerdings 1987 schon „liberaler“ als Jahre zuvor. Es gab Zugeständnisse der Staatsmacht an Intellektuelle – auch wegen Gorbatschows Perestroika-Politik und weil bereits sehr viele aus der DDR ausgereist waren.

taz: Kommen wir zurück auf Mikis Theodorakis. Du warst ihm in mehrfacher Hinsicht ein Begleiter: als sein Dolmetscher, sein Manager, Produzent, sein Freund, Du hast sein Werkverzeichnis herausgegeben. Wann bist Du ihm zum ersten Mal persönlich begegnet?

Asteris Kutulas: 1980 in Berlin. Im Palast der Republik wurde sein „Canto General“ aufgeführt. Es war sein erster Besuch in der DDR, und ich war Dolmetscher von Maria Farantouri, der Interpretin des Werkes. Ein Jahr später wurde ich sein Dolmetscher und ab da war ich auch in allen organisatorischen und künstlerischen Belangen dutzender Konzerte und Tourneen involviert. Ab 1987 habe ich zusammen mit Mikis viele künstlerische Konzepte entwickelt und umgesetzt. Ab 2010 haben wir dann als „Künstler-Kollegen“ zusammengearbeitet, was für mich der Höhepunkt dieser Beziehung darstellte. Ich begann als Regisseur und Autor (zusammen mit Ina) meine Film-Tetralogie zu produzieren und parallel dazu mit dem Choreographen Renato Zanella – auf der Grundlage der gleichnamigen Opern-Musik von Mikis – an den Ballett-Filmen „Medea“ (2011), „Electra“ (2018) und „Antigone“ (2022) zu arbeiten.

taz: Wäre es übertrieben zu sagen, dass Mikis Theodorakis DIE prägende Erfahrung Deines Lebens wurde?

Asteris Kutulas: So ist es. Hättest Du mir die Frage in den 1980ern gestellt, hätte ich wahrscheinlich Jannis Ritsos genannt, der für mich ein Seelenverwandter war. Aber Mikis Theodorakis hat mich 40 Jahre lang mit seinem anarchischen Geist und seinem kompromisslosen Künstlertum inspiriert und tief geprägt. Ich fühle mich gesegnet, mit ihm bei so vielen Projekten zusammengearbeitet zu haben. In den letzten 15 Jahren sind wir uns als Künstler begegnet, wir haben gemeinsam Ballette, Filme und Installationsprojekte entwickelt und vieles davon umgesetzt.

ELECTRA 21

Noch im Juli, also sechs Wochen vor seinem Tod, habe ich mit Mikis an „Electra 21“ gearbeitet, einem neuen „Liquid Staging“ Show-Format für das 21. Jahrhundert, in dem vier Filme, die auf derselben Musik synchronisiert wurden, parallel laufen und so ein polydimensionales Sehen ermöglichen. Weltpremiere von „Electra 21“ wird am 30.10.2021 bei den 55. Internationalen Hofer Filmtagen sein. Mikis hatte im Juli vorausgesagt, dass er die Uraufführung nicht mehr erleben würde und hatte sich mit den Worten von mir verabschiedet: „Ich werde den besten Platz haben und Euch von oben zusehen.“

taz: In der DDR war Mikis Theodorakis in den 1970er Jahren verboten. In den 1980er Jahren fanden dort hingegen mehrere Welturaufführungen seiner Werke statt. Einige wurden auch auf Tonträger produziert und international vertrieben. Welches Verhältnis hatte er zur DDR?

Asteris Kutulas: Seine „Karriere“ in der DDR hat Mikis dem Engagement des Musikkritikers Peter Zacher zu verdanken. Dieser hatte seit 1975 versucht, den Canto General in der DDR aufführen zu lassen und hatte 1980 endlich damit Erfolg. Durch sein Netzwerk innerhalb der Musikszene zu Institutionen wie die Dresdner Philharmoniker, die Hallesche Philharmonie, das Orchester der Komischen Oper Berlin sowie zu Dirigenten wie Kurt Masur und Herbert Kegel kamen in der DDR die Uraufführungen der 2., 3. und 7. Sinfonie, der Sadduzäer-Passion oder die Liturgie Nr. 2 für den Dresdner Kreuzchor zustande.

Mikis Theodorakis hatte ein ambivalentes Verhältnis zur DDR. Als wir 1981 im Café des Gewandhauses in Leipzig saßen, fragte er mich auf den Kopf zu: „Asteris, wie kannst Du in diesem Land leben?“ Ich war völlig überrascht, und er sagte: „Ich wäre hier entweder im Gefängnis oder tot.“

Auf der anderen Seite liebte Mikis das großartige Publikum in der DDR. Und er schätzte es sehr, mit den fantastischen Orchestern, Solisten und Dirigenten in der DDR zusammenzuarbeiten.

taz Interview Asteris Kutulas, Gert Hof, Mikis Theodorakis, Liquid Staging

taz: Ein ganz anders Thema: Du hast 2003 für den späteren US-Präsidenten Donald Trump ein Lichtkunstevent in Atlantic City produziert. Wie kam es dazu?

Das Licht, Albert Speer und Donald Trump

Asteris Kutulas: Ich habe ab 1999 mit dem Licht-Architekten Gert Hof ein heute etabliertes, aber damals völlig neues Show-Format erfunden, die Outdoor-Lichtshow. Entertainment durch Lichtarchitektur am Himmel oder „Art in Heaven“ wie wir es nannten. Gert Hof war der Künstler, ich der Produzent. Die erste Show machten wir zur Millenniumsfeier an der Berliner Siegessäule mit Mike Oldfield und der Staatskapelle St. Petersburg auf der Bühne.

taz: Ich erinnere mich. Es gab damals Kritik wegen Ähnlichkeiten zu Albert Speer.

Asteris Kutulas: Aber nur im Vorfeld! Nach unserem Event hat das überhaupt keine Rolle gespielt. Das zeigt auch, wie dumm diese „Sorge“ war.

taz: So abwegig ist der Vergleich nicht: Eine Massenveranstaltung mit Licht ausgerechnet an der Siegessäule. Auch wenn ich Dir nicht unterstelle, ein Anhänger von Albert Speer zu sein, der Vergleich liegt nahe.

Asteris Kutulas: Weil Herr Speer etwas benutzt hat, darf man es die nächsten tausend Jahre nicht mehr benutzen? Warum sollen wir den Nazis die Kunst-Form LICHT schenken?

Die deutschen Lyriker sind auch nicht der „Aufforderung“ von Theodor W. Adorno gefolgt „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“, sondern haben gesagt, „wir glauben, dass Gedichte überhaupt erst jetzt wieder möglich sind …“. Hinzu kommt, dass Gert seine Idee von der Licht-Architektur am Himmel von den Bauhaus-Pionieren übernommen hatte – er war ein absoluter Bauhaus-Fan und hatte sich u.a. vom Metropolis-Film zu seiner Lichtarchitektur inspirieren lassen.

Wir haben mit unseren Events das Medium LICHT den Nazis weggenommen und es der Kunst und der Menschheit wieder geschenkt. Wie erfolgreich wir darin waren, siehst Du daran, dass inzwischen die „Strahlen-Ästhetik“ von Gert Hof in jeder Fernsehsendung und in jedem Pop/Rock-Konzert zu sehen ist.

Asteris Kutulas, Gert Hof
Berlin Millennium Event 1999/2000 (photo © by Sabine Wenzel)

taz: Aber wie kam es zu dem Auftritt bei Donald Trump?

Asteris Kutulas: Wir hatten durch unser neues Show-Format eine neue Art von Entertainment für Hunderttausende von Menschen geschaffen. Die PR-Verantwortliche der Trump Organization hatte von unseren Lichtshows in Berlin, Athen, Peking und an vielen anderen Orten gehört und fragten uns an. Wir haben in Atlantic City eine ganze Woche jeden Abend eine Mega-Lichtshow für die ganze Stadt auf Bruce Springsteen Musik gemacht und damit mehrere Trump-Ressorts miteinander verbunden. Die Amis sind total darauf abgefahren.

taz: Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Trump?

Asteris Kutulas: Die gab es mit ihm persönlich gar nicht. Er kam mit seinem Hubschrauber aus New York geflogen, war ziemlich beeindruckt von dem Ganzen und hat sich sehr amüsiert. Damals war Trump auch mehr ein Entertainer und politisch noch nicht in Erscheinung getreten. Und er mischte sich überhaupt nicht künstlerisch ein – er akzeptierte Gert als jemanden, der wusste, was er tat. Ich hatte das Gefühl, dass er das gut fand. Die Zusammenarbeit mit seinem Büro lief professionell ab, obwohl sie mit sehr harten Bandagen verhandelt haben. Das war diesbezüglich eine meiner schwierigsten Produktionen.

Asteris Kutulas Gert Hof Atlantic City
Atlantic City Trump Taj Mahal Event, directed by Gert Hof & produced by Asteris Kutulas, 2003 (photo © by Sabine Wenzel)

taz: Als Wahlberliner bringst Du regelmäßig griechische Kultur nach Berlin, beispielsweise bei dem alljährlichen Filmfestival „Hellas Filmbox Berlin“ im Babylon. Wo ist Deine Kunst demnächst zu sehen?

Dance Fight Love Die, Liquid Staging & andere Projekte

Asteris Kutulas: Im Januar kommt mein Film „Recycling Medea“ in die Kinos. Ich habe Regie geführt und zusammen mit meiner Frau das Drehbuch geschrieben. In der ARTE-Mediathek kann man noch bis Dezember unseren Film „Mikis Theodorakis – Komponist“ sehen. Unser Film „Dance Fight Love Die“ ist auf Amazon und vielen anderen Streaming-Plattformen zu sehen. Dieser Film entstand, weil ich Mikis seit 1987 mit meiner Kamera begleitet habe und ziemlich viel aufgenommen habe, in ganz Europa, den USA, Chile, Israel, Türkei, Südafrika, Australien usw. Ich habe das eher für mich getan, um die künstlerische Energie festzuhalten, die mich umgab. Meine Frau Ina hat mich später davon überzeugt, aus diesem Material einen Film zu machen.

Ansonsten arbeite ich mit Ina seit drei Jahren an für uns atemberaubenden Projekten: an einer Family-Entertainment-Show namens „Spheros“ und an einem „Meta-Musical“, in dem Marlene Dietrich im Mittelpunkt steht. Zusammen mit unserem Künstler-Kollegen Achilleas Gatsopoulos entwickeln wir eine revolutionäre Liquid-Staging-Show. In einem halben Jahr werden wir das Flexodrom dem Markt anbieten – das ist ein modularer und mobiler Theaterbau, den ich zusammen mit Alexander Strizhak aus Riga entwickelt habe.

Außerdem schreibe ich zusammen mit Ina einen autobiografisch angelegten Roman über das Leben eines griechischen Studenten in der DDR zwischen 1979 und 1989.

taz: Du erwähntest Deine Kamera. Ich habe den Eindruck, sie ist sehr wichtig für Dich?

Asteris Kutulas: Ja. Ich habe sie 1989 gekauft. Sie hat mein Denken visualisiert. Ursprünglich habe ich Tagebuch und Gedichte geschrieben, Übersetzungen gefertigt. Durch die Kamera habe ich ganz anders Sehen gelernt, habe zum Film und zur Konzeptkunst gefunden. Und sie hat mich schließlich zu dieser neuen Theorie des „Liquid Staging“ geführt, die ich im November 2021 im pma-Magazin veröffentlichen werde.

taz: Ich komme zum Schluss noch einmal auf die Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie zurück, die wir gemeinsam gehört haben. Philosophie gilt gemeinhin als brotlos. Hast Du Dein Philosophie-Wissen in Deiner beruflichen Tätigkeit produktiv machen können?

Asteris KutulasJa, sehr. Ich habe 40 Bücher herausgegeben und übersetzt, darunter viele Essaybände. Wenn ich beispielsweise an den 1989 in der DDR und 1990 in der Bundesrepublik herausgegebenen Essay-Band des Literaturnobelpreisträgers Giorgos Seferis „Alles voller Götter“ denke – ohne vorher die Vorlesungen zur antiken griechischen Philosophie bei Helmut Seidel erlebt und mich damit auseinandergesetzt zu haben, hätte ich mich da wohl nie herangetraut.

Asteris Kutulas taz Seferis
Giorgos Segeris, Alles voller Götter, Herausgegeben und übersetzt von Asteris Kutulas

Zum andern hat mir dieses Studium geholfen, nicht nur Literatur, sondern auch meinen Künstler- und Produzenten-Alltag ohne „ideologische“ Brille zu betrachten und Strukturen zu durchschauen. Dadurch vermag ich auch als Konzept-Künstler, „leere Begriffe“ und „blinde Anschauungen“ zu vermeiden.

taz Interview mit Asteris Kutulas, befragt von Marina Mai, veröffentlicht in der Wochenendausgabe der taz vom 6./7.11.2021 sowie auf der Internet-Seite der taz am 9.11.2021 (Fotos in den taz-Ausgaben: Doro Zinn)

(Danke taz, Marina Mai, Doro Zinn und Ina Kutulas.)

Electra 21 World Premiere

ELECTRA 21 | A musical recording, a ballet performance, a film production, a liquid staging installation

– created and directed by Asteris Kutulas to the music of Mikis Theodorakis

Electra, a timeless thriller. The father sacrifices the eldest daughter for power and fame. His wife slays him for it years later. Their children Electra and Orest kill her to avenge the father. A circle of hatred and destruction. No happy ending.

The live experience of ELECTRA 21 consists of the overall experience of the music, four documentaries running simultaneously, some of them hybrid, and an installation. The audience decides for itself: Visitors can move, sit or stand in this liquid staging installation and direct their attention in each case to whatever captivates them at the moment. In doing so, everyone perceives more than one thing at the same time.

This show installation moves away from the one-dimensional seeing of the 19th century and offers the audience the polydimensional seeing, which corresponds much more to the complexity of our epoch. A new kind of live experience.

Electra 21 Asteris Kutulas & Mikis Theodorakis
Electra 21 poster (Photo by Loukia Roussou | Artwork by Achilleas Gatsopoulos)

ELECTRA 21 | Eine Musikaufnahme, eine Ballettaufführung, eine Filmproduktion, eine Liquid Staging Installation

– von Asteris Kutulas zur Musik von Mikis Theodorakis

Electra, ein zeitloser Thriller. Der Vater opfert die älteste Tochter für Macht und Ruhm. Seine Ehefrau erschlägt ihn dafür Jahre später. Ihre Kinder Electra und Orest töten sie, um den Vater zu rächen. Ein Kreis des Hasses und der Vernichtung. Kein Happy End.

Das Live-Erlebnis ELECTRA 21 Produktion besteht aus dem Gesamt-Erlebnis der Musik, vier zeitgleich ablaufenden – zum Teil hybriden – Dokumentarfilmen und einer Installation. Das Publikum entscheidet selbst: Die Besucher*innen können sich in dieser Liquid-Staging-Installation bewegen, sitzen oder stehen und ihre Aufmerksamkeit jeweils auf das richten, was sie gerade fesselt. Dabei nimmt jede*r immer mehreres zugleich wahr.

Diese Show-Installation bewegt sich weg vom eindimensionalen Sehen des 19. Jahrhunderts und offeriert dem Publikum das polydimensionale Sehen, das der Komplexität unserer Epoche viel mehr entspricht. Ein neuartiges Live-Erlebnis.

Electra 21 Asteris Kutulas Mikis Theodorakis
Electra 21 team after the world premiere in Hof (Foto: Andreas Rau)

ELECTRA 21 CREDITS

A Liquid Staging Installation by Asteris Kutulas on the Music by Mikis Theodorakis

Choreography by Renato Zanella with Sofia Pintzou as Electra | Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC | Art Direction by Achilleas Gatsopoulos | Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Scenography & Production by Georgios Kolios | Concept & Produced by Asteris & Ina Kutulas | Created & Directed by Asteris Kutulas

Special appearance by Katherina Markowskaya & Maria Zlatani | With the music directors Phaidra Giannelou, Andrianna Neamoniti, Clément Nonciaux, Lefteris Veniadis | With special thanks to Frank Wunderatsch

Electra 21 Asteris Kutulas Sofia Pintzou
Sofia Pintzou (Foto: Andreas Rau)

Ballet Credits

Music by Mikis Theodorakis (from his opera „Electra“) | Choreography by Renato Zanella | Film sequences by James Chressanthis ASC, GSC | Music Editing by Alexandros Karozas | Lighting Design by Uwe Niesig | Costumes by Olgica Gjorgieva | Concept & Direction by Asteris Kutulas & Renato Zanella

Dancers | Sofia Pintzou (Electra) | Alexandra Gravilescu (Clytemnestra) | Tamara Alves Dornelas Souza (Chrysothemis) | Eltion Merja (Orestes) | Valentin Stoica (Aigisthos) | Florient Cador (Pylades)

In cooperation with Europaballett St.Pölten | Ballet performances filmed at the „Apollo“ Theater of Hermoupolis (Syros) | International Festival of the Aegean | Presented by MidAmerica Productions of New York and the Municipality of Syros-Hermoupolis | General & Artistic Director Peter Tiboris

Electra 21 Asteris Kutulas Mikis Theodorakis

Music Credits

Galina Dolbonos (Electra), Wladimir Feljaer (Orestes), Emilia Titarenko (Chrysothemis), Daria Rybakova (Clytemnestra), Peter Migounov (Pedagogue), Eugeni Witshnewski (Aegisthos), Sergej Leonwitch (Pylades)

St. Petersburg State Academic Capella Orchestra & Choir | Directed by Mikis Theodorakis | Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Produced by Alexandros Karozas & Asteris Kutulas | Music Edition by Schott Music & Romanos

Electra 21 Asteris Kutulas

Film Credits (4 movies)

Music by Mikis Theodorakis | Ballet Choreography by Renato Zanella | Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC | Editing by Yannis Sakaridis, Asteris Kutulas & Stella Kalafati | Music Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Art Direction by Achilleas Gatsopoulos | Cameras by Vasilios Sfinarolakis, Mike Geranios, Zoe Chressanthis, Hara Kolaiti, Dionissia Kopana, Stella Kalafati, Asteris Kutulas | Additional filming with Katherina Markowskaya by Sarah Scherer | Sound by Klaus Salge | Assistance to James Chressanthis by Hara Kolaiti | Still photography by Robin Becker | Production Management by Vassilis Dimitriadis

Written & produced by Ina & Asteris Kutulas | Directed by Asteris Kutulas

Music Edition by Schott Music & Romanos | Special thanks to Peter Hanser-Strecker & Margarita Theodorakis

Cameras provided by Alternative Digital Cinema, Los Angeles & Canon, USA | Special thanks to Joe Lomba & Tim Smith

Soundtrack with kind permission of SCHOTT MUSIC, Mainz & Romanos

Foto: Andreas Rau

Special thanks for the support to the Strecker-Stiftung, Frank Wunderatsch, Internationale Hofer Filmtage, Rafaela Wilde, Dimitris Koutoulas, Tim Dowdall, Gerd Helinski, Rena Parmenidou, Jörg Krause, Christian Jansen, Nana Trandou, Nikos Vlachakis, Jan Perray, Oliver Schulze, Lefteris Veniadis, Alexander Kutulas, Rafika Chawish, Hofer Filmtage Team & Thorsten Schaumann

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„The public LIQUID STAGING project ELECTRA 21 by Asteris Kutulas provided a preview of a cinema format of the future.“ 

ELECTRA 21 World Premiere – 30.10.2021 | 55th International Hof Film Festival

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Electra 21 Liquid Staging Asteris Kutulas

Liquid Staging Manifest (2016)

Hans Vogt Film Award 2021

55th Hof International Film Festival

Hans Vogt Film Prize Asteris Kutulas Liquid Staging
Announcement by the Hof International Film Festival

THE HANS VOGT AWARD 2021 

We are delighted that with the support of our sponsors, we are able to award the HANS VOGT FILM AWARD of the city of Rehau at the 55th Hof International Film Festival. The prize is aimed at filmmakers whose great innovation and diligence have lent a special quality and value to their films, paying particular attention to film music.

This year, the prize goes to author, filmmaker and producer Asteris Kutulas.

Asteris Kutulas published his own works as an author and worked as a film, music and event producer. In 2014 he began with the production of his film project DANCE FIGHT LOVE DIE – WITH MIKIS ON THE ROAD, which celebrated its world premiere at Hof International Film Festival in 2017. At this year’s 55th Hof International Film Festival, he is presenting his Liquid Staging installation ELECTRA 21.

„For a long time, I’ve had a vision of combining the world of cinema with the world of ballet and the world of shows – in a work of art for the 21st century.“

The installation consists of four films running simultaneously, all based on the same musical recording of the Electra opera music by Mikis Theodorakis. Absolutely synchronously, the four films are played on four screens, showing different ballet scenes and orchestra rehearsals.

The Hans Vogt Film Prize was established to commemorate the pioneering work of Hans Vogt, an engineer born in the Rehau district in 1890, who played a decisive role in the invention of sound film and brought about a new era in the history of cinema. 

Previous award winners: Edgar Reitz, Wim Wenders, Michael Verhoeven, Doris Dörrie, Dominik Graf, Veit Helmer, Caroline Link, Emily Atef

Hans-Vogt-Filmpreis Asteris Kutulas

HANS-VOGT-FILMPREIS 2021

Wir freuen wir uns sehr, dass wir bei den 55. Internationalen Hofer Filmtagen 2021 auch in diesem Jahr, mit der Unterstützung unserer Sponsoren, den HANS-VOGT-FILMPREIS der Stadt Rehau vergeben können. Der Preis ist an Filmschaffende gerichtet, die mit Innovation und Sorgfalt ihren Filmen besondere Qualität und Wertigkeit mit auf den Weg gegeben haben und dabei besonders auf ihre Filmmusik achten.

In diesem Jahr geht der Preis an den Autor, Filmemacher und Produzenten Asteris Kutulas.

Asteris Kutulas wurde am 5. April 1960 in Oradea, Rumänien als Sohn griechischer Emigranten geboren. Nach dem Umzug seiner Familie in die DDR ging Kutulas in Dresden zur Schule und absolvierte dann ein Studium in Germanistik und Geschichte der Philosophie in Leipzig. Er war lange als Übersetzer tätig und bearbeitete dabei unter anderem diverse Schriften von Mikis Theodorakis. Im Laufe der Zeit veröffentlichte er als Autor eigene Werke und arbeitete als Musik- und Eventproduzent sowie als Manager. 2014 begann er mit der Produktion seines Filmprojekts „Dance Fight Love Die – Unterwegs mit Mikis“, welches 2017 Weltpremiere bei den Internationalen Hofer Filmtagen feierte.

Asteris Kutulas Hans Vogt Award Filmpreis Hofer Filmfest
Asteris Kutulas nach der Preisverleihung mit dem Hans Vogt Filmpreis

Bei den diesjährigen 55. Internationalen Hofer Filmtagen präsentiert Asteris Kutulas seine Liquid-Staging-Installation ELECTRA 21. „Schon lange hatte ich die Vision, die Welt des Kinos mit der Welt des Balletts und der Show-Welt zu verbinden: in einem Kunstwerk für das 21. Jahrhundert.“ Die Installation besteht aus vier gleichzeitig laufenden Filmen, die alle auf derselben Musik-Aufnahme derselben Electra-Opern-Musik von Mikis Theodorakis basieren. Absolut synchron werden dazu auf vier Leinwänden vier Filme abgespielt, die verschiedene Ballett-Szenen und Orchester-Proben zeigen.

Mit dem Hans-Vogt-Filmpreis soll an die Pionierleistung des 1890 im Rehauer Ortsteil Wurlitz geborenen Ingenieurs Hans Vogt erinnert werden, der entscheidend an der Erfindung des Tonfilms beteiligt war und für eine neue Ära in der Geschichte des Kinos sorgte.

Bisherige Preisträger: Edgar Reitz, Wim Wenders, Michael Verhoeven, Doris Dörrie, Dominik Graf, Veit Helmer, Caroline Link, Emily Atef

Das Filmtage Team

Hans-Vogt-Filmpreis Asteris Kutulas
Asteris Kutulas im Hans-Vogt-Museum in Rehau, Oktober 2021

Liquid Staging Masterclass (Internationale Hofer Filmtage 2021)

55. Internationale Hofer Filmtage 2021 presents

Masterclass by Asteris Kutulas

Asteris Kutulas is active as an author, filmmaker, polymedial artist, creative director, event and music producer. Liquid Staging is, among other things, an answer to the outdated and „museum-like“ form of many show formats, which no longer correspond to the reception habits of the younger postmodern generations.

In his masterclass, Asteris Kutulas will present – with the help of many examples – the Liquid Staging technology as a new way of thinking for the digital age and what role the medium of film plays in this. Followed by a discussion with the audience.

Liquid Staging Masterclass von Asteris Kutulas

über die „Verräumlichung des Films“ als Basis zur Entwicklung neuer Show-Formate

Apple, TikTok, Netflix und Co. haben in einem rasanten Tempo das Freizeitverhalten, die Entertainment-Industrie, unsere gesamte Gesellschaft verändert. Die neu entstandene hybride Welt wird bestimmt vom Internet und vom Smartphone. Mit dem Smartphone wurde die kleinste zur größten Bühne des 21. Jahrhunderts. Alles wird beherrscht vom bewegten Bild.

Liquid Staging ist u.a. eine Antwort auf die überholte und „museale“ Form vieler Show-Formate, die nicht mehr den Rezeptionsgewohnheiten der jüngeren postmodernen Generationen entsprechen.

Welches sind die neuen Show-Formate des 21. Jahrhunderts, eines Jahrhunderts, das sich in rasanter digitaler Transformation befindet? Kann Liquid Staging als Denk-Ansatz dienen, um innovative Event- und Showformate sowie eine modulare und „hybride“ Inszenierungsform zu entwickeln?

Asteris Kutulas präsentiert in seiner Masterclass – anhand von vielen Beispielen – die Liquid-Staging-Technologie als einen neuen Denkansatz für das digitale Zeitalter und welche Rolle dabei das Medium Film spielt. Anschließende Diskussion mit dem Publikum.

Liquid Staging Asteris Kutulas

55. Internationale Hofer Filmtage 2021 | Masterclasses

Mit unserem Format halten wir uns an die gleichnamige, amerikanische Lernplattform, und bieten Zuschauer*Innen, Filminteressierten, und auch Filmschaffenden eine einzigartige Möglichkeit des Austausches. Mit „Master Class“ bieten wir die Chance auf einen Einblick in die kreativen Köpfe der Vortragenden. Welche Tipps und Kniffe verraten sie uns? Alle Geheimnisse rund um die Welt der Kunst, des Films und Theaters werden enthüllt, wenn wir einladen … zur Master Class. Kommt vorbei und lasst euch inspirieren.

  • ASTERIS KUTULAS MASTERCLASS am Mittwoch, 27.10., 16 Uhr
  • ABEL FERRARA MASTERCLASS am Freitag, 29.10, 11 Uhr 

Liquid Staging Asteris Kutulas Abel Ferrara

Liquid Staging Asteris Kutulas
Master Class mit Asteris Kutulas. Foto: Andreas Rau

55. Internationale Hofer Filmtage 2021

ELECTRA 21 (Weltpremiere) | Liquid Staging Installation von Asteris Kutulas30.10.2021 | 19 Uhr | Haus der Musik | Karolinenstr. 19 | 95028 Hof @hofersymphoniker

Der Künstler Asteris Kutulas führt uns ein in die Kino-, Ballett- und Show-Welt durch eine Installation auf der Basis von Mikis Theodorakis‘ ELECTRA Opern-Musik.

Das Live-Erlebnis besteht aus dem Gesamt-Erlebnis der Musik, vier zeitgleich ablaufenden – zum Teil hybriden – Dokumentarfilmen, die in einer Liquid-Staging-Installation. Das Publikum entscheidet selbst: Die Besucher*innen können sich in dieser Liquid-Staging-Installation bewegen, sitzen oder stehen und ihre Aufmerksamkeit jeweils auf das richten, was sie gerade fesselt. Dabei nimmt jede*r immer mehreres zugleich wahr. Diese Show-Installation bewegt sich weg vom eindimensionalen Sehen des 19. Jahrhunderts und offeriert dem Publikum das polydimensionale Sehen, das der Komplexität unserer Epoche viel mehr entspricht. Ein neuartiges Live-Erlebnis.

 

Liquid Sragung Electra Asteris Kutulas

Liquid Staging Electra 21 Weltpremiere

Liquid Staging Asteris Kutulas Koutoulas
 Asteris Kutulas mit Thorsten Schaumann (Foto: Andreas Rau) kurz vor Beginn der Master Class von Asteris Kutulas
Liquid Staging Asteris Kutulas
Asteris Kutulas & Abel Ferrara

Liquid Staging Manifest (2016)

 

Apassionata Tagebuch 2021 (Nachspiel)

23.10.2021, Apassionata/Cavalluna-Premiere

Heute ist es wieder soweit, die neue CAVALLUNA-Show „CELEBRATION!“ hat in Riesa Premiere. Auf den Tag genau vor zwei Jahren, am 23.10.2019, hatte ich begonnen, den 4. Teil meiner Apassionata-Story zu veröffentlichen, der das Ende der Massine-Ehlers-Apassionata beschrieb. Damals ahnte ich noch nicht, dass sehr bald eine Corona-Pandemie die Welt von Grund auf verändern würde: Ich studierte gerade die „Antigone“ von Sophokles für unser neues Ballett-Projekt mit Renato Zanella in Trento (Italien) und konzipierte meine erste Liquid-Staging-Inszenierung einer Oper für den Juli 2020 in Wien, nämlich Richard Wagners „Der fliegende Holländer“. Doch auch diesen „Flug“, wie so viele andere, cancelte Corona. 

Zur selben Zeit schickte sich die neue Pferdeshow „Mondwind – Der Zaubermantel“ an, mit Manfred Hertlein als Veranstalter, der mächtigen Cavalluna/Apassionata Konkurrenz zu machen. Aber wegen der Corona-Pandemie werden die zwei „Kontrahenten“ ihre Schwerter erst Ende 2022 kreuzen. Dann wird man sehen, was die beiden künstlerischen Direktoren Klaus Hillebrecht (Cavalluna/Apassionata World GmbH) und Holger Ehlers (Mondwind/Manfred Hertlein Veranstaltungs GmbH) dem Publikum – im direkten Vergleich – präsentieren werden. Die Mondwind Entertainment GmbH, die mit Unterstützung des ehemaligen Apassionata-Eigentümers Peter Massine am 30.4.2019 gegründet wurde, hat Holger Ehlers als Geschäftsführer sowie dessen Ehefrau Katrin Ehlers (mit 75% Anteil) und den Finanzberater Jens Grimm (mit 25% Anteil) als Gesellschafter. Beide Shows – Cavalluna & Mondwind – entstanden aus dem Korpus der 2019 untergegangenen Apassionata. 

Apassionata – Das Nachspiel

Da mich in den letzten beiden Jahren viele Fragen über den weiteren Verlauf der Causa „Apassionata & Mondwind“ erreichten, werde ich in diesem journalistisch recherchierten Blog-Artikel aufzeigen, was seitdem passierte. Ich finde das Ganze jedoch nicht nur unter journalistischem Blickwinkel äußerst spannend – immerhin kannten über 70% der Menschen in Deutschland die Apassionata-Show –, sondern mich interessiert das Ganze auch um zu sehen, wie die Berliner Justiz mit solch einem Fall umgeht, bei dem eine Handvoll Menschen viele Millionen „verdient“, und zwar auf dem Rücken dutzender ehemaliger Kollegen, Mitarbeiter und Partner, die einen finanziellen Schaden von insgesamt über 13 Millionen Euro erleiden. Immerhin verbergen sich hinter diesen „13 Millionen“ zum Teil sehr tragische Einzelschicksale. Für einige ehemalige Apassionata-Mitarbeiter waren die finanziellen und psychischen Folgen der Apassionata-Liquidation verheerend und existenzvernichtend.  

31.12.2021, mittags

Der letzte Tag des Jahres 2021. Nach einem sehr kreativen und ereignisreichen Jahr ist jetzt etwas Ruhe eingekehrt, und ich kann meine Apassionata-Aufzeichnungen vom Oktober 2021 endlich vervollständigen, die man allerdings nur ganz versteht, wenn man meinen Artikel vom Oktober 2019 kennt. Hier folgt nun die Fortsetzung dieser Geschichte und vor allem die Veröffentlichung neuer Fakten in der Causa „Apassionata/Mondwind“. 

Zur Erinnerung: Peter Massine war Mitbegründer und bis 2019 Produzent der Pferde-Show „Apassionata“. Holger Ehlers war seit 2009 Autor, Regisseur und – laut eigenen Angaben – „Komponist“ aller Apassionata-Produktionen bis zur letzten Show „Der magische Traum“ in der Saison 2018/19. Seit 2017 war Holger Ehlers auch Executive Producer der beiden letzten Shows „Der Traum“ (2017-18) und „Der magische Traum“ (2018-19). Peter Massine und Holger Ehlers bestimmten als Hauptakteure nicht nur die geschäftliche und die künstlerische Entwicklung der „Apassionata“ der letzten zehn Jahre, sondern sie verantworteten durch ihre Handlungen und Entscheidungen auch das dramatische und abrupte Ende derselben.

Apassionata-Wirtschaftskrimi

Nach dem Bankrott sämtlicher Apassionata-Firmen von Peter Massine im Jahr 2019 haben die Insolvenzverwalter und einige Gläubiger mithilfe ihrer Rechtsanwälte recherchiert und viele Fakten und Zeugenaussagen zusammengetragen, die ich teilweise bereits in meinem Artikel vom Oktober 2019 festgehalten hatte. Diese Recherchen, an denen ich vor allem aus journalistischem Interesse heraus beteiligt war, liefen bis zum Herbst 2021 weiter, und sie brachten eine Menge neuer Fakten ans Tageslicht. Eine Kollegin von mir, die als investigative Journalistin arbeitet und sich für die „Causa Apassionata/Mondwind“ interessiert und dazu recherchiert hat, gab mir einige Dokumente, die viele offene Fragen beantworteten und  Licht ins Apassionata/Mondwind-Dunkel brachten. 

Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass Peter Massine 2019 zahlreiche seiner Gesellschaften in eine geplante und systematisch vorbereitete Insolvenz geführt und dabei Gläubiger mit Tabellenforderungen in Höhe von insgesamt über 13,1 Millionen Euro bei einer Gesamtmasse von ca. 25.000 Euro zurückgelassen hat. Der Begriff „Tabellenforderungen“ bedeutet, dass sich die 13,1 Millionen nur aus sogenannten „angemeldeten“ Forderungen zusammensetzen, was nichts anderes heißt, als dass der Schaden, den Peter Massine hinterlassen hat, noch viel höher ist – um einige Millionen höher –, da viele Gläubiger ihre Forderungen nach der Insolvenz gar nicht angemeldet, sondern „abgeschrieben“ haben. Zu diesen 13,1 Millionen Euro kommen noch Forderungen vom Finanzamt in noch unbekannter Höhe hinzu. Bei den uns bekannten insolventen Massine-Gesellschaften – es gibt derer noch mehr – handelt es sich um folgende:

Apassionata Tagebuch Nachspiel Asteris Kutulas

Ein Wirtschaftsanwalt kommentierte diese Tabelle wie folgt:

„Das krasse Missverhältnis von Insolvenzverbindlichkeiten i.H. von 13,1 Millionen Euro und „Freier Masse“ i.H. von 25.000 Euro in der Zusammenschau mit dem Inhalt der vier Insolvenzgutachten und dem aus ca. 25 verschiedenen Gesellschaften bestehenden Firmengeflecht des Herrn Peter Massine in Deutschland, Österreich und auf Malta sowie einer österreichischen Privatstiftung liefert den Beweis des ersten Anscheins, dass Herr Massine und seine Helfer mit hoher krimineller Energie zu ihrem eigenen Vorteil und zum Nachteil der betroffenen Gläubiger gehandelt haben.“

Das Firmengeflecht von Peter Massine: 25 Firmen in 5 Ländern für 1 Apassionata-Show

Im Oktober 2019 sind wir noch von 15 Gesellschaften in 3 Ländern ausgegangen, tatsächlich umfasste das Firmen-Netzwerk von Peter Massine insgesamt ca. 25 Unternehmen in 5 Ländern (Deutschland, Österreich, Malta, Ungarn, China). 

Hier kommen jedoch noch zwei weitere Firmen ins Spiel, die offensichtlich das „Überleben“ von Peter Massine nach dem Apassionata-Aus garantieren sollten: die im April 2019 mit seiner Hilfe neu gegründete Mondwind Entertainment GmbH von Katrin Ehlers (75%) und Jens Grimm (25%) als Gesellschafter und mit Holger Ehlers als Geschäftsführer sowie die key4talent GmbH.

Das Unternehmen key4talent GmbH soll bis 2017 Softwarelösungen für die Analyse von Arbeitskräften entwickelt haben, wobei die letzten veröffentlichten Abschlüsse auf eine chronische Überschuldung hindeuten.  2017 hatte Peter Massine die key4talent GmbH „stillgelegt“, um sie im April 2019 als „Zwischenstation“ für die Verschiebung der ersten Tranche i.H. von 2,7 Mio Euro aus dem Apassionata-Asset-Deal mit Hongkun zu verwenden, obwohl die key4talent GmbH gar nichts mit der Apassionata und dem Hongkun-Vertrag zu tun hatte. Diese Transaktion wird durch mehrere Insolvenzverwalter und Gläubiger vor Gericht angefochten. Holger Ehlers war – nach eigenen Angaben – in genau dieser Zeit als „Berater“ für die key4talent GmbH tätig, was nichts anderes bedeutet, als dass er an dieser zwielichtigen Transaktion beteiligt war, zumal die key4talent GmbH 2019 keine andere Tätigkeit ausser dieser finanziellen Verschiebung von 2,7 Millionen Euro aus der Apassionata-Schatulle nachweisen kann. 

Apassionata, The Magic Dream, Jeddah, Der Magische Traum, Asteris Kutulas
Ticket-Verkaufsseite (5.-18.7.2019) mit der Apassionata-Show „The Magic Dream“ in Jeddah

Dieses verwirrend „komplexe“ Massine-Firmengeflecht wurde aber auch von Holger Ehlers, Katrin Ehlers, Jens Grimm und ihrer Mondwind Entertainment GmbH als „Tarnung“ genutzt, um mit der fertig produzierten Show „Apassionata – Der magische Traum“ und der vorproduzierten Show „Apassionata – Der Zaubermantel“ ein neues Geschäft und in Saudi-Arabien mit „Der magische Traum“ einen hohen Profit von ca. 1 Million Euro zu generieren – ohne aber vorher die Rechte an diesen Produktionen zu erwerben und auch ohne die Schulden zu begleichen, die die APASSIONATA-Produktionen „Der Traum“ (2017/18), „Der magische Traum“ (2018/19) sowie „Der Zaubermantel“ bei der SenseUp Entertainment GmbH und der Apassionata GmbH (Wickberg) hinterlassen hatten. 

„Tarnung“ deshalb, weil aufgrund dieses hochkomplexen Firmennetzwerks nur schwerlich nachvollziehbar ist, welche Rechte und Anlagegüter aus den unzähligen Massine-Firmen auf der Grundlage welcher Rechtsgeschäfte in die Mondwind Entertainment GmbH transferiert worden sind und ob sie überhaupt rechtsgeschäftlich transferiert wurden, oder ob die Mondwind GmbH sich die Assets und Rechte nur rechtswidrig angeeignet und genutzt hat – was sich eindeutig aus den uns vorliegenden Beweismitteln ergibt. 

Das Ergebnis der „Apassionata“-Liquidation: etwa 100 Gläubiger „verlieren“ mindestens 13 Millionen Euro und 4 Personen „verdienen“ 7,5 Millionen Euro, „geschützt“ vor Strafverfolgung durch ein Firmengeflecht von 25 Unternehmen in 5 Ländern

Apassionata Tagebuch Holger Ehlers Peter Massine
Die „Causa Apassionata“ erklärt in 5 Sekunden: folge dem Geld

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Hier eine Auswahl der Massine/Apassionata-Unternehmen außerhalb Deutschlands:

In China

In den Unterlagen der Wibbeltstein GmbH taucht ein „Darlehen“ an eine Massine Group Asia Ltd. auf. Ein unterschriebener Joint Venture Vertrag vom 28.01.2016 offenbart zwei weitere Peter-Massine-Firmen in China: die Massine Asia Ltd. sowie die Beijing Massine Apassionata Entertainment Company Ltd. Und nicht zu vergessen die Hongkun International Holdings Ltd. (Hong Kong), den Investor von Peter Massine und Eigentümer der Apassionata World GmbH (inklusive der Cavalluna Show und des Cavalluna-Parks in München). 

In Ungarn

Diverse Massine-Apassionata-Firmen kooperierten mit den ungarischen Gesellschaften Rivalda bzw. Experidance, Ko-Produzenten der Apassionata-Shows, über die mehrere Millionen Euro an Steuer-Vergünstigungen vom ungarischen Staat flossen. 

Auf Malta

Marken-, Lizenz- und Urheberrechtseinnahmen (letztere offiziell: für Holger Ehlers‘ Musikrechte von auskunftsgemäß jährlich über 1,5 Millionen Euro) flossen in Peter Massines Taschen über seine maltesischen Firmen:
– DaVinci Publishing Limited
– Tyrell Corporation Limited
– St. George Edition Limited
– Bel Brand Entertainment Limited
– Bright Stone Holding Limited

Peter Massine Malta Holger Ehlers
Aus der Apassionata-Präsentation von Peter Massine vom 4.5.2017 (in rot 4 der 5 Malta-Gesellschaften von Peter Massine)

In Österreich

An der Spitze der Firmenpyramide standen Peter Massine und die in Innsbruck (Österreich) angesiedelte „Peter und Karen Massine Privatstiftung“, deren Verbindung zu seinen anderen Firmen er in der Präsentation vom 25.9.2018 mit dem Titel „APASSIONATA Der magische Traum – Darstellung der Rahmenbedingungen für eine Finanzierung“ wie folgt skizzierte:

Peter Massine Apassionata

Bei der Massine Group GmbH (Innsbruck), inzwischen firmierend als Brockdorff GmbH i.L., handelt es sich – trotz der Namensgleichheit – nicht um die Massine Group GmbH (Berlin) – inzwischen firmierend als Holt GmbH.

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Die insgesamt ca. 25 Massine-Firmen hatten ein einziges – und, unternehmerisch gesehen, sehr überschaubares – Produkt, welches Umsatz und Gewinn generierte, nämlich die Pferdeshow Apassionata und deren Auswertung als Live-Show und als Merchandising-Umsatz. (Und dafür hätte ein kleines Büro mit einer Handvoll von Mitarbeitern gereicht, wie jeder Profi aus der Unterhaltungsbranche weiß. Peter Massine brauchte dieses Firmen-Monstrum offenbar aus ganz anderen Gründen.)

Insolvenz-Tsunami (reduced)

2019 führte Peter Massine allein in Deutschland folgende 13 seiner 25 Firmen innerhalb von 4 Monaten in die Insolvenz (weitere folgten etwas später): 
 
SenseUp Entertainment GmbH am 15.02.2019
 
Holt GmbH (vormals MassineBoecker GmbH) am 31.03.2019
– Massine Company GmbH
– Peter Massine Productions GmbH
– 12 Mnkys
– fbtk GmbH
– Massine Group GmbH (gegr. 2016, vormals Massine Holding GmbH)
– Apassionata Entertainment GmbH
– Apassionata North Amerika GmbH
– Massine Event Services GmbH
– Peter Massine Entertainment Holding GmbH
 
Wickberg GmbH (vormals Apassionata Produktions GmbH, vormals Apassionata GmbH) am 18.06.2019
 
Wibbeltstein GmbH (vormals Apassionata Massine GmbH) am 20.06.2019
 
Die Schulden, die Peter Massine mit diesem Insolvenz-Tsunami innerhalb von vier Monaten hinterließ, belaufen sich (wie aus der Tabelle oben ersichtlich) auf mindestens 13,1 Millionen Euro . Dieses Ergebnis ist – laut Finanzexperten – ohne Insolvenzstraftaten überhaupt nicht möglich. 
 
Peter Massine „reduzierte“ sehr kreativ aber auch die Anzahl seiner Insolvenzen: Er meldete in Deutschland für 4 Gesellschaften zwischen Februar und Juni 2019 Insolvenz an:
 
1) SenseUp GmbH am 15.02.2019
2) Holt GmbH am 31.03.2019
3) Wickberg GmbH am 18.06.2019
4) Wibbeltstein GmbH am 20.06.2019
 
Tatsächlich führte er jedoch – wie oben beschrieben – 13 Gesellschaften innerhalb dieser vier Monate in den Konkurs, die allesamt plötzlich weder seinen Namen noch den von „Apassionata“ trugen.
 

Peter Massine macht sich „unsichtbar“

Peter Massine tilgte nicht nur systematisch und jeweils unmittelbar vor der jeweiligen Insolvenz-Anmeldung die Bezeichnungen „Apassionata“ und „Massine“ aus allen diesbezüglichen Firmennamen, sondern einige dieser Gesellschaften wurden zudem teilweise mit „betriebsfremden“ Firmen verschmolzen. Auch diese neu entstandenen Firmen wurden allesamt umfirmiert und erhielten völlig neue Namen, um sie – nur Wochen später – in die Insolvenz zu schicken. So geschehen mit:

– Peter Massine Productions GmbH … zu Holt GmbH
– Massine & Company GmbH … zu Holt GmbH
– MassineBoecker GmbH … zu Holt GmbH
– Massine Group GmbH, Berlin … zu Holt GmbH
– Massine Group GmbH, Innsbruck … zu Brockdorff GmbH
– Apassionata Massine GmbH … zu Wibbeltstein GmbH
– Apassionata GmbH … zu Apassionata Produktions GmbH … zu Wickberg GmbH
– Apassionata München GmbH … zu Futurecom Service GmbH … zu
CleanSmartSolutionsGermany GmbH

Diese Gesellschaften, die sich allesamt in der Liquidation befinden, gehörten zwar Peter Massine, aber durch die Umfirmierungen ging „offiziell“ keine einzige „Massine“- oder „Apassionata“-Firma Konkurs.
 
Peter Massine wollte offensichtlich seinen „Namen“ und auch den seiner „Apassionata“ für zukünftige Geschäfte „reinhalten“ und sich selbst durch diverse Umfirmierungen und Verschmelzungen kurz vor Insolvenz-Anmeldung „unsichtbar“ und „unverfolgbar“ machen. 

Betrug als „Kunstwerk“ & als Sinn des Lebens

Peter Massine erzeugte durch diese von langer Hand vorbereitete und ausgeklügelte „Exit-Strategie“ – nach seinem 6-Millionen-Deal mit Hongkun am 1.3.2019 – eine extrem komplexe firmenübergreifende Insolvenz-Konstruktion. Undurchschaubar für Behörden, Staatsanwaltschaft, die Insolvenzverwalter und Gläubiger.

Der Insolvenzverwalter der Apassionata Massine GmbH (2019 umfirmiert in Wibbeltstein GmbH) stellt z.B. in seinem Insolvenzgutachten 12 Darlehens-Forderungen von 11 verschiedenen Massine-Gesellschaften fest:

Apassionata Tagebuch Nachspiel Asteris Kutulas
1 Apassionata-Show, 25 Firmen & „Darlehen“ ohne Ende

Wie man an diesem Beispiel sieht, ließ Peter Massine viele Gelder als „Darlehen“ über sein Firmengeflecht „versickern“, indem er je nach Bedarf Darlehen zwischen seinen Firmen hin und her schob. 

Ein weiteres Zeugnis dieses „systemischen Verwirrspiels“ ist die Antwort der Direktorin der Malteser Verlage von Peter Massine und Holger Ehlers  vom 29.01.2019 auf Nachfrage von Jens Grimm, dem Finanzberater von Peter Massine und dem Partner von Holger Ehlers, über die Zahl-Ströme diverser Massine-Firmen auf Malta:

For year 2016 we need bills amounting to € 900k
For year 2017 please note that we have a deferred income from the previous year of € 1.9mil and have invoiced a further € 2.5mil, bills for these amounts should also be issued asap
Payments in 2017 from Mendelsohn as follows
Peter Massine Productions € 565,036
Apassionata Massine GmbH € 2,665,156
Apassionata Munich GmbH € 690,032
Payments in 2017 from Tyrell as follows
Peter Massine payment for BSH shares € 45,000
Massine Group Austria € 30,995
Peter Massine Productions € 167,012
Apassionata München GmbH € 195,000

Diese Darlehens-Strategie diente u.a. dazu – „erfolgreich“ – die Zahlungsunfähigkeit und den Bankrott vieler Massine Firmen über Jahre zu verschleiern und viele Mitarbeiter sowie Geschäfts-Partner zu täuschen. Dabei war die einzige Einnahme-Quelle all dieser Firmen stets nur die jeweils laufende Apassionata-Show, in unserem Fall „Der Traum“ (2017-18) und „Der magische Traum“ (2018-19).

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Dieses undurchsichtige und komplexe Firmengeflecht ermöglichte es Peter Massine, diverse Rechte, Anlagegüter, Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen all diesen – längst insolventen – Gesellschaften nach gerade „aktuellem Bedarf“ hin- und herzuschieben sowie beliebig „Darlehen“ untereinander zu vergeben, Gelder „versickern“ zu lassen und im Nachhinein rückdatierte Vereinbarungen aufzusetzen etc. etc. 

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Wenn man sich ansieht, wie „liebevoll“ und bis ins letzte Detail diese Firmen-Architektur von Peter Massine und seinen Helfern entworfen und umgesetzt wurde, wieviel Zeit, Energie und Knowhow sich in dieser „Betrugs-Sinfonie“ bündelt, dann kann man schon von einem wahren Gesamt-Kunstwerk sprechen.

Ich erinnerte mich, dass ich als Germanistik- und Philosophie-Student Anfang der achtziger Jahre eine Buchkritik über den Erzählband „Alle meine Hotel-Leben“ von Fritz-Rudolf Fries schreiben musste. Ich bin mir sicher, dass Peter Massine, der allein zwischen 2016 und 2019 in über 100 Gerichtsverfahren verwickelt war, seine Autobiografie unter dem Titel „Alle meine Gerichts-Leben“ veröffentlichen könnte. Aus gut informierter Quelle weiss ich, dass die beiden Parteien (Peter Massine und Hongkun) in diesen vier Jahren die astronomische Summe von über 10 Millionen Euro an Anwalts- und Gerichtskosten aufbringen „mussten“. 

Ab 2007 – und bis zum heutigen Tag – hat Peter Massine seinen Freund und Partner Holger Ehlers in diesen Gerichts-Strudel von „Recht und Unrecht“ mit hineingezogen, wie u.a. im Artikel von Stephan Handel in der Süddeutschen Zeitung vom 13.6.2018 nachzulesen und in unzähligen Gerichtsprozessen, die die beiden Männer Seite an Seite ausgefochten haben, nachzuvollziehen ist. 2019 nahm Holger Ehlers dann auch seinen Finanzberater und Managing Director Jens Grimm, seine Ehefrau Katrin Ehlers und seinen neuen Partner Manfred Hertlein mit auf eine neue gemeinsame „Mondwind-Reise“ mit Peter Massine. Die Fakten und die Umstände dieser abenteuerlichen Road-Show werden hier in meinem Blog bald zu lesen sein. Sobald ich wieder Zeit dafür finde. Und sobald die neuen Recherchen zur Causa „Mondwind“, die gerade laufen, abgeschlossen sind.

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Persönlicher Nachtrag, Silvester 2021

Als ich im Oktober 2019 anfing, über das Ende der Apassionata zu recherchieren und zu schreiben, war ich gerade von einer großen Produktion aus Südkorea zurückgekehrt und bereitete als künstlerischer Direktor die „Songs for Humanity“ Welttournee vor, die dem 75. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager gewidmet war – allerdings unterbrach die Pandemie im März 2020 jäh diese Tour mit Maria Farantouri aus Griechenland und Assaf Kacholi aus Israel. Wir mussten die Konzerte in Australien, Österreich und in den USA absagen. Die Beschäftigung mit der Apassionata/Mondwind-Causa parallel zu diesen wunderbaren Projekten war zwar sehr ärgerlich, aber da einige meiner alten Apassionata-Kollegen, die brutal betrogen worden waren, mich um Hilfe gebeten hatten, wollte ich sie nicht hängen lassen. 

Zwei Jahre später, im Oktober 2021, wiederholte sich das Ganze. Unser Projekt ELECTRA 21 – vier parallel laufende Filme zu einem Soundtrack – hatte Weltpremiere bei den Hofer Filmtagen, und das Goethe-Institut veranstaltete die griechische Uraufführung dieses Werks in Chania auf Kreta am 11. und 12.12.2021. Im November 2021 veröffentlichte das Production Manager (pma) Magazin erstmals in Deutschland mein Liquid Staging Konzept als Titelstory. Genau in dieser Zeit erhielt ich von Journalisten-Kollegen weiteres aufschlussreiches Material und neue Fakten über die Apassionata-Liquidation und die Umstände der Gründung der Mondwind Entertainment GmbH – und wieder beschäftigte uns diese Angelegenheit für eine Weile. Das Ergebnis habe ich in diesem Blog-Beitrag zusammengefasst.

2022 kann kommen. 

Asteris Kutulas

Apassionata Tagebuch Nachspiel to be continued here!

Peter Massine, die key4talent GmbH, Holger Ehlers und die Wahrheit

Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 1 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 2 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 3 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 4 | Das Ende (Oktober 2019)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 5 | Das Nachspiel (Oktober 2021)

Apassionata – Der Vorhang fällt (Riesa-Tagebuch 2019)

Liquid Staging Masterclass Greece

[Liquid Staging – „Film spatialization“ as a basis for new forms of performances and spectacles | | Asteris Kutulas Masterclass & Lecture || On the genesis of Liquid Staging aesthetics through various examples and visions. How Liquid Staging changes the way to develop and produce a live show.  || 11.10.2021 || INNOVATHENS || TECHNOUPOLIS || ATHENS]

LIQUID STAGING

Μια διαφορετική βάση για νέες μορφές παραστάσεων και θεαμάτων (Liquid Staging Masterclass Greece)

Η Ρευστή Σκηνογραφία έρχεται ως απάντηση-πρόταση στη σημερινή, παρωχημένη και «μουσειακή» μορφή θεαμάτων που δεν ανταποκρίνεται πια στους τρόπους πρόσληψης ερεθισμάτων των ανερχόμενων Post-Millenial γενεών.

Ο Αστέρης Κούτουλας θα αναδείξει μέσα από την παρουσίασή του τις νέες προοπτικές που ανοίγονται μπροστά μας και θα μας ξεναγήσει στη γένεση, το παρόν και το μέλλον της Liquid Staging αισθητικής. Στην παρουσίαση και συζήτηση με τον Πάρι Κωνσταντινίδη, ο Αστέρης Κούτουλας θα αναλύσει πώς πρέπει να αλλάξουν οι live παραστάσεις στη νέα ψηφιακή εποχή. Τα σύγχρονα θεάματα θα πρέπει πλέον να συμβαδίζουν με τον τρόπο ζωής και τις αντιλήψεις των σημερινών νέων και των μελλοντικών γενεών αλλά και της παρατηρούμενης δυσκολίας να κερδίσει κανείς την προσοχή τους (βλ. τη συζήτηση για το «Attention Economy»), δεδομένης της ριζικής αλλαγής συμπεριφοράς που επέφεραν οι πλατφόρμες κοινωνικής δικτύωσης όπως το TikTok, το YouTube, το Instagram κλπ.

Η χρήση μυθοπλαστικών τεχνικών που διευρύνουν τη σκηνή σε κάθε δυνατή επιφάνεια, η διάσπαση της γραμμικής αφήγησης, το ξεπέρασμα των ορίων μεταξύ ζωντανού και μαγνητοσκοπημένου, δημιουργούν ένα υβριδικό, συνολικό έργο τέχνης που φιλοδοξεί να διασώσει τα ζωντανά θεάματα στον 21ο αιώνα.

INNOVATHENS: Κόμβος Καινοτομίας & Επιχειρηματικότητας της Τεχνόπολης Δήμου Αθηναίων, Δευτέρα 11 Οκτωβρίου 2021, 5 μ.μ.

Liquid Staging

Asteris Kutulas: Liquid Staging Manifesto (Greek)

Η «χωροποίηση του φιλμ» ως βάση για νέες μορφές παραστάσεων και θεαμάτων

 

Η Ρευστή Σκηνογραφία

Αποτελεί βάση για νέες, καινοτόμες μορφές event και θεαμάτων.
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Υπηρετεί τις συναισθηματικές και πνευματικές ανάγκες της ψηφιακής μας εποχής.
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Καθιστά δυνατή τη δημιουργία υβριδικών «συνολικών έργων τέχνης», βασιζόμενη στην αιχμή των τεχνολογικών επιτευγμάτων του 21ου αιώνα.


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Η «ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία» απο­τε­λεί ένα υβρι­δι­κό «μέ­σο» που ενώ­νει όλα τα στοι­χεία που συν­δη­μιουρ­γούν μία πα­ρά­στα­ση. Αυ­τά τα στοι­χεία μπο­ρούν να εί­ναι ο κι­νη­μα­το­γρά­φος, το θέ­α­τρο, ο χο­ρός, η μου­σι­κή, ο ήχος, ο φω­τι­σμός, η θε­α­τρι­κή σκη­νή, το design, η αρ­χι­τε­κτο­νι­κή, η ψη­φια­κή τέ­χνη, το gaming, η Augmented Reality τε­χνο­λο­γία και όχι μό­νο.

Η «ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία» απο­τε­λεί ένα διαρ­κώς με­τα­βαλ­λό­με­νο «μέ­σο» που αλ­λά­ζει ακα­τά­παυ­στα τον ρό­λο του.

Η «ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία» απο­τε­λεί μία «κι­νη­μα­το­γρα­φι­κή ται­νία» που έχει σχε­δια­στεί λε­πτο­με­ρώς από το πρώ­το μέ­χρι και το τε­λευ­ταίο δευ­τε­ρό­λε­πτο του event ή του θε­ά­μα­τος.

Η «ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία» δεν πε­ριο­ρί­ζε­ται μό­νο στην πλά­τη του σκη­νι­κού, αλ­λά επε­κτεί­νε­ται και σε ολό­κλη­ρη τη σκη­νή (στο δά­πε­δο, την ορο­φή και τους πλαϊ­νούς τοί­χους), ή ακό­μα και ― ανά­λο­γα με το σε­νά­ριο ― στον χώ­ρο των θε­α­τών.

Με τη «ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία» δη­μιουρ­γεί­ται ένας υβρι­δι­κός «βιω­μα­τι­κός χώ­ρος», στον οποίο μπο­ρεί να λά­βει χώ­ρα μία νέα «οσμω­τι­κή» μορ­φή πα­ρά­στα­σης με τις τε­χνι­κές-ψη­φια­κές δυ­να­τό­τη­τες του 21ου αιώ­να («υβρι­δι­κό» εδώ ση­μαί­νει την πά­ντο­τε άρ­ρη­κτη σύν­δε­ση με­τα­ξύ της κι­νη­μα­το­γρα­φι­κο-οπτι­κής δρά­σης και της φυ­σι­κής δρά­σης).

——— ≈ ———

Το Liquid Staging υπερ­βαί­νει πλή­ρως τα όρια με­τα­ξύ «σκη­νής» και «ται­νί­ας».

Η «ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία» ανοί­γει νέ­ες πο­λυ­ε­πί­πε­δες δυ­να­τό­τη­τες χρή­σης του μέ­σου του κι­νη­μα­το­γρά­φου και φέρ­νει έναν νέο τρό­πο πα­ρα­γω­γής θε­α­μά­των. Με τον όρο «θέ­α­μα» εδώ εν­νο­ού­νται όλες οι πι­θα­νές μορ­φές «πα­ρά­στα­σης» (π.χ. event, όπε­ρα, μπα­λέ­το, μιού­ζι­καλ, συ­ναυ­λία, θε­α­τρι­κή πα­ρά­στα­ση, περ­φόρ­μανς, έκ­θε­ση, ομι­λία, επί­δει­ξη μό­δας, πα­ρου­σί­α­ση προ­ϊ­ό­ντων, κτλ).

Η «ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία» ανοί­γει νέ­ες προ­ο­πτι­κές, εκ των οποί­ων οι πα­ρα­κά­τω εί­ναι οι πλέ­ον κα­θο­ρι­στι­κές:

——— Η ανά πά­σα στιγ­μή με­τα­βαλ­λό­με­νη «ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία» μπο­ρεί, ακο­λου­θώ­ντας τη δρα­μα­τουρ­γία του εκά­στο­τε θε­ά­μα­τος, να χρη­σι­μο­ποι­η­θεί εί­τε ανε­ξάρ­τη­τα, εί­τε συγ­χρο­νι­σμέ­να, στα­τι­κά ή/και κι­νη­μα­το­γρα­φι­κά ή/και εν­σω­μα­τω­μέ­να ή/και δια­δρα­στι­κά.

——— Η κι­νη­μα­το­γρα­φι­κή ψευ­δαί­σθη­ση υπο­κα­θι­στά ξα­νά και ξα­νά τη θε­α­τρι­κή ψευ­δαί­σθη­ση (ανά­λο­γα με τις απαι­τή­σεις του σε­να­ρί­ου), ώστε στο τέ­λος να εξα­φα­νι­στεί, ώσπου να επα­νέλ­θει στο προ­σκή­νιο ―πρό­κει­ται για μία εξε­λισ­σό­με­νη, ορ­γα­νι­κή δια­δι­κα­σία κα­θό­λη τη διάρ­κεια του θε­ά­μα­τος. Με αυ­τόν τον τό­πο το «σκη­νι­κό» με­τα­τρέ­πε­ται στα­δια­κά σε «κι­νη­μα­το­γρα­φι­κή ται­νία» κι η «ται­νία» ξα­νά σε «σκη­νι­κό».

——— Οι ηθο­ποιοί επί σκη­νής γί­νο­νται ξα­νά και ξα­νά πρω­τα­γω­νι­στές μιας «κι­νη­μα­το­γρα­φι­κής πλο­κής». Κα­τά τη διάρ­κεια του θε­ά­μα­τος δρουν τό­σο ως ηθο­ποιοί μιας θε­α­τρι­κής πα­ρά­στα­σης όσο και μιας κι­νη­μα­το­γρα­φι­κής ται­νί­ας, και λει­τουρ­γούν ως το συν­δε­τι­κό στοι­χείο σε αυ­τόν τον νέο, βιω­μα­τι­κό χώ­ρο της ρευ­στής σκη­νο­γρα­φί­ας.

——— ≈ ———

Το μέ­σο της κι­νη­μα­το­γρα­φι­κής ται­νί­ας (φιλμ) ― πρό­κει­ται για το ση­μα­ντι­κό­τε­ρο μέ­σο της ρευ­στής σκη­νο­γρα­φί­ας, ως προς τη λει­τουρ­γία του ― μπο­ρεί να χρη­σι­μο­ποι­η­θεί με του­λά­χι­στον τέσ­σε­ρις τρό­πους:

1) ως με­γά­λος αφη­γη­μα­τι­κός «κι­νη­μα­το­γρά­φος» (π.χ. με­μο­νω­μέ­νες σε­κάνς, με­τα­βά­σεις σκη­νών).

2) ως εν­σω­μα­τω­μέ­νη «κι­νού­με­νη σκη­νο­γρα­φία» (με με­τα­βαλ­λό­με­νη δυ­να­μι­κή, αφη­γη­μα­τι­κή φόρ­μα, αι­σθη­τι­κή, κτλ, σε συ­νάρ­τη­ση με το σε­νά­ριο και τη μου­σι­κή).

3) ως μέ­σο που αλ­λη­λε­πι­δρά με τους ερ­μη­νευ­τές ή με τα δια­φο­ρε­τι­κά στοι­χεία του σκη­νι­κού και της σκη­νής (εφέ χαρ­το­γρά­φη­σης, κτλ)

4) ως μέ­σο που έχει τη δυ­να­τό­τη­τα να συ­μπε­ρι­λά­βει τον χώ­ρο των θε­α­τών στην πα­ρά­στα­ση.

Η «ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία της ται­νί­ας», που από την πρώ­τη μέ­χρι και την τε­λευ­ταία στιγ­μή αλ­λη­λε­πι­δρά με τη μου­σι­κή, το φως, την κί­νη­ση, το κεί­με­νο, τα σκη­νι­κά και τα κο­στού­μια, χρειά­ζε­ται εντε­λώς νέ­ες προ­σεγ­γί­σεις, ώστε να μπο­ρέ­σει να «λει­τουρ­γή­σει», αλ­λά και για να μπο­ρέ­σει να αξιο­ποι­ή­σει τις δυ­να­τό­τη­τες συ­ναι­σθη­μα­τι­κής επί­δρα­σης που προ­σφέ­ρει ο «κι­νη­μα­το­γρά­φος» στη σκη­νι­κή δρά­ση.
Η ιδέα της «χω­ρο­ποί­η­σης της ται­νί­ας» οδη­γεί ανα­γκα­στι­κά σε έναν ανα­προσ­διο­ρι­σμό του ρό­λου των πα­ρα­κά­τω δη­μιουρ­γι­κών επαγ­γελ­μά­των:

 ——— Συγ­γρα­φέ­ας:

πρέ­πει να μπο­ρεί να συν­δυά­ζει σε ένα πρό­σω­πο τις ιδιό­τη­τες του σε­να­ριο­γρά­φου, του θε­α­τρι­κού συγ­γρα­φέα, του δρα­μα­τουρ­γού και του χο­ρο­γρά­φου.

——— Σκη­νο­θέ­της:
πρέ­πει να κα­τέ­χει τα μυ­στι­κά της σκη­νο­θε­σί­ας όχι μό­νο του θε­ά­τρου, αλ­λά και του θε­ά­μα­τος, του χο­ρού, του gaming και του κι­νη­μα­το­γρά­φου.

——— Σκη­νο­γρά­φος:
οφεί­λει να εί­ναι ταυ­τό­χρο­να σκη­νο­θέ­της, art director και σχε­δια­στής κι­νού­με­νων γρα­φι­κών.

——— Projection artist και σχε­δια­στής φω­τι­σμού:
δύο δια­φο­ρε­τι­κοί ρό­λοι που συγ­χω­νεύ­ο­νται σε αυ­τόν του Liquid-Stage-Designer

Μέ­σω της αι­σθη­τι­κής του Liquid Staging επο­μέ­νως αλ­λά­ζει τό­σο το εύ­ρος των κα­θη­κό­ντων όσο και η με­θο­δο­λο­γία της ερ­γα­σί­ας στους το­μείς του σχε­δια­σμού κο­στου­μιών, της πα­ρα­γω­γής/σύν­θε­σης ήχου και μου­σι­κής, κα­θώς και στην ανά­πτυ­ξη και δη­μιουρ­γία σκη­νι­κών.

Το Liquid Staging απο­τε­λεί μία νέα πρό­κλη­ση για τους επαγ­γελ­μα­τί­ες του θε­ά­μα­τος.

——— ≈ ———

Η ρευ­στή σκη­νο­γρα­φία ση­μα­το­δο­τεί μία νέα φι­λο­σο­φία των events και των θε­α­μά­των.

© Αστέρης Κούτουλας, 2010/2016 | Asteris Kutulas

Translation/Μετάφραση: Πάρις Κωνσταντινίδης

Many thanks to Ina Kutulas & Achilleas Gatsopoulos for their #liquidstaging contribution

Olympiacos FC Event – Testimonials

LIGHTS OF HOPE Olympiacos FC event – Karaiskaki Stadium | Piraeus | Greece | July 19th, 2020

Olympiacos FC Liquid Staging Event 2020 was short listed for the AV Awards 2021 in London in the category: Events and Entertainment Project of the Year – AV magazine 

Testimonials

Tim Dowdall

I have had the pleasure to work with Asteris Kutulas over a period of thirty years, starting way back in the 1980s. We cooperated on numerous major productions all over the world often with extraordinary success. I have also witnessed during this time how, in his parallel life, he has realized his many book, film and art projects.

In his „Lights of Hope“ project for Olympiacos FC in the summer of 2020, Asteris Kutulas combined art and sport in a visionary concept, giving Olympiacos Piraeus and the football world a wonderful gift. It became very clear at this event that Asteris Kutulas is not only a very experienced producer, but also an inspired and inspirational filmmaker.

Asteris Kutulas wrote a detailed script for the event, using Ross Ashton’s fantastic projections, Achilleas Gatsopoulos’s and Daniel Brune’s graphic laser projections, and the live act with children’s choir and DJ, to build an emotional work of art celebrating the Olympiacos team and their fans. As the basis for what he calls his „liquid staging concept„, Asteris Kutulas chose music by Marios Joannou Elia that gives the impression of having been created especially for the event. Asteris Kutulas fused all of these elements together with the impressive lighting design of George Tellos. The result is simply sensational.

In addition, I know from my own experience what it means to produce such a project in just two weeks, and moreover under pandemic conditions. For this superhuman effort, my respect goes to Asteris Kutulas and all those involved.

Tim Dowdall, Berlin
Impresario | One-time Executive Vice President Live Nation Central and Eastern Europe (2005-2013)

Knut Foeckler: „A digital orchestration – right into the hearts of millions of viewers“

In a time, when pandemic has become another word for limitation and frustration, a team around Asteris Kutulas has created a masterpiece of multifaceted performance bringing joy into the hearts of so many football lovers. When the heroes of Olympiacos, the Piraeus based football club, had won the Greek Super League mid 2020 for the 45th time, they wanted to share their victory with all their fans. But the pandemic got in their way. However, the marketing management of Olympiacos had a spontaneous idea. They called Asteris Kutulas and asked him to do the mission impossible: He was asked to create a breathtaking event that conveyed the electrifying atmosphere of a football stadium – but without audience – and to have it ready to roll within 3 weeks‘ time.

He agreed and created a convincing concept within a few days. He pulled the best of the best together and sweating under their Covid Masks they orchestrated a „liquid staging“, projections, laser motion design, fireworks, live acts, music and much more to finally create „Lights of Hope“. Kutulas directed an international team of top talents to present a masterpiece sending the joy of a victorious football team and a light ray of hope into the world that has been darkened too long by the pandemic.

Knowing Asteris for many years, I was convinced that he would master the mission impossible, when he told me about the project sometime in July 2020. I have seen so many fantastic productions coming out of his experience and creativity. He is a master of show orchestration, music dramaturgy, stage design, concept art, and many other disciplines that make an event a great event. I was very touched when I saw „Lights of Hope“ – a fusion of football enthusiasm, art, and TV show. I hope to see many more of his creations in the future.

Prof. Knut Foeckler, Munich
Founding Member & Professor Service Management – Cologne International School of Design | Honorary Professor Cultural and Media Management – Hanns Eisler School of Music Berlin | Former Managing Director Marketing Philip Morris – Munich | Former Executive Vice President Deutsche Telekom AG – Bonn

Liquid Staging by Asteris Kutulas
Production Manager Magazin (pma) – Special Edition 2021 | Top-Story Liquid Staging | Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)

Nana Trandou

I have seen, and see again in “Lights of Hope”, an urgency, a self-sacrificing effort, a focus of the highest degree in Asteris’ work. Yet, it is not this drive or passion which fascinates me, but rather the meanings and concepts that incite such complete focus on giving to others, which must be noted. Asteris is using his mastery in stage-production techniques to share an idea which he holds within himself, making this project of the highest level of Stage- Production and Art simultaneously. Such ideas, having given Asteris meaning, purpose, inspiration etc. now seem to drive him, at all costs, to giving it back to the World.

… In this work, Asteris masterfully assists us in witnessing the Olympiacos team as the present embodiment of the faith and achievement which is the intended result of the mythological messages their emblem boasts. They represent all such message-passing, “Lights of Hope” in any circumstances, and it is the Artist’s job (accomplished superlatively) to guide us to comprehending that truth ourselves; to finding the message implied in the action of the team, and how and why we should do the same …

Nana Trandou, Athens
Former CEO of DiDi Music SA | Founder, owner and CEO of High Priority Promotions PC, Greece Concert and Festival Promoter

Lights of Hope Event by Asteris Kutulas
Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)

Mike Finkelstein

2020 will always be remembered as stumbling block in the sport and music industry.

This year, when the majority of events in sport and music were cancelled or postponed worldwide, the Olympiacos 45th championship ceremony in Piraeus was a surprising and unexpected exception.

When I first watched the video – LIGHTS OF HOPE – I could not believe my eyes. Who would have thought this show could be possible in this very dull and pessimistic 2020 year?

A message transmitted from Piraeus to the Olympiacos FC community and to the world was a message of hope and optimism. LIGHTS OF HOPE – the name of the ceremony – is the exact description of brining this message into the world.  

And we see the result – the unforgettable, created in no time, show in the full of art and emotions stadium transmitted to the entire world. I really hope we will see more shows like that created by Asteris Kutulas in the years to come.

Mike Finkelstein, Hadera (Israel)
CEO MAFTEX Light & Multimedia Solution

Asteris Kutulas and Christian Karembeu
Christian Karembeu & Asteris Kutulas during the Olympiacos FC press conference

Lisa Schaft

In July 2020, the Greek soccer club Olympiakos Piraeus won against local rival AEK Athens and became the Greek champion for the 45th time. The pma magazine reported on this in a nicely edited article in connection with the double event LIGHTS OF HOPE. In this report, it becomes clear how the director and show designer Asteris Kutulas was called to Athens only three weeks before the event and set up a spectacular double event.

Lisa Schaft, Editor for the pma magazine, Germany

Asteris Kutulas and Olympiacos FC fiesta by Asteris Kutulas
Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)

Alexander Strizhak

LIGHTS OF HOPE for Olympiacos Piraeus was a very spectacular event. An effective and impactful use of all technical possibilities, a huge video screen with fantastic projections, unique laser graphics, a very well used light show, impressive pyro and special effects, a children’s choir as a human element. The LIGHTS OF HOPE show created a strong emotional involvement in the action on the stadium field. I have seen many stadium productions before – Asteris Kutulas as an experienced director managed to stage this TV show breathtakingly and to convey the celebration of the victory of the Olympiacos football club in a unique way: he combined tradition, symbolism, music, sport, passion, and a modern staging in the stadium of Olympiacos FC.

Alexander Strizhak
Owner and Managing Director
JSA Europe / Stage Company
Latvia/Riga & Ukraine/L’viv & Kyiv

Asteris Kutulas and Olympiacos FC fiesta by Asteris Kutulas
Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)

Giovanni Broccu

Producing such an event as LIGHTS OF HOPE for Olympiacos Piraeus FC requires not only courage, but also a high level of intelligence, know-how, as well as a great deal of creativity and professionalism. I have had the privilege of working with Asteris Kutulas on various projects, so I know what I am talking about. We concert and tour promoters and festival organizers can often only be compared as „choir boys“ compared to those who realize such events.

Giovanni Broccu
Concert Tour Promoter & Festival Organizer
Kultur Depot GmbH, Herten, Germany
Sardinia Entertainment Srl, Posada, Italy
Art & Craft Ltd, London, United Kingdom

Asteris Kutulas and Olympiacos FC fiesta
Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)

Hans-Conrad Walter

Johann Wolfgang Goethe already called for „more light“ to make reality more visible. The artist and producer Asteris Kutulas succeeds in doing just that. With his polymedia events, he ignites fireworks of real emotions that inspire thousands of people worldwide. With his individual signature, Asteris Kutulas is without a doubt one of the greats in the entertainment industry and the aesthetics of „Lights of Hope – Olympiacos“ is one of his polymedia masterpieces.

Hans-Conrad Walter
Cultural manager and CEO of Causales, Berlin

Olympiacos Fc and Asteris Kutulas
Choir of Municipal Conservatory of Piraeus with Alexandra Dermati, chormaster Maria Spanou and DJ Antonis Dimitriadis

Gerd Helinski

I got to know Asteris in 1999 as a business partner and producer of the light architect Gert Hof. Since then, I have worked with him as a technical director on over 30 events worldwide. On exciting, large-scale projects, including the Millennium events at the Acropolis in Athens and in Beijing in 2000, but also on the development of a new show format in 2016/17 based on Asteris‘ liquid staging theory.

Asteris has not only worked together with Gert Hof, but also for decades with the Greek composer legend Mikis Theodorakis. He knows both the world of art and the world of production. He incorporated this experience into his „Lights of Hope“ show – a sensational event staged at the stadium of the Olympiacos Piraeus football club to celebrate their 45th title win.

Asteris used the „bridge of music“ as the basis for his show and confidently combined a children’s choir live act with projections, laser graphics, light and pyro designs. In doing so, he put the footballers and especially the very young fans of Olympiacos Piraeus in the centre of attention and simultaneously projected onto the pitch iconically everything that stands for the values of Olympiacos Piraeus. The euphoric feedback from this show proved that the visual combination of closeness and great expanse was superbly successful.

As a filmmaker, Asteris thinks in images. As a show producer, he thinks about the effect of these images on television. I think it is very extraordinary that he has realised the football fiesta of Olympiacos Piraeus in such an artistic and emotional way. The „Lights of Hope“ event at the Piraeus stadium was a great job by both the creative and technical teams.

Gerd Helinski
Technical Director at Gert Hof Productions (1999-2010)
Senior Account Manager | Special Events at Production Resource Group AG

Karaiskakis Stadium DJ Antonis Dimitriadis Asteris Kutulas
Alexandra Dermati and DJ Antonis Dimitriadis

LIGHTS OF HOPE

From Olympiacos FC to the World
Karaiskaki Stadium | Piraeus | Greece | July 19th, 2020
A Liquid Staging Show

Created & Directed by Asteris Kutulas
Music by Marios Joannou Elia

Projection Art: Ross Ashton
Laser Motion Design: Achilleas Gatsopoulos
Light Design: George Tellos
Laser Design: Daniel Brune
Pyro Design: Pavlos Nanos
Musical Director: DJ Antonis Dimitriadis
Choir of Municipal Conservatory of Piraeus
Solist: Alexandra Dermati | Chormaster: Maria Spanou

Technical Director: Aris Koudouris | Music Production: Nick Elia | Laser Programming: Merlin Schaadt | Light Programming & Operator: Makis Anastasakis | Projection Technicians: Bernd Gröger & Robert Foerster | Lighting Coordinator: Irene Samartzi
Pyro & Fireworks: Nanos Fireworks Greece | Laser Equipment: laserfabrik GmbH | Local Production, Light & Sound Equipment: Tempo Events | Logistics: Oliver Schulze & Uwe Foerster

Many thanks to Olympiacos FC & NOVA TV
Special thanks to Penny Langka, Alexandros Karozas, Kostas Karapapas, George Mandalos, Dimitris Tsingos, Athina Gkizi, Ina Kutulas, Ralph Larmann, MEGA TV, Dimitris Koutoulas and to many others

Olympiacos´ Lights of Hope – Interview des pma Magazins mit Asteris Kutulas

 

 

Der Licht-Architekt Gert Hof – Interview mit Asteris Kutulas

Der Licht-Architekt Gert Hof

[Gert Hof war der „Beethoven des Lichts“, erschuf die Bühnenshows der Band Rammstein – in unserer Titelstory berichten wir in einer Retrospektive über sein Leben und seine Arbeit.] (pma-Magazin 03/2021)

pma: Herr Kutulas, Sie haben ab 1998 gemeinsam mit dem Licht-Künstler Gert Hof gearbeitet. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande? Kannten Sie sich davor schon länger?

Asteris Kutulas: Genauso wie Gert hatte auch ich in der DDR gelebt und so kannte ich ihn als Regisseur seit Ende der 80er Jahre durch seine Theaterinszenierungen und vor allem durch seine Kooperation mit Bands wie Silly, City oder Pankow. 1990 organisierte ich eine Metasinfonik- Europa-Tour mit Mikis Theodorakis, bei der auch zwei Pankow-Musiker mitspielten, nämlich Stefan Dohanetz am Schlagzeug und Rainer Kirchmann am Klavier. Ein paar Jahre später produzierte ich mit Rainer Kirchmann und Jannis Zotos eine neue Version des Liedzyklus‘ „Sonne und Zeit“ von Theodorakis, wobei Rainer Kirchmann die Cover-Versionen anfertigte und neben Maria Farantouri die Songs sang. Als wir im November 1998 für unseren ARTE-Film „Sonne und Zeit“ – bei dem ich zusammen mit Klaus Salge Regie führte – das Konzert aufzeichnen wollten, kam Rainer auf die Idee, dass Gert das Lichtdesign dafür machen sollte.

So lernte ich Gert im September 1998 zum ersten Mal persönlich kennen. Gert, der kurz davor das Wuhlheide-Konzert „Live in Berlin“ von Rammstein inszeniert hatte, entpuppte sich als großer Verehrer der Musik und der Persönlichkeit von Mikis Theodorakis, und so wurde „Sonne und Zeit“ im November 1988 unser erstes gemeinsames Projekt. Da ahnten wir noch nicht, dass wir – wie im „Rausch“ – zwischen 1999 und 2010 ca. 50 Events und Konzertprojekte weltweit realisieren und dabei eine neue Event- Ästhetik und eine neue „Kunstform“ entwickeln würden.

Gert Hof Hommage by Asteris Kutulas pma

pma: Das Ergebnis Ihrer Zusammenarbeit ist tatsächlich sehr beeindruckend. Was war die Essenz dieser Kooperation?

Asteris Kutulas: Am Anfang war das Wort: Gerts Vision einer Lichtarchitektur am Himmel – „Art in Heaven“, wie wir das Ganze 1999 nannten. Gert sagte mir damals, dass er all seine inszenatorischen und licht-ästhetischen Ideen und Möglichkeiten auf den Theater- und Konzertbühnen ausgeschöpft hatte. Darum wolle er diese „Fesseln“ sprengen und den Himmel als Bühne benutzen.

Um Gerts Vision einer „Kunst am Himmel“ zu verwirklichen, brauchte es zweierlei: Es musste eine neue Inszenierungsphilosophie sowie die technische Grundlage (z.B. eine neue Art von Lichtequipment) geschaffen, und zugleich mussten die Anlässe, die Auftraggeber und die „Himmels-Bühnen“ für solche Events gefunden werden. Es bedurfte also zweier Verrückter, die wirklich daran glaubten, dass das umgesetzt werden kann. Wir hatten uns gefunden: Gert war für die „Kunst“ und das „Artwork“ zuständig und ich für die Vermarktung und die Produktion. Natürlich konnte ich diese Herausforderung nur darum bewältigen, weil ich von Gerts künstlerischer Vision regelrecht durchdrungen war. Das war die Voraussetzung.

pma: Ihr Projekt fing unglaublich furios an: Innerhalb eines Jahres – zwischen dem 31.12.1999 und dem 31.12.2000 – haben Sie vier Millennium-Events gemacht: an der Siegessäule in Berlin, auf der Akropolis in Athen, am China Millennium Monument in Peking und am Ungarischen Parlament zwischen Ketten- und Margareten-Brücke in Budapest. Hinzu kam für die EXPO 2000 der Eröffnungs-Event von Ferropolis bei Dessau. Wie ist das möglich gewesen?

Asteris Kutulas: Durch die Verwirklichung von Gerts Vision entstand eine neue Eventform, die die Chance bot, eine ganze Landschaft mit einzubeziehen und hunderttausende von Menschen live zu entertainen. Gerts Konzept verband auf originelle Weise einen hohen ästhetischen Anspruch mit einer großen Publikumsaffinität. Hinzu kam, dass Gert selbst ein absolutes Unikum war, dem durch seine Zusammenarbeit mit Rammstein, Blixa Bargeld und dem Maler Gottfried Helnwein sowie durch sein kompromissloses und zuweilen schroffes Auftreten stets auch etwas „Skandalöses“ und „Genialisches“ anhaftete.

Dieses flirrende und spektakuläre „Gesamtkunstwerk“ – bestehend aus einem abgefahrenen Künstler und seinem revolutionären Event-Konzept – vermarktete ich über das Netzwerk, das ich mir zuvor in fünfzehn Jahren (u.a. mit Hilfe von Tim Dowdall, dem Vice President von Live Nation für Osteuropa) aufgebaut hatte. Ich agierte dabei nicht wie eine Event-Agentur, derer es ja tausende gab, sondern als Künstler-Agent. Darum beteiligten wir uns nie an einer Ausschreibung: Wir hatten diese neue Eventform erfunden, und wer das Original wollte, der kam direkt zu uns. Ich konnte also damals, 1999, etwas so noch nie Dagewesenes und „Revolutionäres“ anbieten … Unsere Kunden – Regierungen, Institutionen, Konzerne – erkannten das, und sie griffen zu.

Gert Hof, Asteris Kutulas, Asteris Koutoulas

pma: Können Sie uns einen Einblick geben, wie es von Anfang bis Ende einer Produktion war, mit Gert Hof zu arbeiten?

Asteris Kutulas: Für Gert waren drei Dinge zu Beginn einer jeden Produktion ausschlaggebend: erstens die Landschaft, also die Event-Location, zweitens der Anlass (das Motto) des Events als Basis für die Storyline und drittens die Musik. Das waren für ihn wichtige Inspirationsquellen.

Ich gebe drei Beispiele zu jedem dieser Aspekte. Die Events, bei denen die Landschaft ausschlaggebend war: die Akropolis in Athen, die Uferhügel in Gallipoli, die Burg Siegmundskron in Bolzano. Wichtige Anlässe fürs Storytelling: „Lights of Freedom” in Atlantic City, das Closing-Event des Jerusalem-Music-Festivals in Israel, „Light from the Arab World” in Oman. Die Musik bzw. die Komponisten als Basis für Gerts Inszenierungen: Roger Waters für das Welcome-Europe- Event auf Malta, Mike Oldfield für die Berlin-Millennium-Show, die Scorpions für den Moskau-Event auf dem Roten Platz und Westbam für den Aida-Diva-Event in Hamburg.

Das Ganze lief wie folgt ab: Gert ließ sich inspirieren von der Landschaft und entwickelte vor Ort sofort seine „Gemälde“, seine Lichtskulpturen und „existenziellen Bilder“. Einige dieser Bilder visualisierten wir, und zugleich schrieb Gert eine Story zu seinem geplanten Event. Parallel dazu klärten wir, welche Musik-Stücke genommen werden bzw. wer die Musik zum Event komponieren würde – eine für Gert äußerst wichtige Frage. Wir sprachen außerdem sehr ausführlich mit unseren potenziellen Auftraggebern. Da wir aber, wie schon erwähnt, nicht als Agentur, sondern als Künstler-Unit auftraten, hatten unsere Auftraggeber kaum die Möglichkeit, ins Konzept einzugreifen oder irgendwelche „Veränderungen“ vorzunehmen. Gert stellte von vornherein immer klar, dass er sich nicht reinreden lassen würde. In gewisser Weise gehörte auch das zu unserem Alleinstellungsmerkmal.

Ich entwickelte parallel dazu das Produktionsdesign entsprechend Gerts Konzept einerseits und andererseits entsprechend den finanziellen und organisatorischen Bedingungen. Es lief fast immer auf die Frage hinaus, was machbar ist und was nicht. Gert reagierte stets sehr realistisch und konstruktiv, obwohl er ein Maximalist und Perfektionist war. Sobald feststand, WAS man von Gerts Ideen unter den konkreten finanziellen und organisatorischen Vorgaben umsetzen konnte, sagten wir zu oder ab.

Gert Hof Hommage von Asteris Kuttulas

pma: Gab es im Produktionsablauf auch andere Dinge, die in der Zusammenarbeit mit Gert Hof speziell waren?

Asteris Kutulas: Gert schrieb nach Auftragserteilung auf der Grundlage der Musik eine detaillierte Event-Partitur. Dafür arbeitete er zunächst mit den Komponisten bzw. Musikern zusammen, die die Musik für den Event produzieren sollten oder bereits aufgenommen hatten, um sie seinen Vorstellungen entsprechend zu ändern. Gert wusste ziemlich genau, welchen Charakter und welche Orchestrierung die Musik haben sollte, für wie viel Zeit er musikalische Phrasen brauchte, wann es welche Soundeffekte geben sollte etc.

Mike Oldfield schilderte seine diesbezügliche Zusammenarbeit mit Gert wie folgt: „Ich schrieb eine 14minütige Komposition für sinfonisches Orchester und Rock Band. Gert gab mir einen sehr genauen Ablaufplan und eine sekundengenaue Gliederung seiner Lichtshow. Ich habe einfach meine Musik dementsprechend komponiert.” Da für Gert die Musik mit das Wichtigste war, dauerte dieser Prozess oftmals Wochen oder sogar Monate, weil immer wieder korrigiert und modifiziert wurde.

Mit der Musik als emotionalem Leitfaden legte er dann auf die Sekunde genau alle anderen Medien entsprechend seiner Inszenierungs-Konzeption fest. Das hieß – in den meisten Fällen –, dass eine perfekte Synchronisation von Licht, Pyro, Feuerwerk, Laser etc. erfolgen musste, um genau jene Bilder entstehen zu lassen, die Gert im Kopf hatte. Stellen Sie sich einen „Slowmotion-Film“ vor, in dem ein „Gemälde“ dem anderen folgt – mit einer klaren Dramaturgie. In diesem Prozess musste Gert wiederholt mit den diversen Programmierern bzw. Designern zusammenarbeiten, z.B. mit Sven Asamoa oder Markus Katterle für Pyro und Feuerwerk, mit Jens Probst oder Stephan Aue für das Lichtdesign, mit Daniel Brune für die Programmierung der Laser etc., um nur einige unserer Mitarbeiter zu nennen.

Parallel zu diesem schöpferischen Prozess organisierte ich die gesamte Produktion, verhandelte mit unseren Partnern, schloss Vereinbarungen und unterschrieb die Verträge mit allen Beteiligten. Ich kümmerte mich darum, dass die ganze Maschinerie lief, wobei bei den meisten unserer Projekte Gerd Helinski bzw. technische Direktoren von Procon das Produktionsmanagement übernahmen und Norman Bauer die Logistik. Ohne diese Partner wäre ich aufgeschmissen gewesen.

Sehr speziell war auch der Umstand, dass bei uns, sobald ein Event bestätigt wurde, folgende Überlegung einsetzte: Was können wir tun, um einen Event, für den wir „100 Euro“ zur Verfügung haben, so aussehen zu lassen, als wären es „1.000 Euro“? Da Gert als begnadeter Regisseur wusste, wo man den Hebel ansetzen musste, um die höchstmögliche Wirkung zu erzielen, konnten wir diese Aufgabenstellung sehr oft zu unserer Zufriedenheit – und der unserer Kunden – lösen.

Gert Hof Asteris Kutulas

pma: Tatsächlich hatten einige Ihrer Events eine immense mediale Reichweite, wie z. B. der AidaDIVA-Event mit über 2.300 Printmedien-Veröffentlichungen oder der Dresdner Semperoper-Event mit über 400 TV- Beiträgen. Wie erklären Sie das?

Asteris Kutulas: Unser Ziel war es, mit einem exklusiven und „radikalen Kunstwerk“ das Publikum zu begeistern und eine sehr große Öffentlichkeit zu erreichen. So bestand meine wichtigste Aufgabe darin, im ständigen Kontakt mit unseren Auftraggebern und den lokalen Produzenten und Partnern alles so vorzubereiten, dass die Events nicht nur technisch und organisatorisch ohne Probleme abliefen, sondern dass sie auch perfekt und effektiv vermarktet werden konnten. Das heißt, wir sorgten von vornherein dafür, dass ein Event auch medial zum Erfolg wurde.

Basis dafür war Gerts rigoroser Anspruch, seine Ablehnung von Kompromissen und auch, dass er stets am Limit operierte. Hinzu kam, dass Gert als „Starlichtarchitekt“ eine schillernde Persönlichkeit war und jedem Event ganz klar seinen Stempel aufdrückte. Das alles ließ sich sehr gut medial „verkaufen“ und hatte eine eigene Energie – ganz anders, als sehr viele Events von Agenturen, die nach einem gewonnenen Pitch darauf bedacht waren, ihre 20% Gewinnmarge zu sichern. Deren Produktionen waren in der Regel „langweilig“, kraftlos und „anonym“, also in gewisser Weise „beliebig“. Unsere Shows hatten das „Gesicht“ und die Energie von Gert und ließen sich deshalb viel besser vermarkten.

Wir kümmerten uns auch um die richtige Bebilderung unserer Events. Gert hatte von Anfang an Fotografen und Filmemacher an sich gebunden und ihnen bei vielen Treffen über Jahre hinweg seine Ästhetik erklärt: Er machte klar, was ihm wichtig war und was wie fotografisch festgehalten werden sollte. Ich möchte nicht behaupten, dass Gert die „Bilder“ wichtiger waren als der Event selbst. Da wir aber eine neue Event- Form erfunden hatten, kam es ihm sehr darauf an, dass auch deren Abbildung adäquat war. So wurden folgende Fotografen zu einer Art „festem Team“ von Gert: Guido Karp, Ralph Larmann, Anja Pietsch, Jens Rötzsch, Sabine Wenzel, um nur die wichtigsten zu nennen.

Wenn man sich unsere beiden Bücher ansieht, die wir 2003 und 2006 herausgebracht haben, dann erkennt man sofort, dass Gert „seine Bilder“ quasi wie ein Maler entwarf. Er hat in den ersten zwei Jahren, also bis 2003 seinen Stil entwickelt und diesen fortan variiert.

Gert Hof und Asteris Kutulas in Israel

pma: Sie waren lange Zeit der Manager von Gert Hof – wie war die Person Gert Hof als Licht-Künstler?

Asteris Kutulas: Die wichtigste Charakterisierung von Gert Hof als „Licht-Künstler“ ist die, dass er ein visionärer KÜNSTLER war. Gert hat all seine Events als Gesamtkunstwerke inszeniert. Er verwendete u.a. das Medium Licht in all seinen Facetten, um jene Bilder zu produzieren, die er im Kopf hatte.

Wie unkonventionell er „Licht“ als Mittel einer Inszenierung benutzte, erkannte ich bei unseren ersten beiden gemeinsamen Events Ende 1999. Beim Mauthausen-Konzert im Holocaust-Memorial-Museum in Washington verwendete er kein technisches Licht, sondern hunderte Kerzen „für die Ermordeten“. Und einen Monat später beim Millennium-Event auf der Akropolis, wo es nur einen einzigen Großraum-Scheinwerfer gab, benutzte er neben blauen Neon-Röhren fast ausschließlich nur monochromes Pyro und Feuerwerk. Gert ging es immer um Lichtarchitektur in der Bauhaus-Tradition. Flake von Rammstein brachte diese spezifische Licht-Ästhetik von Gert Hof auf den Punkt: „Gert würde nie auf die dumme Idee kommen, eine Band gut auszuleuchten. Deshalb bin ich ein Fan von Gert Hof.“

Gert Hof und Asteris Kutulas in Apassionata

Der andere wichtige Punkt ist, dass Gert sich von Anfang an für technische Innovationen interessiert hat. Er wusste über jede Lampe, über jeden Scheinwerfer Bescheid, kannte jede Feuerwerksbombe, jeden Nebel- und Pyroeffekt und drängte seit 1999 auf die Weiterentwicklung der Show-Lasertechnologie. In den ersten zwei Jahren unserer Eventtätigkeit setzten wir keinen Laser ein, weil z.B. die langsame Bewegung eines Lasergitters da noch nicht möglich war. Was ich mit alldem sagen will: Gert entwickelte Ideen und verlangte die für deren Umsetzung nötige Hard- und Software, die es zu Beginn unserer Zusammenarbeit nicht gab.

Ich erinnere mich, wie wir 1999 mehrmals zu Bruno Baiardi nach Italien gefahren sind, um Baiardi darin zu unterstützen, aus den zwei Prototypen der 7-kW-Ireos von Space Cannon funktionierende, DMX-gesteuerte Movinglights mit effektiver Lichtausbeute (auch in problematischen Farbspektren) zu machen.

Oder wie Hansgeorg Kehse völlig entgeistert erwiderte: „Das kann ich nicht so machen, das hat noch nie ein Feuerwerker so gemacht!“ – nachdem ihn Gert aufgefordert hatte, die gesamte Akropolis mit monochromem Rot-Pyro zu umgeben und wie sehr Gert sich für monochromes Feuerwerk als sein „Markenzeichen“ engagierte.

All diese technischen und ästhetischen Innovationen waren notwendig, damit die künstlerischen Visionen von Gert umgesetzt werden konnten.

Gert Hof und Asteris Kutulas in Moscow

pma: Abschließend möchten wir gerne wissen, mit welchen Worten Sie selbst Gert Hof beschreiben würden.

Asteris Kutulas: Gert war eine ambivalente Persönlichkeit. Er hatte einiges im Leben durchgemacht, war als Jugendlicher von der Stasi für 18 Monate wegen sogenannter „staatsgefährdender Hetze“ inhaftiert worden. Das hatte Spuren hinterlassen. Er war ein durch und durch introvertierter genialischer Künstler, zugleich aber auch ein extrovertierter Mensch, mit dem wir sehr oft gelacht haben. Gert lebte in vielen Welten, in denen er sich wohlfühlte: die Welt der Musik, die Welt des Theaters, die Welt der Architektur und des Designs, die Welt der Malerei. Er kannte fast jedes Werk von Bach, Mozart, Richard Wagner, jeden Song der Beatles, von Nina Simone oder Nick Cave. In den Siebziger Jahren forschte er im Brecht-Zentrum und verfasste mehrere Publikationen über Brechts dramatisches und ästhetisches Werk. Er verschlang dutzende Architektur-Bücher. Er kannte sich sehr gut in der Malerei aus und ließ sich von ihr bei fast all seinen Events inspirieren. Er inszenierte in den 1980er und 1990er Jahren sowohl Klassiker als auch moderne Theaterautoren und entdeckte Bernard-Marie Koltès für das deutsche Theater.

Asteris Koutoulas, Acropolis, Gert Hof, Kutulas

Gerts Welt passte absolut zu meiner Welt, da ich ja Germanistik und Philosophie studiert, viele Bücher und Texte publiziert, ein absoluter Theater-Freak war, zahlreiche Werke aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt, Events und CD’s produziert und vor allem durch Mikis Theodorakis die gesamte Welt der Musik in mich aufgenommen hatte – von Kammermusik über Ballett, Oper bis hin zu Sinfonien und Oratorien. Jeder von uns wusste, wovon der andere sprach. Wir waren also künstlerisch auf derselben Wellenlänge. Und mit Gerts beißendem Humor lernte ich schnell umzugehen – dieser Humor war der Kitt unserer Freundschaft, so dass sie nicht nur, wenn es besonders gut lief, sondern auch alle Zeiten der Auseinandersetzung und der unvermeidlichen Kontroverse hindurch bis zum Schluss bestehen blieb. Jeder hatte seinen eigenen Kopf, und so tauchten wir vor zehn Jahren, im Juni 2010, ein Stück in die Vulkanaschewolke auf Island ein, und so hätten wir uns auch in die Kälte am Nordpol gewagt – Gerts Pläne waren fertig, mein Netzwerk bereit.

Text & Interview: Lisa Schaft

Licht-Architekt Gert Hof Fotos: Ralph Larmann, Asteris Kutulas, Mihalis Patsouras, Jens Rötzsch, Sabine Wenzel

Leasing the Sky | Mega & Special Events | Directed by Gert Hof & Produced by Asteris Kutulas

 

Mein griechisches Niemandsland DDR (Eine Rede)

Politische Diaspora – Ein Leben zwischen Systemen, Ideologien, Sprachen, Kulturen, Mauern

[„Asteris Kutulas ist bekannt als Autor, Übersetzer, Filmemacher sowie als Event– und Musikproduzent. Als Sohn griechischer Emigranten in Rumänien kam er 1968 mit seiner Familie in die DDR. In seinem Essay »Mein griechisches Niemandsland DDR. Ein Leben zwischen Systemen, Ideologien, Sprachen, Kulturen, Ländern und Mauern« nimmt er die persönliche Lebensgeschichte zum Anlass, um über die Wechselbeziehungen zwischen den Verheißungen der kommunistischen Utopie und den Gegebenheiten des real existierenden Sozialismus, doppelter Fremde und doppelter Heimat, politischer Unfreiheit und geistiger Freiheit nachzudenken.“ Marco Hillemann & Miltos Pechlivanos (Aus dem Vorwort zum Buch „Deutsch-Griechische Beziehungen im ostdeutschen Staatssozialismus (1949-1989)“, Freie Universität Berlin 2017)]
 
Asteris Kutulas Familie, family
Familienfoto mit Vater, Mutter und Großmutter in Bukarest, 1965

I Unsere Eltern … (Gesellschaftssysteme und Ideologien)

Unsere Eltern – fast alle kamen sie vom Dorf – kämpften zuerst gegen die deutschen Besatzer, dann (ab Dezember 1944) gegen die „Briten“. Diese hatten die griechischen Kollaborateure der Nazis als neue Verbündete übernommen und sie mit neuen Waffen und englischem Knowhow ausgestattet. Diese bis-eben-noch-Nazi-Kollaborateure bekamen zudem Regierungsgewalt.

Die britische Kolonialmacht führte in dieser Zeit am Mittelmeer zwei Kriege: einen gegen die jüdischen – vorwiegend zionistischen – Partisanen in Palästina; den verloren sie, so dass der jüdische Staat Israel am 14.8.1948 entstehen konnte, und den anderen Krieg führten sie gegen die linken griechischen Partisanen, den sie mit Hilfe der USA 1949 letztendlich für sich entscheiden konnten. Daraufhin wurde Griechenland bis 1974 von einem quasi monarchofaschistischen Staatsgebilde beherrscht.

Theo Angelopoulos schuf mit seinem großartigen Streifen „Die Jäger“ das zutiefst melancholische Zeugnis von einem Land, in dem von 1936 bis 1977 (als sein Film entstand) dieselben faschistoiden Personen, dieselben parastaatlichen Strukturen den Machtapparat bildeten und mit der siebenjährigen Diktatur zwischen 1967 und 1974  ihrer Herrschaft schließlich die Krone aufsetzten. Einer der Höhepunkte dieser staatlich gelenkten Gewalt gegen Andersdenkende war 1963 die Ermordung des unabhängigen Parlamentsabgeordneten Grigoris Lambrakis, deren Umstände in dem Oscar-prämierten Film „Z“ von Costa-Gavras verewigt wurden.

Unsere Eltern,

die in den Bergen als Partisanen zuerst gegen die deutsche Wehrmacht und die SS und gleich anschließend bis 1949 gegen die „Briten“ und „Amerikaner“ gekämpft hatten …, unsere Eltern fanden sich wieder in Verbannungslagern, in Gefängnissen und viele von ihnen in den sozialistischen Ländern hinter einem eisernen Vorhang. Sie wurden mit Kalkül von einem übergeordneten Schicksal, das den Namen Hitler oder Churchill oder Stalin oder Tito trug, hin- und hergeschoben, bis sie irgendwo in Osteuropa eine Bleibe fanden, in kleinen Orten und Dörfern oder in fernen Großstädten mit für sie exotischen Namen: Bratislava, Oradea, Radebeul, Taschkent, Zgorzelec etc. etc.

Unsere Eltern, hatten hier keinerlei Besitz, das Geld war stets am Ende des Monats alle, aber sie empfanden Dankbarkeit dafür, dass man ihnen Wohnung und Arbeit gab. Sie waren in Textilbetrieben tätig, im Bau- und Handelsgewerbe, viele studierten und wurden Ärzte und Ingenieure, aber sie blieben doch Entrissene und im Innern immer „heimatlos“.

Heimatlos,

weil Griechenland sie als „Vaterlandsverräter“ stigmatisierte, sie dauerhaft aussperrte und häufig im Fall der Rückkehr mit dem Tod bedrohte – und weil die neuen Gefilde auf sie zunächst wie „Transit-Hotel-Leben“ wirken mussten, gastfreundlich und fremd zugleich.

Sie hatten persönlich nichts davon – ihr halbes Leben verbrachten sie wegen einer Chimäre in kalten Landschaften und lebten von der Hand in den Mund. Sie wurden in der Weltgeschichte herumgereicht, von Mächten, auf die sie keinen Einfluss hatten und deren Kalkül und Pläne nicht zu durchschauen waren … Sie kommen mir heute vor wie aufgewirbelte Staubkörner der Weltgeschichte. Aber sie machten das Beste daraus, sie kämpften, sie bildeten sich weiter. Sie waren stark. Trotzdem: Unsere Eltern waren keine Akteure, sie waren Getriebene. Diese Eltern, ich betrachte sie und kann sie nicht in den Himmel heben. Immer fiel aus diesem Himmel das Wasser von oben nach unten, machte ihre Flügel schwer und verwies sie zurück auf den Boden der Tatsachen.

Asteris Kutulas in Rumänien
Asteris Kutulas (rechts) mit zwei Schulkameraden in der Griechischen Schule von Bukarest, 1967 (Photo © Asteris Kutulas)

Glaube & Utopie

Wofür das alles? Und: Warum? Einerseits, weil unsere Eltern keine Wahl hatten, andererseits wegen ihrer Ideologie – ich würde es so sagen: um ihres „Glaubens“ willen. Sie hatten die „Utopie des Kommunismus“ verinnerlicht. Und das Leben im Griechenland der 30er und Anfang der 40er Jahre hatte sie gelehrt, dass man sich wehren kann und muss gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit, und die einzige Ideologie, die diesen Widerstandskampf damals in Griechenland unterstützte, war die kommunistische.

Der Glaube meiner Eltern hatte zweifellos religiöse Züge. Aber diese „kommunistische Religion“ gründete sich nicht auf die Vorstellung vom Mysterium einer höheren, fernen Macht, sondern bezog sich auf ein real existierendes Gesellschaftsmodell, in dem sie ab 1949 dann tatsächlich lebten. Das heißt, immerhin: die Richtigkeit ihres utopistischen Glaubens konnte am Alltag gemessen und geprüft werden.

Und das war zugleich das „Große Dilemma“, weil zum einen diese Wirklichkeit eben nicht das Ziel der Verheißung, sondern weil diese Wirklichkeit voller Widersprüche war. Zum anderen bedeutete diese Realität vor allem die ständige Auseinandersetzung mit einer humanistischen Utopie – die den Menschen im Mittelpunkt hatte – und der Frage, ob der Mensch hier bereits im Mittelpunkt stand. Bei dieser Auseinandersetzung ging es immer – ich zitiere den Heilsbringer dieser Religion, Karl Marx – um die Freiheit des Menschen in einer von Ausbeutung befreiten Gesellschaft.

Mein griechisches Niemandsland DDR

Von den zwei konkurrierenden Gesellschaftssystemen verhieß das eine – der Sozialismus – Freiheit in einer menschlich gewordenen Gesellschaft und das andere – der Kapitalismus – Wohlstand, verknüpft mit einer absolut individuellen Freiheitsauffassung.

Letzteres Gesellschaftssystem konnte seine Versprechen zwischen 1950 und 1989 in gewisser Weise einlösen, es war überzeugender; das andere, das „sozialistische“, Gesellschaftssystem, in dem auch wir lebten, scheiterte, seine Verheißungen erfüllten sich nicht.

In diesem Dilemma lebten unsere Eltern und wir, ihre Kinder. Mit dem Unterschied, dass unsere Eltern bereits gelitten hatten für ihren Glauben und wir nicht, wir mussten nicht leiden. Ich allerdings – denn ich war etwas merkwürdig drauf – litt unter einer „transzendentalen Obdachlosigkeit“, um einen sehr stimmigen Begriff des Philosophen Georg Lukács zu gebrauchen, den er geprägt hatte, als er jung war.

In der DDR stellte sich dieses Dilemma des Festhängens in einem Leben zwischen Utopie und Wirklichkeit graduell anders dar als in den anderen sozialistischen Ländern, denn in die DDR waren vor allem griechische KINDER gekommen. Diese hatten selbst keine „heroische Epoche“ durchgemacht, sondern wuchsen in einem behütenden sozialistischen Brutkasten auf, mit der „erzählten Erinnerung“ von einer Heimat, die sie nicht kannten und die ihnen bis auf weiteres versagt war, und einer neuen Heimat, die eine vorübergehende sei, in der man viel lernen sollte, um irgendwann als kommunistischer Missionar in die alte, eigentliche, zurückkehren zu können.

Griechenland DDR Asteris Kutulas
Auf einem Bukarester Weihnachtsmarkt mit meiner Mutter um 1963 (Photo © Asteris Kutulas)

II Zäsuren … (Heimat- und Vaterländer)

Drei Jahreszahlen – 1967, 1974, 1981 – und die damit verbundenen Ereignisse waren für uns Griechen im sozialistischen Exil von besonderer Bedeutung:

In der DDR waren wir lange Zeit „heimatlose Menschen“. Das Jahr 1974 hat aus uns „Menschen mit zwei Heimaten“ gemacht.

Wir waren bzw. galten in der DDR als „politisch Verfolgte“. Das Jahr 1981 hat aus uns „politische Gastarbeiter“ gemacht.

1974

Fast 30 Jahre lang, bis 1974, konnten viele „politische Emigranten“ (wie wir – Eltern und Kinder – genannt wurden) nicht nach Griechenland zurückkehren. Dann stürzte die Junta. Konstantin Karamanlis brachte Griechenland die Demokratie. Er ließ durch eine Volksabstimmung die Monarchie abwählen, legalisierte die seit 1947 verbotene Kommunistische Partei und ermöglichte den politischen Emigranten die Rückkehr in ihre alte, inzwischen unbekannte Heimat. Bis dahin hatten wir nur einen Fremdenpass und waren „Fremde“, doppelt Fremde, sowohl in der DDR als auch in Griechenland. 1974 erhielten wir unsere Identität zurück, zum ersten Mal bekamen wir einen „echten“ griechischen Pass. Damit hatten wir auf einmal zwei Heimatländer. Wir konnten uns entscheiden, wo wir leben wollten; vor allem konnten wir nach Griechenland reisen und somit endlich aus unserer Zwangssituation, die fast 30 Jahre gewährt hatte, aussteigen – mental und emotional. Plötzlich hattest du die Wahl, und für einige von uns Griechen der „politischen Diaspora“ im Osten entpuppte sich eben dieser Osten als die eigentliche neue „neue Heimat“.

1981

Dann kam das Jahr 1981 und brachte Griechenland Andreas Papandreou und mit ihm die in der Geschichte Griechenlands erste linke Regierung an die Macht. Durch die längst überfällige Anerkennung des antifaschistischen Widerstandskampfes und durch das Repatriierungsgesetz, das endlich auch die Rentenansprüche Zehntausender ehemaliger politischer Emigranten klärte, war man nicht mehr in der Situation, „politisch“ Verfolgter zu sein. So wurde aus uns allen „politische Gastarbeiter“ im sozialistischen Ausland. Einige zogen die Konsequenzen, reisten aus nach Westberlin und Westdeutschland und tilgten das Adjektiv „politisch“, so dass sie von da an einfach nur „Gastarbeiter“ waren.

Für die in der DDR Gebliebenen galt dasselbe: das Politische wurde abgestreift, es gab keinen „Widerstandskampf“ mehr, ein Rückzug ins Private konnte stattfinden. Durch den Sieg von Andreas Papandreou und durch das Repatriierungsgesetz war der „kommunistischen Basis“ der Boden entzogen – ein Prozess, der 1968 begonnen hatte, der aber dann 1981 manifest wurde. Die Machtübernahme durch die PASOK-Partei 1981 bedeutete für die Kommunistische Partei Griechenlands dasselbe wie für die SED 1989 die Öffnung der Mauer – der Anfang vom Ende.

Das hatte aber auch damit zu tun, dass im Lebens-Alltag der DDR seit Ende der 70er Jahre der Sozialismus als UTOPIE keine Rolle mehr spielte und das Ideologische als erstarrt Floskelhaftes immer mehr zur Karikatur verkommen war.

Die Konsumideologie der westlichen Welt wurde in der DDR immer beherrschender, zumal die „SED“ und ebenso – wenn auch ganz anders – die „KP“ in Griechenland ihre Rolle als jeweilige utopistische Instanz längst eingebüßt hatten. Die Bürokratisierung sorgte für verkalkte Strukturen, die SED war zu einem Macht-Apparat geworden, der sich auf starren Herrschaftspositionen eingerichtet hatte, als wären sie aus dem gleichen Zement gewesen wie die Berliner Mauer. Er hielt noch einige Jahre, dann begann er zu bröckeln. Im Grunde wussten es alle seit Ende der siebziger Jahre: Es war vorbei mit dem sozialistischen Experiment. Dieses war an seiner kleinbürgerlichen (anti-kommunistischen) Führung und seiner stalinistischen Machtstruktur gescheitert.

1968

Für uns Griechen im Ostblock war das Jahr 1968 von entscheidender Bedeutung. Bis zu diesem Zeitpunkt lebte man als Linker, zumal als Kommunist, in einer „fortwährenden Hoffnung“. Ich werde niemals den Silversterspruch meiner Eltern Anfang der sechziger Jahre in Rumänien vergessen: Kai tou chronou stin patrida! „Und nächstes Jahr in der Heimat!“ Aber am 21.4.1967 kam der Putsch der Obristen, und in den folgenden Jahren klang dieser Spruch nicht so optimistisch wie einst.

Das fatalste Ereignis jedoch war die Spaltung der Kommunistischen Partei, die sich im Februar 1968 während des 12.Plenums des Zentralkomitees in Bukarest vollzog. Durch diese Spaltung hatte man plötzlich so etwas wie einen Inneren Feind, man war einem doppelten „Bruderzwist“ ausgesetzt: zu der „unnatürlichen Entzweiung“ zwischen links und rechts seit dem Bürgerkrieg (1946-49) kam nun die noch schmerzhaftere „innere Entzweiung“ zwischen links und links, zwischen „Stalinisten“ und „Revisionisten“. Diese Spaltung führte dazu, dass mein Vater vom Ceausescu-Regime wegen seiner „Moskautreue“ ausgewiesen wurde und zusammen mit seiner Familie ein neues, ein zweites politisches Asyl in der DDR bekam.

Griechisches Niemandsland: Mikis Theodorakis, Jannis Ritsos, Asteris Kutulas
Mikis Theodorakis, Jannis Ritsos, Asteris Kutulas – Kulturpalast Dresden, 1984 (Photo © by Privatier/Asti Music)

III Kulturen & Mauern

Die DDR war ein idealer Lebensort für geistige Anarchisten. Ein Grund war, dass man kaum Geld zum Leben brauchte, oder andersherum gesagt: Geld war nichts wert. Der Lebensunterhalt konnte relativ leicht durch alternative, zum Beispiel künstlerische Tätigkeiten bestritten werden. Vielen Leuten, zu denen ich auch gehörte, ging es darum, einen hohen Grad an geistiger Freiheit zu erringen. So lässt sich der enorme Bücherkonsum erklären, das zum Teil massenhafte Besuchen von Lesungen und Theatervorstellungen, die Bereitschaft sich zu treffen und zuzuhören, der Dialog zwischen einem Großteil der Schriftsteller und einem großen Publikum, die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen – das alles diente nur einem Zweck: seine geistige Unabhängigkeit zu postulieren.

Ich war damals 20, Student in Leipzig, lebte in einer tiefen Melancholie und war von Pessimismus durchdrungen. So entdeckte ich für mich die sogenannte „Dichtung der Niederlage“ aus den fünfzigern, deren meist linke Vertreter, wie Manolis Anagnostakis, Takis Sinopulos, Aris Alexandrou und Michalis Katsaros, sich als eine betrogene Generation, als eine „lost generation“, ohne Perspektive fühlten – genauso wie ich 1981 in der DDR. So konnte ich in der mich damals umgebenden Trostlosigkeit Katsaros‘ Ausruf von 1952 in seinem berühmten Poem „Nach Sadduzäer-Art“ sehr gut nachempfinden: „Toten Wald der Wörter durchschreite ich stumm / entzünde die Laternen die falblichtig lähmen die leeren Straßen / such die zu erheben / die mit ihren Namen aufs Herz mir sind gesunken / in geheimen Konferenzen / die gelynchten Namen die lebenden – weitab gestellt im Vormarsch / Rosa Luxemburg Lenin ihr Lyriker / Thälmann und Tanev / eisklirrend splittern sie hin auf das Teppichrot„.

Jannis Ritsos

Und ich entdeckte für mich und für meine anarchistische DDR Jannis Ritsos und übersetzte die „Monochorde“, viele seiner existentialistischen Gedichte sowie das „Ungeheure Meisterwerk“, wo die Verse stehen:

und auch wir mußten endlich zu einem Schluß kommen zu einem großen roten Vogel zu einem großen Hammer-und-Sichel
und andere waren müde und niedergeschlagen
und andere hüpften wie lahme Spatzen über die Pfützen das Wasser im schlammigen Vorort
und andere hatten Mercedesse erworben und doppelte Dachgartenwohnungen und schauten von oben herab auf Busse Fußgänger auf die zerfetzten Fahnen
und andere schliefen in Kleidern und Schuhen immer zur Illegalität bereit
und andere erkannten in all dem eindeutige Zeichen eines endgültigen Scheiterns
und andere Zeichen der Vitalität der Bewegung
und andere in Kaffeehäusern oder Luxussalons beschäftigte immerfort die ewige Schuldfrage
und andere dreißig und mehr Jahre zurückgeblieben entlausten ständig ihre Jacken glaubend die Geschichte zu korrigieren und die Zukunft aufzubauen
und andere kommentierten unbeteiligt rauchend die Ideen wie Zigaretten
und viele Zigaretten waren auf den Fußboden gefallen
und jene zerdrückten sie mit schön polierten Schuhen
und andere hatten nicht eine Zigarette um ihrer Bitterkeit den Mund zu stopfen
und die Soziologie war zu einem Problem der Nuancen geworden
und die Philosophie zu einem Problem der grauen Flügel
… ich sah die grüne Ader im gelben Blatt
ich wollte gehn
der Nackte ist der Einsamste der Entschlossenste

Jannis Ritsos Asteris Kutulas
Jannis Ritsos, Achim Tschirner, Asteris Kutulas – 1983 in Athen (photo © by Rainer Schulz)

Sehnsucht

Etwas später traf ich bei der Arbeit an einem Band mit Gedichten von Georgios Seferis den Hallenser Künstler Fotis Zaprassis, der Grafiken für dieses Buch anfertigen sollte. Zaprassis gehörte zu denen, die aus der Situation heraus, nicht nach Griechenland zu können oder später dort kein Zuhause wiederfinden zu können, sein ganzes Leben sich mit dem Griechenland beschäftigte, das ihm zugänglich war. Er kreierte es in seinen Grafiken und wurde während dieses Prozesses, gerade wegen seiner inneren Zerrissenheit, einer, der anderen den Zugang zu Griechenland ermöglichte. Derjenige, der einige Jahre lang, wenn er in Griechenland war, mit seiner Frau zusammen in einem Boot zwischen Festland und Insel hin und her fuhr, wo ihm auf beiden Seiten eigentlich nichts gehörte, er war eine Brücke, ein Vermittler, einer, der teilte, indem er sich mitteilte. Er fühlte sich einsam, befand sich aber in Gemeinschaft derjenigen, die sich als solche erfuhren, die allein waren.

Die Sehnsucht wurde von Fotis Zaprassis immer wieder thematisiert und damit das Motiv der Reise nach Ithaka, das man nie erreichte. In jedem flüchtigen Augenblick war man zuhaus.

Das traf auf die DDR-Griechen zweifach zu. DDR-Bürger, die eigentlich mehr zuhause waren, als ihnen lieb war, die sich an ihr Zuhause gefesselt fühlten und daran zugrunde zu gehen drohten, waren mit Fotis Zaprassis zumindest in Gedanken unterwegs.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das Unterwegs-Sein im Geiste, die Möglichkeit des Denkens in der griechischen, aber auch in einer weiteren Sprache, Heimat ist. Im ständigen Befragen der Heimat, die uns nicht selbstverständlich gegeben war, erschufen wir sie jeden Tag.

Heimat

„Heimat“ war für viele Exilgriechen im Osten die griechische Sprache und die griechische Kultur – und diese Feststellung erinnert mich an AXION ESTI, eine schwere Doppelschallplatte, zwei schwarze Scheiben, die uns ein Freund meines Vaters 1965, als wir noch in Rumänien lebten, aus Athen mitbrachte. Ich war fünf Jahre alt. Heute ist mir, als wäre mir „Griechenland“ durch Theodorakis’ Vertonung und Elytis’ Text wie mit der Muttermilch eingeflößt worden und mir in Fleisch und Blut übergegangen, als hätte ich diese Musik und diese Verse schon 1965 mindestens tausendmal gehört.

Griechisches Niemandsland, Odysseas Elytis, Mikis Theodorakis and Asteris Kutulas
Schallplattencover von Jannis Zaruchis, 1965

Als würde es jetzt passieren, hier: Die Worte legen sich auf meine Zunge, auf meine Haut, steigen mir in die Nase, hallen in meinen Ohren – sie waren das, was nach Griechenland schmeckte, roch, sie waren eine Antwort während der Suche nach der Heimat, die uns genommen war, sie ersetzten das Rauschen des Meeres, die mir unbekannten Inseln, Berge, Menschen.

Alles das auf zwei zerbrechlichen Schallplatten, über die mein Vater sanft mit der Hand strich. Dann legte er die eine auf den Plattenspieler, der eingelassen war in das große Radiogerät aus der Sowjetunion. Ich bekam die Plattenhülle gereicht. Eine barbrüstige Frau in der Mitte, das Schwert in der Hand, vier geflügelte Jünglinge mit Blumen um sie herum, vier schön exaltierte Engel. Viel später erfuhr ich, dass das ein Bild von Jannis Tsarouchis war, das geheimnisvolle Bild mit den vier Jünglingen, den Musen des homosexuellen Malers. Märchenfiguren aus einer für mich damals total mysteriösen und doch tagtäglich erklingenden Welt.

Axion Esti

„Axion Esti“ ist das poetische und musikalische Zeugnis eines Volks, so eine Art Tempelbau, ein Torso, der Artefakt, von dem auf das Ganze geschlossen werden kann – und ich setze hinzu, da es mich persönlich betrifft: eines Volks der Diaspora, mitten hinein gestürzt in dieses verfluchte 20. Jahrhundert, dem Elytis den Kampf angesagt hatte. Mit seinen überschwänglichen, hymnischen, melancholischen und durch und durch lyrischen Bildern, mit dem Glauben, durch die Kraft des Geistes die Wirklichkeit formen zu können, mit seiner mir unerklärlichen Gewissheit, dass durch die Veränderung des Bewusstseins eines jeden Einzelnen, die Menschheit zu retten wäre.

Seltsam, wie Literatur zu so etwas wie ein Rettungsanker werden kann. Seltsam, wie sich mir, als wär sie ein Schal, die Trauer um Hals und Schultern legte und mit meinem Körper verwuchs, damals Anfang der achtziger Jahre in Leipzig. Und ich lese in meinem Tagebuch von damals folgende Frage, auf die ich immer noch keine Antwort gefunden habe: „Wo ist der Ort, an dem beides zusammenkommt: meine griechische Seele und mein deutscher Geist?“

© Asteris Kutulas 
(„Mein Griechisches Niemandsland DDR“ – Rede in der Sächsischen Landesvertretung Berlin am 23.4.2015 | Abgedruckt im Buch Deutsch-Griechische Beziehungen im ostdeutschen Staatssozialismus (1949-1989), Freie Universität Berlin 2017)

taz Interview mit Asteris Kutulas

Asteris Kutulas FACES: pma-Interview von Lisa Schaft

Eventproduzent & Konzept-Künstler Asteris Kutulas – „Ein Mann für das Polymediale“

[Er war für das visionäre Konzept des Doppel-Events LIGHTS OF HOPE in der griechischen Hafenmetropole Piräus verantwortlich, und er ist ehemaliger Produzent und Geschäftspartner der Licht-Legende Gert Hof. Asteris Kutulas ist ein facettenreicher Künstler und berichtet hier über seine Arbeit. pma Magazin]

pma: Herr Kutulas, Sie sind nicht nur Event- & Musikproduzent, sondern auch Übersetzer, Filmemacher und Autor. Können Sie uns etwas mehr über Ihren beruflichen Werdegang erzählen?

Asteris Kutulas: Meine Großeltern mütterlicherseits und auch mein Vater waren sogenannte „politische Emigranten“, die nach dem griechischen Bürgerkrieg 1949 zusammen mit etwa 60.000 anderen, vorwiegend linksgerichteten Partisanen und deren Angehörigen in den Ostblock flohen. Ich bin 1960 in einem griechischen Flüchtlingslager in der rumänischen Stadt Oradea geboren. Ich sagte dazu immer „das Schloss von Oradea“, denn wir waren dort Könige in königlichen Klamotten, wie der Roma-Junge Dan und ich feststellten, und Dracula war natürlich nicht weit. 1963 zog meine Familie nach Bukarest. Die für uns damals unerreichbare Heimat Griechenland bestand aus den Büchern und Schallplatten (die meisten von Mikis Theodorakis), die wir zugeschickt bekamen, aus dem täglichen Singen, den Artikeln, die mein Vater schrieb, den Diskussionsrunden, die ich zuhause immer wieder erlebte, dem Beisammensein in der griechischen Community. Ein Leben im Exil.

DDR

1968 mussten wir Rumänien unter abenteuerlichen Bedingungen verlassen und fanden in der DDR ein neues (Fremdenpass-)Zuhause. Ich besuchte in Dresden die berühmte Kreuzschule, für mich ein absoluter Glücksfall, und studierte bis 1984 Germanistik und Philosophie an der Uni in Leipzig. An der Kreuzschule die himmlischen Bachkantaten, die tagtäglich aus einiger Entfernung herüber in die Klassenzimmer drangen, wenn der Kreuzchor probte. An der Uni „eine Schule des Worts“, wie ich sie nicht besser hätte haben können, z.B. bei Professor Dr. Claus Träger, der bei seiner Abschiedsvorlesung sagte: „Ich hoffe, dass ich Ihnen zumindest eines habe vermitteln können: richtig zu lesen.“ Bereits 1981 begann ich, Nachdichtungen und Übersetzungen aus dem Griechischen ins Deutsche sowie eigene Texte zu veröffentlichen. Seit 1983 arbeite ich dabei und bei vielen anderen Projekten mit meiner Frau Ina zusammen. Als wir uns kennenlernten, war sie eine junge Poetin, die Gedichte schrieb und Collagen machte. Als sie kurze Zeit später an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studierte, kam es zu etlichen Begegnungen und Kooperationen mit Malern, Grafikern, Fotografen, Textil- und Schriftgestaltern.

Zwischen 1987 und 1991 publizierte ich zwei Literatur-Zeitschriften, bei denen ich mit sehr vielen (zunächst vor allem DDR-)Künstlern kooperierte. Und bis heute habe ich etwa 40 Bücher herausgegeben, viele davon bei den renommiertesten deutschen Verlagen (z.B. Reclam, Suhrkamp, Kiepenheuer, Insel, Hanser, Wallstein etc.) In die Zeit Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre fiel außerdem meine erste Beschäftigung mit dem Theater.

Von 1982 bis 1984 arbeitete ich an zwei Dokumentarfilmen mit – inzwischen habe ich bei dutzenden von Filmprojekten als Autor, Regisseur oder Produzent mitgewirkt.

Asteris Kutulas Interview pma

Theodorakis, Thomas Anders & Apassionata

1981 lernte ich den griechischen Komponisten Mikis Theodorakis persönlich kennen, mit dem ich hunderte Produktionen (Sinfonik, Ballett, Film, Oper etc.) auf der ganzen Welt realisierte und mit dem ich bis heute sehr eng befreundet bin. Theodorakis wurde in vielerlei Hinsicht zu meinem wichtigsten „Lehrer“.

In den Neunzigerjahren war ich auch oft als Tourleiter und Produzent für verschiedene Bands und Solisten, z.B. Thomas Anders und Demis Roussos, europaweit unterwegs, und ich habe für den Griechischen Rundfunk eine CD-Reihe mit verschollenen sinfonischen Werken griechischer moderner Komponisten aus deren Archiven produziert.
Zwischen 2009 und 2019 war ich zunächst Executive Producer und ab 2013 Dramaturg und künstlerischer Berater bei Apassionata, der größten Family-Entertainment-Show in Deutschland. Meine Aufgabe bestand darin, sowohl die Qualität der Show als (dadurch) auch die Anzahl der Ticket-Verkäufe zu erhöhen. Parallel dazu realisierte ich meine Filme und Kunst-Projekte und entwickelte meine eigenen künstlerischen Visionen und Konzepte.

Asteris Kutulas Interview Event Show PolymedialAsteris Kutulas

pma: Sie haben als Manager und Produzent des Regisseurs und Licht-Architekten Gert Hof gearbeitet – beispielsweise haben Sie dadurch zur Jahrtausendwende die Millenium-Events an der Siegessäule in Berlin und auf der Akropolis in Athen produziert. Erzählen Sie uns doch noch etwas mehr über die Zusammenarbeit mit Gert Hof.

Asteris Kutulas: Gert begegnete ich 1998. Anlass war ein Konzert in Berlin mit Maria Farantouri und Rainer Kirchmann (von der Gruppe PANKOW), das ich zusammen mit Klaus Salge für unseren ARTE-Film „Sonne und Zeit“ inszenierte. Rainer hatte Gert als Lichtdesigner vorgeschlagen – und so lernten wir uns kennen. Wir haben uns sofort gemocht – trotz vieler Meinungsverschiedenheiten –, und wir bildeten eine „Künstler-Gemeinschaft“, bei der Gert Hof zumeist für die Kunst und ich zumeist für die Produktion verantwortlich war. Allerdings so, wie Gert sich auch um die Produktion scherte, scherte ich mich natürlich immerzu auch um die Kunst. Ich verstand – als Künstler – die Visionen von Gert, die Ausmaße seiner Musik-Kompetenz, konnte aber zugleich auch sein außerordentliches Interesse am Bauhaus, an Caravaggio und am Schweißtuch der Veronika nachvollziehen.

Events, weltweit

Ich entwickelte für uns eine spezifische „artifizielle Umsetzungs-Ästhetik“, eine ganz eigene Vertriebs-Philosophie. Was ich damit meine: Wir traten nicht als ein Unternehmen, nicht als eine „Event-Firma“ auf, sondern als eine eigenständige „Band“, die ihre eigene „Musik“ spielt. Das war damals unikal und führte dazu, dass wir bei keinem der von uns realisierten 40 Mega- und Special-Events zwischen 1999 und 2010 an einem Pitch teilnahmen. Denn wir vermarkteten uns nicht als eine Event- oder Lichtmachfirma, sondern als die, die wir waren: eine Künstler-Unit mit dem Namen Gert Hof. So schaffte ich über mein Netzwerk im Jahr 2000 für uns den internationalen Durchbruch mit den Millennium-Events auf der Akropolis in Athen und an der Siegessäule in Berlin. Es folgten im gleichen Jahr die Eröffnung von Ferropolis bei der EXPO 2000, die 1000-Jahr-Feier Ungarns vor dem Parlament in Budapest und die Millennium-Show in Peking für die chinesische Regierung mit der Live-Übertragung für hunderte von Millionen von TV-Zuschauern. Bis 2010 führten wir Dutzende weitere Events und Shows in über 20 Ländern durch. Als Gert im Januar 2012 nach einer schweren Krebserkrankung starb, verließ auch ich für fast zehn Jahre die Event-Branche.

Asteris Kutulas AidaDiva Gert Hod
AidaDIVA Taufe Event in Hamburg (Photo © Anja Pietsch)

Gert Hof & Art in Heaven

Ausgangspunkt unserer Erfolgsstory war, dass wir 1999 eine neue Eventform erfanden: die Outdoor-Lichtshow. Das Konzept war innovativ, revolutionär und emotional zugleich. Wir nannten das auch „Licht-Architektur am Himmel“, und damit konnte man hunderttausende Menschen live entertainen. Bevor im Dezember 1999 die ersten 250 Space Cannon 7kW- und 3kW-Xenon-Scheinwerfer von Bruno Baiardi in Italien produziert und für unser erstes Mega-Event nach Berlin geliefert wurden, gab es noch nicht mal die Hardware, um ein solches Konzept überhaupt umsetzen zu können.

Gert entwickelte zudem eine Licht-Ästhetik, die – tausendfach kopiert – inzwischen in jede Fernseh-Show Einzug gehalten hat und längst allgegenwärtig ist. Ich nannte diese Licht-Ästhetik im Jahr 1999: „unsere kopernikanische Wende“, denn es interessierte uns nicht länger, wohin das Licht fiel, um etwas zu beleuchten, sondern uns interessierte, dass man den Lichtstrahl an sich sah, um damit Lichtarchitektur gestalten zu können. Gert hatte erste diesbezügliche Experimente in seinen Theaterarbeiten Anfang der Neunzigerjahre und dann vor allem bei seinen Lichtdesigns für Rammstein gemacht (vor allem beim Wuhlheide-Konzert 1998). Umsetzen konnten wir unsere Vision von „Art in Heaven“ Ende 1999 aber nur durch die Unterstützung des Unternehmers Achim Perleberg und mit Hilfe von Morten Carlsson, dem damaligen Geschäftsführer von Procon.

Asteris Kutulas Liquid Staging InterviewAsteris Kutulas Interview mit dem pma Magazin

pma: 2014 haben Sie mit der Produktion Ihres eigenen Filmprojekts „Dance Fight Love Die – Unterwegs mit Mikis“ begonnen. Wie war es für Sie, dieses Projekt parallel zu Ihren anderen Tätigkeiten zu beginnen und immer weiter voranzubringen, bis der Film schließlich in Hof Premiere hatte?

Asteris Kutulas: 2014 hatte ich die Produktion meines Ballett-Films „Recycling Medea“ beendet, der übrigens in einer überarbeiteten Form ab Sommer 2021 – so Corona es erlaubt – in die deutschen Arthouse-Kinos kommt.

Dance Fight Love Die

Ende 2014 „entdeckte“ meine Frau Ina das 600-Stunden-Filmmaterial, das ich während meiner 30jährigen Zusammenarbeit mit Theodorakis mit nicht-professionellen Kameras aufgezeichnet hatte. Das war ein schlechtes, aber authentisches und spannendes Vintage-Material aus unserer „Rock’n’Roll-Zeit“ mit Mikis aus ganz Europa, Chile, Israel, der Türkei, Australien, den USA, Südafrika etc. Ina überzeugte mich, daraus einen „anderen Film“ zu machen, und so wurde „Dance Fight Love Die“ ein Roadmovie, bestehend aus 60 Stories auf 60 Musiken. Neun Monate brauchte Ina für das Logging, also die Sichtung des Materials, und für den ganzen Film, den wir selbst produzierten, benötigten wir insgesamt vier Jahre, bis er 2018 fertiggestellt war. 

Gleichzeitig arbeitete ich als Produzent am Album „Echowand“ mit Johanna Krumin und natürlich als Dramaturg und künstlerischer Berater an den Apassionata-Shows „Im Bann des Spiegels“, „Cinema of Dreams“ und „Der Traum“ bzw. „Der magische Traum“.

Hellas Filmbox Berlin

Unser umfangreichstes Projekt zwischen 2015 und 2018 war jedoch die Gründung und Vermarktung von Hellas Filmbox Berlin, des weltweit größten griechischen Filmfestivals. Das war unsere – sehr erfolgreiche und wirkungsvolle – im Wesen zärtliche, konstruktive und künstlerisch-aktivistische Antwort auf das massive, von 2010 bis 2015 in Deutschland vorherrschende Griechenland-Bashing.
All diese parallelen Arbeits-Universen befruchten sich in meinem Kopf gegenseitig, und sie sind für mich als Konzept-Künstler die Voraussetzung für mein kreatives Schaffen. Auch jetzt zum Beispiel arbeite ich parallel an zehn unterschiedlichen Projekten.

pma: Letztes Jahr waren Sie federführend beim Licht-Projekt „LIGHTS OF HOPE“ in der griechischen Hafenmetropole Piräus (wir berichteten in der pma 06/20). Dieses visionäre Event fand in der Corona-Zeit statt – wie haben Sie die Vorbereitungen dafür getroffen, wie hat die gesamte Planung und Durchführung funktioniert, wenn man doch nicht in größeren Menschenmengen zusammen an einem Ort sein durfte?

Asteris Kutulas: Die Mannschaft von Olympiakos Piräus hatte 2019/20 zum 45. Mal die griechische Meisterschaft gewonnen und wollte das gebührend feiern. Ich wurde gefragt, wie man so etwas in einem leeren Stadion und vor allem ohne dort anwesende Fans realisieren kann und ob ich ein Konzept dafür entwickeln könnte. Diese Situation hatte es ja nie zuvor gegeben. Drei Wochen später sollte das Event schon stattfinden. Ich flog nach Athen, schaute mir die Locations an und entwickelte das Konzept für ein Doppel-Event innerhalb weniger Tage. Das alles unter Pandemie-Bedingungen und sehr strikten Auflagen.

Lights of Hope (Olympiacos FC)

Das definitive Go erhielt ich genau zwei Wochen vor der Show. Ich fertigte eine detaillierte Liquid-Staging-Partitur für das Stadion-Event, und dann ging die Arbeit los, zwei Wochen lang bis zum Anschlag: Ross Ashton produzierte in seinem Londoner Studio die Projektionen, Achilleas Gatsopoulos entwarf in Berlin die Laser-Motion-Designs, Pavlos Nanos programmierte in Athen das Stadion-Pyro/Feuerwerk, Daniel Brune besorgte in Hürth die Laserprogrammierung, Georg Tellos designte seine phantastische Lichtshow und Marios Joannou Elia produzierte seine Musik auf Zypern. Ich saß in Athen im Stadion, sprach mit allen, koordinierte, probte den Live-Act mit DJ Antonis Dimitriadis und dem Kinderchor, arbeitete mit Alexandros Karozas an der Musikdramaturgie – und schuf ein Gesamtkunstwerk, dem ich den Namen „Lights of Hope“ gab.

Das Ganze geschah wie im Rausch. Ich habe viele sehr, sehr große Events in meinem Leben produziert, aber in so kurzer Zeit ein solches Werk zu schaffen, das war selbst für mich eine Premiere. Dazu kamen die Masken-Pflicht, die allgemein herrschende Angst vor einer Infektion, die strengen Auflagen durch die Behörden. Aber ich wurde getrieben vom Gefühl, mit diesem Event eine Art „Widerstand“ zu leisten und der Mannschaft, den Fans, dem Publikum eine sehr emotionale und „menschliche“ Show zu offerieren, die Mut machen und Zuversicht geben sollte.

Asteris Kutulas Liquid Staging InterviewAsteris Kutulas Interview

pma: Was macht Asteris Kutulas, wenn er nicht gerade für ein Projekt unterwegs ist und ein wenig Freizeit hat? Wie schaffen Sie sich einen Ausgleich zu Ihren beruflichen Tätigkeiten?

Asteris Kutulas: Mein Glück besteht darin, dass ich mit Ina nicht nur meine große Liebe gefunden habe, sondern auch eine Partnerin, mit der ich mich in künstlerischen und anderen Lebens-Dingen perfekt ergänze. Unter anderem darin, dass wir seit Jahrzehnten keinen einzigen „normalen Urlaub“ zusammen verbracht haben, einfach weil wir beide nicht so gestrickt sind. Wir lieben es, immerzu schöpferisch tätig zu sein. Jetzt gerade arbeiten wir beispielsweise an fünf sehr innovativen Showprojekten, darunter sind erstens ein – wie ich es nenne – „Meta-Musical“ namens „Marlene“, zweitens eine neuartige, exklusive Pferde-Show mit einer vollkommen neuen Philosophie und drittens eine Family-Entertainment-Show, der wir den Namen „Spheros“ gegeben haben. Bei all diesen Konzepten versuchen wir, die Storyline, die Musik und die neuesten technologischen Errungenschaften aus der Film- und der Event- Branche (folgend auch den Prinzipien meiner Liquid-Staging-Ästhetik) so zu vereinen, dass wir tatsächlich von neuen Show-Formaten für das 21. Jahrhundert sprechen können.

All diese Ideen und Konzepte mit Freunden und Partnern zu diskutieren, gehört mit zu meinen Freizeit-Lieblingsbeschäftigungen, z.B. während meiner regelmäßigen Spaziergänge mit unserem 31jährigen Sohn Alexander, der sehr erfolgreich als Tech Recruiter tätig ist, oder während des sonntäglichen Abhängens mit meinem Freund Jörg in unserem Stamm-Café „Heide’s“ in Prenzlauer Berg.

pma: Zum Abschluss würden wir gern von Ihnen wissen, wie Sie die Event- und Veranstaltungsbranche in diesen Zeiten sehen? Durch die Pandemie ist der Bereich Kunst und Kultur besonders stark getroffen – wie, denken Sie, wird sich das auf die Zukunft dieser Branche auswirken?

Asteris Kutulas: Viel mehr als die Pandemie werden die „Weltanschauung“, der „Geschmack“ und die neuen Lebensgewohnheiten der Generationen Z und Alpha die Kultur-Branche innerhalb der nächsten Jahre beeinflussen und radikal verändern. Möglicherweise ist die Pandemie nur ein Zeitraffer-Schmelztiegel für eine Neuordnung und Neuausrichtung dessen, was wir bislang unter „Kultur“ und „Entertainment“ verstanden haben. Auch ohne Corona wäre diese Entwicklung eingetreten, hätte aber vielleicht – vor allem in Deutschland – länger gebraucht, um sich zu vollziehen. Gaming, digitale Technologien, Porno-Entertainment, e-Sports, vertikale Ästhetik, Selbstdarstellung bzw. Selbstinszenierung in den sozialen Medien sowie interaktive und hybride Veranstaltungsformen werden die Lebensweise und das kulturelle Umfeld der Zukunft fortan maßgeblich mitbestimmen. Für diesen neuen – und im Vergleich zum gegenwärtigen – andersgearteten „Content“ braucht es in der Entertainment-Industrie neue Veranstaltungs- und Präsentationsformen.

Die Zukunft der Entertainment-Branche 

Denn verglichen mit der traditionellen Avantgarde, die bislang die revolutionären Brüche und die neuen Trends in der Kunst- und Kulturwelt bestimmte und meistens sehr wenige, spezialisierte Ansprechpartner hatte, wendet sich die heutige „Avantgarde“ unmittelbar und ohne zeitliche Verzögerung an ein (potentielles) Millionenpublikum. Das ist etwas ganz anderes! Unsere Branche hat es jedoch – als einzige würde ich sagen – versäumt, in „Zukunfts-Technologien“ bzw. in innovative Konzepte „out of the box“ zu investieren. Genauso wie vor zwanzig Jahren die Major-Plattenfirmen die digitale Revolution verpassten und einen Großteil des Vertriebsmarktes, ihres Contents und ihrer Einnahmequellen an Spotify, Google Play, iTunes, Amazon, also an „betriebsfremde“ Startups und Konzerne verloren haben, wird es auch die großen Produzenten und Veranstalter der Entertainment-Branche treffen. Wer von ihnen investiert denn in Innovations-Forschung für die Event-Industrie? Keiner. Die längst anstehenden Transformationen werden Quereinsteiger oder Unternehmen wie Tesla & Co. (zusammen mit diversen Künstlern) vorantreiben und sich so riesige Marktanteile am immer größer werdenden und sich ständig verändernden Entertainment-Markt sichern.

Live und/oder Virtuell

Das Live-Erlebnis ist allerdings durch nichts zu ersetzen, darum wird auch die Live-Entertainmentbranche, wie sie sich seit den Siebzigerjahren herausgebildet hat, als Gegengewicht zum „virtuellen Leben“ weiterhin eine außerordentlich große Rolle spielen, aber sich sowohl quantitativ als auch „qualitativ“ verändern und teilweise Platz machen müssen für neue hybride Veranstaltungs-Formen.
Eins ist sicher: Spannender und herausfordernder als heute war es – auch unabhängig von Corona – noch nie in unserer Branche. Was ich also seit einiger Zeit tue, ist, meine dreifache Erfahrung als Künstler, als Produzent und als Kreativdirektor zu bündeln und Konzepte zu entwickeln, die – unter diesen vollkommen neuen Bedingungen und mit den technologischen Möglichkeiten, die uns das 21. Jahrhundert bietet – die Basis für innovative Shows und Events sind, die das Herz des Publikums berühren. Das ist extrem kreativ. Das ist genau das, was ich machen will.

Text & Interview: Lisa Schaft (für pma Magazin)
Fotos: Guido Karp, Ralph Larmann, Gottfried Bräunling, DomQuichotte, Sabine Wenzel, Stefanos Kyriakopoulos, Asti Music – Asteris Kutulas

Odysseas Elytis Begegnungen

Odysseas Elytis Begegnungen – Aus meinem Tagebuch

20.10. 1984, Athen

Heute Vormittag Frühstück am Syndagma-Platz, zusammen mit Hans Marquardt, dem Leipziger Reclam-Verleger. Fast schon Ende Oktober, und noch immer sehr warm. Konnten draußen sitzen. Dunkelgrüne, weiche große Nadelwolken der Kiefernbäume. Neben uns an den kleinen viereckigen Tischen einige ältere Herren, alle im Anzug und mit Krawatte, die über die politische Situation stritten. Hans war neugierig zu erfahren, was das für ein Spektakel ist. Fand es fast sensationell, wie es hier zugeht. 

Gegen 12 gingen wir zum Ikaros-Verlag, wo Elytis’ Gesamtwerk erscheint. Wir wollten den Verleger Nikos Karydis bitten, für uns ein Treffen mit Elytis zu arrangieren. Trafen Nikos Karydis in dem kleinen Ikaros-Buchladen in der Voulis-Straße hinterm Syndagma-Platz. Ein hagerer, älterer, sympathischer Herr, mit einer etwas aristokratischen Attitüde. Ich sagte zu Hans: „Ist nicht verwunderlich, wenn man der Verleger von Kavafis, Seferis, Engonopoulos und Elytis ist.“

Nikos Karydis erzählte uns gleich als erstes, dass er Leute aus aller Welt abweist, die versuchen, über ihn an Elytis heranzukommen. Als Höhepunkt seines Berichts folgende Geschichte:

„Während der Obristendiktatur bekam ich 1970 einen Anruf vom damaligen Kulturminister. Er wollte mit mir ein Treffen vereinbaren. Darauf hatte ich absolut keine Lust, weil ich mit der Junta-Regierung nichts zu tun haben wollte. Doch ich konnte mich nicht weigern. Ehrlich gesagt, ich hatte auch Angst. Der Kulturminister kam also am nächsten Tag in den Verlag und sagte zu mir: „Herr Karydis, Sie sind der Einzige, der Elytis davon überzeugen kann, den diesjährigen Griechischen Literaturpreis anzunehmen. Sie müssen mir unbedingt helfen, denn ich habe den Regierungschef, Herrn Papadopoulos, bereits informiert, dass Elytis dieses Jahr den Preis verliehen bekommen und dass dieser ihn annehmen wird.“ Darauf sagte ich sofort, dass es grundsätzlich ein Fehler ist, ohne vorher mit einem Autor gesprochen zu haben, solch eine Aussage zu treffen, und das gelte nun besonders für Elytis, der sowieso Vorbehalte habe, was Preisverleihungen angeht. „Nicht aus politischen Gründen“, sagte ich, „sondern prinzipiell. Ich werde Elytis informieren, daß er dieses Jahr den Preis bekommen soll, aber machen Sie sich bitte keine allzu großen Hoffnungen. Sonst sind Sie nachher enttäuscht.“ Als ich Elytis am nächsten Tag zu 1 Million Drachmen – damals sehr viel Geld – gratulierte, wurde ihm ganz schlecht, und einige Tage später verließ er Griechenland und ging nach Frankreich. Er blieb dort drei Jahre, nur um diesen Preis nicht annehmen zu müssen …“ 

Hans Marquard erzählte Nikos Karydis daraufhin ein paar Episoden aus der DDR-Verlagslandschaft. Ich übersetzte. Wahrscheinlich kamen wir ihm irgendwie verrückt und exotisch genug vor, sodass er grinsen musste und dann sagte: „Ich ruf mal Elytis an.“ Karydis‘ beide Töchter, die in einem winzigen Büro saßen, kamen herunter und fragten uns, ob wir Wasser und Kaffee haben wollten – wir konnten wählen zwischen griechischem Kaffee oder Nescafe.

Nikos Karydis kam nach fünf Minuten mit strahlendem Gesicht zurück und verkündete: „Herr Elytis erwartet Sie morgen Abend, Punkt 20 Uhr.“ Beim Abschied schenkte Karydis mir einen Band mit seinen eigenen neuesten Gedichten – Titel: „Bis zum Eingang“.

Odysseas Elytis, Asteris Kutulas
Köder für Niemand. Bibliophile Ausgabe. Herausgegeben und übertragen von Asteris Kutulas

21.10.1984, Athen

Gestern bei Odysseas Elytis gewesen. Hans Marquardt war aufgeregt wie noch nie. Er ähnelte in einigen Augenblicken einem Schüler – das machte ihn mir sympathisch. Dann wieder der bekannte Weltmann mit versierten Manieren. Odysseas Elytis empfing uns sehr herzlich und sprach mit uns ruhig und ausgelassen. Wir hatten zuvor etwa 5 Minuten betreten vor seiner Tür gestanden, weil es noch nicht um 20.00 Uhr war. Wie zwei kleine Kinder, die sich nicht trauen, ans Lehrerzimmer anzuklopfen und einzutreten. Dann war alles sehr schön. Elytis erzählte: „Man sagt über mich, ich sei sehr schwierig im Umgang. Sehen Sie, das stimmt nicht, ich bin nur sehr vorsichtig. Merke ich, dass ich es mit Menschen zu tun habe, die ihre Arbeit ordentlich machen, dann kann man mit mir alles tun.“ Und diese Erlaubnis gab er uns de facto. Besprachen mit ihm einen Lyrik-Querschnitt im Taschenbuch und eine bibliophile Ausgabe seiner Collagen.

Seine Wohnung einfach, überhaupt nicht luxuriös. Ein Videogerät auf einem Tisch. Was mich beeindruckte: dieses in-sich-Ruhende seines Wesens. Glaube, er versuchte, unsere Reserviertheit abzubauen. Seine Bescheidenheit verblüffte mich. Überhaupt hatte ich etwas anderes erwartet. Ein wunderschöner Besuch. Elytis meinte, dass er nicht geahnt habe, wie interessant unsere Begegnung sein würde und er sich sonst bessser darauf vorbereitet hätte.

Elytis hat uns für die bibliophile Ausgabe einen unveröffentlichten Essay über die Collagen-Technik gegeben. Dann erzählte er über das Sappho-Buch, das im November herauskommen soll. Als wir mit ihm, über seine Lizenzen sprechen wollten, winkte er ab und sagte, dass ihm, nachdem er unserer Arbeit als solid und ernst einschätzen könne, die finanzielle Seite nur sekundär interessiere.

Er sagte aber auch etwas sehr bezeichnendes: „Es ist ein reiner Zufall, aber Sie kommen zu einem Zeitpunkt zu mir, da mich zwei Dinge sehr interessieren: einerseits die große Verbreitung meines lyrischen Werks unter vielen Menschen, mein Werk für das Volk also, andererseits genau diese Verschmelzung von Dichtung und bildender Kunst, beispielsweise in bibliophilen Ausgaben. Sie kommen nun zu mir und bieten mir genau das an. Ich kann ihnen sagen, dass ich jahrelang nach so einem Verlag mit solch einem Grundkonzept suchte und ihn nicht fand. Und jetzt kommen Sie.“

Odysseas Elytis Grafik Asteris Kutulas
Grafik von Odysseas Elytis

17.4.1985, Athen

Habe heute Jannis Ritsos besucht, der gut gelaunt war und mir unter anderem folgendes sagte: „Elytis hat leuchtende, starke Bilder in seinen Gedichten. Sie verlieren bei jeder Übersetzung und müssen verlieren, weil sie nur auf Griechisch „funktionieren“. Als man sie ins Englische, glaube ich, übersetzte, waren Kritiker der Meinung, er würde bereits „vergangene“ Schreibweisen wiederbeleben wollen. Aber das macht er bestimmt nicht. Es gibt sehr viele Elytis-Gedichte, die mir sehr gefallen.“ Ritsos erwähnte, als ich von meinem Gespräch mit Elytis erzählte, dass dieser gesagt hätte, wie sehr ihm die Ritsos-Gedichte auf Französisch gefallen haben. Dass sie sich zur Übersetzung anböten.

4.4.1986, Athen

Gestern Abend für eine Stunde bei Elytis gewesen. Im Gegensatz zu Ritsos ist er fast überhaupt nicht egozentrisch. So wird man selbst auf eine angenehme Weise gefördert. Gefördert/gefordert wird man auch bei Ritsos, doch irgendwie totaler, verkrampfter, absoluter.

Elytis trinkt jeden Abend gegen 20.00 Uhr einen Whisky. Wir sprachen, weil mir das einfiel, kurz über Bunuel. Er sagte: „Mir gefällt Bunuel, ich habe all seine Filme gesehen. Wir gleichen uns auch in einem Punkt: Er hat sich für seine Filme nicht mehr interessiert, nachdem sie fertig waren. Ich bin auch so. Ich will, wenn ich ein Buch fertig habe, das dann auch nicht mehr sehen.“

Asteris Kutulas
Athener Straße, nachts

28.8.1986, Athen

Gestern mit Ina von 20.00 bis 21.00 Uhr bei Elytis. Er war nervös, überspannt, müde. Wie wenn ihn windiges Wetter nicht hätte zur Ruhe kommen lassen. Zum ersten mal in seinem Leben warte er auf den Winter. Gestern gerade von einer Reise zurückgekehrt, sein Bruder krank, zum erstenmal seit dem Krieg war Elytis nicht schwimmen. Während wir uns unterhielten, gewann er langsam seine Ruhe zurück. Dann, einen Abglanz von Frohsinn in den Augen: „Jeden Sommer male ich, so auch jetzt, in Varkiza.“

Ich sagte, dass die Gedichte aus seinem „Tagebuch“ zu einigen seiner Collagen sehr gut passen, da sie selbst collagiert, beides also aus einer Hand ist. „Ja, das kann gut möglich sein. Oft arbeite ich auch so, dass ich Verse aus verschiedenen Texten zu einem neuen Text verschmelze. Mir wurde klar, dass das eine andere Art des Schreibens ist. Ich kann nicht immer dasselbe machen, ich ändere meinen Stil ständig. Das „Tagebuch“ stellt sowieso einen großen Unterschied zu den anderen Gedichtbänden dar. Dieser ist etwas „dunkel“, würde ich sagen.“

Mittwoch, 1

IMMERZU KAUEN DIE PFERDE schlohweiße Laken, immerzu drängen sie triumphierend ins Drohende.
Die Äste von Eichen, von Buchen hörte ich schleifen übers Verdeck der alten Kutsche, in die ich mich geflüchtet hatte – irgendwie wegkommen. Spielte wieder in einem Streifen, einst heimlich gedreht und dann vergilbt, von keinem je gesehen.
Schnell. Bevor die Bilder verblassen. Oder plötzlich stehenbleiben – und der Film, der abgenutzte, reißt.

Mir fiel auf, dass die Gestalt der Mutter und dass Kindheitserinnerungen eine große Rolle spielen. Elytis: „Ja, für mich war das eine Auseinandersetzung mit dem Alter, die zu den vorgeburtlichen Erinnerungen führt.“

9.9.1986, Berlin

Elytis erzählte über eine Zeit in Paris, da er mit einer Textilgestalterin in einer 1-Raum-Wohung lebte. „Als ich mit ihr in dieses kleine Zimmer zog, dachte ich: Hier schaffst du gar nichts! Wir hatten zwei Schreibtische, jeder einen. Sie breitete immer ihre Entwürfe aus und begann zu zeichnen und ich ihr gegenüber – konnte arbeiten! Ich habe seltsamerweise so viel wie noch nie arbeiten können. Dort entstanden z.B. „Maria Nepheli“ und „Monogramm“.

Odysseas Elytis and Asteris Kutulas
Collage von Odysseas Elytis

29.8.1991

Ich las den 1984 den Gedichtband „Tagebuch eines nichtgesehenen April“ von Odysseas Elytis, auf dessen Umschlag eine verblichene Wandmalerei von Pompeji abgebildet ist, gleich nach seiner Veröffentlichung. Ich kannte den Elytis, der „Axion esti“ und das wunderbare Poem „Maria Nepheli“ geschrieben hatte. Aber erst diese Texte berührten mich sofort und anders (so daß ich spontan beschloß, sie zu übersetzen). Sie offenbarten mir apokalyptische Momentaufnahmen einer ganz persönlichen „Geschichte des Todes der Geschichte oder besser einer Geschichte der Geschichte des Todes (und das ist kein Wortspiel)“, wie es im Gedicht vom 16. April heisst.

Die formale Gestaltung der Texte, die Tagebuchform, die Sprache, die poetischen Bilder und die Methode des Abfilmens und Schneidens dieser Bilder, der „monatliche“ Hintergrund – das alles dient dazu, den mysteriösen Raum der Seele eines Menschen abzutasten, der sich damit gleichsam vor seinem Leser entblößt. Dass dieser Mensch nicht nur in der Ich-Form spricht, sondern tatsächlich der Dichter selbst ist, faszinierte mich. Denn wer gibt schon freiwillig sein Innerstes preis? Viele Kritiker befanden angesichts dieser Offenbarung des Elytis, das „Tagebuch“ stelle etwas Neues, „Dunkles“ im Schaffen des Dichters dar. Und damit meinten sie vielleicht nur die formale Seite: die für andere Elytis-Gedichte nicht typische Kargheit der poetischen Bilder, den apokalyptischen Ton der lyrischen Sprache und die Nähe dieser Texte zu seiner Prosa.

Mittwoch, 1b

DORT SAH ICH gegen Mitternacht die ersten Feuer über dem Flughafen.
Weiter hierher schwarze Leere.
Dann erschien flora mirabilis, aufrecht stehend in ihrem Wagen, und streute Blumen aus dem riesigen Füllhorn.
Die Opfer krümmten sich zusammen, nahmen wieder die Haltung ein, als wären sie noch im Mutterleib und mit diesem eins.
Am Stengel der Nacht erzitterte Selene.

*** *** *** *** ***

Ich übersetzte das „Tagebuch“ 1987/88, aber zunächst verhinderten technische, später die uns allen bekannten gesellschaftlichen Veränderungen 1989 die bei Reclam Leipzig geplante bibliophile Veröffentlichung. Dem Interesse und Engagement von Niki Eideneier vom Romiosini Verlag in Köln ist das Erscheinen dieses Buches anläßlich des 80.Geburtstages von Odysseas Elytis 1991 zu danken.
Im übrigen folgte ich bei meiner Übersetzung dem Rat des Dichters, daß „eine freie Übertragung besser ist, als eine treue Übersetzung“, den er mir nicht nur mehrmals mündlich gab, sondern ihn auch für die eigenen Nachdichtungen beherzigte. Was für mich bedeutete, dass ich um so genauer den Geist und den Ton des „Tagebuches“ im Deutschen zu treffen hatte.

© Asteris Kutulas

Odysseas Elytis, Asteris Kutulas
Der Duft des Mittagsmahls. Bibliophile Ausgabe. Herausgegeben und übertragen von Asteris Kutulas


Odysseas Elytis Begegnungen – Postscriptum

Elytis war der „schwierigste“ griechische Autor für mich als Übersetzer und Nachdichter. Seine teilweise rauschhafte hymnische Sprache ist fast unübersetzbar, denn er stützt sich vielmehr als andere Dichter auf das griechische Element im Klangbild und in der Semantik. Ich habe trotzdem drei Bücher von ihm übersetzt und herausgegeben (allerdings nach langwierigen und „qualvollen“ Übersetzungsversuchen):

Odysseas Elytis. Tagebuch eines nichtgesehenen April. Mit fünf Collagen des Autors, Übertragen und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas; Romiosini Verlag, Köln 1991
Odysseas Elytis. Der Duft des Mittagsmahls, Übertragen von Asteris Kutulas, Mit Illustrationen von Fränz Dasbourg; editions phi, Luxembourg 1993
Odysseas Elytis, Köder für Niemand, Mit Original-Illustrationen von Gottfried Bräunling und Fränz Dasbourg, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas; editions phi, Echternach 1996

Mauthausen Trilogy & the Holocaust Millennium Nightmare

In Memoriam of Liberation

For me and Alexandros Karozas the „Songs of Humanity“ Tour production from January/February 2020 closes a circle. 

Mikis Theodorakis Mauthausen Holocaust Cycle

We had already recorded the concert on the occasion of the 50th anniversary of the liberation of the Mauthausen concentration camp in 1995, exactly 25 years ago, to produce a CD. 

Mikis Theodorakis Mauthausen Trilogy Holocaust

Initially we understood this recording as a historical document. But the experience of the liberation celebration in Mauthausen on May 7, 1995 and the impression that this place, the more than 20,000 former prisoners and their families, the speech by Simon Wiesenthal and the music by Mikis Theodorakis made on us, gave us the confidence that this history would continue to occupy us.
We very soon realized that the confrontation with the Holocaust would not let us go. But we didn’t know that neo-fascism would again raise its head in Europe and in Germany so quickly.

Mauthausen Trilogy

We therefore decided to publish a MAUTHAUSEN-TRILOGY first: With the support of Elinoar Moav (Tel Aviv), Julie Dennis (London) and Nadia Weinberg (New York), the Hebrew and English versions of the Mauthausen cantata were created. On this first CD release of 1998, they stand next to the Greek live version of Maria Farantouri, the first interpreter of this work with which she began her great career as a singer 55 years ago. At the same time, we held on to our idea of organizing live concerts of the „Mauthausen Cycle“. We did this in January 2020.

Simon Wiesenthal

gave me in 1995 the permission to print his speech and the sketches and collages he had made in Mauthausen concentration camp. In his speech, he uttered sentences that we thought back then, in 1995, were only representing the past. How wrong we were:

„… National Socialism, which wanted to dominate and enslave the world, was de facto a composition of hatred and technology. Hate is something terrible. Hatred preceded the millionfold Nazi crime. We must despise these crimes, not only because they have murdered our families, but because they have crushed human dignity …“
(from: Simon Wiesenthal, Speech in Mauthausen, 1995)

Simon Wiesenthal Mauthausen

Mikis Theodorakis

And it came so badly that Mikis Theodorakis, the composer of the four Mauthausen songs, in his response to a Holocaust denier in 2013, almost 20 years later, felt compelled to write:

„… The Holocaust – a millennium nightmare, the worst humanity has ever known, a nightmare that already makes you sick, if you only think about it, while in your imagination these victims – especially the children – to become angels, and in the end you only feel the inevitable urge to kneel before them, to ask their forgiveness forever and to say to them again and again: „I am ashamed to have been born a human.“ In Dachau and Auschwitz not only, the Jews were murdered. Humanity itself was murdered. And since then, we are all in a debt to those who have survived.“

We organized the „Mauthausen – Songs of Humanity“ Tour with Alexandros Karozas last year just before the outbreak of the Corona Pandemic. Maria Farantouri from Greece and Israeli tenor Assaf Kacholi were making their first European tour together. The songs and the lyrics I put together for this program in collaboration with the artists told of love and passion, of melancholy and gaiety, of courage and sorrow, of war, hate and the deepest peace. Songs full of strength and humanity.

Maria Farantouri and Assaf Kacholi also meant to shine a bright light into the hall of sombre memories, with the songs from Mikis Theodorakis‘ „Ballad of Mauthausen“. 75 years after the liberation of the concentration camps Auschwitz, Mauthausen, Buchenwald, Dachau, Bergen-Belsen and many others, we commemorated the suffering, but above all the lust for life and the dreams of the future of millions of people.

MARIA FARANTOURI & ASSAF KACHOLI
Mauthausen and other songs of Humanity
In Memoriam 75 YEARS OF LIBERATION

„On the occasion of the International Day of Remembrance of the Victims of the Holocaust“

With Henning Schmiedt (piano, arr.), Volker Schlott (sax., perc.)
and Jens Naumilkat (cello)
Recitations by Sandra von Ruffin, Iris Berben & Cem Özdemir
Artistic direction by Asteris Kutulas
Produced by Alexandros Karozas & Asteris Kutulas

It was a great musical and political event – an event that was unique, because it went to the heart and helped to remember not to forget. 

Alexandros and me received support from many friends & partners, especially from Jörg KrauseIna Kutulas and Sandra von Ruffin. Sandra also took over the recitation in 5 cities. We also thank Iris Berben for her cooperation in Düsseldorf and Cem Özdemir in Berlin. We were supported by the Jewish & Greek communities and by many artists, including Konstantin Wecker and Vicky Leandros and so many others. We thank them from the bottom of our hearts.

Asteris Kutulas, 27.1.2021

Mikis Theodorakis, reloading Films

Mikis Theodorakis und der Film

Rede in München, Gasteig, 2015

1 | Dance Fight Love Die

Mikis Theodorakis bin ich erstmals 1980 in Ostberlin persönlich begegnet. Nachdem er etwa zehn Jahre in der DDR verboten gewesen war, kam er dorthin, um sein allererstes Konzert in Ostberlin zu geben, im Palast der Republik. Mikis dirigierte den „Canto General“. Es sangen Maria Farantouri und Heiner Vogt. Es folgten Hunderte von Projekten, die wir zusammen seitdem realisierten. Ab 1987 hatte ich immer eine Kamera bei mir, und jedes Mal, wenn ich Zeit hatte, filmte ich, in allen möglichen Situationen.

2013 beschlossen Ina Kutulas und ich, aus diesem vielfältigen und sehr umfangreichen Material einen Film zu machen. Das lag bis dahin im Schrank und wurde dadurch nicht besser. Zwei Kassetten waren bereits hinüber. Also höchste Zeit, diese Dokumente zu retten, aber auch, sie aus ihrem Museumsschachtel-Dasein zu erlösen. Es begann die Arbeit an Dance Fight Love Die – With Mikis on the Road.

DANCE FIGHT LOVE DIE, Music by Mikis Theodorakis
Plakat zur Weltpremiere von DANCE FIGHT LOVE DIE – WITH MIKIS ON THE ROAD 2017

Um die schlechte Bild- und Tonqualität zu konterkarieren und um dem Zuschauer nicht ausschließlich die Resultate meiner oftmals miserablen und eigenwilligen Kameraführung zuzumuten, beschloss ich – inspiriert von einer Geschichte aus Theodorakis’ Autobiographie –, eine zweite Film-Ebene einzuführen. Diese fiktionale, narrative, der Einfachheit halber so genannte „Spielfilm-Ebene“ sollte dem gestressten Auge immer wieder ein zeitweiliges Ausruhen und cineastische Eindrücke ermöglichen. Und andererseits gab mir diese Ebene die Möglichkeit, die schönsten Arien aus diversen Theodorakis-Opern als Filmmusik zu implementieren. Anders als mittels dieser schräg-episodenhaften Film-Szenen-Form wäre das gar nicht möglich gewesen.

Der Film entstand, nachdem ich für das Material ein für mich selbst schlüssiges Ordnungsprinzip entdeckte. Und das passierte während meiner Beschäftigung mit Nikos Kazantzakis, der ab 1907 in Paris promovierte und Friedrich Nietzsches Hauptwerk „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ ins Griechische übersetzte. Nach Beendigung dieser Übersetzung begann er, seinen später weltberühmt gewordenen „Zorbas“-Roman zu schreiben, in dem er das dionysische Prinzip (also Zorbas) gegen das apollinische Prinzip (den Engländer) stellte – ein Konflikt, aus dem sich in seinem Buch und später im Film die Frage ergab: Was ist wichtiger im Leben – das Buch oder der Tanz? Die Beschäftigung mit diesem Stoff führte mich zur Lösung für mein ästhetisches Film-Problem. Ich musste also die „Geburt eines FILMS aus dem Geiste der Musik“ zuwege bringen. Das entsprach dem Werk von Theodorakis, dem Leben von Theodorakis und dem Charakter meines Film-Materials, das ich fast 30 Jahre lang produziert hatte.

So gab es auf der einen Ebene den Komponisten pur: „Mikis on the Road“, dirigierend, probend, diskutierend, reisend, schlafend, witzelnd, singend, und ich hatte – auf einer zweiten fiktionalen Ebene – seinen poetischen Kosmos, seine Philosophie, seine Märchen- und Mythenwelt, seine Anbetung des Schönen, des Weiblichen. Und dann merkten wir sehr schnell, dass noch eine dritte Ebene dazu gehörte – nämlich die vom Komponisten losgelöste, die von anderen Musikern oder Künstlern geschaffene, die (obwohl sie oftmals Theodorakis nicht mal kannten) seine Musik in unterschiedliche Sprachen, Stile, Länder, Musikrichtungen weitertrugen.

Wir fanden Musiker, viel jünger als Theodorakis, überall auf der Welt, die Musik von ihm auf ihre eigene Weise interpretierten (die Alternativband Deerhoof aus San Francisco, der junge Komponist neuer Musik Sebastian Schwab aus München, die israelische Ethno-Reggae-Band Anna RF, die Sing-and-Song-Writerin Eves Karydas aus Australien, der Electrohouse-DJ Francesco Diaz aus Barcelona, die Homeopathic-Punk-Band Air Cushion Finish aus Berlin, die Rockmusikerin Maria Papageorgiou aus Athen und viele andere). Das wurde die dritte Ebene des Films.

All das zusammen – Mikis selbst, Mikis’ Fiktion, Mikis’ Adaption – ergibt einen universalen musikalischen Kosmos, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenbringt. Ohne dass Mikis die Musik zu unserem Film Dance Fight Love Die komponiert hatte, so komponierte er doch durch seine Musik den eigenen Film zu seiner Musik. Musikfilmkomponist des eigenen Lebensfilms. Fast ohne Kommentar. Zehntausende Bilder zu etwa sechzig Musiken.

Recycling Medea, Music by Mikis Theodorakis
RECYCLING MEDEA beim EPOS-Filmfestival in Tel Aviv 2015

2 | Recycling Medea

Wie musikalische Emotion und bestimmte Bilder, verknüpft mit einer modernen Film-Ästhetik, sich jungen Leuten vermitteln, konnten wir bei Recycling Medea (2014), unserem ersten Musikfilm feststellen. Die Resonanz bei den unter 25jährigen auf die Aspekte Partnerschafts- und Generationenkonflikt, gesellschaftliche Perspektive bzw. Perspektivlosigkeit, politische Gewalt und verdrängte Schönheit in diesem „kein Ballett-Opern-Film“ war für uns sehr beeindruckend. Sowohl in Griechenland als auch in Deutschland, in den USA und Israel hatten die Jugendlichen überhaupt kein Problem, die doch relativ komplexe, anspruchsvolle, fordernde Theodorakis-„Medea“-Opernmusik in Verbindung mit den Bildern anzunehmen – als etwas, das sie angeht und ihr Ureigenstes ausdrückt. Es ist interessant zu sehen, wie der Recycling-Medea-Film an unterschiedlichen Gymnasien und Universitäten in Deutschland, Holland, Griechenland und den USA als etwas Neues und Wahrhaftiges rezipiert wird.

3 | Canto General Film

Anfang der 80er Jahre war ich in der DDR unter anderem auch der Dolmetscher von Theodorakis. Neben sehr vielen öden Begegnungen, bei denen ich übersetzte, gab es durchaus einige äußerst interessante. Zu den spannendsten gehörte die von Theodorakis und Konrad Wolf, dem damaligen Präsidenten der Akademie der Künste in Ost-Berlin. Wolf war ein ganz außerordentlicher Intellektueller. Als einer der wenigen DDR-Regisseure international anerkannt. Mit „Solo Sunny“ hatte er 1979 einen der wichtigsten DDR-Filme gemacht. Ich war zwischen 1980 und 1982 bei drei Begegnungen von Theodorakis und Wolf anwesend, bei denen es darum ging, dass Wolf (der damals an einem Ernst-Busch-Film arbeitete) mit Theodorakis über ein Film-Großprojekt oder „eine Art Lebenswerk“, wie er es nannte, sprach. Er wollte zu Theodorakis’ „Canto General“-Musik (die auf dem mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Poem von Pablo Neruda beruht) einen Film über DIE Revolution machen, ohne Kommentar, ohne Worte, einfach vertrauend auf die aus Dichtung, Musik und Bild resultierende emotionale Kraft.

Es war ein atemberaubendes Projekt, das einen sofort begeisterte. In der Tradition der russischen Avantgarde – Liebe, Kampf, Passion, Aufstand, Opfer, Natur, Tod vereinigend. Konrad Wolf verstarb, bevor er die Arbeit am Drehbuch abschließen konnte, und ich nehme an, dass der 21jährige, der ich damals war, diese ungeheure Inspiration mitnahm und nach 30 Jahren einfließen ließ in DANCE FIGHT LOVE DIE.

Seitdem begleitet mich auch der „Canto General“, dessen Musik übrigens 1973 im Film „Der unsichtbare Aufstand“ (State of Siege) von Costa Gavras zum ersten Mal erklang. Damals gespielt von Los Calchakis. Ein zu seiner Zeit legendärer Film mit einer legendären Musik.

4 | Theodorakis-Werkverzeichnis

Zwischen 1991 und 1997 arbeitete ich in den Archiven von Mikis Theodorakis, um sein Werkverzeichnis zu schreiben, das dann 1998 auch tatsächlich beim Livanis-Verlag in Athen veröffentlicht wurde. Ein 400-seitiges Konvolut. Es brachte einen vollkommen unbekannten Theodorakis ans Licht. Dieser Vorgang war aus mehreren Gründen interessant.

Der interessanteste: Ich war kein Musikwissenschaftler, sondern Germanist, und das Letzte, wovon ich meinte, dass ich imstande gewesen wäre, es zu tun, war: ein Musikwerkverzeichnis herauszugeben. Aber in dieser, unserer seltsamen Heimat Griechenland gab es damals weder das Interesse von Musikwissenschaftlern, sich mit dem Werk von Theodorakis zu beschäftigen, noch gab es den Willen, geschweige denn die Motivation bei etlichen Vertretern der Intelligenz (vor allem so genannten linken), ihre Vorurteile im Hinblick auf einen außerordentlichen und unikalen Komponisten mal beiseite zu lassen und sich objektiv mit dessen Schaffen auseinanderzusetzen, z.B. indem man ein Werkverzeichnis herausgibt, bei dem es darum geht, das Gesamt-Werk eines Komponisten wissenschaftlich für die Forschung und die Musikpraxis aufzuarbeiten. Als das Werkverzeichnis dann herauskam, änderte sich fast alles, würde ich sagen, in Bezug zum Komponisten Theodorakis.

Warum ich hier von Theodorakis’ Werkverzeichnis erzähle, hat folgenden Grund: Ich hatte damals 313 Werk-Einheiten zusammengetragen, die Theodorakis zwischen 1937 und 1997 komponierte, und Mikis gebeten, seinen Werken Opus-Zahlen zu geben. An die 313 gelisteten Werk-Einheiten vergab er nur 135 Opus-Zahlen. Das heißt, dass er selbst nur ein Drittel seiner Kompositionen als seinen Kriterien genügende Werke ansah – eine sehr interessante Feststellung. Bemerkenswert dabei ist, dass er keiner seiner 33 Film-Musiken eine Opus-Zahl gab, nicht mal der Musik zum „Zorbas“-Film.

2010, ein paar Monate vor dem Tod von Michalis Cacojannis (dem Regisseur des Zorbas-Films) hatte ich die Möglichkeit, ein gemeinsames Interview mit Cacojannis und Theodorakis filmisch festzuhalten. Während dieses Gesprächs definierte Theodorakis die Aufgabe des Film-Komponisten so, dass dieser vor allem den Wünschen des Regisseurs bis ins Detail zu folgen und den Bildern des Films zu dienen habe. Das ist offensichtlich der Grund dafür, dass Mikis – obwohl er zum Teil sehr gern für Filme komponiert hat – diese Arbeit nicht als eigenständige Kompositionsform akzeptieren konnte. Jedenfalls nicht für sich selbst.

Mikis Theodorakis Filmkomponist Asteris Kutulas
Asteris Kutulas during his speech on Mikis Theodorakis, Gasteig Munich, 2015

5 | Theodorakis als Filmkomponist

Theodorakis’ Inhaftierung während der Junta 1967 erregte weltweit Aufsehen, denn mit ihm hatte man jemanden in eine Zelle gesteckt, der als Komponist bereits ein Star war, der längst einen Namen hatte und international Millionen Fans. Zehn Jahre vorher war Theodorakis u.a. als neuer Strawinsky gefeiert worden. Dieser „neue Strawinsky“ saß jetzt in einem elenden Knast, in einer elenden Zelle. 

Die Tatsache, dass Theodorakis inhaftiert wurde und später ins Exil gehen musste, verbunden mit der Tatsache, dass er ein anarchischer Freigeist war, führte zu einer weltweiten Sympathie, jenseits von Parteigrenzen. (Später wurde ihm allerdings diese Freigeistigkeit innerhalb des dogmatisch-bipolaren Systems in Griechenland zum Verhängnis.)

Heute ist Theodorakis als PERSON international kaum noch bekannt. Natürlich kennt ihn „fast“ jeder Grieche, und natürlich gibt es Millionen weltweit, die ihn noch kennen und viel mehr, die seine Musik hören. Aber er bleibt der bekannteste unbekannteste Komponist des 20. Jahrhunderts. Theodorakis ist zugleich vielleicht der einzige Komponist „ernster Musik“ des 20. Jahrhunderts, dessen Lieder von Jüngeren weltweit und stetig gecovert werden – und das, obwohl sie nicht aus dem englischen Sprachraum stammen.

Und so kommen wir wieder zu unserem Thema: die meisten dieser gecoverten Lieder oder Musiken sind tatsächlich durch Filme bekannt geworden. Angefangen hat dieser Erfolgsweg Theodorakisscher Filmkomposition in Hollywood, im Jahr 1958, mit Honeymoon, einem Ballett-Film des damals wohl berühmtesten Regisseurs, Michael Powell; Choreograph war Leonide Massine. Der „Honeymoon“-Song wurde in den Jahren 1959/60 ein Welthit, den selbst die Beatles drei Jahre später, 1967, im BBC-Studio von London aufnahmen.

Der nächste große Erfolg für Theodorakis war die Musik zum Jules-Dassin-Film Phädra (1962), mit Melina Mercouri und Anthony Perkins in den Hauptrollen. Im selben Jahr sang Edith Piaf zwei Theodorakis-Songs im Film Les amants de Teruel, für den Theodorakis die Filmmusik schrieb. Regie führte Raymond Rouleau.

Vor seinem endgültigen internationalen Durchbruch mit der Filmmusik zu Zorba the Greek schrieb Theodorakis für den Film – bei dem er erstmals mit Michalis Cacojannis zusammenarbeitete – seine wahrscheinlich interessanteste und beste Filmmusik: Elektra. Überhaupt ist die Antiken-Trilogie von Cacojannis (Elektra (1963), Troerinnen (1971) und Iphigenie (1978) – alle mit Theodorakis-Musik) ein Meilenstein, nicht nur in der Antike-Rezeption des griechischen Kinos, sondern auch in der Auseinandersetzung eines Filmkomponisten mit antiken Mythen im Film.

Theodorakis ist ein Komponist, der Sinfonien und Opern geschrieben hat, dessen Chor- und kammermusikalische Werke überall auf der Welt immer wieder aufgeführt werden, und dessen Lieder und Melodien auch zehn, zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig, sechzig Jahre nach ihrer Entstehung immer wieder gecovert werden von jungen Musikern überall auf der Welt, die oft nicht mal wissen, wer überhaupt der Komponist ist. Diese Tatsache – so scheint mir – macht aus Theodorakis einen einzigartigen Fall unter allen Komponisten des 20. Jahrhunderts.

© Asteris Kutulas
Rede in München, Gasteig, Griechische Filmwoche 2015

Photos © by Asteris Kutulas

Recycling Medea – Film-Rezensionen & Kritiken

Dance Fight Love Die – Reviews & Statements

Lights of Hope – The Olympiacos Stadium Celebration 2020

LIGHTS OF HOPE
From Olympiacos FC to the World
Piraeus | Greece | July 19th, 2020

For me as an artist this production was something very special although difficult given the conditions of a threatening pandemic. I would like to thank everyone who participated and helped create such a fantastic work of art in such a short time, especially Ross Ashton, Georg Tellos, Daniel Brune, Achilleas Gatsopoulos, Pavlos Nanos and of course Penny Lagka and Antonis Dimitriadis. – Asteris Kutulas, Berlin

Θα ήθελα να ευχαριστήσω από τα βάθη της καρδιάς μου την ομάδα και τους οπαδούς του Ολυμπιακού για τον ενθουσιασμό και τη εκπληκτική υποστήριξή τους όταν τον περασμένο Ιούλιο μου ανατέθηκε να σχεδιάσω τη γιορτή για την κατάκτηση του πρωταθλήματος του 2020 με τίτλο „Lights of Hope“. Για μένα ως καλλιτέχνη αυτή η παραγωγή ήταν κάτι το πολύ ξεχωριστό αν και δύσκολο δεδομένων των συνθηκών μιας απειλητικής πανδημίας. Θα ήθελα να ευχαριστήσω όλες και όλους που μετείχαν και βοήθησαν στη δημιουργία ενός τέτοιου φανταστικού έργου τέχνης σε πολύ σύντομο χρονικό διάστημα.

Αστέρης Κούτουλας, Βερολίνο

Olympiacos FC Fiesta 2020 Asteris Kutulas
Photo © by Ralph Larmann

LIGHTS OF HOPE
From Olympiacos FC to the World
Karaiskaki Stadium | Piraeus | Greece | July 19th, 2020

A Liquid Staging Show
Created & Directed by
Asteris Kutulas
Music by
Marios Joannou Elia

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Projection Art: Ross Ashton
Laser Motion Design: Achilleas Gatsopoulos
Light Design: George Tellos
Laser Design: Daniel Brune
Pyro Design: Pavlos Nanos

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Musical Director: DJ Antonis Dimitriadis
Choir of Municipal Conservatory of Piraeus
Solist: Alexandra Dermati | Chormaster: Maria Spanou

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Technical Director: Aris Koudouris
Music Production: Nick Elia
Laser Programming: Merlin Schaadt
Light Programming & Operator: Makis Anastasakis
Projection Technicians: Bernd Gröger & Robert Foerster
Lighting Coordinator: Irene Samartzi

***

Pyro & Fireworks: Nanos Fireworks Greece
Laser Equipment: laserfabrik GmbH
Local Production, Light & Sound Equipment: Tempo Events
Logistics: Oliver Schulze & Uwe Foerster

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Many thanks to Olympiacos FC & NOVA TV

Special thanks to Penny Langka, Alexandros Karozas, Kostas Karapapas, George Mandalos, Dimitris Tsingos, Athina Gkizi, Ina Kutulas, Ralph Larmann, Nana Trandou, MEGA TV, Dimitris Koutoulas and to many others

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Cameras: Ralph Larmann, NOVA TV, Asteris Kutulas
Editors: Asteris Kutulas, Nikos Arapoglou, Allexandros Alevras

Created & Directed by Asteris Kutulas

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Video by Asti Music, 2020

I would like to thank from the bottom of my heart the team and the fans of Olympiacos for their enthusiasm and amazing support when I was assigned to create and to direct the celebration for winning the 2020 championship entitled „Lights of Hope“. A.K.

Olympiacos FC Event – Testimonials

1 + 1 = 1 Germany (video clip)

BRDDR Reunification Clip

The 1 + 1 = 1 Germany video clip is my artistic (and ironic) commentary on the 30th anniversary of the German reunification on October 3rd, 2020, a video I made together with Sandra von Ruffin, Achilleas Gatsopoulos, Ina Kutulas and many others based on the fantastic music of The Boy. The BRDDR Reunification Clip.

1 + 1 = 1 Germany

Music video clip with Sandra von Ruffin
Music by THE BOY
Written & directed by Asteris Kutulas
 
Filmed by Asteris Kutulas, James Chressanthis (ASC), Reinhold Spur & Stella Kalafati
Artistic Direction by Achilleas Gatsopoulos & Ina Kutulas
Light & graphics by Achilleas Gatsopoulos
Collages by Ina Kutulas
 
With blinks of the movies NIGHT OUT by Stratos Tzitzis & OBSCURO BARROCO by Evangelia Kranioti
Graffiti artists: honey_beebs, loydgrey, huelpman 86, nature_one_89, gomez_one_81, canion.berlin
 
Many thanks to Alexandros Karozas, THE BOY, Heike Hartmann, James Chressanthis, Alma Dowdall, Fabienne Renner, Nicole & Guido Karp  & to all our friends in EAST+WEST = GERMANY
 
Video clip by Asti Music
Berlin, 3.10.2020
 
BRDDR Reunification Clip Asteris Kutulas
Artwork and photography by Achilleas Gatsopoulos | With Sandra von Ruffin | © by Achilleas Gatsopoulos/Asti Music

… und morgen fressen wir die Mauer auf, vielleicht (Dresden)

Eine Wand, errichtet auf offener Straße in Dresden, ist etwas anderes als eine Wand, errichtet in Berlin, anderes als ein verhüllter Reichstag und anderes als ein Spiegel in China. Das ganze Ausmaß erkennbar vielleicht vom Mond. Eine Wand zwischen der ehemaligen Mokka-Stube und dem ehemaligen Hotel Newa mit seiner berühmten Diskothek, wo die erlesene Fraktion der Dresdner Szene mit Wodka-Cola zechte. Das geschah zumeist nach Mitternacht.

Nachmittags saß man, Kaffee trinkend, mit den Libanesen, die an der TU oder an der Kunsthochschule studierten, in der benachbarten Eis-Bar und musterte die vorbeidefilierenden jungen Mädels. Mit den Jahren verschwanden allerdings – wie durch ein Wunder – die „Libanesen“, die Jolana-Elektrobässe aus den Schaufenstern des Musikgeschäfts, die selbstverloren dreinschauenden Mädchen und die rührigen Abschnittsbevollmächtigten von der Prager Straße. Verschwunden auch das, worauf sie Obacht gaben: selbstgenähte Umhängetaschen, Beutel mit Makrameeknüpfeinsatz oder einem Stück Gobelin mit Motiv des melancholisch rührenden Hirschen. In letzter Zeit tauchen sie nur noch schemenhaft in der Nähe des Herrenausstatters auf, verstohlen Richtung Intershopeingang blickend oder eilig Kreise um das Rundkino drehend.

Die Jagd ist beendet. Der Große Garten leitet den Kaltluftstrom Richtung Hygiene-Museum. Die Gläserne Frau hat ihre Akte verspeist. Das Paradies der Kaffeesachsen steht nun allen offen.

BRDDR Reunification Clip Asteris Kutulas
Artwork and photography by Achilleas Gatsopoulos | With Sandra von Ruffin | © by Achilleas Gatsopoulos/Asti Music

… wir waren weder im Osten noch im Westen, vielleicht (Berlin)

Alle kannten wir das Märchen von dem Land hinter dem Riesengebirge aus Pudding, in dem einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen, die Würste von den Bäumen hängen und wo in den Bächen Cola und Limonade fließen. Das Interessanteste an diesem Märchen war allerdings nicht, was hinter und vor dem Pudding-Riesengebirge lag, sondern war dieses Gebirge an sich, das man erst einmal zu überwinden hatte, bevor man von der einen auf die andere Seite gelangte.

Die Mauer war so etwas wie dieses merkwürdige Gebirge. Der Puddingmatsch das eigentümliche Phänomen, mit dem wir es immer wieder aufnahmen. Mit den Jahren wurde der Pudding nicht weniger, sondern eher mehr. Eine süßliche, wabernde Masse, die einem schon morgens das Maul und die Ohren zu stopfen drohte. Freiheit des Wortes. Die hatten wir zu verteidigen gegen das Sandmännchen, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, den Schokoladenmohr und die Waschmittelmatrone, gegen Stalin, gegen das Neue Deutschland und die Hörzu. Wer behauptet, wir seien im Osten gewesen, hat keine Ahnung. Wer meint, wir seien im Westen gewesen, irrt. Wir waren weder hüben noch drüben, denn für uns gab es kein Hüben und Drüben. Wir waren in der Mauer, im Gebirge, im Puddinghaufen, ein Wunder, dass wir nicht erstickt sind. Wir waren … was heißt: wir waren … Wir sind.

© Ina & Asteris Kutulas, 1991/2010

BRDDR Reunification Clip Asteris Kutulas
Artwork and photography by Achilleas Gatsopoulos | With Sandra von Ruffin | © by Achilleas Gatsopoulos/Asti Music

Olympiacos Championship Celebrations July 2020

„A spectacle full of art and emotions“ | Olympiacos FC Press Conference Release

Olympiacos Championship Celebrations 2020. Olympiacos presented the celebrations for winning the 45th league title in his history, on July 16th 2020 in an online press conference, three days before the celebration.

The Sport Director of Olympiacos, Christian Karembeu, revealed the title of the festive event and talked about the solution found through technology for the team to celebrate winning the title with its fans.

“We are really happy because today we have the unique opportunity to talk about an important celebration. Our party this year is entitled ‘The lights of hope’. We have the pleasure to celebrate the 45th championship in the history of our club. Like any team in the world, we would like to celebrate the conquest with our fans. Because of the pandemic, we had to find a solution. I would very much like to talk about the great season we had, about our great victories, about our winning streaks and, of course, about the fact that we have the opportunity to add another title to the history of Olympiacos. I want to add at this moment the initiatives of Mr. Evangelos Marinakis, both in Greece and abroad, because he was always present where there was a need. The show you will watch will be unique, it will be great, it will be full of art and emotions, because football is all about emotions. Therefore, stay safe.”

OLYMPIACOS CHAMPIONSHIP CELEBRATION 2020 by Asteris Kutulas
Photo © by Ralph Larmann

The internationally renowned artist, Asteris Kutulas, gave details about what will be presented on Sunday night at Georgios Karaiskakis Stadium.

Statement by creative director Asteris Kutulas

“I thank Olympiacos and Christian very much for his words, for inviting me to contribute to the celebration. I’m a Greek living abroad, I live in Berlin and my occupation is show creation. I was invited by Olympiacos to find a solution for how we’ll celebrate the conquest of the 45th championship in an empty stadium under corona circumstances. I developed an emotional concept, that the people of Olympiacos liked and that in the end will take place.

We’ll bring the fans of Olympiacos, who will be outside the stadium, inside it, but without actually entering! This will be made in a way that they can celebrate with the players at the time of the award ceremony. This will be the emotional peak of the celebration we are preparing. Earlier, there will be a huge multimedia show that will consist of video and laser projections, lights, pyrotechnics and fireworks.

We’ll have a children’s choir and Antonis Dimitriadis, who is the musical director of the whole event. Music always plays a big role in these multimedia shows. It’s the cornerstone of the project. It will combine international pieces with a wonderful composition by Marios Ioannou Elia. Upon it will be built all the whole stadium show.

OLYMPIACOS CHAMPIONSHIP CELEBRATION 2020 by Asteris Kutulas
Lights of Hope – A Liquid Staging Event (Photo © by Ralph Larmann)

Message of Hope

We want to send a message of optimism and hope, from Olympiacos to the world, from Piraeus to the world, from Olympiacos and Piraeus to Greece. We combine the Liquid Staging event of the stadium with a multimedia show in Pasalimani, which will also be televised. It will connect music with images made of architectural lasers and lots of fireworks and sparklers.

We want Pasalimani to become red and blue. This will be accompanied with the music of the two emblematic composers, Mikis Theodorakis and Manos Hadjidakis, from two emblematic films, “The Children of Piraeus” and “Zorba”. The music has been exceptionally remixed by Antonis Dimitriadis and Alexandros Karozas and will give us the basis for amazing images that will be broadcasted all around the world. Moreover, “The Children of Piraeus” were also filmed on the clock of Piraeus and this way we can remember the 100 years of Melina Mercouri.

I’m a child of East Germany and I was very happy when the Berlin Wall fell. Here symbolically we do something similar. Through Art and Technology, we tear down the wall of pandemic and bring the fans close to the players in the field.

OLYMPIACOS CHAMPIONSHIP CELEBRATION 2020 by Asteris Kutulas
Artwork by Achilleas Gatsopoulos | Photo © by Ralph Larmann

Footbal and art unite people

It is a very special challenge for me. For all of us artists across Europe, it’s a time of crisis, a time of forced contemplation because everything has been cancelled. Under these circumstances, to give such a sign of hope and optimism is something very special. What we are doing here is the first such event to take place across Europe. When I had the first brainstorm sessions on this project, I met Mr. Marinakis and saw on his arm a tattoo that read “dream”, “love”, “create”, “fight”, “win”, words that are a slogan in football, sports, art and life. They apply everywhere and are humanitarian values. I identified with it and I got inspiration to get to this point, because both football and art unite people. Let’s do something for the people of Piraeus, for the Greeks and for the whole world”.  – Asteris Kutulas

 

 

Königin Friederike von Griechenland & Marion Gräfin Dönhoff

An Frau Dr. Marion Gräfin Dönhoff / Redaktion DIE ZEIT – bezüglich des Artikels aus der ZEIT vom 12.9.1991: „Vor vierzig Jahren: Aus der ZEIT vom 13. September 1951“

Sehr geehrte Frau Dr. Marion Gräfin Dönhoff,

ich las gestern Ihren Beitrag „Friederike, Friederike“ in der ZEIT vom 12. September 1991, in dem sich Königin Friederike von Griechenland brüsten darf, humanistische Umerziehungslager für Kommunisten Ende der vierziger Jahre geschaffen zu haben. Gestatten Sie mir bitte – da die Aussagen der Königin nicht nur kommentarlos bleiben, sondern durch den Eindruck Ihres ganzen Beitrags erhärtet werden –, Sie darauf hinzuweisen, daß auf den Verbannungsinseln während des Bürgerkriegs (1946-1949) bis zu 150.000 Linke bzw. Sympathisanten bzw. ehemalige Mitglieder der antifaschistischen Widerstandsbewegung EAM deportiert waren. Inzwischen gibt es genug Zeugnisse (auch auf Deutsch), wie es in diesen Lagern zuging.

Kommunistische Umerziehungslager

Die Behauptung der Königin Friederike von Griechenland, es handelte sich um junge Kommunisten, die gezwungen worden seien, ihr bisheriges Leben mit Rauben und Morden zuzubringen, die nicht lachten und noch nie in ihrem Leben gesungen hatten – ist wahrlich ein Hohn gegenüber fast der gesamten linken Intelligenz Griechenlands, die auf den Verbannungsinseln deportiert worden war. Einer ihrer wichtigsten Vertreter, der Dichter Jannis Ritsos, wurde in diesen „Umerziehungslagern“ fünf Jahre (1948-1952) festgehalten und hat diese Schreckenszeit in seinem Band „Tagebuch des Exils“ (Deutsch: Schwiftingen Verlag, 1979) festgehalten.

Mikis Theodorakis & Makronisos

Ein anderer jahrelang auf Ikaria und Makronisos – der „Hölle“ – Festgehaltener, der Komponist Mikis Theodorakis, hat in seiner Biografie ausführlich das Lagerleben beschrieben. Darin kommt er auch an einigen Stellen auf Königin Friederike zu sprechen. Ich habe mir gestattet, Ihnen zwei entsprechende Auszüge aus dem 3. Band seiner Autobiographie DIE WEGE DES ERZENGELS (1987), die im Dezember dieses Jahres beim Luxemburger Verlag editions phi erscheinen wird, zu notieren:

Bürgerkrieg

„… Alle Griechen waren nach dem Bürgerkrieg gebeugt. Nur der Thron, die Fremden, die Oligarchie und die ihnen dienenden politischen und militärischen Eliten sowie die Polizei: sie triumphierten. Für wen wohl hatte Odysseas Elytis geschrieben: „Und sie werden mit Blüten schmücken den Sieger, der leben wird im Gestank der Leichen“? Für Papagos? Oder für Königin Friederike? …

Abfärbe-Technik

… Die sogenannte Abfärbe-Technik wurde eingeführt. Sie bestand in individuellen und Massenfolterungen, Zwangsarbeit, Durststrafen, moralischen und psychischen Erpressungen. Wenn jemand „zerbrach“, musste er, um die „Echtheit“ seiner Reue zu beweisen, seinerseits zum Folterer werden. So kam es zu einer erstaunlichen Situation, in der die meisten der „Prügler“, wie sie genannt wurden, ehemalige Häftlinge waren. Man erzählte sich, daß in der Ersten Abteilung nur zwei Offiziere Nationalisten waren. Alle anderen seien ehemalige Linke, hieß es. Das „Abfärben“ wurde systematisch betrieben: Verleugnung der Kommunistischen Partei; Bekehrungs-Briefe an die Bewohner der Heimatgemeinde: Briefe an Unbekannte, deren Adressen dem Telefonbuch entnommen wurden; Reden während der „Stunde zur nationalen Erziehung“ um 11 Uhr vormittags vor der ganzen Abteilung; Teilnahme an Pogromen gegen die hartnäckigen und uneinsichtigen Gefangenen; Teilnahme an Prügelaktionen und Folterungen. Für all diese Aktivitäten gab es ein Heft, in das der Verantwortliche die genaue Anzahl der Briefe, der Reden, Folterungen usw. eintrug. Der Kommandant der Abteilung gab persönlich die Einwilligung zum ersten Athen-Urlaub, die höchste „Anerkennung für einen Gefangenen“. Der Kommandant sah ihn von oben bis unten an, kontrollierte bedächtig dessen Heft und sagte: „Nur dreimal geprügelt, und du willst schon nach Athen? Mach fünfmal draus und komm wieder.“ Er musste also noch zweimal prügeln, der beaufsichtigende Gendarm trug das kommentierend in sein Heft ein, und dann bekam der Gefangene den ersehnten Athen-Urlaub. Dieser „Abfärbe-Prozess“ dauerte Monate.

Einsamkeit

… So breitet sich das Gefühl der absoluten Einsamkeit aus. Du bist allein, ausgeliefert der Gnade der entfesselten Elemente der Natur und des Menschen. Keiner kann dir helfen. Auf Makronisos starben Mythen und Götter. Es starb auch das Wesen, das du Mensch genannt hattest. Du warst zu einem Wurm und die anderen über dir zu Ungeheuern verkommen.

Makronisos-Tick

Hinzu kommt das ganze Theater, das die Regierung auf Kosten der Gefangenen inszenierte. Und dieses Theater, das „Becken von Siloah“, wie es von den Offiziellen genannt wurde, hatte jeden Tag eine Fortsetzung mit den verschiedenen Verlautbarungen und Besuchen der Königin Friederike und verschiedener Minister bis hin zu ausländischen Journalisten und einheimischen „Persönlichkeiten“. Die Straßen und das Sanatorium wurden weiß getüncht, ins letztere legten sich Gendarmen und spielten die Kranken. Die Zelte mussten gesäubert werden, die Vorderansicht des Lagers wurde hergerichtet. Und hinter dieser Fassade: Dreck und Hunger, Gefolterte, Verkrüppelte und Tote. Du hast keine Chance, dass dein Martyrium bekannt wird. Du bist isoliert, verurteilt, für immer verloren. Du bist allein, der Gnade deiner erbarmungslosen Folterer ausgeliefert. Da drehst du durch. Irgendeine Schraube in deinem Gehirn oder Nervensystem lockert sich, ein Riemen reißt, und dein Kopf oder deine Hand geraten dir aus der Kontrolle. Der Verrückte von Makronisos ist gewöhnlich ein willenloses Geschöpf mit einem Tick. Ein Geschöpf, das sich in Momenten der Erleuchtung seiner Lage bewusst wird, was anschließend den spastischen Mechanismus nur intensiver auslöst. Noch heute gibt es Menschen, die Tabletten nehmen, um nicht wieder vom Makronisos-Syndrom überwältigt zu werden …“ (Mikis Theodorakis)

Entschuldigen Sie die langen Zitate, die sich weiterführen ließen – aber sie stehen doch in solch einem frappierenden Widerspruch zu den Aussagen der Königin Friederike von Griechenland, dass ich nicht umhin konnte, sie Ihnen mitzuteilen.

Übrigens haben französische Intellektuelle um Aragon und Picasso bereits Ende der vierziger Jahre die Praktiken in den griechischen „Umerziehungslagern“ angeprangert und das königliche Ehepaar deswegen angegriffen, aber auch Bertold Brecht und Stephan Hermlin forderten – wenn ich mich nicht irre – die Auflösung dieser Lager in Griechenland.

Hochachtungsvoll

Asteris Kutulas, 16.9.1991

*** *** *** *** ***

Die Antwort von Dr. Marion Gräfin Dönhoff

Sehr geehrter Herr Kutulas,

ich habe erst Ihren Brief und dann jenen Artikel von vor vierzig Jahren gelesen und dabei ist mir dann wirklich ganz bange geworden.

Ich bin überzeugt, dass Ihre Darstellung und die Zitate zutreffend sind und mein Bericht über die königliche Darstellung sich als abwegig erweist. Aber damals konnte man noch nicht reisen und musste das, was Leute einem erzählten, für bare Münze nehmen.

Da man einen Artikel von vor 40 Jahren heute nicht berichtigen kann, ist Ihr Brief als Leserbrief leider nicht geeignet, aber für mich persönlich ist er eine gute Lehre, und dafür danke ich Ihnen sehr.

Mit bestem Gruß

Dr. Marion Gräfin Dönhoff, Sept. 1991

Marion Gräfin von Dönhoff, Asteris Kutulas, Königin Friederike

Es ging um folgenden Abschnitt aus dem am 12. September 1991 wieder abgedruckten Artikel vom 13. September 1951:

Rubrik VOR VIERZIG JAHREN (aus der ZEIT vom 13. September 1951)

… „Sie müssen bedenken“, sagte die Königin, „dass die Kinder in Griechenland seit zehn Jahren überhaupt keinen Unterricht mehr gehabt haben. Fast alle Schulen waren zerstört, und die wenigen, die übriggeblieben sind, wurden für andere Zwecke gebraucht. Und Griechenland ist arm; es dauert sehr lange, das Land wieder aufzubauen. Mein Mann aber ist der Meinung, dass die Erziehung der Kinder und die Ausbildung der Jugend wichtiger ist als alles andere, und so ist es uns im vorigen Jahr gelungen, 360 Schulen neu herzustellen. Ah, das ist ein Anblick, wenn man jetzt durch das Land fährt und sieht diese neuen Gebäude in den Dörfern und kleinen Städten! Es sind keine Paläste, aber eigentlich sind es doch die schönsten Häuser überall.“ Und die junge Königin strahlte, so wie wohl nur die Augen ihrer preußischen Vorfahren aufleuchteten, wenn sie an ihre Garnisonen und Regimenter dachten.

„Wie steht es mit der sogenannten Umschulung der Kommunisten?“ fragte ich, auf das Problem lenkend, von dem ich wusste, dass es ausschließlich auf Grund der Initiative des Königspaars in Angriff genommen war. „Wir haben damit schon vor der endgültigen Niederwerfung der Kommunisten begonnen“, antwortete die Königin. „Wenn Sie das einmal gesehen hätten, diese Gefangenenlager, in denen junge Kommunisten von 15 bis 19 Jahren hinter Stacheldraht eingepfercht waren. Kinder, die gezwungen worden sind, ihr bisheriges Leben mit Morden und Rauben zuzubringen, die nie lachten, keine Spiele mehr kannten, noch nie in ihrem Leben gesungen hatten und deren Ausdruck mehr dem böser Tiere als dem eines Menschen glich – wenn man das gesehen hat, dann sagte man sich, was ihnen fehlt, ist menschliche Nähe und Wärme.“

„Und da haben wir auf der Insel Leros“, so fuhr die Königin fort, „ganz einfach Siedlungen und Lehrstätten eingerichtet, wo Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr, die sich freiwillig in den Gefangenenlagern meldeten, in völliger Freiheit leben können.“ – „Das Schöne ist“, fiel König Paul ein, „dass die Bewohner der Insel alle mit Feuereifer und ohne jedes Entgelt mitwirken. Auch sie empfinden, dass man bei diesen Menschen nicht eine Doktrin mit einer neuen Doktrin austreiben kann …“

… – Fast könnte man diese Griechen beneiden um ihr Königspaar, das so schlicht und selbstverständlich zupackt und den Mut hat, es anders zu machen als bisher, das Wagnis eingeht, in einem neuen Geist wiederaufzubauen …“

Marion Gräfin Dönhoff, 1951

Friederike von Hannover, Königin von Griechenland von 1947 bis 1974
Friederike von Hannover, Königin von Griechenland von 1947 bis 1974

Let’s DMZ – Peace Maker Concert, Gyeonggi, South Korea

South Korea Peace Concert „Let’s DMZ“ (Let’s Demilitarize)

South Korea | Goyang & Uijeongbu | Kintex Centre & Centre of Arts | 19 & 22 September 2019

Since 1953, Korea has been divided. A demarcation line coexistence. Now the time for reunification has probably come. It was a challenge and a great honor to be one of the co-producers of the DMZ Festival in Gyeonggi, the province of the demilitarized zone, and to participate in the artistic concept and in the production of the opening and closing ceremonies.

Maria Farantouri, Mikis Theodorakis 3rd Symphony, Asteris Kutulas
With US astrophysical Menas Kafatos & biologist Susan Yang on stage
Jung Tae-choon, Maria Farantouri and Asteris Kutulas
With pianist Henning Schmiedt & singer Jung Tae-choon

Artists and personalities from around the world had come to Gyeonggi to help build bridges and develop concepts so that a reunification between South and North Korea could one day become a reality. My partner in South Korea and co-producer of the opening and closing ceremonies, the director of the Gyeonggi Province Art Center, told me: „Since American President Donald Trump made the symbolic step across the border, we hope that a reunification with North Korea will be possible. We want to show that the demilitarized zone can change from a symbol of the Cold War to one of Peace … The beautiful sky that now shines above us should also shine over North Korea. We hope to hold the DMZ Forum next year in North Korea … The sky is sadly beautiful.“

South Korea Peace Concert Mikis Theodorakis' 3rd Symphony, Asteris Kutulas
Soprano Sunyoung Seo, the Gyeonggi Philharmonic Orchestra and the choir of Uijeongbu City & the Grande opera Choir, under the direction of conductor Jung Nara

South Korea Peace Concert and Mikis Theodorakis 3rd Symphony, Asteris Kutulas

For me, as someone who grew up in a divided Germany and whose family history was determined by the Greek civil war, this trip was something very strange. One day or even hours before the „Fall of the Wall“, it was impossible to think that Germany would be united just one year later.

In South Korea, on the other hand, everyone is talking about reunification, everyone wants reunification, everyone is looking for possibilities of cooperation. In the demilitarized zone economic enterprises are founded. Workers from the South and North work together there, a railroad line is being built between the two countries, but it is not (yet) a bilateral connection; for the time being the train only takes the workers into the „zone“.

Maria Farantouri and South Korea Peace Concert, Asteris Kutulas
Maria Farantouri & Henning Schmiedt
Maria Farantouri and South Korea Peace Concert, Asteris Kutulas
During rehearsal with Maria Farantouri

The DMZ Forum and the South Korea Peace Concert, in which I participated last year, experts from many countries came together to discuss all aspects of the reunification process and to find solutions. Politically, economically, culturally, ecologically, psychologically. Mr. Lee, an entrepreneur from Seoul, told me: „We will have a lot of problems. It will be a long road. There will perhaps also be losers. But none of that is important. All that matters is that reunification comes.“ Mr. Lee added: „South Korea is already one of the top five economies in the world. After unification with North Korea, we will also overtake Japan.“

South Korea Peace Concert and Mikis Theodorakis' 3rd Symphony, Asteris Kutulas

South Korea Peace Concert and Mikis Theodorakis' 3rd Symphony, Asteris Kutulas
During rehearsal with soprano Sunyoung Seo, the Gyeonggi Philharmonic Orchestra and the choir of Uijeongbu City & the Grande opera Choir, under the direction of conductor Jung Nara

Phan Thi Kim Phuc

The DMZ Forum was held at the Kintac Center. Suddenly there, in a black dress, Kim Phúc stood in front of me. A happy, always smiling, impressive woman. The photo, which showed her as a nine-year-old in 1972 during the Vietnam War, naked, flying after the bombing of Trảng Bàng, went around the world. The photo helped to end this war. She says to me with a disarming smile: „We had the division between South and North Vietnam. Now I am here to talk about hope. And also about the fact that some things can change very quickly.“ Phan Thi Kim Phuc, now UNESCO Goodwill Ambassador, known as the “Napalm Girl”: it was June 8, 1972 when the then nine-year-old Vietnamese shocked the world with a photograph depicting her naked running to escape a napalm bombing in Vietnam.

South Korea Peace Concert and Mikis Theodorakis' 3rd Symphony, Asteris Kutulas
With Kim Phúc
Jung Tae-choon, Maria Farantouri and Mikis Theodorakis' 3rd Symphony, Asteris Kutulas
Composer and singer Jung Tae-choon

Demilitarized zone (DMZ), region on the Korean peninsula that demarcates North Korea from South Korea. It roughly follows latitude 38° N (the 38th parallel), the original demarcation line between North Korea and South Korea at the end of World War II.

South Korea Peace Concert and Mikis Theodorakis' 3rd Symphony, Asteris Kutulas

I co-produced these South Korea Peace Concert DMZ events commemorating the first anniversary of the Joint Declaration of the Leaders of North and South Korea to ease military tensions between the two countries.

Maria Farantouri, accompanied by pianist Henning Schmiedt, performs well-known and popular songs by Mikis Theodorakis during the opening ceremony of the DMZ Forum. (19.09, Goyang, Kintex Centre).

Peace Maker Concert. In the first part of the concert, soprano Sunyoung Seo with the Gyeonggi Philharmonic Orchestra and the choir of Uijeongbu City & the Grande opera Choir, under the direction of conductor Jung Nara, performs the 3rd Symphony of Mikis Theodorakis. In the second part, Maria Farantouri -with Henning Schmiedt on piano- performs well-known songs by Mikis Theodorakis, including Denial, in poetry by Y. Seferis, in which the Korean composer and singer Jung Tae-choon collaborates, in Korean, with his musicians. (22.09, Uijeongbu, Arts Center).

Maria Farantouri and Asteris Kutulas

South Korea Peace Concert and Mikis Theodorakis' 3rd Symphony, Asteris Kutulas

South Korea Peace Concert “Let’s DMZ”, Uijeongbu 2019 Mikis Theodorakis' 3rd Symphony
Concert with soprano Sunyoung Seo, the Gyeonggi Philharmonic Orchestra and the choir of Uijeongbu City & the Grande opera Choir, under the direction of conductor Jung Nara

Many thanks for the excellent cooperation to Susan Keun-Hang Yang, Menas Kafatos, Maria Chatzara and to all other great South Korean Team!

Asteris Kutulas, 2020

Olympiacos´ Lights of Hope – Interview des pma Magazins mit Asteris Kutulas

Olympiacos FC Event 2020  by Asteris Kutulas
Titel-Story „Lights of Hope“ in der pma-Zeitschrift (06/2020), Photos von © Ralph Larmann

Olympiacos FC – Lights of Hope Event 2020
by Asteris Kutulas (Interview von Lisa Schaft)

Olympiacos FC Championship Celebration

pma: Herr Kutulas, können Sie uns Ihre Showdesign-Grundidee etwas näher erläutern, die Sie entwickelt haben für den Stadion- und den Hafen-Event anlässlich der Siegesfeierlichkeiten der 45. Griechischen Fußball-Meisterschaft in Athen?

Asteris Kutulas: Ich wollte in dieser außerordentlichen Zeit von Covid-19 etwas sehr Emotionales kreieren und die Olympiakos-Mannschaft, ihre Fans und das TV-Publikum wenigstens symbolisch zusammenbringen und sie auf diese Weise gemeinsam feiern lassen. Um das zu erreichen, habe ich bei meinem Liquid Staging Stadion-Event einen Live-Act mit Projektions-Kunst, mit Licht-Design, mit Musik und mit Laser-Kunst zu einem Gesamtkunstwerk verschmolzen.

Als zweiten Akt inszenierte ich den Pasalimani-Hafen in Piräus „amphitheatralisch“, indem ich diese wunderbare Landschaft und die Architektur des Hafens durch 5 symmetrisch angelegte Punkte, die mit Pyro, Feuerwerk und Laser bestückt waren, tatsächlich zum Leuchten gebracht habe.

Ergebnis waren der Stadion-Event und der Hafen-Event am selben Abend. Die polymediale Show im Stadion ergab ein tolles Gesamtbild und zugleich spannende Detailperspektiven. So konnten die Kameraaufnahmen vom Event für das Fernsehen wie ein Videoclip geschnitten und wie ein solcher gezeigt werden. Immerhin haben wir ja in einem Stadion mit pandemiebedingt leeren Sitzreihen für Millionen von Fernsehzuschauern emotionale Botschaften der Freude und der Hoffnung produziert. Auch der Hafen-Event war für das Fernsehen konzipiert, aber durch die Größe des Hafens konnten viele Menschen diese Augenblicke auch live – zusammen mit der Olympiakos-Mannschaft – erleben.

Olympiacos FC Fiesta 2020 by Asteris Kutulas
Titel-Story „Lights of Hope“ in der pma-Zeitschrift (06/2020), Photos von © Ralph Larmann
pma: Über welchen Zeitraum reden wir, wenn wir von der Entwicklung der Ursprungsidee und dem Beginn der organisatorischen Vorbereitungen bis hin zur endgültigen Umsetzung dieser fantastischen Show sprechen?

Asteris Kutulas: Es gab gar keinen „Zeitraum“. Ich bekam am 25.6. eine Einladung, am übernächsten Tag nach Athen zu fliegen, mich mit den Verantwortlichen von Olympiakos zu treffen und innerhalb kürzester Zeit ein Konzept vorzulegen, weil der Event drei Wochen später stattfinden sollte. Ich flog nach Athen, entwickelte innerhalb von zwei Tagen das Konzept für einen Doppel-Event im Stadion und im Hafen und erarbeitete dann mit meinem Team und dem Team von Olympiakos die Kalkulation. Die positive Entscheidung fiel am 6.7., also 13 Tage von dem Event.

Es war eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Wahnsinns-Herausforderung und eine unglaubliche Leistung des gesamten Teams, in der Kürze der Zeit parallel zwei Events einer solchen Größenordnung zu stemmen. Mir kam sowohl meine frühere Produzententätigkeit bei den mehr als 40 Gert-Hof-Events zwischen 1999 und 2010 zugute als auch der Umstand, dass ich mich in den letzten drei Jahren intensiv mit Liquid Staging Show-Ästhetik, Bühnen-Design und Konzept-Kunst beschäftigt habe. Ich hatte also fertige Ideen im Kopf, die „nur noch“ auf die Umsetzung warteten.

Olympiacos FC Event by Asteris Kutulas (Olympiacos FC Championship Celebration)
Live-Act des Events: Kinderchor Piräus & DJ Antonis Dimitriadis, Photo von © Dionissis Koutsis
pma: Es steckt viel Arbeit in einem Design für so eine spektakuläre Show wie diese. Wie viele Menschen bzw. Teams waren daran beteiligt? Wer hat an der Erarbeitung des Designs und an der Umsetzung mitgewirkt?

Asteris Kutulas: Ich konnte mich bei diesem Doppel-Event auf phantastische Kollegen stützen, die innerhalb kürzester Zeit wahrlich „gezaubert“ haben. Ich meine den Projektions-Künstler Ross Ashton aus London, den Lichtdesigner George Tellos und den Feuerwerksdesigner Pavlos Nanos aus Athen, den Grafiker Achilleas Gatsopoulos aus Berlin und den Laserdesigner Daniel Brune aus Hürth. Und natürlich die beiden Komponisten Marios Joannou Elia aus Zypern und Alexandros Karozas aus Frankfurt, aber auch DJ Antonis Dimitriadis aus Athen. Für mich ist die Musik immer die „Mutter“ einer jeden Show, weil sie unmittelbar die Emotionen der Zuschauer anspricht und die Dramaturgie für den gesamten Event bestimmt.

Olympiacos Fiesta 2020  by Asteris Kutulas
Titel-Story „Lights of Hope“ in der pma-Zeitschrift (06/2020), Event-Photos von © Ralph Larmann, Asteris Kutulas Photo von © Guido Karp
pma: Bei jedem Showdesign ist das künstlerische Anliegen von Bedeutung. Was möchten Sie mit dem Showdesign dieses Events bewirken? Welche emotionale Dimension ist Ihnen wichtig?

Asteris Kutulas: Ich habe diesem Doppel-Event den Titel LIGHTS OF HOPE gegeben. Was den Pasalimani-Hafen in Piräus anbelangt, so ist damit erstmals nach der Covid-19-Anfangswelle 2020 ein Public/TV-Event in einer solchen Größenordnung realisiert worden. Ich wollte mit LIGHTS OF HOPE ein Zeichen der Zuversicht von Piräus in die Welt aussenden. Sowohl der Sport als auch die Kunst bringt Menschen zusammen, also habe ich diese beiden Welten „zusammengebracht“, um genau das zu vermitteln: Haltet zusammen! Kämpft! Liebt! Verliert nicht die Hoffnung!

pma: Gab es Hindernisse, die bei der Organisation und Planung (sowohl des Stadion- als auch des Hafen-Events) berücksichtigt werden mussten bzw. mit denen man rechnen musste? Wenn ja – wie konnten diese Schwierigkeiten bewältigt werden?

Asteris Kutulas: Die Situation der Covid-19-Pandemie schwebte ständig über der gesamten Organisation – wie ein Damoklesschwert –, was sehr viele dadurch bedingte Einschränkungen zur Folge hatte. Aber das größte Problem stellte die Kürze der Zeit, die weder für den Stadion- noch für den Hafen-Event eine Generalprobe zuließ. Das nur als ein Beispiel von mehreren. Wir mussten quasi „blind fliegen und landen“. Aber wir haben es geschafft.

Das Olympiakos-Organisationsteam war großartig; ich habe die letzten sieben Nächte vor dem Event fast gar nicht geschlafen, Ross Ashton schickte die letzten Einzelbildsequenzen für die Projektion am Tag der Show, Daniel Brune erfuhr seine finalen Standorte 24 Stunden vor dem Event und war dadurch gezwungen, sein Laser-Design völlig neu zu justieren und zum Teil neu zu programmieren, Oliver Schulze musste im Stundentakt den Projektions-Content neu einspielen und testen lassen, George Tellos stellte 40 Stunden vor Show-Beginn fest, dass falsche Lampen geliefert worden waren, und der ziemlich komplizierte Aufbau am Hafen wurde erst am vorletzten Tag genehmigt. Das alles klingt doch nach einer recht sportlichen Leistung – oder?

Das Interview führte Lisa Schaft (pma)

Olympiacos FC - Lights of Hope Event 2020  by Asteris Kutulas
Titel-Story „Lights of Hope“ in der pma-Zeitschrift (06/2020), Photos von © Ralph Larmann

CREDITS | Lights of Hope
From Olympiacos FC & Piraeus to the World

Olympiacos FC Championship Celebration

Created & directed by Asteris Kutulas
Music Marios Joannou Elia, Alexandros Karozas & DJ Antonis Dimitriadis

Choir of Municipal Conservatory of Piraeus conducted by Maria Spanou
Projection Art Ross Ashton
Laser Motion Design Achilleas Gatsopoulos
Light Design George Tellos
Laser Design Daniel Brune
Pyro & Fireworks Design Pavlos Nanos
Musical Directors DJ Antonis Dimitriadis & Alexandros Karozas
—————————–
Technical Director Aris Koudouris | Music Production Nick Elia & Alexandros Karozas | Light Programming & Operator Makis Anastasakis | Lighting Coordinator Irene Samartzi | Laser Programming | Bas Verstraelen & Merlin Schaadt | Media Technician Bernd Gröger | Projection Technician Robert Foerster | Technical Director Light & Video Equipment Oliver Schulze | Logistics Uwe Förster
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Pyro & Fireworks Nanos Fireworks Greece | Laser Equipment laserfabrik GmbH | Projection & Light Equipment OS-VT Veranstaltungstechnik | Light & Sound Equipment Tempo Events

Olympiacos FC Championship Celebration 2020

Olympiacos FC - Lights of Hope by Asteris Kutulas
Rehearsing the laser show at the Pasalimani Harbor, Piraeus
Olympiacos Event 2020  by Asteris Kutulas
„Lights of Hope“ Event, Pasalimani Harbor Piraeus, Photos by © Ralph Larmann

Olympiacos FC - Lights of Hope Event 2020  by Asteris Kutulas
Olympiacos FC Championship Celebration Piraeus – Photo © by Ralph Larmann

Mikis Theodorakis 95 Happening, July 2020

Mikis Theodorakis 95 Happening

with Otto Sauter, Johanna Krumin, Istvan Denes & Asteris Kutulas

For Mikis Theodorakis‘ 95th birthday Otto Sauter (trumpeter, GER), Johanna Krumin (soprano, GER) and Istvan Dénés (conductor, pianist, HU) came to Athens two days before, for a happening of his long-time friend and collaborator, the director & author Asteris Kutulas (Berlin), to congratulate the Greek composer in a very special way.

In Mikis Theodorakis‘ studio above his apartment in Athens – with an outstanding view of the Acropolis – they performed lyrical works for trumpet, soprano and piano, filmed them for Mikis Theodorakis and a worldwide release: The Aria of Medea from Theodorakis‘ opera „Medea“, two movements from his concerto for trumpet, which he had written for Otto Sauter, and the melody that made Mikis immortal: Zorba

Location: House of Mikis Theodorakis, studio and his veranda overlooking the Acropolis and Parthenon. This is where most of his operas and many symphonic works were written.

Mikis Theodorakis himself could not be present because of the Corona Pandemic, but heard the musical birthday greeting through the open window under his studio.

Johanna Krumin:
„Mikis wants to reach people, not be liked by them. This makes him free, as only few artists are really free: because the purpose of art cannot be to serve life, but only to serve the stars that shine above it. Chronia polla, dear Mikis.“

Istvan Dénés:
„The history of the Greek and Hungarian people is marked by constant struggles for freedom. For me as a Hungarian musician, Mikis Theodorakis is the symbol of freedom.“

Otto Sauter:
„Wherever I perform the trumpet concerto by Mikis Theodorakis in the world with symphony orchestra, the audience is moved and fascinated. To be able to play it at his home for his 95th birthday, with piano accompaniment only for him, is not only a gift from me to him, but also a gift for me!“

*** *** ***

Mikis Theodorakis 95 Happening, July 2020
Otto Sauter (trumpet)
Johanna Krumin (soprano)
Istvan Denes (piano)
Asteris Kutulas (artistic director)

*** *** ***

Video production

Music by Mikis Theodorakis, sung by Johanna Krumin & played by Otto Sauter (trumpet) & Istvan Denes (piano)
Directed by Asteris Kutulas
DOP Ludwig Wager
Cameras Vassilis Dimitriadis, Dionissia Kopana, Sabine Kierdorf
Sound Klaus Salge & Vassilis Dimitriadis
Editing Nikos Arapoglou
Production Asteris Kutulas, Vassilis Dimitriadis, Klaus Salge
Concept by Asteris Kutulas

Many thanks to Mikis Theodorakis, Rena Parmenidou, Yannis Sakaridis, Sabine Kierdorf, Ina Kutulas, Dionissia Kopana, Penny Laga & MEGA TV

Mikis Theodorakis Acropolis view with Asteris Kutulas
Acropolis view from the apartment of Mikis Theodorakis in Athens (Photo © by Asteris Kutulas)

Lights of Hope – From Olympiacos to the World

Olympiacos FC Lights of Hope Event 2020  | Braving Covid-19 with a polymedial Olympiacos FC championship celebration | 19.7.2020 | Piraeus, Greece 

Olympiacos FC Fiesta 2020. It was a big honor to create and to direct the double event „From Olympiacos and from Piraeus to the World“ on the occasion of winning the 45th championship of the Greek Superleague 2020 by Olympiacos FC.
 
Through two multimedia live TV shows (NOVA & MEGA) from Karaiskaki Stadium and from Pasalimani Piraeus harbor I wanted to unite all of them: the players, the fans, the people of Piraeus, all of Greece and the world.
 
Olympiacos FC - Lights of Hope Event by Asteris Kutulas
Olympiacos FC – Lights of Hope Event, Karaiskakis Stadium, Piraeus (Photo © by Ralph Larmann)
Olympiacos FC Fiesta 2020. Especially under the difficult and extreme conditions of the Corona pandemic it was important for us to give a sign of hope and confidence. Sport and also the arts unite people in these uncertain times. That’s why I have given my show the name „Lights of Hope“.
 
I would like to thank all my friends and colleagues and the fantastic Olympiacos team for the great cooperation.
 
 
Olympiacos Lights of Hope Event directed by Asteris Kutulas
Lights of Hope Event, Pasalimani Harbor, Piraeus (Photos by © Asteris Kutulas)

About the Olympiacos double event

On the 19th July, Olympiacos Football Club celebrated their 45th Championship title by winning the Greek Super League Trophy.  Taking place amidst an unprecedented crisis and pandemic in Greece, Olympiacos FC wanted this event to be a message of hope and optimism from Olympiacos to Piraeus, from Piraeus to Greece, and from Greece to the World.

They brought in Greek-German artist and director Asteris Kutulas to create a double event, both inside and outside the Georgios Karaiskakis Stadium in Piraeus.  His brief was to create the cup presentation event, and to send a message of strength, optimism, perseverance and hope.  The event was made up of two parts. 

The Super League Cup presentation ceremony took place inside the stadium.  The Liquid Staging ceremony event inside the G. Karaiskakis Stadium featured 3D projection mapping, lights, lasers and pyro.  This was synchronised to a symphonic soundtrack composed by Marios Joannou Elia.

Outside in Piraeus Harbour there was a public event for the fans. The events inside the stadium were sent out to LED screens, whilst there was a separate show of lasers, lights and pyro around the water’s edge.  The music was remixes by Alexandros Karozas and DJ Antonis Dimitriadis.

Olympiacos FC - Lights of Hope Event 2020 by Asteris Kutulas
Lights of Hope Event, Pasalimani Harbor, Piraeus (Photos by © Ralph Larmann)

Lights of Hope | From Olympiacos FC & Piraeus to the World
Created & directed by Asteris Kutulas

19.7.2020 | Piraeus, Greece 

Music by Marios Joannou Elia, Alexandros Karozas & DJ Antonis Dimitriadis 

Choir of Municipal Conservatory of Piraeus | Solist: Alexandra Dermati | Chormaster: Maria Spanou 

Projection Art Ross Ashton
Laser Motion Design Achilleas Gatsopoulos
Light Design George Tellos
Laser Design Daniel Brune
Pyro & Fireworks Design Pavlos Nanos
—————————–
Technical Director Aris Koudouris
Music Production Nick Elia & Alexandros Karozas
Light Programming & Operator Makis Anastasakis
Lighting Coordinator Irene Samartzi
Laser Programming Bas Verstraelen & Merlin Schaadt
Media Technician Bernd Gröger
Projection Technician Robert Foerster
Technical Director Light & Video Equipment Oliver Schulze
Logistics Uwe Förster
—————————–
Pyro & Fireworks Nanos Fireworks Greece
Laser Equipment laserfabrik GmbH
Projection & Light Equipment OS-VT Veranstaltungstechnik
Light & Sound Equipment Tempo Events

Olympiacos FC - Lights of Hope Event, Karaiskakis Stadium, Piraeus by Asteris Kutulas
Rehearsing the show at the Karaiskaki Stadium (photo by © Ralph Larmann)

„Lights of Hope“ by Asteris Kutulas – A testimonial from „Nana“ (Athena) Trandou

Asteris {a Greek name and word —extremely relevant to what follows—, meaning “Star”: That which shines enchantingly, indefinable, granting the wonder which allows for the autonomy in belief, and so, hope, despite antagonism; a light upon us, despite great distance and in darkest moments} has long been, in my eyes, an Ambassador of the Arts, Stage- Production and Greek Heritage for Greece, in Berlin.

From far off, his “Light” has been bright, making clear in every one of his works that an extraordinary ethos lay behind what he produces. Projects completed world-wide with Gert Hof, as well as the recent “Apassionata” Project, only begin to substantiate my claim.

1 | Stage-Production and Art simultaneously

I have seen, and see again in “Lights of Hope”, an urgency, a self-sacrificing effort, a focus of the highest degree in Asteris’ work. Yet it is not this drive, effort or passion which should fascinate us, but rather the meanings, concepts and ethics which incite such a complete focus for giving to others which must be noted. Asteris is sharing an idea which he holds within himself, and which makes this project of the highest level of Stage-Production and Art simultaneously. It informs his decisions and, entering into the process of creation, delivers unto us products only possible when containing such profound significance.

Such messages and ideas arrive by a creator’s sympathetic connection to and observation of past and present voices, events and creations. Having given Asteris energy, meaning, purpose, joy-of-union etc. they now seem to drive him, at all costs, to giving those messages/ideas back to the World.

Olympiacos FC Fiesta 2020 by Asteris Kutulas
Rehearsing with the Children Choir Piraeus, DJ Antonis Dimitriadis & Asteris Kutulas

2 | Their and our immediate

While it is our choice to sympathetically connect which brings about our growth and happiness, we see an even more profound implication in Asteris work; he realizes and teaches that it is always actions in the immediate —the faith, dreams, hopes, sympathy, and resulting selfless-giving from others during their immediate (appearing to us as coming from the past) – –, that are ultimately required in order to allow any human to receive such growth.

It is only by a human’s choosing in their immediate to take action and give, that those in a future moment may find something with which to connect and be inspired; to grow; to find that which drives us, in our immediate, to engage in a way which can provide such sources of connection and guidance towards selfless connection for future generations.

It is not by watching in fear, but doing in faith, which may allow ourselves and others to become the links which continue to facilitate an ever-longer chain of connections, the passing of the light of thought, the carrying and passing of the eternal flame.

It is only in this way that we, or they, as individuals, may choose to enter into a larger context, a context spanning hundreds or thousands of years, and so, which may be noticed and given to the entire World (no matter where or how it began).

Olympiacos FC Fiesta 2020 directed by Asteris Kutulas
Lights of Hope Event, Pasalimani Harbor, Piraeus (Photos by © Ralph Larmann)

3 | The Olympiacos Team

I aim to give testimony to and emphasize for you the major significance of Asteris work by seeing:

1. The Olympiacos Team as a symbol of action and achievement, the production of a sense of union, joy and meaning in the immediate, despite darkness and antagonism; uniting not only the present inhabitants of the region it represents, but also all who have identified with the team over generations; uniting people despite dissonant social and economic conditions; creating the belief that greatness could be achieved in any circumstance and in a way which facilitates an otherwise impossible scale of human connection.

Creating evidence for the belief that it is their action which may become, as it does in Asteris hands, the reality-brought-about which may synergize with the ideas of a creator to show for all other people that it is this celebration in times of difficulty, this union in the face of isolation, this dreaming in the face of limitation, that produces the results in whose connection we may find the inspiration and impetus to continue the sharing, giving and connection which may then cause such beneficial receipt in others, ad infinitum.

2. It is the Olympiacos Team’s emblem and Title which lead us to a historical association of much larger scope and meaning. They, bearing the Daphne/Laurel-Crown and named after the athletes whose competing was a means to honoring the God Zeus, uniting entire City- States in their action, become a microcosm of the type of action which began as an expression of belief, and proof of the miraculous human achievement belief could bring about. Such action led to Panhellenic agreement, and eventually, after many generations of such giving, and the light (the thought, the memory of the results) which follows, the World’s recognition of, interaction with and receipt of the meanings of the event’s source. This birthed a world-unifying Olympic games at which burns a symbolic eternal flame; that fire is the thought, the meaning, the energy, the light which inspires each generation as and by the action which the previous generation took, by choice, to give to them.

3. It is Asteris’ observation of this confluence of:
a) This Modern Greek event-occurrence in the context of Pandemic.
b) The achievement-creator’s (the team’s) association with Ancient Greek messages. This achievement in the immediate by that message-bearing, symbolic unit (the football team) in the midst of the very darkness which most-requires the message contained in the Laurel- wearing adolescent, most-challenges us to continue in the immediate to pass that message, and most-demands awareness of the need and reason for selflessly carrying forth the meaning it possesses…
which results in…
c) Asteris, himself, becoming a crucial link —carrying and keeping the meaningful torch lit with the light of his thoughts, those found in its sources, mythologies, and ideas passed; pointing with all of his energy to the need for connection, immediate connective-action and selfless sharing, despite antagonism—, bridging the information gap between modern mankind and the future of our species, exactly by
his being able to observe, synthesize and express the meaning of the past, in and with the choices and actions of the present.

Olympiacos FC Fiesta 2020 directed by Asteris Kutulas
Lights of Hope Event, Pasalimani Harbor, Piraeus (Photos by © Ralph Larmann)

4 | Daphne, the Laurel Crown & the Youth

The work is imbued with myriad manifestations of connection; the invaluable bonds of family strengthened, and individuals united in belief and celebration of the symbolic group’s achievement across generations; the team’s emblem cries out the messages which these modern-manifestations of connection utilize and represent. The message-endowed Daphne, the Laurel-Crown, is shown as an emblem and then projected as light onto the field from which the meaning of the team’s immediate action emanates.

The youth of today stand by, applying masks obediently, closing their mouths and stifling their breath of life as they face the darkness, and yet, they are present for the celebration which has been called into appropriateness (by the team’s having competed and achieved despite circumstances isolative; so, proving the awareness of a symbolic and unifying role, as they dreamed and strived together in empty stadiums).

The youth stare up in amazement and awe as those who have found a reason to and a way to express that there is something greater than the limited, fixed, defined, oppressive and isolating rules and ways of States and powers, do so.

The youth, not yet knowing such reasons or ways, are shown that there is something to seek; they are offered examples of what type of excitement, energy and increased ability such effort, seeking and selfless giving can grant us.

They are encouraged by the words, lights and images, which constitute Asteris’ work, that it is now that they must act, that they must remember to seek, that they are free to do so, that they will find, and that when they do, they will receive the energy, the belief, the informing meaningfulness, the sense of union which will give them, rejoicing, the purpose and inspiration to create and act in ways so great, for others.

5 | Messages

This is a matter of history. It is a matter of individuals taking action, despite difficulty, antagonism or discouragement in their immediate circumstances; to invent beliefs, achieve great feats by believing, and to create meaningful works.

It is a matter of the messages of an ancient mythology being embodied by a team whose actions reflect its message, those messages being thereby brought into interaction with the present, alive, and the choice of an artist to see that synthesis and to create in a way which gives completely in order to show, guide to and emphasize that inspiring meaning and synthesis now manifested. This is what makes history; our choices as individuals.

It is our choice as individuals in our immediate time and place to sympathetically observe others and the past (to become inspired by and change due to such interaction) which allows us the choice to give what we have found in such interaction, to the future. We make the choice to selflessly listen and give in order to create and become that which can link our generation to other generations.

One football game alone is but one game; but that one game played well, with self-sacrificing effort, is crucial, for it will be seen by the youth (that indefinable thought that drives the player to so risk and greatly perform kindles in the mind of the observer, the youth, an unlimited and imaginative seeking for such unknown value), and inspire the future games which will redefine that first game as the source of a tradition or a way; this is an analogy for all creation. It is when one culture passes one thought, symbol, light or message across generations, by such action in the immediate, that that light then not only has defeated physical death (Time), but also comes to represent an entire culture and so is witnessable by all of humanity; it breaks the barrier of borders, interacting with and giving to all.

6 | Togetherness

As is reflected in a team like Olympiacos offering togetherness, joy, and awe-inspiring accomplishment during moments of darkness throughout history (through War, Crises and now, Pandemic) by sacrificing for collective effort, as a symbolic unit, so we see how creators and athletes alike may connect across time and space. Hence, the synergy of the team’s immediate history, and its emblematic relationship to a larger historical meaning/scope, are displayed powerfully by the artist.

Asteris masterfully assists us in witnessing the Olympiacos team as the present embodiment of the faith and achievement which is the intended result of the mythological messages their emblem boasts. They represent all such message-passing, “Lights of Hope” in any circumstances, and it is the Artist’s job (accomplished superlatively) to guide us to finding that truth in ourselves; to finding the message implied in the action of the team, and how and why we should do the same. That no matter what our vocation, no matter what our circumstances, it is creating such light in darkness which makes such light perceivable to others and so, unites us in ways otherwise impossible; across eras and borders.

Asteris leads us to see that, no matter what —without fans present, without profits, with little time or resources, with fear ever-present—, it is our persistence to hope, dream, believe, give, attempt and share which can allow for messages (whose creation and purpose is seemingly disparate from our immediate lives or roles; like an ancient mythology) to enter into interaction with the present, affecting all of humanity, at any time.

7 | Dream, attempt, creating, acting

It is our choice in the immediate to dream and attempt, then creating and acting —despite discouraging darkness driving us to isolation and inactivity—, which become the memories, the truths, the World in which those ‘things’ may be found which inspire the present to create again; so, connecting all humans across all times and locations.

It is the action of each ‘team’ in its own time and place, the message in one creation made during one life-time, which connects all teams and all artists across millennia by their and our choice to give now, in the immediate, as individuals. “Lights of Hope” is sympathetically and generously riddled with paths and guidance to such most-crucial metaphysical information for Humanity and so, is of the highest level and value as a Production and a work of Art.

I need no more than mention his exemplary use of every resource available and his message- emboldening interaction with music, aware that we all witnessed the widely-relatable power that such selfless and significance-endowed creation can produce.

Lights of Hope by Asteris Koutoulas
Olympiacos FC – Lights of Hope Event, Karaiskakis Stadium, Piraeus

8 | The Light of our people

I suggest that, as a light may be used in stage-production for the functional purpose of making the actor visible, so may a set of codified words be used in the newspaper for the articulation of a common occurrence.

Yet, it is when we see stage-lights used to express a thought (a message which has brought the creator a sense of union, meaning, hope, completeness, happiness etc.) by someone who desperately wishes to share what they think, feel and understand —so others may utilize that same source of hope, energy, and sense of union—, that we leave the newspaper and head into the world of message-passing; Mythology; Art.

By looking into “Lights of Hope” this way, we come to see the messages and ideals of Ancient Greece found in the Olympiacos emblem, emphasized, recreated and brought into present interaction most-clearly and profoundly. This message, mind you, addresses all of Humanity, in every place and epoch. The messages found in such a source are not for or about that time or place, but rather about Humanity’s condition and the path to its nourishing connection with the World around it.

So, as I find Asteris growing from a sort of Ambassador for Greek Art/Production/Heritage in Berlin, to shining his light and the light of our people upon the entire World, I too have come to understand that the drive/urgency/effort/selflessness I consistently find in his work is not that of a draconian stage-producer, but that of an Artist using stage-production to and for its highest potential.

I find someone using the abstract techniques he has mastered by extensive experience in every facet of stage-production in order to send a message which was birthed inside him, to and for others (having been guided by similar light from the past; and as it seems, largely influenced by his culture’s ancient beliefs).

It is this significance, this meaningfulness and all-giving focus that is the source of our not just saying, “Whoa! Wow!”, upon witnessing his work, but rather, being brought to tears as we watch the “Lights of Hope” unfold before us.

Asteris Kutulas & Olympiacos
Olympiacos FC – Lights of Hope Event, Karaiskakis Stadium, Piraeus

9 | The ideals of Ancient Greece

The Olympiacos Football Club is one directly affiliated with these ‘guiding lights’ and ‘beliefs’; the ideals of Ancient Greece, its Gods and mythology, and subsequently the teachings, concepts and meanings therein. This is confirmed and made irrefutably clear in their appellation and emblem.

When we witness such an achievement as Asteris has made occur within just a few weeks, we wonder, we are in awe, and we find it to be magical; impossible. Yet, it is when in the darkness of a pandemic —with fear-derived isolation threatening the passing of knowledge, ego-driven power-structures attempting to remove belief, art, sharing, creation, connection from the list of urgent priorities, in the face of the limiting and discouraging of the activities which spread such knowledge—, it is in such great darkness that stars shine the brightest, bringing us the greatest sense of awe, peace, connection, relief and limitless inspiration.

It is by a team bearing the mark and name of the ancients (the ever-burning torch of knowledge which spreads the light of Wisdom upon millennia), engaging someone who possesses that light, knows how to give it to others and sees the immediate need for the profound nourishment they may gain from it in darkness and lacking, that such creation comes to exist; that a star, Asteris, shines brightest.

We see the “Laurel-Crown”, featured in the team’s emblem, appear in Asteris’ projections throughout the work. Accompanied and juxtaposed with words and phrases like “Create”, “Love”, “Be Free”, “Hope” and “Keep dreaming…”, we are given the most sympathetic and selflessly-derived opportunity to receive the message held by that Laurel-symbol, the light long-passed by the Greek culture and now by Asteris himself; a message embodied by the activity of the Olympiads; games crucially rooted in mythology. I will articulate this most- relevant Laurel-message soon.

These games, games not unlike modern football, were engaged to honor Zeus, and so to remind us and teach us of the otherwise impossible feats belief in such Gods could bring to us; how, inspired by the messages found in mythology, Mankind could sacrifice energy-of- self, choose to give increased effort and focus for others, and so achieve things which are beyond the individual’s capacity if/when alone and meaningless. We were offered evidence of reason for and memories by which to recall the potential in/of connection with all things.

These were Panhellenic competitions which, by one person’s sacrifice and effort, could bring together entire city-states; such unification occurs today as each team represents a region or urban area. Notably, the area which Olympiacos represents is Piraeus Port: an age-old gateway to the Western World, suggesting not only the possibility of regional unification, but a message’s ability to unify all of Humanity.

10 | Apollo & Daphne

While it is not my place or purpose here to tell, it is integral to mention Asteris’ use and recognition of the Laurel-Crown of fabled Apollo in his portrayal of the significance of this particular team’s achievement in and despite dark times. Again, this achievement and achievements like it will become the inspiring light which unites our immediate reality with a future immediate, forming connections, sources of energy and inspiration otherwise impossible.

The Laurel or Daphne, ‘stefani’ or crown, came to be when Daphne, fleeing from Apollo’s loving pursuit, gave herself to the will of the Gods, praying to her father the River God Peneus, to be saved, changed from her Apollo-attracting form, sacrificing her volition and physical existence so to remain in accordance with her Artemis-oriented beliefs. It was her belief that his catching her would produce horrible results (despite his only wishing to love her) which allowed her to give herself, to sacrifice herself to the will of a God to such an extent that it resulted in an otherwise impossible, immortality-granting transformation {this is, as a creator or athlete may give all of themselves to give to and for others, the path to discovering new meanings and possibilities in the self, to changes, transformations, metamorphoses, only possible when in such degrees of selfless connection}.

But it is Apollo’s reaction which is of highest relevance here. He approaches and speaks to the tree (once the woman who so vehemently refused him), promising to honor her forever, showing that his love was true, not an animalistic hunger, but a human desire to connect, and so, she droops (as if lowering her defense) and her beauty is seen and remembered as a glistening in her leaves.

This is the message in the Laurel: That there is an autonomy-granting, companionship-providing, all-uniting and meaning-producing value in unconditional Love and admiration of others —despite loss of what we think we should have, what we immediately desire or consciously intend, and no matter what shape or form in which an ‘other’ appears—, available at all times; a type of loving focus always within our choice to give; in all epochs and places. And that this unconditional Love is the selfless human focus which may unite us, by the autonomy in conscious choice, with all others (all other humans, creatures and things, like the Laurel Tree, which exist along with Humanity across millennia) in a way which can offer us a sense of reconciliation, and end to loss and loneliness, increased interaction with surroundings, meaningfulness, purpose, identity, uniqueness etc.

Hence, the Laurel or Daphne Crown (“Δαφνοστεφανομένος έφηβος”, the “Dafne-crowned Adolescent”; a name for the team’s Emblem-Character) holds this ancient meaning. It is this type of love Apollo showed, to focus selflessly on others, to connect to and give to others despite loss or unavailability of the physical or immediate circumstances which may have animalistically, egotistically or fearfully driven us towards them, that the team who wears the Laurel embodied in their immediate, achieving action despite darkness; a modern-day embodiment of a meaning which, more than ever, needed to be reconfirmed, reminded of, brought back to life, shined light upon, and reignited by a great artist like Asteris.

11 | A Creation

What we bear witness to here is the work of an Artist carrying an ancient message, a Light, the energy of thought, coming off a torch which is always burning. And yet, a Light which has nearly gone out many times and will go out without our sympathetically receiving it and choosing to pass it forward; by lovingly listening and then sympathetically giving and creating in the present.

Asteris is one of the few who has comprehended such messages; been inspired, nourished, informed, guided, energized, given new meaning and purpose by such light. It is guidance towards the path to finding this experience and its source in and for others, for which he shares it.

All the while, he remains aware of and emphasizes in his work that it was the selfless choice of others to take action by creating, sharing and giving in their immediate, in their present, during the now, in our Life, in their Life, in his Life, which is the only thing that could allow him to receive such knowledge. Were there no immediate action in the present of ancient times, there would be no mythologically-derived messages to take present action in order to share the light of.

It was creation, sharing, human connection, his own hope, the guidance to believe, being shown means to finding more meaning, sources of value, purpose, increased possibility in life, being offered limitlessness in imagination, which allowed him to receive such knowledge, by choosing to sacrifice his own energy for connection; to receive the messages existing within that which was once given, for connection.

Olympiacos Lights of Hope Event directed by Asteris Kutulas
Lights of Hope Event, Karaiskakis Stadium, Piraeus, Photo by © Ralph Larmann

It is a team, a group giving their full effort for the sake of others, a symbolic entity providing a sense of unity for a larger group of individuals (again, small connections producing great ones), having succeeded, having come to achievement and redefinition in a time of great darkness, and despite such darkness producing joy, new accomplishment and increased connection —and all while bearing the mark of the Apollo’s Laurel—, that seems to be so meaningful and valuably illustrated by Asteris. For he could have shined light on the participants, he could have adequately and functionally produced, but he did not; he did much more.

12 | Th Heart, the Star, the Emblem

Hence, we see in the first moments, in the exposition of the work:

1) The Heart: The physical embodiment of the choice to unconditionally love and focus on others.

2) The Star: The light which shines and enchants us, which by its indefinableness gives us the chance to think and believe in a way which, unique, causes a positive psychological effect, and especially in the greatest darkness.

3) The Emblem of Olympiacos: The Laurel Crown which carries the meaning of such unconditional love which, worn on the head of the adolescent (symbolically meaning that it is shown/offered/demonstrated/taught, by whatever means, to the youth of any generation), may guide them to finding within the self the purpose of selfless giving and connection, of the unconditional focus of love, and come to receive the nourishment which results from a completer truth or understanding of self, a growth, aliveness as the interaction which is change or redefinition having found new meaning during sympathetic identification with others; what arrives when we dream, hope, observe, interact, give selflessly to those distinct from us, seemingly separate from us (like a tree), despite antagonistic conditions (like a pandemic), by having been guided by others to see that there is something to seek and that it can bring great joy, meaning, energy and connection (as in the achievement of a team, or the creation of Asteris).

Soon after in the work, the emblem, as with the people, athletes and fans of history, become purely light (light, as they are when carried across time and space, as meaning) which is shined onto the field. They become perceivable again, they come into interaction with the present now as energy, meaning, light, yet, alive again (as life is interaction) when they are redefined, changed by this immediately enacted 45th achievement (and one which took place despite darkness). What happened on the field where they now become perceivable, as light/meaning, is what has made them perceivable. They, shining, becoming apparent and interacting, alive, remind us of and unify us in their meaning and their source.

We are reminded that they may only come to be seen if and when an individual or group of individuals enters into choice and action in the immediate to give themselves, their effort, for others; so, bringing into the present interaction and making available for the future the light of the past which guided them to make such selfless choice.

13 | Life is beautiful

We see here, and from Asteris poignant text, that “We are the World”. That the World will become what we give to it, and what we become within it; that it will become based on what we do with it today, now. That „Life is Beautiful“, „Όμορφη ζωή“. That it is our admiration of and connection with the World immediate, no matter how seemingly distinct, antagonistic, dissonant, or enigmatic its forces/factors/conditions, which is our source of that loving identification which may bring us meaning, connection and nourishment.

Images of peace, brotherhood across cultures and peoples, connections between eras, within families and across borders all lend more implications to the possible power of the meaning held within the Laurel Crown, now saturating the field as light; the light which great immediate action has incited, again, into existence; the light which has burned and been passed, as a torch, for millennia, now held by Asteris.

We keep on dreaming

It is shown that it is dreaming, “We keep on dreaming!”, which brings about such greatness, union, reason for celebration and creation; which brings into interaction with the immediate the light of the past. It is limitlessness findable by the unfixable meaning/potential/value in the nature of stars and stories, Gods and mythologies, symbols and creations, that permits the belief which allows us to interact selflessly, unassumingly, in a non-encumbering way with a tree, with someone different from us, an uncertain future or an antagonistic immediate; in a way which can show us new meaning about ourselves and others. Redefine the past. Create the World.

{We are no longer the 44-time winners; we are the 45-time winners who, despite darkness and recalling our role as a symbol, a connector of people, and carrying ancient messages which have united all of our people throughout history —changing the world entirely—, sacrificed today, to shape the World in this way.

I am no longer Apollo chasing Daphne, but the God who shows that, despite the loss of the physical/material object of his admiration, he retains the choice to love that in which he may see, imagine or remember his beloved; no matter how distinct from him an ‘other’ appears, he may look into it lovingly and find that of the beloved which he admired, and feel connection; that it is that unconditional love which allows one to find in that which is ever- present, like a Laurel tree, a sense of union; he becomes the one which holds the light of this meaning, the function and purpose of unconditional love, in a crown made of Laurel.}

14 | Have Faith, be Free

It is that which we may hold in autonomy, which we may choose (especially provided by that which is indefinable), which is our freedom. “Have Faith”, “Be Free”, “…Keep on dreaming”, Asteris says. It is this type of choice and freedom of thought which redefines and changes something like ten years of loss or failure into an “Uphill” battle toward a most- rewarding success. Ten years of loss is redefined as the qualifying factor and necessary process for our most profound success. This is how we shape the World. Only with belief, by dreaming, by choosing to have faith in that which we can belief in ourselves, by ourselves, can we look out, can we seek without fear, without self-doubt, ego or assumption, in a way which allows us to find new meaning through our connection to others.

Asteris draws the parallel between the winning a team can do, the belief a person can have, and the survival of a species (“Survive!”) which, for its idiosyncratic humanness to be present (without these human-particular traits, it is not humanity that survives, but rather humanity which is extinguished, becoming a non-human entity), must engage in such connective gestures during each generation, no matter the circumstances.

He shows the masked children of the future looking out with some unsureness, donning their masks in obedience and concern, and yet being shown that there is a reason to win, to succeed, to fight, to be free, to search, to find, and to create the World by their choices and actions. He makes clear that this message offered by himself and the Olympiacos team is not only to the youth, not only to Olympiacos fans, not only to the Greek people, but to the entire World; for it is the World which is addressed by such messages.

And he shows that it takes real individuals, on single days, from specific neighborhoods and tiny villages, making the choice to connect, to give, to be selfless and sympathetic in identification with all others —as is symbolized/embodied by the unconditional Love of the Laurel-Crown, the love of the other, the tree, allowing us to find identification within it and a sense of union through it, in autonomy, forever—, a choice which we always possess the ability to make, but which can only be made alone, during each generation, for such a message to reach future.

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Asteris reminds us, shows us, guides us to seeing that it is having a dream, a belief, hope, faith, and by creating, attempting, connecting, sharing, giving, in the now, which is the very foundation of the message offered in the mark worn by the team which executed such choice in this year’s competition. His astounding and profound artistry asks the viewer to wonder why they are weeping, why they are so awestruck beyond that way they might be by some gymnastic and bombastic display. He shows us through what he chooses to emphasize, repeat, vary and place before us in elapsing time, such truths, and makes perceivable such messages.

15 | Lights of Hope

It is our possessing the “Hope”, “Dreaming”, using the “Love”, and choosing to “Create” in the immediate, in the now, despite darkness and antagonism —despite what seem to be limitations and discouragement; despite a sense of uselessness, fear and unsureness—, that allows us to find in others, in connection, that which inspires us. And it is by taking action now, creating now, spreading the light we found represented and embodied in the choice of others to take action, as did the Olympiacos team for their region, as did the creators of the mythology which, passed for millennia, still burns with meaning on the team’s flag, that we become the Light for the next one who needs it; “Lights of Hope” in the dark, like Asteris, for Humanity across the World and all of Time.

 

Sag: Himmel. Auch wenn keiner ist (Über Jannis Ritsos)

„Eine gute Maske für schwierige Zeiten: der Mythos“ – Über Jannis Ritsos

Als Vorwort zum Jannis Ritsos Film

Der griechische Dichter Jannis Ritsos, der 1909 geboren wurde und 1991 starb, notierte in einem seiner Gedichte: „Mein Beruf: Worte und Worte. Lumpensammler nannte man mich …“ Ritsos war tatsächlich zuallererst Lyriker, allerdings nicht einfach nur „Lyriker“, sondern er lebte wie kaum ein anderer ein „poetisches Dasein“, Tag um Tag, Gedicht um Gedicht, Zeile um Zeile. Er berief sich immer wieder auf die Hunderten von Dramen, die Aischylos oder Euripides geschrieben hatten, und verteidigte sich gegen den (leisen) Vorwurf, ein „Vielschreiber“ zu sein, mit dem Postulat, sich als „Arbeiter des Worts“ zu verstehen. Er war tatsächlich ein homerischer Dichter, der aus allem Poesie machte, der eine unerschöpfliche Phantasie hatte und den eine scheinbar automatische Schreibweise ständig drängte, immer neue irre Bilder, tiefgründige Metaphern und glasklare Verse zu erschaffen.

Mit zwölf verlor Ritsos seinen Bruder und seine Mutter, die innerhalb von drei Monaten starben, mit 17 erkrankte er an Tuberkulose, die ihn zu insgesamt sieben Jahren Sanatoriumsaufenthalt in Tbc-Asylen (zwischen 1927 und 1936) zwang. Nachdem er den gesellschaftlichen Ruin seiner einst adligen Familie aus Lakonien miterlebt hatte, schloss er sich Anfang der dreißiger Jahre der kommunistischen Bewegung Griechenlands an. Und trotzdem blieb er Zeit seines Lebens – ähnlich Pier Paolo Pasolini, dem er mehrere Gedichte widmete – der Bohemien der dreißiger Jahre, der noch während der Verbannung auf den Gefängnisinseln Jaros und Leros Ende der sechziger Jahre in einem Pelzmantel herumlief – sehr zum Befremden vor allem seiner Genossen, und Jahrzehnte schon, bevor die Rapper-Generation dieses Outfit popularisierte. Diese Abgrenzung war notwendig, denn Ritsos hatte zwar das riesengroße Glück, durch die Theodorakis-Vertonungen seiner Gedichtzyklen „Epitaph“ und „Griechentum“ weltbekannt zu werden, aber er hatte auch das riesengroße Pech, in den Augen vieler zur Literatur-Ikone der kommunistischen Linken zu erstarren. Und kein anderer hat darüber so offen, desillusioniert, aber auch humorvoll geschrieben, wie er selbst.

Würde man die innere Zwiesprache, die Ritsos über sechzig Jahre mittels seiner Dichtung geführt hat, nachvollziehen, würde sich die unsichtbare Biografie des Dichters durchaus rekonstruieren lassen: die sehnsuchtsvolle Melancholie der dreißiger Jahre; die ironisch-verzweifelte Sicht auf Krieg und Bürgerkrieg, die „Reinheit“ als Überlebensstrategie in den Vierzigern; die existenzialistische Nachdenklichkeit der fünfziger Jahre; die Flucht in den Mythos, in die als notwendig empfundene Maskierung der sechziger Jahre; Fragmentarismus und die Auseinandersetzung mit dem Tod als soziales Phänomen Anfang der siebziger Jahre; die Entdeckung der neuen Einfachheit und der Dialog mit dem Tod als individuelles Phänomen in den Achtzigern.

Diese – hier grob und schematisch skizzierte – innere Zerrissenheit und außerordentliche geistige Flexibilität blieben bei Ritsos zeitlebens hinter einem in der Öffentlichkeit konsequent vertretenen dialektisch-marxistischen Standpunkt verborgen. Für den Dichter keineswegs ein Widerspruch, denn möglicherweise war diese Fixierung, „ein Dichter des Volkes“ zu sein, wie er populistisch (aber auch voller Sympathie) genannt wurde, für Ritsos die Voraussetzung, seine geistigen Experimente und poetischen Phantasien – gleichsam vor aller Augen im Verborgenen – auszuleben: „Eine gute Maske für schwierige Zeiten: der Mythos“.

© Asteris Kutulas

Cover-Photo © by Asteris Kutulas
Jannis Ritsos Film Poster-Foto © by Privatier/Asti Music

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Ich habe meine Begegnungen mit Jannis Ritsos zwischen 1982 und 1989 in meinen Tagebüchern dokumentiert. Asteris Kutulas 

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Jannis Yannis Ritsos "Sag Himmel: Auch wenn keiner ist"
Plakatentwurf für den Film „Sag Himmel: Auch wenn keiner ist“ (Photo by Privatier/Asti Music)

Sag: Himmel. Auch wenn keiner ist – Begegnungen mit Jannis Ritsos

Directed by Joachim Tschirner
Written by Asteris Kutulas & Joachim Tschirner
Music by Mikis Theodorakis

Cinematography by Rainer Schulz | Editing by Karin Schöning | Dramaturgy by Beate Schönfeldt | Production Management by Hans-Christian Johannsen | Sound Mix by Peter Dienst | Graphics by Margot Hoppe | Motion Graphics by Moser&Rosié
Historic footage from the movie „The Document“ by Tassos Lertas
Many thanks to Pantelis Giatzizoglou and Vaso Kostula (Athens)
Produced by DEFA-Studio für Dokumentarfilme (East Berlin)

57 minutes | 35mm | 1984
Premiere: 10.10.1985, 34th International Film Week Mannheim
Original German title: „Sag: Himmel. Auch wenn keiner ist – Begegnungen mit Jannis Ritsos“ 

Jannis Ritsos Film Erstausstrahlung im DDR-Fernsehen (1.Programm): 12. Mai 1985

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Film-Rezensionen

Mannheimer Morgen, 11.10.1985
Bericht über die Internationale Mannheimer Filmwoche
„… Dem Regisseur Joachim Tschirner (DDR) gelingt es ohne falsches Pathos, ohne eine erzwungene ideologische Botschaft, einen Künstler zu porträtieren, der sich zeit seines Lebens dem einfachen Volk der Fischer und Bauern verbunden fühlte und die Leiden der Armen und Erniedrigten in seinen Versen und Zeichnungen umsetzte. Mit Hilfe von alten Photos und historischem Filmmaterial werden die Stationen im Leben von Ritsos aufgezeichnet, dessen Leidensweg in die Verbannung gleichzeitig für die Geschichte des ganzen griechischen Volkes steht … Beeindruckend sind besonders die Gespräche mit dem Künstler in seiner Athener Wohnung, der ohne viel große Worte zu machen eine beseelte Ausstrahlung besitzt. Ein Künstler, der noch mit 75 Jahren seinen Kampf führt, ‚gegen die Verzweiflung und für das Leben'“. 



Rhein-Neckar-Zeitung, 11.10.1985
… Jannis Ritsos ist bei allem engagierten Widerstand und lautstarkem Protest in seinen Werken und seinem Leben ein ruhiger, nach Harmonie strebender Mensch. Der Film über sein Leben trägt diesem Aspekt Rechnung. Tschirner vermeidet Hektik und Unruhe in seinem Porträt. Bei der Zusammenstellung von Interview-Szenen, Dokumentarmaterial und Landschaftsbetrachtung geht er behutsam vor. Für den Menschen Ritsos, dessen Leben sich in der Umgebung und Historie widerspiegelt, nimmt er sich mit langen Einstellungen viel Zeit. Dafür braucht man Mut. So erkennt Tschirner auch, daß der Dichter Ritsos und die Geschichte Griechenlands nicht voneinander zu trennen sind. Die Biografie des Künstlers ist gleichzeitig ein sensibel umgesetztes Porträt seines Heimatlandes.“

Begegnungen mit Jannis Ritsos (Tagebücher 1982-1989)

 

Hellas Filmbox Berlin – Ein Statement

[Ich muss zunächst vorausschicken, dass ich weder Ahnung habe vom griechischen Film noch jemals daran interessiert war, Festivaldirektor zu werden – darum blieb ich es nur für ein Jahr (2015/16), dann übergab ich die Festival-Direktion an Sandra von Ruffin, die eine Mit-Begründerin von Hellas Filmbox Berlin und im ersten Jahr Vize-Festivaldirektorin war. Ich blieb weiterhin als Berater von Hellas Filmbox tätig und war von 2016 bis 2019 auch Creative Director des Festivals. A.K.] 

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas
Plakat Hellas Filmbox 2017 mit Stathis Papadopoulos, fotografiert von DomQuichotte, Creative Director Asteris Kutulas, Art Director Achilleas Gatsopoulos

Hellas Filmbox Idee

Als Ina Kutulas und ich Anfang 2014 den Gedanken hatten, ein griechisches Filmfestival zu gründen, geschah das aus dem Impuls heraus, zu reagieren auf eine für uns unerträgliche, hysterische Situation in Deutschland. Zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg wurde sowohl von einem Großteil der deutschen Medien als auch von deutschen Politikern und Regierungsmitgliedern nicht die Politik eines anderen Landes, wurden nicht bestimmte politische Entscheidungen oder Parteien eines anderen Landes kritisiert, sondern ein Volk insgesamt stigmatisiert. Dieser Zustand der Herabsetzung und Verteufelung „der Griechen“ dauerte von 2010 bis 2015. Wenn man sich die Verlautbarungen der deutschen Medien und der deutschen Politik aus diesen fünf Jahren ansieht, wird man erschlagen vom Tonfall, aber auch von der Denkungsart, die sich mit diesem „Griechen“-Bashing offenbart.

Wir wollten 2014 mit unseren Mitteln als Künstler darauf reagieren und dem etwas entgegensetzen. Wir beschlossen, das Bild eines „realen“ Griechenland – gesehen durch die Augen griechischer Filmemacher – in der deutschen Hauptstadt zu präsentieren. Ein Jahr später, Anfang 2015, war es soweit: Gemeinsam mit einigen Partnern, Kollegen und Freunden gründeten wir zusammen die Deutsch-Griechische Kulturassoziation e.V. – und Ina Kutulas fand den Namen für das Festival: HELLAS FILMBOX BERLIN. Dann, im Januar 2016, die erste Edition von Hellas Filmbox Berlin. Auf dem Höhepunkt des Griechenland-Bashings machten wir eine klare Aussage: „Die Griechen kommen!“ Und noch ein Slogan, der es in sich hatte: „71 Filme in 4 Tagen – Soviel Griechenland hast du noch nie gesehen“! 

Ich schreibe das, um kenntlich zu machen, warum die Voraussetzungen dieses Festivals im Vergleich zu denen der meisten anderen Festivals so unikal sind und weil das erklärt, warum unser Festival so geworden ist, wie es ist.

Hellas Filmbox Marketing

Um unser Ziel zu erreichen, mussten wir unseren Fokus erstens auf die deutsche Presse und zweitens auf das deutsche Publikum richten. Es würde zu weit führen, hier die Kampagne zu umschreiben, die uns zum Ziel führte, ausserdem habe ich das bereits im Artworking Hellas Filmbox-Text umrissen.

Und die andere wichtige Komponente war, dass wir von vornherein unser Festival als „Event“ und eben nicht als ein „traditionelles Filmfestival“ vermarktet haben. Diese Herangehensweise hatte mehrere Konsequenzen:

Punkt 1: Um das deutsche Publikum und die deutsche Presse überhaupt zu erreichen, mussten wir die Filme deutsch untertiteln. So bekamen von den 132 Filmen, die wir bei den ersten beiden Festivals gezeigt haben, 65 Filme deutsche Untertitel. Wer etwas Einblick hat in den Prozess des Übersetzens und des Untertitelns, ahnt, was das für eine Mammutarbeit und was das für eine kulturelle Leistung war (auch für die deutsch-griechischen Beziehungen).

Punkt 2: Wir mussten Ideen für Home-Stories, Bilder und Slogans entwickeln, die eine Chance hatten, von der deutschen Presse als Text und Bild überhaupt wahrgenommen und veröffentlicht zu werden. Auf diesem Feld waren wir so sehr erfolgreich, dass wir schon durch die ca. 250 Presse-Veröffentlichungen bei jedem Festival der ersten drei Jahre zum größten kulturellen Ereignis außerhalb Griechenlands geworden sind. Zusätzlich haben wir tatsächlich erreicht, das negative Image Griechenlands auszugleichen dadurch, dass wir das positive und kreative Griechenland wieder erfahrbar machen konnten, weil wir diesem Griechenland eine starke Präsenz in Deutschland verschaffen konnten. Wir schafften es – vor allem mit Hilfe von Sandra von Ruffin –, dass in der „Bild“, der damals mit 10 Millionen Lesern auflagenstärksten Zeitung Europas, in der Neujahrsausgabe 2015/16 über HELLAS FILMBOX BERLIN geschrieben wurde. Das war die erste positive Berichterstattung über Griechenland in der „Bild“ seit 2010.

Sandra von Ruffing wurde zum „Gesicht“ des Festivals, seine Botschafterin. Es folgten Veröffentlichungen in „Stern“, „Focus“, „Süddeutsche Zeitung“, „Tagesspiegel“, „TAZ“ und anderen Printmedien sowie in vielen Fernseh- und Radio-Sender, bis hin zu einer ganzen Seite in der „Zeit“ unter der Überschrift „Die kleine griechische Berlinale“. Wer von Werbung eine Ahnung hat, weiß, dass wir hier einen Werbe-Effekt für Griechenland und auch für dessen Filmkunst erzielen konnten, der einem mehreren Millionen-Wert entspricht.

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas
Plakatentwurf von Achilleas Gatsopoulos für das erste Hellas Filmbox Berlin im Januar 2016

Punkt 3: Voraussetzung dafür, dass wir unser Ziel erreichen konnten, viele Menschen ins Kino zu holen und den griechischen Film für ein deutsches Publikum attraktiv zu machen, war es, HELLAS FILMBOX BERLIN nicht als Filmfestival, sondern als ein Event zu vermarkten. HELLAS FILMBOX BERLIN – das war 2016 und 2017 ein kulturpolitisches Statement; wenn man so will: eine „kulturelle Unabhängigkeitserklärung von der Tagespolitik“. In der aufgeheizten Atmosphäre und in Anbetracht des sehr gespannten zwischenstaatlichen Verhältnisses von 2015 lautete der Slogan für das erste HELLAS FILMBOX Festival: „71 griechische Filme an 4 Tagen“. Das war eine klare kulturpolitische Message, die Eindruck machte. Denn über „die Griechen“ wurde damals sehr viel gerichtet, ohne dass sie selbst zu Wort kommen konnten. Das kreative Griechenland existierte nicht mehr in der deutschen Berichterstattung. Dieses kreative Griechenland brachten wir durch HELLAS FILMBOX BERLIN in die deutsche Hauptstadt (zurück).

Hellas Filmbox Berlin

Das Projekt HELLAS FILMBOX BERLIN war so erfolgreich, dass im Januar 2018 unser Partnerkino in Berlin, das „Babylon“, als „Warm up“ zu unserem Festival 30 griechische Filme in 70 Screenings gezeigt hat, also einige Filme mehrmals. Das lässt deutlich werden, dass HELLAS FILMBOX BERLIN den griechischen Film so wettbewerbsfähig in Berlin gemacht hat, dass eine deutsche kulturelle Einrichtung auf eigenes Risiko zahlreiche griechische Filme zeigte. So etwas hat es, meines Wissens nach, in diesem Umfang nirgendwo anders gegeben – vor allem, wenn man bedenkt, dass sich dieser Prozess auf der Grundlage des Interesses eines nicht-griechischen Publikums vollzog.

Basis dieses Erfolgs war und ist das Engagement eines passionierten Teams – und zwar eines Teams, das jahrelang ehrenamtlich und ohne finanzielle Einnahmen gearbeitet hat. Das, was an „Honoraren“ gezahlt werden konnte, waren höchstens Unkostenpauschalen.

Dank

An dieser Stelle möchte ich zwei Institutionen und einem Konzern danken, ohne die es HELLAS FILMBOX BERLIN so nicht gegeben hätte. Wir haben natürlich – wie oben schon erwähnt – auch von einer Vielzahl anderer Personen, Firmen und staatlicher Stellen kleinere Beträge und Unterstützung unterschiedlicher Art bekommen, aber ohne die Zuwendungen der Niarchos Foundation, der Bundeszentrale für politische Bildung (für die Übersetzungen) und von Audi City Berlin hätte das Festival nicht als ein Kultur-Event durchgeführt werden können, das überhaupt irgendeine nennenswerte Aufmerksamkeit erzielt hätte. So aber konnte auf dem Gebiet der Kunst ein deutliches Zeichen für die Verständigung der Menschen aus beiden Ländern gesetzt werden. Allerdings … selbst mit dieser Unterstützung durch die Niarchos Foundation, die Bundeszentrale für politische Bildung, Audi etc.  würde das HELLAS FILMBOX BERLIN Festival nicht bestehen, ohne das Kernteam von etwa zwanzig Engagierten – größtenteils Griechen und einige Deutsche –, ein Team, das Herz und Seele dieses Festivals war und ist. Ihnen gilt mein Dank und mein Respekt.

Asteris Kutulas, 27.1.2018

(Asteris Kutulas initiierte 2014 zusammen mit Ina Kutulas das erste griechische Filmfestival in der deutschen Hauptstadt. 2015 gründete er zusammen mit Ina Kutulas und Sandra von Ruffin Hellas Filmbox Berlin und war Festivaldirektor der 1. Edition im Januar 2016. Von 2015 bis 2019 war er Creative Director des Festivals.) 

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas

 

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas
Artwork Hellas Filmbox 2018, mit Sandra von Ruffin & Friedrich Liechtenstein, fotografiert von DomQuichotte & Achilleas Gatsopoulos, Kostüme Heike Hartmann & Annabell Johannes, Art Director Achilleas Gatsopoulos, Creative Director Asteris Kutulas

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas

 

 

 

Recycling Medea – Film-Rezensionen & Kritiken

Recycling Medea | A film by Asteris Kutulas | Music by Mikis Theodorakis | Choreography by Renato Zanella | Written by Asteris & Ina Kutulas | With Maria Kousouni as Medea 

Süddeutsche Zeitung

… Asteris Kutulas hat einen Film über die Krise gedreht, über die Proteste und die Geschichte Medeas, der Kindermörderin im antiken Mythos. Es ist aber kein Dokumentarfilm geworden, sondern eher ein filmischer Essay, eine bildgewaltige Collage, die Protestmärsche und eine Ballettinszenierung der Medea zusammenspannt. Mit erschütterndem Effekt, denn die Präsenz der Primaballerina Maria Kousouni, kombiniert mit den brennenden Strassen Athens, erweist sich als geschickter Kunstgriff mit den entsprechendem Pathos. Und dann ist da noch Mikis Theodorakis, der Komponist, der hier nicht als Urheber des Soundtracks stumm bleibt, sondern auch zu Wort kommt: “Wenn ich heute jung wäre, würden sie mich auch einen Terroristen nennen”, sagt er …
Andreas Thamm, 15.11.2013

cinetastic.de

… Keinen „Opern-Ballett-Film“ habe er drehen wollen, hat Regisseur Asteris Kutulas mit Blick auf die rebellische Haltung seines Essays gesagt. Aber zum Glück ist das nicht die volle Wahrheit. „Recycling Medea“ ist ein Fest für die Sinne, also in gewissem Sinne eben doch auch ein Opern-Ballett-Film. Getragen wird er von der für Theodorakis charakteristischen, wuchtigen Orchestermusik, den lyrischen Gesangsstimmen, der ausdruckstarken Primaballerina Maria Kousouni und den verzauberten Landschaftsszenen mit der „Unschuld“, die ein wenig an die filmische Naturpoesie eines Terrence Malick erinnern. Trotz seiner bewusst modernen Interpretation schlägt „Recycling Medea“ zeitlos-tragische Töne an. Sehr zu seinem Vorteil verlässt sich der Film auf die nie endgültig ausdeutbare Substanz seines Stoffes, der seit mehr als 2000 Jahren Künstler aus allen Gattungen herausgefordert hat.
… Kaum jemand hat bisher so konsequent aus der Sicht der Kinder erzählt, die den Konflikt ihrer Eltern ausbaden müssen, und zwar auf die denkbar grausamste Weise. Wer hat je der Opfer gedacht, wenn er im Theater über die Motive der rasenden Ehefrau rätselte? Wer hat sich vorgestellt, welche Zukunft sie hätten haben können? Welche Träume sie verwirklichen wollten? Die Leerstelle ist nun gefüllt, auf eine ebenso vielschichtige wie eindringliche Weise.
Peter Gutting, 14.9.2021
cinetastic.de

RECYCLING MEDEA | Liebe, Eifersucht, Mord. Verstörende Schönheit, rebellierende Jugendliche, Tanz und Musik. Ein Ballett-Film.

SWR Fernsehen

Recycling Medea ist ein faszinierendes Filmdokument! Eine Film-Collage, die in großartiger Weise die Musik von Mikis Theodorakis, die Ballett-Choreographie von Renato Zanella mit der Krisensituation in Griechenland verbindet. Der Filmessay von Asteris Kutulas überträgt die Geschichte Medeas, der Kindermörderin aus der Tragödie von Euripides vom Jahr 431 vor Christus, auf die heutige Krise in Griechenland als bildgewaltige Collage: Medea rächt sich für die Ungerechtigkeit, die ihr widerfuhr, indem sie ihre Kinder tötet. Zwischen den perspektivlosen Jugendlichen und der Polizei in Athen kommt es zu dramatischen Auseinandersetzungen auf den Straßen. Die Frustration der “verlorenen Generation” trifft auf Polizeigewalt. Verrät der Staat seine Jugend? Und wie rächt sich diese? Der Film hat neben seiner künstlerischen Dimension auch eine “tagespolitische Brisanz”.
SWR, 18.3.2015

FAZ (Premierenkritik)

… Die Schlüsselszene des Balletts ist auch die des gesamten Films, sie ist seine Quintessenz: Jason verstösst Medea, weil er eine Andere heiraten wird. Ein «Wertewandel», der uneingeschränkte Freiheit verlangt. «Wenn du frei sein willst,» prohezeit ihm da Medea, «wirst du deine Kinder verlieren.»

Maria Kousouni, die Primaballerina, ist Athenerin und eine grossartige, eine phantastische Medea. Renato Zanella, dessen meisterliche Choreographien in der Vergangenheit schon in Stuttgart, Berlin und besonders in Wien zu bewundern waren, beherrscht mit seinem Ensemble Kutulas’ Film… Hineingeschnitten in den strengen Totentanz Zanellas haben Kutulas und seine Cutterin Babette Rosenbaum harsche Szenen vom physischen Einsatz der griechischen Jugend gegen die Regierungspolitik. In schwarz-weiss gefilmten dokumentarischen Sequenzen, in denen nur bisweilen das Orange der brennenden Strassen aufleuchtet, lässt Kutulas sie gegen die Staatsmacht ziehen. Es ist dies ein anderes Ballett: Das der trampelnden Polizeistiefel, der leichtfüssigen Turnschuhläufer und das der zu Boden schlagenden, verletzten menschlichen Körper.

Kutulas’ Leistung, die seiner Equipe, ist das nahtlose Zusammenfügen dieser Tanz- und Strassenszenen. Das nahezu wortlose, von Theodorakis’ kraftvoller Musik getragene Erzählen der Geschichte der leidenden Mörderin, das ins Bild gesetzte Auftauchen Medeas aus ihrer grässlichen Vergangenheit, das Hineingeraten des Zuschauers in die scheussliche Gegenwart des alltäglichen Generationenkrieges vor der blendenden Fassade des Parlamentsgebäudes am Syntagma-PLatz …

1.200 Zuschauer, die meisten junge Menschen, waren zur Filmpremiere in das Athener «Theater Badminton» gekommen. Ein gewaltiger Erfolg insofern, als diese Weltpremiere weitgehend ohne Ankündigung, ohne Reklame auskommen musste: Das staatliche Fernseh- und Radioprogramm ERT, das als Werbeträger vorgesehen war, hatte – auf Anweisung der Regierung – mehr als eine Woche zuvor sein Programm eingestellt. Begeistert feierte dieses Publikum nicht nur Kutulas und seine Tänzer, sondern vor allem den greisen Theodorakis, den Helfer in einem Rollstuhl ins Theater geschoben hatten. In eine der wüsten Kampfszenen des Films hineingeschnitten, lässt der 53 Jahre alte Regisseur den 87 Jahre alten Komponisten seufzen : «Wäre ich heute jung, dann würden sie auch mich einen Terroristen nennen.»

Was ist das nun für ein Werk ? Ein Musik- oder ein Ballett-Film? Ein politischer oder ein Dokumentarfilm? Er sei all das und doch nichts von alledem sagt der Regisseur. Doch es ist in dem von ihm gewählten Kontext wohl in erster Linie ein politischer Film …
Hansgeorg Hermann, 4.7.2013
Frankfurter Allgemeine Zeitung

artechock.de

Recycling Medea ist eine Verschmel­zung des klas­si­schen und modernen Tanzes mit aktuellen Bildern von jungen, gegen die Spar­maß­nahmen protes­tie­renden Menschen. »Grie­chen­land mordet seine Jugend, indem es deren Zukunft zerstört«, so die Beschrei­bung des kraftvollen Film­ex­pe­ri­ments … Aus der asso­zia­tiven und von der Musik gelei­teten Montage von Tanz­auf­nahmen mit Bildern von zarten und zornigen Jugend­li­chen entsteht eine filmische, iden­ti­täts­stif­tende National-Hymne über die Ereig­nisse der heutigen Zeit, die in der Krise den Mythos neu erzählt.
Dunja Bialas, 14.11.2013
www.artechock.de

Recycling Medea by Asteris Kutulas & Mikis Theodorakis
Plakatentwurf von Apostolos Tziovaras mit der Tänzerin Maria Kousouni (Photo © by Stefanos Kyriakopoulos) 

plärrer

Die Gesellschaft: dieses machthungrige, seine Kinder mordende Wesen. In diesem Falle Griechenland. Asteris Kutulas sah in Athen vor zwei Jahren die “Medea”-Choreographie von Renato Zanella, Chef des Athener Nationalballetts. Sie inspirierte ihn zu diesem filmischen Experiment, dass er sehr wohl auch als aktuelle Spiegelung der griechischen Verhältnisse versteht: Medea als tragische Figur, die sich mörderisch für den Verrat des Geliebten – aus Habgier und Geltungssucht begangen – rächt. Die großartige Primaballerina Maria Kousouni verkörpert in Zanellas “Medea” die Titelfigur, und sie ist wesentlicher Teil dieses Films, der eigentlich zwei Choreographien zeigt: die künstlerische und die spontane. Kutulas kontrapunktiert nämlich die getanzten Szenen immer wieder mit Aufnahmen von griechischen Jugendlichen bei Protestaktionen wider den Staat, der ihnen die Zukunft geraubt hat …
J.S., 12/2013
plärrer, Nürnberg

Junge Welt

»Recycling Medea« ist ein aufwühlender Film über die kindermordende Gesellschaft von heute… »Der Medea-Film«, sagt Theodorakis, »ist für mich ein griechisches Kunstwerk«. Das stimmt. Und weil es griechisch ist, erzählt es – in großer Manier – vom Ursprung. Von uns allen.
Junge Welt, 27.06.2013 (Feuilleton)

tanznetz.de

Asteris Kutulas Filmgedicht „Recycling Medea“ entwirft konsequent aus dem Blickwinkel der verlorenen Kinder kühne, manchmal kryptische Assoziationsketten. Interagierend mit einer hochkarätig emotionalen Opern-Einspielung führt die Regie die griechische Tragödie (431.v.Chr.) Vers für Vers metaphorisch mit der aktuellen Tragödie Griechenlands und der verlorenen Generationen von Heute zusammen.
Regisseur Kutulas montiert – bestechend in Kameraführung und Bildschnitt − den antiken Mythos im „Ballett als Bühnenstück“ mit dem „Ballett der Straße“ und kreiert durch diese Collage eine völlig andere Art Opern-Ballett-Dokumentar-Kunst-Film …

Doch Kutulas Film dokumentiert nicht das Bühnenstück, sondern konzentriert sich in mehrfachen, teils rätselhaften Brechungen auf die getanzte Tragödie Medeas im Angesicht der Straße mit vermummten Jugendlichen, bewaffneten Hundertschaften und brennenden Autos. Die Zeit der Unschuld ist vorbei. „Recycling Medea“ beleuchtet mehrschichtig Zeiten des Widerstandes, des Schuldigwerdens, der Perspektivlosigkeit. Text- und Bildfragmente (inspiriert von Lars von Trier, Pasolini, Carlos Saura, Theo Angelopoulus u. a.) eröffnen Gedankenräume. 

Die epische Erzählweise wird bis in die Typografie betont; gegen die Härte der Euripides-Zitate sind comic-Zeichen gesetzt. Auch die überraschend interpolierte Zitat-Ebene der 15 Jährigen blonden „Unschuld“ – Bellas innerer Monolog sind authentische Zitate aus dem Tagebuch der Anne Frank 1943/44 – konturiert eine plakative Yellow-press Schönheit als Vision ohne Zukunft …
Zeitübergreifend katapultiert Kutulas´ melancholisches Epos „Recycling Medea“ unterschwellig Grundfragen der menschlichen Schuld der Elterngeneration in die Gegenwart.
Karin Schmidt-Feister, 18.1.2014
www.tanznetz.de

Recycling Medea by Asteris Kutulas & Mikis Theodorakis
Filmstill aus „Recycling Medea“

prinz.de

In seinem ungewöhnlichen Film zieht der Regisseur Asteris Kutulas überraschende Parallelen zwischen einer klassischen griechischen Tragödie und der gesellschaftlichen Tragödie des heutigen Griechenlands. Durch die Kombination aus expressivem Tanz, der zutiefst bewegenden und überaus dynamischen „Medea“-Opernmusik von Mikis Theodorakis und aktuellen Filmaufnahmen von dramatischen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Polizisten in den Straßen Athens, sowie die Einführung weiterer inhaltlicher Ebenen ist eine Filmcollage entstanden, die nicht nur aufgrund ihrer inhaltlichen Komplexität dazu einlädt, den Film wiederholt sehen zu wollen, sondern es ist vor allem die intensive Emotionalität, die bereits viele Zuschauer begeisterte. Für einen Opern-Ballett-Film ist das außerordentlich. Der Regisseur bezeichnete RECYCLING MEDEA allerdings von vornherein als “not an opera ballet film”. RECYCLING MEDEAein faszinierendes Filmdokument, das die Trostlosigkeit einer Gesellschaft reflektiert, die ihre Kinder zu dem gemacht hat, was sie doch niemals werden sollte: die Verlorene Generation.
prinz.de, 01/2014

Provokantes Opus …

Auf der Basis der »Medea«-Choreographie von Renato Zanella, Chef des Athener Nationalballetts, realisierte Asteris Kutulas einen herben Kontrast: getanzte Kunst in Analogie mit der spontanen Choreographie auf der Straße. Junge Griechen, die bei Demonstrationen in Athen wider die Phalanx der staatlichen Ordnungskräfte anrannten – aus Wut über den Verrat an ihrer Zukunft. Mit schier unglaublicher Präsenz und Ausdrucksfähigkeit verkörpert in dem visuell starken Film die Tänzerin und Primaballerina Maria Kousouni die Rache-Elegie der betrogenen Medea und von Mikis Theodorakis stammt die emotionsgeladene Ballettmusik auf der Basis seiner Oper “Medea” nach Euripides…
Plärrer, 01/2014

Berliner Morgenpost

Asteris Kutulas verarbeitet die Krise in seiner Heimat mit einem poetischen Film, der Straßenkämpfe der Jugend mit dem Mythos der Kindermörderin Medea vereint.
Medea windet sich tanzend zur Musik von Mikis Theodorakis. Die mythische Figur ringt verzweifelt mit der Entscheidung, ihre Kinder aus Rache an ihrem untreuen Ehemann zu töten. Schnitt. Tränengas zieht durch das Zentrum Athens. Junge Leute schleudern Brandbomben. Polizisten hinter Schilden. Schnitt. Ein junges elfenhaftes Mädchen auf grünen Wiesen. Die verlorene Unschuld. So wie die Wiege der europäischen Zivilisation in der aktuellen Krise seine Unschuld verloren hat. Die Lage in Griechenland hat Asteris Kutulas zu diesen Bildern inspiriert … Das Resultat dieser Erfahrungen ist kein Spielfilm, kein Ballettfilm und kein Polit-Streifen. Eher eine poetische Collage, ein 76-minütiger Video-Clip …
Joachim Fahrun, 18.1.2014
Berliner Morgenpost

Medeas Schultern

… Der Film zeigt das Medea-Ballett mit der Musik von Mikis Theodorakis und der Choreographie von Renato Zanella. Kampfszenen aus dem heutigen Griechenland zwischen Demonstranten und Polizei sind dazwischen montiert. Der Anne-Frank-Mythos wird eingearbeitet. Das Staatliche Akademische Orchester und der Chor St. Petersburg spielen und singen. Theodorakis dirigiert. Es ist eine gewaltige, eine hinreißende Musik. Kutulas zeigt, wie sich die Tänzer schminken, zeigt den Choreographen, wie er mit den Tänzern arbeitet und wie er seine Intentionen erläutert. Die Musik trägt den Film, wirbelt ihn in virtuelle Höhen und Tiefen. Und, ich scheue mich nicht zu sagen, auch die Schultern der Primaballerina Maria Kousouni tragen den Film. Es sind Schultern von unglaublicher Kraft, Militanz und Verletzbarkeit, Schultern von großem Glanz. Sie symbolisieren die Abgründe des Medea-Mythos und die Wucht, die leidenschaftliche Frauen in die Waagschale zu werfen haben. Das muss man gesehen haben.
Kopkas Tagebuch, Movie Star, 19.1.2014
kopkastagebuch.wordpress.com

Recycling Medea by Asteris Kutulas & Mikis Theodorakis
Plakatentwurf von Apostolos Tziovaras mit Andre Hennicke und Bella Oelmann (Photo © by Ina Kutulas) 

Abendzeitung München (AZ)

Recycling Medea ist ein Filmexperiment … : Die klassische Tragödie um die Zauberin Medea wird verarbeitet, die ihre Heimat verlässt für einen Mann, der untreu wird, woraufhin sie mordet. Durch Verschmelzung von klassischem Ballett, modernem Tanz und aktuellen Bildern vom Zorn junger Menschen in Griechenland entsteht ein künstlerisches Zeitporträt von Griechenland heute.
Abendzeitung München, 1.2.2014

der Freitag

Jede Generation schafft sich ihre eigene Medea. Die Medea meiner Jugend war ein Monument gegen Duldsamkeit. In “Recycling Medea”, einem Film von Asteris Kutulas, vertritt die Ungehaltene Griechenland. Medea ist aber die berühmteste Ausländerin der Weltliteratur, sie folgt Iason und seinen Argonauten aus einem Barbarenreich (in Sicht der Griechen) am Schwarzen Meer nach Iolkos. Da lässt sie sich zur Tänzerin ausbilden: in Kutulas’ Lesart des Mythos. Recycling Medea verschränkt Proben- und Premierenstimmungen einer klassischen Verwandlung des Dramas in Bewegung mit Straßenkampfszenen.

… Jeder wird Recycling Medea als Kommentar zur griechischen Krise deuten. Doch der Film ertrinkt in seinen Bildern. Seine Aspekte erscheinen zunehmend disparat. Collage, Montage. Filmgedicht. Das Kino als Mobile – ich suche ein Wort, das meine Eindrücke rettet. Ich halte mich an Zanella und seine Compagnie. Ich sehe Mythos und Arbeit. Die Frauen gebären “gegen den Anmarsch der Würmer” (Heiner Müller). Medea, “die Kennerin der Gifte”, kriegt spitz, dass ihr Iason zu Glauke geht. Sie leuchtet der Tochter des Kreon heim, wie dann auch allen anderen. Das ist ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der ganz bestimmt kein betäubter Wille steht.
Jamal Tuschick, 20.01.2014
der Freitag

Neues Deutschland

… „Recycling Medea“ beleuchtet mehrschichtig Zeiten des Widerstandes, des Schuldigwerdens, der Perspektivlosigkeit. Die Kinder sind tot, das Land stirbt. Theodorakis mit Gasmaske unter den Demonstranten. Medea schaut in die erleuchteten Theaterränge. Ein Vermummter blickt in die Kamera. Kunst und Realität greifen ineinander. Asteris und Ina Kutulas widmen ihren zeitenübergreifenden melancholischen Film „den Eltern, die ihre Träume verloren haben und der verratenen Jugend, die um ihre Zukunft kämpft.“
Neues Deutschland, 18.01.2014

artechock.de

Manchmal braucht es ein paar Abstrak­ti­ons­ebenen mehr als Geschichts­bücher und Nach­richten, um Ereig­nisse, aktuelle wie histo­ri­sche, annähernd zu begreifen. Mutige Expe­ri­mente der Filmkunst wie “Recycling Medea” nehmen den Zuschauer mit auf solche Ebenen. “Recycling Medea” ist eine multi­me­diale drama­ti­sche Moritat von der Jugend Grie­chen­lands, die die Gesell­schaft im Zuge der Finan­z­krise um ihre Zukunft bringt, wie es Medea in der grie­chi­schen Mytho­logie mit ihren Kindern gemacht hat.
Natascha Gerold, 23.01.2014
www.artechock.de

Sächsische Zeitung

Kunstvolles und Authentisches paart „Recycling Medea“. Der griechische Regisseur Asteris Kutulas, dessen Lebenswege eine Zeit lang gleichsam durch Dresden führten, erschuf einen Hybrid aus Dokumenten, Spiel- und Musikfilm sowie politischer Reportage. Durch die Kombination aus expressivem Tanz, „Medea“-Opernmusik von Mikis Theodorakis, Statements sowie aktuellen Aufnahmen von Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Polizisten in den Straßen Athens, zeigt er überraschende Parallelen zwischen einer klassischen griechischen Tragödie und der gesellschaftlichen Tragödie des heutigen Griechenlands.
MkF, 21.5.2015
Sächsische Zeitung

Unsere Zeit

Kutulas’ 2014 fertiggestellter Beitrag „Recycling Medea“ ist ein politisch-künstlerischer Filmessay über die griechische Krise. Er verschränkt den Probenprozess 2012 für das „Medea“-Ballett (Choreographie: Renato Zanella, Primaballerina: Maria Kousouni) mit den heftigen Polizeieinsätzen gegen massive Troika-Proteste in Athen. In der Zeit dieses „abfärbenden“ Erarbeitungsprozesses für die Bühne hatte sich der Komponist im Rollstuhl an die Seite der Demonstranten bringen und schützen lassen. Trotz der damals übergestülpten Gasmaske leidet er bis heute an den Verletzungen durch Tränengas.
Hilmar Franz, 14.8.2015
UZ

Recycling Medea Plakat von Asteris Kutulas
Plakatentwurf von Apostolos Tziovaras mit Bella Oelmann (Photo © by Ina Kutulas) 

Theodorakis, Kutulas und die recycelte Medea

… Es wird still im Publikum, als Asteris Kutulas beeindruckender Film auf die Leinwand geworfen wird. „[E]ine bildgewaltige Collage, die Protestmärsche und eine Ballettinsszenierung der Medea zusammenspannt. Mit erschütterndem Effekt […]“, schrieb Andreas Thamm 2013 in der Süddeutschen Zeitung. Dem möchte ich mich anschließen: Chaos, Krise, Kunst, Medea – und dazu Theodorakis, der einen musikalischen Feuerreigen als Soundtrack geliefert hat, und immer wieder Teil des Filmgeschehens wird. Überwältigt, nachdenklich und ein bisschen ratlos stapfe ich durch die Göttinger Kälte nach hause. Es ist mittlerweile 22 Uhr…

Dennis M. Dellschow, 11.12.2015
Göttinger Kulturbüro

Recycling Medea by Asteris Kutulas & Mikis Theodorakis
Rehearsal Medea ballet with Maria Kousouni, Danilo Zeka & Mikis Theodorakis (Photo © by Asteris Kutulas)

berührend  + faszinierend

… Es ist wirklich ein sehr schöner Film geworden. Es war keinen Moment zu lang oder langweilig. Auch die verschiedenen Situationen waren wunderbar aufgeteilt. Und auch die großartige Primaballerina schaffte es, mit sehr klassischem Tanzvokabular diese schwierige Rolle der Medea glaubhaft rüberzubringen!!! Auch das junge Mädchen als die Unschuldige war sehr berührend + faszinierend. 
Ich kann Ihnen nur wünschen, dass dieser Film viel gesehen wird.

Susanne Linke (Tänzerin & Choreografin), 2014

Recycling Medea Asteris Kutulas
Photo © by Bill Bilias

… wenn die Schönheit verschwindet

Dieser Film könnte als Ergebnis eines idealen wechselseitigen künstlerischen Befruchtung verschiedener Generationen und verschiedener Talente aus den Bereichen Theater, Musik, Tanz und Film gelten.

Es war nämlich Euripides, ein Gigant der Sprachkunst und des Theaters,  der “Medea” schrieb. Nur als Autor solchen Ranges konnte er damals so ein Werk verfassen, ohne gesteinigt zu werden. Auf der Text-Grundlage von Euripides’ “Medea” komponierte Mikis Theodorakis eine dem Theaterwerk ebenbürtige lyrischeTragödie.

Das Wirken dieser beiden Koryphäen war die Basis für das Wirken der Jüngeren. Der Choreograph Renato Zanella interpretiert Theodorakis’ lyrische “Medea”-Tragödie mit seinem Ballett und die fantastische Tänzerin Maria Kousouni tut dies in der Rolle der Medea. Der Regisseur Asteris Kutulas, durchdrungen von einer besonderen Art der Sensibilität, bringt diese Tragödie ins Kino. Er verleiht ihr durch seine filmische Umsetzung eine tiefere gesellschaftliche und politische Dimension.

Der Film von Asteris Kutulas wird seinen Weg nehmen durch die Äonen, zusammen mit Euripides, Theodorakis, Zanella, Maria Kousouni und der Sopranistin Emilia Titarenko. Immer dann, wenn die Überheblichkeit der Mächtigen den Menschen an sich und die Völker erniedrigt, immer dann, wenn die Schönheit verschwindet und die Größe des Individuums schrumpft, werden die Menschen zu diesem Film greifen und ihn sich ansehen, um ihre Schönheit und ihre Größe wiederzuerlangen.

Nikos Tzimas, Regisseur
Athen, Januar 2014

Recycling Medea Asteris Kutulas
Photo © by Stefanos Kyriakopoulos

diastixo.gr: „Auf den Punkt gebracht“ von Ioanna Karatzaferi

In der griechischen Geschichte − wie sie uns in der Schule gelehrt wurde, und auf dem Gebiet der Dramaturgie, was meine Erfahrung als Theater-Gängerin anbelangt − gibt es keine andere „Medea“ vor und nach der von Euripides, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht. Vielleicht hat diese Tragödie das Wort “Kindsmörderin” überhaupt erst hervorgebracht. Diese Kindsmörderin ist keine Griechin, sondern eine Frau aus Kolchis, im antiken Verständnis Barbaren-Land, Tochter eines Königs, die sich mit ihrem Mann Jason und den beiden gemeinsamen Kindern in seiner Heimat Korinth niederlässt. Der Mythos ist bekannt und dessen mögliche Interpretationen sind unterschiedliche. Euripides‘ vorherrschendes Interesse ist das für die Probleme und die Situation einer Frau in einer von Männern beherrschten Welt.

Als ich den Film “Recycling Medea” sah, fühlte ich die Zeit − oder besser die zeitlose Geschichte – sich zuspitzen und in einem Punkt kulminieren. Ich fühlte die Gewalt, die sich ereignete in der Vergangenheit, und die Gewalt, die sich ereignet in der Gegenwart, zu einem Stream werden und in einem Punkt konzentrieren.
Es geht in „Recycling Medea“ um einen neuartigen Entwurf der Synthese der Künste: der Sprache – obwohl im Film kaum gesprochen wird −, der Musik, der Bewegung.

Die Symbolismen könnte man für beliebige halten; wenn wir aber die Erde als Mutter Erde bezeichnen und dementsprechend das Land, in dem wir geboren wurden, als Mutter Heimat und wenn wir ihr in ihrer Eigenschaft als Mutter wegen der Kriege, in die sie uns stürzt, wegen der Konflikte, wegen der Auseinandersetzungen, wenn wir dieser Mutter Heimat ob ihrer Verantwortungslosigkeit vorwerfen können, dass sie ihre Kinder tötet, dann offenbaren die dokumentarischen Filmaufnahmen, dass die Schlüsselaussagen des Films die Situation des Landes auf den Punkt bringen. Im Film gibt es keine gesprochenen Dialoge. Was man erlebt, das sind die Filmbilder, die Musik, der Tanz. Der Soundtrack des Films − die „Medea“-Musik von Mikis Theodorakis für die gleichnamige Oper − wurde von der Staatskapelle St. Petersburg eingespielt. Jede Note wird zu einer Bewegung; eine untrennbare Einheit.

Die Fingerkuppen der unsichtbaren Musiker − die die Instrumente berühren, um den Klang zu erzeugen − und die Zehenspitzen der sichtbaren Tänzer, sie verbinden sich in ihrer Dynamik, sie wirken zusammen und ergeben ein hochenergetisches Ganzes. Die sichtbare Identifikation der Primaballerina Maria Kousouni mit der Medea-Rolle und die Musik – diese Bilder sind so intensiv und packend, dass das nicht nur Bewunderung auslöst, sondern auch einen inneren Schmerz.

Das Ergreifende der filmischen Bilder und der Musik, sie werden punktuell immer wieder konterkariert von den Szenen des Aufruhrs, der Gewalt, die sich auf den Straßen abspielen. Zeugnisse der konfliktreichen Situation, in der die Bürger leben, die sich gegen die aufgezwungene Sparpolitik erheben, gegen die Macht, die einige ihrer Kinder gegen andere Kinder aufhetzt, Bürger, denen Mikis Theodorakis, wie wir im Film sehen, beisteht. Kutulas‘ Montage-Methode avanciert regelrecht zu einem neuen Regieprinzip, um immer dann, wenn die Dramatik einen Höhepunkt erreicht, einen Moment der Entspannung folgen zu lassen, damit die Zuschauer durchatmen können und dem Film weiter folgen werden, bis zum Schluss dieses ergreifenden / packenden Werks.

Der Film wurde im Apollo-Theater – auch La Piccola Scala genannt − in Ermoupoli auf der Insel Syros gedreht. Auf der Bühne vereinigt Renato Zanella durch seine Choreografie Zeit, Musik, Bewegung, Gefühle, Liebe, Hass, Leben und Tod. Es entsteht eine Zeitbrücke, die herüberreicht aus dem Jahr 431 v. Chr., als „Medea“ von Euripides zum ersten Mal präsentiert wurde, ins Jetzt, nach 2014, wo die „Medea“ von Asteris Kutulas erscheint, die das Konfliktpotenzial von Aufstand und Unterdrückung vor Augen führt.

Dieses grandiose Erleben von Bild, Ton, Farbe und Bewegung, (das durch Worte nicht wiedergegeben werden kann − wie der Geschmack von bitter oder süß, der sich nur durch die tatsächliche sinnliche Erfahrung vermittelt), dieses Gesamterlebnis erzeugt Gefühle, Gedanken und Erwartungen, die ungeheuer packend sind. Dieses Werk markiert eine Wende im Bereich der Ausdrucksmöglichkeiten der Künste und des Kinos, das auch die „siebente Kunst“ genannt wird. Einer der seltenen Augenblicke in meinem Leben, da ich mich tatsächlich sehr glücklich schätze.

Ioanna Karatzaferi, 25.6.2014
diastixo.gr

Recycling Medea by Mikis Theodorakis & Asteris Kutulas

Film der Gegensätze

… Es handelt sich um einen sehr eigenen, besonderen Film, der sich nicht einem der gängigen Filmgenres zuordnen lässt, sondern vielmehr einer dreifachen nicht-linearen Narration folgt, einer narrativen Struktur der Choreographie, der Musik und der Einbindung dokumentarischer Momentaufnahmen, die uns aus der hochästhetischen Welt der Kunst immer wieder in die harte und gewaltsame Realität zurückversetzen, wie sie heute auf den Straßen von Athen in Kameraaufnahmen festgehalten wird.

Der Film ist eine Collage von Szenen, die nicht allein sowohl die urbane Landschaft als auch die Natur, sondern ebenso die Ästhetik des Tanzes und der Musik einzufangen vermögen. Ein Film der Gegensätze, der die Paradoxa und das Erodierende der griechischen Realität widerspiegelt und aufgrund seiner besonderen Ästhetik und der Fragen, die er aufwirft, nur als Kunstfilm bezeichnet werden kann; ein Film, der das Publikum mit Fragen konfrontiert, und dabei überhaupt nicht didaktisch ist …

Eva Kekou, Kuratorin & Kunsthistorikerin, 2016

Recycling Medea | A film by Asteris Kutulas | Music by Mikis Theodorakis | Choreography by Renato Zanella | Written by Asteris & Ina Kutulas | With Maria Kousouni as Medea 

Im Papiland mit Johannes Jansen & Frank Lanzendörfer

Johannes & flanzendörfer

Während der Vorbereitungen zur Produktion des 1. Bandes des Zeitschriftenprojekts „Bizarre Städte“ brachte Johannes Jansen seinen Freund Frank Lanzendörfer 1987 zu uns nach Pankow. Lanzendörfer hatte die Idee zu einem sehr ungewöhnlichen, im Grunde autobiografischen Text, der sich u.a. mit dem Umstand befassen sollte, dass es von ihm gar keine Fotos aus der Kindheit gab. Er wusste also nicht, wie er als Kind ausgesehen hatte. Ich fand seine Idee auf Anhieb großartig und bot ihm an, dafür die Möglichkeiten meines Atari-Computers zu nutzen und wann immer er wolle, zu kommen und daran bei uns zu arbeiten.  

Ich erinnere mich, dass Lanzendörfer bei dieser, unserer ersten Begegnung ein rotes, weißgepunktetes Halstuch trug. Er reagierte, kaum in unsere Küche eingetreten, sehr allergisch auf das dudelnde Radio und forderte mich auf, es sofort auszuschalten. Später fiel noch der Satz, er stamme von Zigeunern ab. Schon während dieser ersten Begegnung beeindruckte mich sein „flüchtiges Wesen“. Er besuchte mich noch ein paar mal, wir trafen uns manchmal auf der Straße oder bei Lesungen, manchmal auch auf U-Bahnhöfen, vor allem auf U-Bahnhöfen – doch am „wirklichsten“ erschien er mir in seinen Texten.

ich treffe niemand
niemand sagt mir:
niemand zu hause
also gehe ich
&
niemand ist da
öffnet die tür
& ich
setze mich zu niemand
& sitze
sagt niemand zu mir:
  geh, keiner da
  bleibe, sagt keiner
ich gehe

Für „Bizarre Städte“ schrieb er das „autobiografische Poem“  GARUNA, ICH BIN!, ein großartiger Wurf, der mir allerdings die meiste Kritik einbrachte, wenn es um den 1.Band ging – mit einigen wenigen Ausnahmen. Lanzendörfer arbeitete nicht nur verläßlich, es machte ihm sichtlich Spaß, einen Auftrag auszuführen, der ihm freie Hand ließ, sich so auszudrücken, wie er es wollte. So saß er tagelang an meinem Computer bei mir zu Hause in Pankow und schrieb, druckte aus, malte, collagierte … Ich hatte ihn um einen zehnseitigen Text gebeten, bekam von ihm aber eine 28seitige Collage im Din-A4-Format – bestehend aus Fotos, Grafiken, Schrift, verschiedenen Texten und Gedichten –, die mich so sehr überzeugte, daß ich sie so, wie sie war, xerokopierte und in den 1.Band aufnahm.

Frank Lanzendörfer Asteris Kutulas Bizarre Städte
Eine Seite aus flanzendörfers Autobiographie „Garuna, ich bin“, die er für Bizarre Städte, Band 1, 1987 geschaffen hatte

Frank Lanzendörfer

… nannte sich flanzendörfer, wahrscheinlich um seine Verwandtschaft mit pflanzlichen und dörflichen Existenzen zu assoziieren, und gehörte zu den wenigen, die ich kannte, für die Schreiben nichts anderes war, als eine zum Extrem verbogene Lebensform.

Lanzendörfers Collage aus Texten, Fotos, Grafiken und Überarbeitungen mit dem Titel GARUNA, ICH BIN war die Autobiographie eines anonymen ICH, so unentschieden zwischen Lanzendörfer und flanzendörfer, dass der Autor mit drei Kreuzen unterschrieb.

Lanzendörfer litt nicht nur an seinem Einzelgängertum sondern auch an der ihn umgebenden Vormundschaft – durch Freunde und Feinde. Im Mai 1988 kam es in meiner Pankower Wohnung zu einer Begegnung der dritten Art, als zwei Stasileute plötzlich bei mir auftauchten und Lanzendörfer, der gerade bei mir zu Besuch war, augenzwinkernd grüßten: „Ach, Herr Lanzendörfer, Guten Tag!“ Woraufhin ich verdutzt fragte: „Sie kennen sich?“ Der jüngere erwiderte: „Kennen, ist gut gesagt! Was, Herr Lanzendörfer! Ich dachte, Sie sind schon längst weg!“ – und spielte damit auf einen längst zurückgezogenen Ausreiseantrag Lanzendörfers an. Die beiden Stasileute wurden unsicher, wie immer, wenn ihnen die konspirative Grundlage genommen war: Ich schwieg, da ich nichts von ihnen wollte, Lanzendörfer saß stumm kippelnd auf einem Stuhl, diese Stummheit dem Raum regelrecht aufzwingend. Nach etwa fünf Minuten einer immer unerträglicheren Stille standen die beiden Stasileute auf und gingen fort.

Diesen Terror der Stille – wie ich es nennen würde – kultivierte Lanzendörfer geradezu, ja diese Art des „Terrors“ gehörte zu den beliebten „Instrumenten“, derer er sich bediente, um sich Spannung in den sonst für ihn langweiligen und trostlosen Augenblick zu holen; ähnliche Szenen, in ganz anderen Zusammenhängen, erlebte ich mit ihm immer wieder. Aber er experimentierte – vor allem – an sich selbst und an allen um sich herum, abstands- und kompromisslos. Bis er abhob und sich in die Tiefe stürzte … Und dabei wollte er doch nur fliegen.

Asteris Kutulas

*** *** ***

Johannes Jansen
„Ich habe keine Lust mehr auf Täuschland“
Briefe von der Front
Vom Armeedienst des braven Jot Jot

Briefe von Johannes Jansen an Ina & Asteris Kutulas, während seines Armeedienstes in der DDR

06.11.1985

Lieber Asti & Liebe Ina!

Ich danke Euch noch einmal für das schöne Fest, das gute Essen und die Logie. Das war ein richtig schöner Abschluß. In den letzten Tagen musste alles sehr schnell gehen und im Moment besteht der ganze Lebensinhalt des Soldatseins darin, zu warten und auf Pfiffe zu lauschen. Ich „wohne“ in einem Betonklotz und wenn ich aus dem Fenster sehe, starrre ich auf einen anderen Betonklotz, der schwarze Fenster hat und die ganze Aussicht ist. Das Warten ist nervend und aus Langeweile habe ich angefangen, meine „Stubenkameraden“ zu zeichnen. Ich bin mit 3 Leuten auf dem Zimmer. Zwei waren im Knast wegen Körperverletzung und Alkoholmissbrauch. Ich komme recht gut mit ihnen klar. Sie haben interessante Gesichter, traurige Gesichter. Sie sind ganz glücklich, wenn ich sie zeichne.

Ansonsten ist alles sehr ungeordnet. Keiner weiß, was er eigentlich hier soll und niemand sagt etwas … Angeblich geht übermorgen das Kriegspielen los.

Seid lieb umarmt In Peace
Der brave Soldat Johannes (Jot Jot)

08.12.1985

Lieber Asteris!

Herzlichen Dank für Deinen Brief. Habe mich sehr gefreut. Ritsos ist groß (muß ich noch ein paar mal lesen) … Ich habe inzwischen einige Gleichgesinnte gefunden, ein Unteroffizier ist auch dabei. Gestern Nacht haben wir uns bis halb zwei im Photolabor eingeschlossen (weil der Regimentsphotograph auch unter uns ist). Wir haben Texte gelesen, Tee getrunken und über die Schizophrenie im deutschen Militär gesprochen und mußten uns dann heimlich durch die Hintertür ins Bett schleichen, damit kein „Pope“ was mitkriegt, denn „Zusammenrottungen“ dieser Art sind natürlich verboten. Ansonsten ist jeder Tag hier wieder feldgrau. Das einzig gute ist die viele frische Luft. ABER WO IST DER FEIND? Morgen muß ich auf Wache ziehen. LANG LEBE DAS PAPILAND ……………

WER SITZT DANACH AM STRASSENRAND
UND WEINT ………
DER KLASSENFEIND
(Jot Jot)

FEUER!
Kanonier
FEUER!
Kanonier
FÜR DIE HEIMAT
FÜR DIE LIEBE
FÜR DEN KUSS

Kanonier (aus einem Soldatenlied)

Muß Schluß machen.
Viele liebe Grüße auch an Ina
Seid beide lieb umarmt.
Herzlich in Peace Euer (Dein und Dein) braver Soldat und großer Beschützer des Papilandes
JOHANNES (JOT JOT)

DEZEMBER (Arbeitsfassung)

Niemand kommt
klar wie sau
über die tage
vorm fest
sind zuerst
die schweigen
an kandarre und trog

majutka
teilweise
verwitwet
jetzt erst
recht solo
für blinde spiegel
gespendet
das grab der männer
gedeckt und geschändet

Anmerkungen zum Text:
– „kommt klar wie Sau“: Soldatenredeweise (einer der gut zurecht kommt)
– „Majutka“: Name einer Panzerabwehrrakete
– „Ich traf Majutkja mit dem ersten Schuß“: Anspielung auf die Initiative TREFFEN MIT DEM ERSTEN SCHUSS.

Ich fuhr die Straße hinunter und sah die Lichterketten an den Laternen, und die Schützenpanzer fuhren durch meinen Kopf. Ich traf Majutka mit dem ersten Schuß, und Majutka verfehlte ihr Ziel um 2 Millimeter. SPENDET DEN LEIDENDEN UND DEN STERBENDEN …

…. NUR KÜCHEN-
ABFÄLLE.

Unter dem Schnee war schwarzer Schlamm während des Eilmarsches versank ich knietief im Boden. (Ein Film vom Aresfeld / rückwärts)

Regiment Hohenstücken
5.12./7.12.85

Absender: Soldat Jot Jansen, 1800 Brandenburg, PF 23421/B-2

21.12.1985

Liebe Ina, lieber Asti!

Hiermit wünsche ich Euch ein fröhliches Weihnachten und ein gesundheitlich gesundes neues Jahr und möchte Euch gleichzeitig zu einem Fest im kleinen Kreis am 5. Januar 86 gegen 19.00 (oder 20.00) einladen. Es wird eine Art vorträgliche Geburtstagsparty in meiner Wohnung, mit der ich meinen Sonderurlaub abfahre. Bringt bitte etwas zu trinken mit und so was wie gute Laune. Ich wäre sehr froh über Eure Anwesenheit.

Herzlich In Peace
Euer Johannes (z.Zt. braver Soldat und Beschützer des Papilandes)

16.1.1987

Liebes Ehepaar Kutulas.

Ich danke Euch ganz herzlich für die Neujahrsglückwünsche. Ich sende Euch auch welche von den kältesten Orten Deutschlands, den Kriegsspielplätzen unserer ruhmreichen Armee. Die kälteste Nacht habe ich im Graben verbracht. Was sich die Menschen so ausdenken, um sich zu quälen. Mir wird ganz taub davon. Ich komme gerade von 14 Tagen Feldlager zurück und bin nicht sicher, ob ich noch lebe (was heißt „leben“). Ich habe keine Lust mehr. „Der Frontberichterstatter stirbt immer zu früh. Sein weißes Gesicht leuchtete kurz blau auf wie eine Neonwerbung bevor das Eis über ihm zusammen schlug. Ein Kojote und ein deutscher Soldat sind gestorben in einer Nacht. Es ist zu kalt in diesem Land.“ Ich habe keine Lust mehr auf Täuschland. Wie fühlt man sich in den eigenen Betten mit meinem Schutz im Rücken? Scheiße.

 Jot Jot Johannes

22.2.1987

Lieber Asteris!

Ich bin zur Zeit für einen Monat in ein anderes Objekt kommandiert, wo ich was arbeiten sollte. Aber es gibt anscheinend nichts zu arbeiten. Es gibt nur zwei Dinge hier, schlafen und fressen, was dazwischen liegt ist der Versuch, sich abzulenken davon, daß nichts passiert. Einige führen belanglose Gespräche, andere pflegen ihre Fingernägel oder zählen die Wasserflecken an den Wänden. Ich liege auf meiner Pritsche und versuche mit dem Zeigefinger die längliche Form der Neonröhre zu verdecken, indem ich den Finger vor die Augen halte und mir Dunkelheit einbilde. Das Objekt ist fernab jedweder Zivilisation mitten auf einem Feld. Das nächste Dorf ist 5 km weg. Es ist ein Gefängnis mit einer Mauer drumherum und einem Hochspannungszaun, der tödlich ist und ich glaube daran, der Mensch ist ein Schwein. Es liegt viel Schnee hier. Hin und wieder, wenn Wind geht, kann ich das Surren des Zaunes hören. Die Farbe des Himmels wechselt selten. Ich sehe stundenlang auf einen Punkt, ohne daß dort etwas ist, was sich zu beobachten lohnt.

Ich danke Dir für das Buch, für das menschliche Zeichen inmitten dieser Einöde. Die letzten Tage sind die schlimmsten, 64 an der Zahl. Ich werde diese Zeit wohl nie los werden, aber das ist ganz gut. Es ist richtig, wenn man sich merkt, was der Mensch mit dem Menschen macht. Draußen passiert ja auch nichts anderes. Wir vergessen zu schnell. Ich grüße Dich so gut ich kann und Deine Frau auch.

Dein Jot Jot Jansen

*** *** ***
ICH
WEISS
SCHWARZ
GRAUT
DAS PAPIER
VOR AUGEN
UND
WIR TAUGEN
NICHT
FÜR DEN RÜCKWEG
GEFÄHRTEN
LASST EUCH
SEHEN
GEGEN MORGEN
GEHT KEINER
NACH HINTEN LOS.

Jot Jot

***********************************
Diese Briefe schrieb mir Johannes Jansen während seiner Armeezeit. Wir hatten uns einige Jahre vorher in Schwerin kennengelernt. Anlass war einer meiner Poetik-Seminare über Jannis Ritsos. Während eines dieser Seminare stellte ich ihm – genauso wie den anderen Seminarteilnehmern – die Aufgabe, auf der Basis einer Interlinearübersetzung eine Nachdichtung anzufertigen. Einige Monate später schickte er mir folgenden Text zu:

SEHR FREIE NACHDICHTUNG
Nach einem Gedichtfragment von Jannis Ritsos
Hommage á Asteris Kutulas


Ich fürchte mich vor der wiederkehrenden Harmonie
Ständig veränderte ich meine Position um anwesend zu bleiben
So vertrat ich die gleiche Meinung über unsere politischen Veränderungen
Und wechselte die Küchengeräte (Töpfe, Pfannen usw.)
Ich trug sehr moderne Regenmäntel haltbare
Und den schweren Schal vom Fallschirm des russischen Piloten aus den Jahren der Okkupation den ich auf einem verschneiten Gebirgskamm fand
Und da war noch jener getippte Beschluss der illegalen Parteiversammlung
Wo die Genossen mit brüderlicher Behutsamkeit
Gewisse metaphysische Bilder in meinen neuen Gedichten kritisierten
Und ich antwortete mit viel metaphysischeren Gedichten die einen tieferen Realismus besaßen
ähnlich jenem Shdanovs aber zusammen mit den verfehmten Katzen der Achmatowa
Ich glaube sie waren schwarz saßen ausgehungert hinter dem Fenster und betrachteten die Gewässer der Newa oder Moskwa ich erinnere mich nicht genau
Mit breiten Augen wie zwei erstarrte Zeitalter


Schwerin, den 8. August 1984
Johannes Jansen

Johannes Jansen, Asteris Kutulas
Zeichnung von Johannes Jansen

Mauthausen | Songs of Humanity Tour 2020 (Farantouri & Kacholi)

Holocaust Memorial Tour

Ich bin eigentlich schon längere Zeit aus dem Konzertbusiness heraus, aber dieses Jahr hatte ich das Bedürfnis, eine Ausnahme zu machen: Anlässlich des 75. Jahrestages der Beendigung des 2. Weltkrieges und der Befreiung zahlreicher Konzentrationslager im Jahr 1945 organisiere ich zusammen mit Alexandros Karozas für Anfang 2020 eine Holocaust Memorial Konzerttournee mit der griechischen Sängerin Maria Farantouri (Athen) und dem israelischen Tenor Assaf Kacholi (Tel Aviv). Im Mittelpunkt des Konzerts steht der „Mauthausen“-Zyklus von Mikis Theodorakis. 

Holocaust Memorial Tour, directed by Asteris Kutulas
„Songs of Humanity“ Tour Plakat 2020

Hass und „United States of Love“

Für mich wurde es seit einigen Jahren immer beklemmender und furchteinflößender, miterleben zu müssen, wie sich der Hass um mich herum, in Deutschland, in Griechenland, in ganz Europa zunehmend ausbreitete und was er mit den Menschen macht. Wie dieser unsägliche Hass ausbrach und wie diese Hassausbrüche sich mehrten, was fortan beständig dazu führte, dass die Grenzen zur sprachlichen Gewalt und zur körperlichen Gewalt durchlässig und überschritten wurden.

Wir, die wir das Berlin der „United States of Love“ einen Lidschlag lang hatten genießen dürfen und glaubten, in ganz Deutschland wäre „Berlin“ zu erleben, schienen es jäh zu verlieren. Ich schreibe von Berlin, weil Berlin so oft zerrissen war, doch weil aus dieser Zerrissenheit immer wieder große Träume geboren wurden, Hoffnungen. Und daraus kam die Kunst – etwas, das Hoffnung an sich bedeutet. Darum wollten jahrzehntelang so viele nach Berlin. Was auch hieß: durch Berlins Türen in die Welt. Vielleicht kann man hier in Berlin sehr gut Abschied nehmen. Vieles, was ich tue, hängt mit dem zusammen, was ich in Berlin gefunden habe, in Ostberlin, in Westberlin, in Gesamtberlin: ungerade Lebensläufe, Veränderung als Lebensart.

Asteris Kutulas Anti Holocaust Text
Antifaschistisches Poster im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg

„Gespräch über Bäume“

Die Idee zu dieser Tour ist im veränderten Berlin entstanden. Berlin hat sich gewandelt, weil Deutschland sich gewandelt hat. Die Konzerte von Maria Farantouri und Assaf Kacholi sollen dazu beitragen, dass ein Ereignis wie das, zu dem es unlängst in Halle kam, nicht als kleiner Zwischenfall betrachtet wird. Diese Tour soll stattfinden als Bekenntnis unserer Wachheit und Sensibilität. Wir haben uns an solche Attacken wie die in Halle nicht gewöhnt. Eine jede dieser Attacken ist eine Zäsur, sie beschädigt das friedliche Zusammenleben, sie droht einem ganzen Land mit Einschüchterung. Keine dieser Attacken lässt uns ratlos verstummen. Jede löst Fragen und Unterhaltungen aus. Dem terroristischen Akt begegnet im Konzert das Lied. Brecht schrieb: „Was sind das für Zeiten, wo / ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist. / Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!“ Wir meinen, es sind Zeiten angebrochen, die das Lied und damit unbedingt auch das „Gespräch über Bäume“ brauchen, weil dessen Humanität das Inhumane deutlich werden lässt.

Wahrhaftige Kunst schließt körperliche Gewalt aus. Wir machen diese Tour, um an jedem der Konzertabende, an jedem Veranstaltungsort ein „Gespräch über Bäume“ zu führen, statt in der Schockstarre zu verharren. Ängstliches Schweigen kann es nicht aufnehmen mit hasserfülltem Gebrüll. Die Stille zwischen zwei Noten oder zwischen zwei Liedern sehr wohl. Diese Stille ist stärker als jeder Lärm.

Mein Freund Jörg Krause brachte mich mit dem wunderbaren Sänger und großartigen Menschen Assaf Kacholi aus Tel Aviv zusammen, den viele als Tenor der Cross-Over-Band Adoro kennen, und zusammen mit Ina Kutulas und Alexandros Karozas entwickelten wir das Konzept für diese Tour.

Holocaust Memorial Tour, directed by Asteris Kutulas
Der Tenor Assaf Kacholi aus Tel Aviv

Maria Farantouri und Assaf Kacholi werden sich in ihrem Konzert für „einen Moment“ der dunklen Vergangenheit zuwenden. Sie wollen mit den Liedern des Mauthausen-Zyklus’ von Mikis Theodorakis, basierend auf den Texten von Jakovos Kambanellis, ein helles Licht tragen durch eine finstere Zeit. Diese Musik ist ein Aufleuchten. Melodien sind stärker als Furcht.

75 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager Auschwitz, Mauthausen, Buchenwald, Dachau, Bergen-Belsen und unerträglich vieler anderer Lager erinnern die beiden Solisten an das Leid und zugleich an die Lebenssehnsucht der Millionen Menschen, die einer mörderischen Zeit ausgeliefert waren. Niemand blieb unberührt von diesem Terror. Niemand konnte frei wählen. Im bis vor Kurzem noch satten Europa hatte die Erinnerung sich Jahrzehnte nach 1932 eingerichtet wie in einem Wohnzimmer mit Schrankwand. Wie geht jetzt Hoffnung? Wie macht man Zuversicht? Mit Maria Farantouri und Assaf Kacholi können wir erleben, dass das Lied immer wieder Antwort gibt.

Asteris Kutulas, 15.11.2019

TERMINE

Hamburg, Markthalle – 23. Januar 2020
Düsseldorf, Tonhalle – 24. Januar 2020
Dresden, Staatsschauspiel – 26. Januar 2020

Berlin, Universität der Künste – 27. Januar 2020
„Anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“
München, Gasteig (Carl-Orff-Saal) – 29. Januar 2020
Stuttgart, Liederhalle (Mozartsaal) – 30. Januar 2020
Neu-Isenburg (bei Frankfurt am Main), Hugenottenhalle – 01. Februar 2020

Linz, Brucknerhaus – 05. Mai 2020 (verschoben auf 2023)
„Anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen“ 

Australien-Tour – 22. April bis 02. Mai 2020 (verschoben auf 2023)

Mauthausen Trilogy (remastered)

Mauthausen Trilogy & the Holocaust Millennium Nightmare

„Was macht man mit jungen wilden Pferden, die sich nicht zähmen lassen?“ – Chris Gueffroy’s Tod an der Berliner Mauer

Chris Gueffroy und die Berliner Mauer

Eine fünfundsechzigjährige aufgeweckte Frau erzählt einigen Schülern vom Berliner Theresien-Gymnasium, dass ihr Sohn Chris in der Nacht des 5. Februar 1989 beim Versuch, die Berliner Mauer zu überwinden, erschossen wurde. Die Frau spricht mit ruhiger Stimme, mehr als zwanzig Jahre später, im Oktober 2009 – wie im Zeitraffer schmilzt die Zeit zusammen, und etliche der 18jährigen Schüler beginnen sich allmählich zu fragen, was es heißt, vor solch einem Dilemma zu stehen: zu fliehen oder zu bleiben, zu schweigen oder zu schreien, zu schießen oder nicht zu schießen, etwas zu riskieren oder stillzuhalten.

Karin Gueffroy, die Mutter, reiste an jenem 5. Februar 1989 von Rostock zurück nach Berlin; mit ihrem Sohn war sie für den nächsten Morgen zum Frühstück verabredet. Als sie sich schlafen legte, hörte sie – wie schon seit Jahren immer wieder – von der nahe gelegenen Grenzanlage am Baumschulenweg Schüsse herüber hallen. Karin Gueffroy wusste nicht, dass ihr einundzwanzigjähriger Sohn in diesem Augenblick von zehn Kugeln getroffen worden war.

Die Frage, was „Unrecht“ bedeutete zu DDR-Zeiten, was die Menschen damals als „Unrecht“ empfanden, schwingt immer mit, wenn Karin Gueffroy von der „Grobheit des Staates“ spricht, der sie nach diesem „Zwischenfall“ ausgesetzt war. Die schließlich dazu führte, dass junge Stasi-Beamte sie, die Mutter, Verständnis heischend, fragten: „Und was macht man mit jungen wilden Pferden, die sich nicht zähmen lassen, Frau Gueffroy? … Man erschießt sie.“

„Der Sozialismus ist menschlicher, gerechter und freiheitlicher als der Kapitalismus“ – Chris Gueffroy und die Berliner Mauer

Man lebte in der DDR in einer „gerechten Gesellschaft“, in der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beendet worden war. In der „Geld keine existenzielle Rolle spielte“, in der die soziale Grundversorgung des Menschen – wie das Bildungs- und das Gesundheitssystem – garantiert wurde. In der es kein Privateigentum an Produktionsmitteln und keine Arbeitslosigkeit mehr gab und man „gemeinsam“ als „Volk“ siegesgewiss in die Zukunft blicken konnte. Lebte man in der DDR, stand man auf der „guten Seite“. Das „Böse“, das „Reaktionäre“, der Kapitalismus, war „drüben“, längst überholt, er gehörte zum alten Eisen der Geschichte. Etwas fehlte allerdings. Dieses Milligramm, das mehr und mehr Menschen vermissten, hieß „Freiheit“: Redefreiheit, Reisefreiheit, Konsumfreiheit – was auch immer … Es trug entscheidend dazu bei, dass letztendlich sehr viele DDR-Bürger im Kapitalismus die erstrebenswertere Gesellschaft sahen. Das Erlebnis „Mauer“ spielte bei dieser Sicht auf die Dinge eine entscheidende Rolle: der „antifaschistische Schutzwall“, ein Bollwerk, von dem es hieß, es sei gegen den äußeren Feind gerichtet, errichtet gegen die Bedrohung aus dem Westen, gegen Kriegstreiber, Menschenhändler, Kriminelle; ein Bollwerk, das vor allem aber dazu diente, die Menschen auf der Seite der Mauer, wo die Sonne aufging, vor sich selbst zu schützen, vor ihren eigenen Gedanken, Ideen, Worten, Begehrlichkeiten. Die DDR-Bürger wussten das – und viele nahmen das in Kauf, eine Zeitlang. Eine „Diktatur unter humanem Deckmantel war das“, bemerkte Karin Gueffroy und wusste sofort, dass es schwer werden würde, den jungen Menschen, die ihr jetzt, 2009 zuhörten, die doppelte Dimension dieses Satzes begreiflich zu machen.

Chris Gueffroy's Tod an der Berliner Mauer in der DDR

„Im Osten geht die Sonne auf – im Westen geht sie unter“, das war klar gestellt und die Mauer eine Bruchstelle zwischen zwei Gesellschaftssystemen. Diese unnatürliche Entzweiung eines Volks sollte über kurz oder lang unerwünschte Folgen haben, als das Wünschen schon nicht mehr viel half: Die „Diktatur des Proletariats“ verlor die Schlacht gegen die „Diktatur des Kapitals“, einfach weil letztere dem Einzelnen mehr Möglichkeiten zum Konsum und mehr Freiheit bieten konnte – dem hatte die „Diktatur des Proletariats“ offenbar nichts entgegenzusetzen. Im Osten wurde versucht, ab 1973 den „Konsum“ als neue Staatsdoktrin zu installieren, den Kapitalismus auf eigenem Terrain zu schlagen, und die Losung ausgegeben: „Ich leiste was, ich leiste mir was.“ Aber den Kapitalismus überholen, ohne ihn einzuholen, wie es die DDR-Führung in totaler Verkennung der Lage verlangt hatte – das war nicht zu schaffen. Man hechelte ihm wie einer Fata Morgana hinterher, spielte ihm somit in die Hände und schlug sich dabei à la Erich Honecker heldenhaft auf die Brust: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“ In welchem Lauf und wohin, das wusste selbst Honecker schon längst nicht mehr.

Chris Gueffroy's Tod an der Berliner Mauer in der DDR

 
Mein Hand für mein Produkt

Die DDR-Führung war schlichtweg unfähig, das vielgepriesene Volkseigentum effektiv zu verwalten und zu mehren; die Wirtschaft nach vierzig Jahren DDR völlig marode, sie brach zusehends in sich zusammen. „Meine Hand für mein Produkt“, so hieß es auf Plakaten – und die Menschen im ganzen Lande spöttelten: „Dann hätte so mancher schon keinen Arm mehr“. Satt hatte man schließlich dieses ganze System mit seinen „Aktivisten“ und seinen „Verbesserungsvorschlägen, die dazu dienen sollten, den West-Kaffee und die West-Jeans nachzuahmen, abzukopieren, neu zu erfinden. Die Menschen entschieden sich letztendlich für das Original. Der Himmel war geteilt und die Hoffnung schon lange in den Spalt zwischen den Hälften gefallen. Schließlich fiel 1989 auch die Mauer – unter anderem und vor allem, weil die Ost-Bürger die Westmark haben wollten, mit all ihren Verheißungen … Es war die Bankrotterklärung des „real existierenden Sozialismus“.

Der sozialistische Alltag 

Der real existierende Sozialismus scheiterte, weil er ökonomisch nicht überlebensfähig war, er scheiterte jedoch auch als „Utopie“ – aber nicht wegen der Probleme, die es im Sozialismus zuhauf gegeben hat, sondern wegen der Art, wie mit ihnen ideologisch und politisch umgegangen wurde. Eines dieser Probleme bestand darin, eine bestimmte Realität um sich herum zu haben und in den sozialistischen Massenmedien diese Realität niemals widergespiegelt zu finden. Ein anderes, dass eine Handvoll von vergreisten, bis auf die Knochen kleinbürgerlichen Herren der Parteielite sich das Recht nahm, „ihrem“ Volk vorzuschreiben, wie es zu denken, was es zu lesen und wie es zu leben hatte. Ein weiteres Problem war, dass auch „der sozialistische Alltag“ durch diese Führungsriege reguliert wurde, die seit Jahrzehnten jeden Kontakt zu eben diesem Alltag verloren hatte. Aber auch, dass man nicht auf das System oder auf „Honecker“ fluchen konnte, ohne Angst zu haben und Konsequenzen fürchten zu müssen – dafür sorgten 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) sowie über 100.000 sogenannte Inoffizielle Stasi-Mitarbeiter, die ihr familiäres Umfeld und den Freundeskreis ausspionierten. Das scheinen alles vielleicht „Bagatellen“ zu sein, ich weiß, aber diese „Details“, mit denen die DDR-Bürger tagtäglich zu tun hatten, entschieden letztendlich den Kampf der Systeme.

„Schüsse im Winter waren besonders laut“

Karin Gueffroy war zu DDR-Zeiten ein „unpolitischer“ Mensch, lebte „unbescholten“ im sozialistischen Brutkasten, bis ihr der Tod des Sohnes widerfuhr. Diese Tragödie veränderte ihr Leben und rüttelte sie auf, verlangte nach einer Reaktion der DDR-Bürgerin und Mutter. Die Stasi-Leute sagten, ihr Sohn habe eine militärische Anlage angegriffen und sei dabei unglücklicherweise ums Leben gekommen. Sie brauche sich allerdings keine Vorwürfe machen, denn schuld an dieser misslichen Situation sei allein der Sohn. Dessen Leichnam wurde zwei Tage nach seinem Tod heimlich und ohne Wissen der Mutter um 00:45 nachts in einem Krematorium eingeäschert. Wenn man Karin Gueffroys Ausführungen folgt, begreift man die Leipziger zu Zeiten der Montagsdemonstrationen im September/Oktober 1989, die bebend vor Angst Plakate hochhielten mit der Aufschrift: „Wir haben keine Angst“.

Chris Gueffroy's Tod an der Berliner Mauer in der DDR

Ein Schüler reagiert betroffen auf Karin Gueffroys Ausführungen und bedauert, dass in der Schule kaum die vor allem in manchem Familienkreis inzwischen schon wieder verklärte DDR behandelt wird. Karin Gueffroy wirkt in diesen Momenten etwas hilflos: Sie hat ihre ganz private Geschichte zu erzählen, und obwohl die Frau emotional beherrscht wirkt, erkennt man ab und an, dass Wut in ihr hochkommt.

Tatsächlich ist es unbegreiflich, wie Erich Honecker, der zu DDR-Zeiten im für keinen Normalsterblichen zugänglichen Wandlitz seine West-Pornos guckte und nach dem Fall der Mauer die demokratischen Errungenschaften der Bundesrepublik ganz selbstverständlich und ohne Scham in Anspruch nahm, seine Ausreise nach Chile 1993 mit den Worten begründete: „Es ist doch das Normalste dieser Welt, dass der Vater zu seiner Tochter reist“. Genau dieses Recht hatte er jahrzehntelang den DDR-Bürgern vorenthalten und auf alle, die sich dieses Recht nehmen wollten, schießen lassen.

Pornos in der DDR

Aber auch Pornos waren in der DDR verboten – sie waren mit der „sozialistischen Moralauffassung“ nicht zu vereinbaren. Im Nachhinein wirkt es ziemlich kurios, ja wie eine Marotte der Geschichte, dass sich die Altherrenriege, die die DDR regierte – die Honeckers, Sindermanns und Mielkes –, über Jahrzehnte als Inkarnation der sozialistischen Revolution und als Sachwalter des kommunistischen Ideals präsentierte – und, in diesem pervertierten Glauben gefangen, von der eigenen Unfehlbarkeit überzeugt war. Als Grieche, der in der DDR gelebt hat, fragte ich mich damals ständig, was ein Jannis Ritsos, ein Mikis Theodorakis, mein Vater und viele andere griechische Kommunisten und Linke mit solch einem System zu tun hatten. Es war tröstlich zu wissen, dass die Antwort stets lautete: gar nichts.

Chris Gueffroy's Tod an der Berliner Mauer

 

Chris Gueffroy und die Berliner Mauer. Karin Gueffroy’s eigene Geschichte erzählt von einem tragischen Einzelschicksal, an dem das Menschenverachtende des DDR-Systems besonders deutlich wird. Und an dem sich zeigt, wohin eine Gesellschaft driftet, die sich nicht auf die Herzen und den Verstand vieler Millionen Menschen verlässt – die zum Teil mit Hoffnung und Zuversicht in den fünfziger Jahren zum „Sozialismus“ aufgebrochen waren –, sondern im kleinbürgerlichen Morast einer Handvoll machtbesessener und rücksichtsloser Potentaten versinkt. Und die alle Kritik mit dem Argument des „Antikommunismus“ mundtot machten.

Karin Gueffroy erwähnte nebenbei, sich an die Nacht vom 5. zum 6.2.1989 erinnernd, als ihr Sohn erschossen wurde: „Schüsse im Winter waren besonders laut“ – eine Feststellung, die schlaglichtartig das Leben eines Landes und ein ganzes System erhellt, das vor dreißig Jahren untergehen musste. Chris Gueffroy war das letzte Todesopfer an der Berliner Mauer, das durch Waffeneinsatz ums Leben kam.

Asteris Kutulas, 2009/19

Dokumentarfilm | 2010 | RBB [de] | Deutschland
Regie & Buch: Klaus Salge | Dramaturgie: Asteris Kutulas | Produktion Brigit Mulders
 

In den Jahrzehnten des kalten Krieges wurde der Bau der Berliner Mauer zum Symbol zweier Weltanschaungen. Der 20-jährige Chris Gueffroy war der letzte Flüchtling, der an der Mauer starb – Anfang 1989. Sein Name wurde zum Symbol für das Sterben an der Mauer. Ein kurzes Leben in der früheren DDR – Träume und kleine Fluchten. Chris Gueffroy und die Berliner Mauer.

 
*** *** ***
 

Apassionata – Der Vorhang fällt (Riesa-Tagebuch 2019)

23.10.2019, Apassionata Show Reloaded

Wieder ist APASSIONATA-Proben-Zeit. Wieder traben Pferde nach einer neuen Musik durch die Sachsen-Arena. In drei Tagen ist Premiere. Aber die Show heißt nicht mehr „Apassionata“, sie heißt jetzt „Cavalluna“. Alles ist wie immer, und alles ist ganz anders.

Ich bin auf meine Art und Weise wieder dabei, wie ich 10 Jahre lang dabei war; und wie im Oktober 2017 und 2018 halte ich meine täglichen Eindrücke in Tagebuch-Form fest. Es hat sich viel verändert seit Herbst 2018: Die Pferde-Show „Apassionata“ gibt es nicht mehr. Wie es dazu kam und was aus den Apassionata-Protagonisten Peter Massine und Holger Ehlers geworden ist – darum geht es hier. Die Geschichte vom Ende der „Apassionata“ ist spannend wie ein Wirtschaftskrimi, komisch und tragisch zugleich, und sie handelt von Freundschaft, krimineller Energie, Betrug und Verrat, erzählt von Leid, Engagement, Hoffnung und Enttäuschung.

Nachdem es 14 Jahre die Apassionata-Show gegeben hat, liefen dann in der Saison 2017/18 zwei konkurrierende Apassionata-Produktionen gleichzeitig – und seit Mai 2019 gibt es überhaupt keine Apassionata-Show mehr. Der Vorhang ist gefallen. Bislang jedenfalls – könnte sich in Zukunft ja wieder ändern. In diesem Spiel der Eitelkeiten und des Geldes ist alles möglich: Willkommen und Abschied. Aufstieg und tiefer Fall. Vergessen und Wiedergeburt.  

Holger Ehlers, Peter Massine, Apassionata, Asteris Kutulas
Der Apassionata-Esel und ich

24.10.2019
Die letzten zwölf Monate der Apassionata
im Schnelldurchlauf … und sehr subjektiv (aber journalistisch korrekt)

2019 ist das Jahr, in dem die Apassionata „unterging“. Als wäre sie die Titanic … ein glorreiches Schiff, das auf einen Eisberg zusteuerte, mit diesem krachend kollidierte und sank. Die Kapitäne hatten offensichtlich geglaubt, dass nicht die Titanic, sondern der Eisberg zerbersten würde. Jedenfalls verließen sie als erste das sinkende Schiff und brachten sich in Sicherheit.

Um zu verstehen, was sich zwischen Oktober 2018 und Juli 2019 ereignet hat, muss man dort anknüpfen, wo der dritte Teil meiner „Apassionata-Story 2018“ aufhörte. 

Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich klarstellen, dass es in diesen journalistischen Tagebucheinträgen um das Ende der „Massine-Ehlers-Apassionata“ geht und nicht um deren „Fortführung“ unter der neuen Marke „Cavalluna“ durch das chinesische Unternehmen Apassionata World GmbH (Hongkun) ab 2018. Tatsächlich gab es 2018 nämlich nicht nur zwei Apassionata-Shows, sondern auch zwei konkurrierende Apassionata-Unternehmen:
Apassionata GmbH (Peter Massine/Holger Ehlers)
Apassionata World GmbH (Hongkun)

Peter Massine war Mitbegründer und bis 2019 Produzent der Pferde-Show „Apassionata“. Holger Ehlers war seit 2009 Autor, Regisseur und laut eigenen Angaben „Komponist“ aller Apassionata-Produktionen bis zur letzten Show „Der magische Traum“ in der Saison 2018/19. Seit 2017 war Holger Ehlers auch Executive Producer der beiden letzten Shows „Der Traum“ (2017-18) und „Der magische Traum“ (2018-19). Peter Massine und Holger Ehlers bestimmten als Hauptakteure nicht nur die geschäftliche und die künstlerische Entwicklung der „Apassionata“ der letzten zehn Jahre, sondern sie verantworteten durch ihre Entscheidungen ebenfalls das dramatische, „tragische“ und in gewisser Weise sehr kuriose Ende derselben.

Der Anfang vom Ende

der „Massine-Ehlers-Apassionata“ – das war 2016 zweifellos der Bruch zwischen Peter Massine und seinem Investor, dem chinesischen Immobilienkonzern Hongkun. Diesem Bruch folgte eine langwierige Auseinandersetzung mit über 100 Gerichtsprozessen um die Apassionata-Lizenz- und Markenrechte.

Nachfolgend einige Presse-Veröffentlichungen zum „Gesellschafterkrieg“ zwischen Peter Massine und der chinesischen Apassionata World GmbH/Hongkun, die das Ausmaß und die Folgen dieser Streitigkeiten offenbaren:

Finance, 6.4.2017: „Ex-Apassionata-Chef: EY klagt wegen nicht gezahlter Honorare“
Spiegel, 21.6.1017: „Der schmutzige Krieg um die Pferdeshow“
Stuttgarter Nachrichten, 30.12.2017: „Ist nicht so leicht, die Welt zu retten“
BZ, 27.1.2018: „Apassionata-Gründer kämpft um den Namen seiner Pferde-Show“
Mittelbayerische, 20.3.2018: „Der moderne Zirkus der Zukunft“
Süddeutsche Zeitung, 13.6.2018: „Hinter dem schönen Schein von APASSIONATA“
Sächsische Zeitung, 26.6.2018: „Ich habe mein Lebenswerk in Gefahr gesehen“
Sächsische Zeitung, 13.7.2018: „International wäre die Marke Apassionata wertlos“
BZ, 22.1.2019: „Krieg der Reitershows Cavalluna und Apassionata“
tip Berlin, 25.1.19: „Zoff um die Pferdeshows: Apassionata vs. Cavalluna“
Donaukurier, 28.8.2019: „Im Pferde-Palast gehen die Lichter aus“

Die Nerven in der „Pferdewelt“ lagen also seit Ende 2016 blank. Hinter den Kulissen brodelte es. Viele Apassionata-Mitarbeiter bangten um ihren Arbeitsplatz. Die beiden „verfeindeten“ Geschäftsführungen schworen ihre Belegschaft auf einen „heiligen Krieg“ ein. Die Pferde und ihre Reiter mussten sich für eine Seite entscheiden. Und Peter Massine schickte seinen Freund und künstlerischen Direktor Holger Ehlers im wahrsten Sinne an die vorderste Front, die „Chinesen“ das Fürchten zu lehren. 

Im Kern ging es in diesem erbittert (auch „moralisch“) geführten Rechtsstreit zwischen Peter Massine einerseits und der chinesischen Apassionata World GmbH (Hongkun) andererseits darum, wem (die Marke) „Apassionata“ gehört bzw. wer den lukrativen Pferdeshow-Markt in Deutschland und Europa beherrscht. „Apassionata“ war bis 2018 quasi ein sehr erfolgreicher Monopolist in diesem Entertainment-Segment, verkaufte Jahr für Jahr bis zu 480.000 Tickets, machte einen Umsatz von jährlich durchschnittlich 21 Millionen Euro und einen Gewinn von ca. 3 Millionen Euro.

Peter Massine hatte 2016 versucht, seinen frisch gekürten chinesischen Partner Hongkun über den Tisch zu ziehen, was ihm aber nicht gelang. Hongkun wehrte sich, Peter Massine fällte eine falsche Entscheidung nach der anderen, und so gab es plötzlich zwei Apassionata-Shows. Das Publikum war verwirrt. Die Pferde auch. Beide Apassionata-Shows – die eine hieß ab 2018 „Cavalluna“ – bluteten langsam aus. 

Hoffnungsschimmer

Doch dann kam der Sommer 2018, und es zeigte sich für Peter Massines Apassionata ein Hoffnungsschimmer am Horizont:  Peter Massine verhandelte mit der Live Nation Entertainment GmbH über eine elfjährige Zusammenarbeit. Die Live Nation Entertainment GmbH, immerhin der weltweit größte Konzert-/Event-Veranstalter, war darin waren sich alle einig der richtige strategische Partner für die „Apassionata“. Es kam so etwas wie Euphorie auf in der gebeutelten Apassionata-Gemeinde, denn diese Vereinbarung bedeutete, dass sich Peter Massine aus dem operativen Geschäft zurückziehen und Live Nation die Vermarktung und Durchführung der Tour-Show für zumindest drei plus weitere acht Jahre überlassen würde.
Für die Apassionata-Mitarbeiter eine gute Nachricht: dadurch wäre die Apassionata für insgesamt 11 Jahre in professionelle und seriöse Hände gekommen, denn Peter Massine war als Unternehmer auf breiter Front gescheitert und sein „Vermächtnis“ bestand in einem riesigen (selbstverschuldeten) Scherbenhaufen und in einem riesigen Schuldenberg.

Aber Peter Massine hatte etwas ganz anderes vor. Der „strategisch“ angelegte Vertrag mit der Live Nation Entertainment GmbH vom September 2018 erwies sich (im Nachhinein) als reine Nebelkerze. Peter Massine benutzte diesen Vertrag als Faustpfand, um hinter dem Rücken seiner Mitarbeiter und Partner – und hinter dem Rücken von Live Nation – einen 6-Millionen-„Geheim-Deal“ mit seinen chinesischen „Erzfeinden“ der Apassionata World GmbH verhandeln zu können. Der wurde am 1.3.2019 besiegelt, gerade mal fünf Monate nach der Unterzeichnung der „strategischen“ Elf-Jahres-Vereinbarung mit Live Nation. 

Betrügerische Insolvenzen

Erst drei Monate nach der Vertragsunterzeichnung vom 1.3.2019 hat Peter Massine die „Apassionata“ und damit zahlreiche seiner Gesellschaften in die geplante und systematisch vorbereitete Insolvenz geführt und dabei Gläubiger mit „Tabellenforderungen“ in Höhe von ca. 12,5 Mio Euro zurückgelassen (siehe Tabelle unten). Da einige Gläubiger ihre Forderungen nicht angemeldet haben, dürfte der reale Schaden weit darüber liegen. Hinter diesen (mindestens) „12,5 Mio Euro“ unbezahlter Rechnungen verbergen sich zum Teil sehr tragische Einzel-Schicksale.

Peter Massine hat Mitarbeiter und Unternehmen für sich arbeiten lassen, wissend, dass er sie nicht wird bezahlen können. Das traf Kollegen, Mitarbeiter und Partnerfirmen, von denen einige für Peter Massine und die „Apassionata“ sogar in Vorleistung gegangen waren bzw. investiert hatten, weil Peter Massine – darin unterstützt von seinem künstlerischen Direktor und Executive Producer Holger Ehlers – ihnen eine langjährige erfolgreiche gemeinsame Zukunft versprochen hatte – und sie ihm glaubten. Peter Massine beanspruchte also ihre Leistungen, ohne sie zu entlohnen, und betrog sie:

• den Caterer, der dafür sorgte, dass während, vor und nach den Shows alle 100 Apassionata-Tour-Mitarbeiter zu essen und zu trinken hatten,
• die Spediteure, die Woche um Woche die Technik und die Pferde transportierten,
• die Videofirma, die die Animation für den Werbetrailer hergestellt hatte,
• die Pferdefachfrau, die verantwortlich war für das Wohlergehen der Pferde, monatelang ohne Gehalt blieb und dieses letztendlich niemals erhielt,
• den Produktionsleiter, ohne den die gesamte Produktion nicht funktioniert hätte,
• die Technikdienstleister, die den Sound, das Licht und das Videoequipment für alle Shows zur Verfügung stellten,
• den Hotelier, der für die Übernachtung und das Frühstück während der Proben und der Premiere sorgte,
• die Filmproduktionsfirma, die den Trailer produzierte, damit die Shows überhaupt beworben werden konnten,
• den Bühnenbauer, der Equipment für die Show „Der magische Traum“ geliefert hatte,
• den Kameramann und Cutter, der dafür sorgte, dass mehrere Werbetrailer die Menschen zum Kaufen von Tickets animierten,
• viele Partner und Mitarbeiter der SenseUp GmbH, die die Ursprungs-Show „Der Traum“ auf die Beine gestellt, dafür hart gearbeitet und zum Teil in diese Show investiert hatten etc. etc.

Immerhin: ohne diese Menschen und ohne diese Unternehmen hätte es keine Show „Der Traum“ (2017/18) bzw. „Der magische Traum“ (2018/19) gegeben. Es hätte keinen 6-Millionen-Deal mit den „Chinesen“ für Peter Massine gegeben. Und auch keine hunderttausenden von Euro für seinen künstlerischen Direktor und Executive Producer Holger Ehlers, dessen Ehefrau Katrin Ehlers und seinen Finanzberater Jens Grimm – die sowohl direkt als auch über deren neu gegründete Firma Mondwind Entertainment GmbH von Peter Massine vergütet wurden. Das stellte sich jedoch erst heraus, als die Insolvenzverwalter – zusammen mit den Gläubigern – den Geldflüssen folgten, wobei immer mehr Fakten ans Tageslicht kamen.  

1 Apassionata: 15 Firmen,  3 Länder

Unsere Recherchen führten uns zu folgenden insolventen Gesellschaften von Peter Massine:

Apassionata Firmen von Peter Massine, Asteris Kutulas, Holger Ehlers

Nach weiteren Nachforschungen offenbarte sich uns folgendes: Peter Massine hatte mit einem ab irgendwann recht verzweigten und sehr undurchsichtigen Firmengeflecht in Deutschland, Österreich und auf Malta die Apassionata-Show produziert und vermarktet.

Viele seiner „Apassionata“-Firmen wurden in schneller Folge gegründet, umfirmiert, verschmolzen und später in die Insolvenz geführt. Diese verwirrende Anzahl von Unternehmen, aber auch der Umstand, dass von Peter Massine zwischen diesen Firmen systematisch sehr viel hin und her geschoben wurde (Rechte, Lizenzen, Anlagevermögen, Verbindlichkeiten, Darlehen etc.) dienten von Anfang an dem Ziel, Insolvenz- und andere Straftaten zu verschleiern.

Im Nachhinein wurde deutlich, warum Peter Massine über 15 Firmen in mehreren Ländern „brauchte“, um eine finanziell und organisatorisch überschaubare Show wie die „Apassionata“ zu produzieren: letztendlich sollte keiner mehr überblickte können,  welche Lizenz- und Marken-Rechte, Anlagevermögen, Verbindlichkeiten, Darlehen etc. von welcher in welche seiner zahlreichen Firmen verschoben worden waren.

Im Vertrag mit seinem chinesischen Ex-Partner Hongkun vom 1.3.2019 mussten aus diesem Grund (fast) ALLE Gesellschaften von Peter Massine für die Übertragung der Apassionata-Rechte an Hongkun garantieren, die da waren: Massine Group GmbH, Holt GmbH, Apassionata Massine GmbH, Apassionata München GmbH, St. George Edition Limited, SenseUp Entertainment GmbH, FUTURECOM Rental Service GmbH, Bright Stone Holding Limited, Tyrell Corporation Limited, APASSIONATA Productions GmbH, Davinci Publishing Limited, Bel-Brand Entertainment Ltd. sowie Peter und Karen Massine Stiftung.

Fast alle der hier aufgeführten Massine-Firmen hatten als einziges Asset die Pferdeshow „Apassionata“. Der gesamte Umsatz und die einzige Einnahme all dieser Unternehmen speisten sich allein aus der jährlich neu produzierten und vermarkteten Apassionata-Show.

Die Schaffung dieses verwirrenden Firmengeflechts hatte also offensichtlich einzig das Ziel, kriminelle Handlungen zu ermöglichen und zu kaschieren, Partner und Mitarbeiter zu betrügen und eine Verfolgung durch staatliche Behörden zu verhindern bzw. diese so schwierig wie möglich zu machen. Bei der völlig überlasteten und überforderten deutschen Justiz – vor allem in Berlin – schafft Peter Massine es vielleicht sogar, weiterhin ungestraft davonzukommen, trotz mehrerer Strafanzeigen, Klagen, Titel und eines Haftbefehls. Aber auch hier läuft es genauso klischeehaft ab wie in all diesen und ähnlichen Betrugsfällen: Peter Massine ist – kurz vor seinen vielen Insolvenzanmeldungen – offiziell mit seiner Familie nach Bali umgezogen. Er lebt weiterhin in Berlin, aber die deutsche Polizei weiß nicht, wo sie ihn verhaften soll. Sie hat nur seine Wohnadresse auf Bali.

Peter Massine & Holger Ehlers, kollusiv

Bereits seit Anfang 2017 hatte ich kaum noch Kontakt zu Peter Massine. Im gesamten turbulenten Jahr 2018 begegnete ich ihm nur vier- oder fünfmal. Aber immer, wenn ich ihn traf, hatte ich das Gefühl, mit einem Menschen zu sprechen, der jegliche Beziehung zur Realität verloren hatte und in einer Blase voller Illusionen lebte. 

Weil Peter Massine seit Mitte 2017 in den Augen der meisten Apassionata-Partner und -Mitarbeiter total „verbrannt“ war, nahm Holger Ehlers immer mehr die Position eines Executive Producers ein. Holger Ehlers verhandelte mit Mitarbeitern, fällte teilweise Personalentscheidungen und war aktiv an Budget-Gesprächen und auch an der Aufstellung von Zahlplänen beteiligt. 

Als Insider wusste Holger Ehlers spätestens seit Oktober 2018 um den finanziell desaströsen Zustand der „Apassionata“, sorgte aber mit zuversichtlich stimmenden Sätzen, Durchhalteparolen und immer neuen „Geldeingangsszenarien“ dafür, dass das Ganze bis Ende April 2019 weiterlief, bei allen die Vorstellung erzeugend, dass sie ihr Geld bekommen würden.

Holger Ehlers war damals für die meisten Apassionata-Mitarbeiter noch glaubwürdig, weil er fast täglich betonte, dass er selbst der finanziell am meisten Geschädigte sei und von Peter Massine, den er sehr oft deswegen beschimpfte, nicht bezahlt würde. Nach Durchsicht der uns vorliegenden Unterlagen wissen wir inzwischen, dass Holger Ehlers in den letzten Monaten der „Apassionata“, und zwar bis kurz vor deren Insolvenz, mit Hunderttausenden von Euro „abgefunden“ wurde – von Peter Massine überwiesen sowie durch rechtswidrige Rechteübertragungen an die Mondwind Entertainment GmbH ermöglicht.  

Zahlungsunfähig … Das Ende naht auf leisen Sohlen

Ab Oktober 2018 stand die Zahlungsunfähigkeit der Apassionata GmbH zweifellos fest, und zwar ab dem Augenblick, als die von Holger Ehlers verbreitete Nachricht die Runde machte, dass die Live Nation Entertainment GmbH die vereinbarten 200.000 Euro Produktionsgelder pro Stadt nicht direkt an die Mitarbeiter und die Dienstleister von „Apassionata“, sondern an die Apassionata GmbH von Peter Massine auszahlen würde. Als Ende Oktober 2018 die ersten 200.000 Euro dann tatsächlich rechtswidrig von Peter Massine an seinen Rechtsanwalt statt an die Mitarbeiter überwiesen wurde, viele Dienstleister nicht bezahlt bezahlt werden konnten und eine „Erklärung“ von Holger Ehlers die andere jagte, war uns allen klar, dass Peter Massine seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen würde – weder gegenüber den Gläubigern der Apassionata GmbH noch denen der SenseUp GmbH, die am selben Live-Nation-Tropf hingen. 

Es war einfache Mathematik: Die Premieren-Produktion im Oktober 2018 in Riesa konnte nur zum Teil bezahlt werden und viele Rechnungen blieben offen – laut Peter Massine entstand durch Riesa ein Verlust von 200.000 Euro, aber auch das gesamte Geld für die erste Tourstadt (Stuttgart) Ende Dezember 2018, also weitere 200.000 Euro, waren weg, weil sie, wie oben beschrieben, an Peter Massine’s Anwalt überwiesen worden waren. Die Tour begann also mit einem operativen Minus von insgesamt 400.000 Euro, plus den ca. 1,4 Millionen Euro Schulden von der SenseUp GmbH, die die „Apassionata“ übernommen hatte, also mit einem Defizit von insgesamt 1,8 Millionen Euro im Oktober 2018. Und die Ticketverkäufe vom November und Dezember – traditionell 80% der Gesamtverkäufe für die ganze Tour – zeigten, dass die Tour finanziell keinen Gewinn generieren konnte.

Womit man es hier zu tun hat, ist eine Art „Schneeballsystem“, das bereits ein halbes Jahr später – allein für die beiden Produktionsfirmen Apassionata GmbH und SenseUp GmbH – zu einem Schuldenberg von über 4 Millionen Euro geführt hat.  (Siehe Insolvenztabelle weiter oben.)

Jens Grimm, der persönliche Finanzberater von Peter Massine und bis zum Februar 2019 u.a. für die Zahlungen an das Produktionsteam Mit-Verantwortliche, beschrieb die desaströse finanzielle Situation der „Apassionata“ Mitte Dezember 2018 in einer dramatischen E-Mail an Peter Massine wie folgt:

„Es ist schön, dass es Euch auf Bali so gut geht … Leider schlägt das hier extrem sauer bei den Reitern, der Crew und vielen Dienstleistern auf. Es verbreitet sich ein Wahnsinns Shittstorm … Die Leute kämpfen hier ums Überleben und stehen teilweise kurz vor der Pleite …“

Diese E-Mail verschickte er am 20.12.2019, also eine Woche vor (!) dem Tour-Start. Die Apassionata GmbH, die SenseUp GmbH und alle anderen Massine-Firmen waren da schon längst pleite. 

Hinzu kam, dass keine Bank oder irgendeine Institution in Deutschland einem Bankrotteur wie Peter Massine, der damals in über 100 gerichtliche Auseinandersetzungen verwickelt war, auch nur einen Cent Kredit hätte geben dürfen. Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Jens Grimm, der diverse Finanzierungskonzepte für „Apassionata“ und für Peter Massine entwickelt hatte, war bereits 2018 bei mehreren Banken mit diesem Anliegen gescheitert. Creditreform bescheinigte Peter Massine und seinen Firmen (entsprechend der höchsten Risikoklasse 6): „Kredite und Geschäftsverbindung werden abgelehnt.“

Peter Massine, der sich über den Bankrott-Zustand all seiner Firmen absolut im Klaren war, verfolgte ab Oktober 2018 nur ein Ziel: sich einerseits durch ein „Geheim-Abkommen“ mit dem chinesischen Hongkun-Konzern einen „Apassionata“-Millionen-Deal zu sichern und andererseits, seine „Apassionata“-Schulden nicht zu bezahlen. Um dieses Ziel zu erreichen, verschleierte er die Schulden seiner Apassionata-Gesellschaften, verschleppte alle Insolvenzen und sicherte sich durch falsche Versprechungen und Zukunftsaussichten weitere Investments seiner Mitarbeiter und Partnerfirmen .

… Where did the love go?

Für viele Mitarbeiter und Partner wurde aus dem „magischen Traum Apassionata“, der jahrelang Kinderaugen erstrahlen ließ, ein wahrer Alptraum. Eine Reiterin beschrieb das Ende der „Apassionata“ wie folgt:

„Years of hard work gone … lives destroyed, a lot of tears shed, total chaos and people doing things you wouldn’t believe. And all of this for money and power. Where did the soul go? Where did the love go? Where has the family feeling gone? I only know it did not go with the founder of Apassionata … He should be ashamed of his greediness. One thing I have learned, I saw the real face of a lot of people, and it wasn’t a pretty one.“

26.10.2019, (Keine) Apassionata Premiere

Die Apassionata-Show war für mich persönlich ein „Konzeptkunst-Projekt“, das sehr viel Energie, kulturelle Tradition und Inspiration in sich vereinte.

Darum – und auch weil ich an eine Zukunft der Apassionata-Produktion ohne (den desaströs agierenden) Peter Massine geglaubt hatte – unterstützte ich Holger Ehlers ab Januar 2019 bei dem Versuch, die Apassionata-Show (auch unter dem neuen Label „Mondwind“) „unabhängig“ von Peter Massine zu produzieren. Ich verließ mich auf die klare Aussage von Holger Ehlers in seiner Mail vom 9.1.2019, dass nämlich unsere gemeinsame diesbezügliche Arbeit ein „Investment in die Zukunft“ sein würde, wie er schrieb. Und weiter: „Unter dem Motto: alle verdienen oder verlieren …“ Das war die Vereinbarung und betraf alle Apassionata-Mitarbeiter.

Holger Ehlers, Jens Grimm und uns anderen kam es ab diesem Zeitpunkt darauf an – so dachte ich (irrtümlicherweise) jedenfalls –, auf der Basis unseres profunden Apassionata-Know-Hows in Zukunft weiterhin Show-Produktionen ohne Peter Massine zu produzieren. Dafür arbeitete wir zusammen mit Holger Ehlers, Jens Grimm und vielen anderen bis zum Juni 2019. Ich sah es ohnehin so, dass die Apassionata-Show de facto nicht mehr Peter Massine gehörte, sondern den Gläubigern, die diese Show produziert und zum Teil finanziert hatten, aber dafür nicht bezahlt worden waren. 

Gespräche ins Blaue

Wegen der seit Oktober 2018 herrschenden Zahlungsunfähigkeit und der Schuldenlast von inzwischen über 3,5 Millionen Euro der beiden Apassionata-Produktionsfirmen SenseUp GmbH und Apassionata GmbH führten wir Anfang 2019 einerseits Gespräche mit Peter Massine und andererseits mit der Live Nation GmbH, aber auch mit den involvierten Rechtsanwälten und anderen Gläubigern von Peter Massine’s diversen Firmen, um einen gangbaren gemeinsamen Weg für alle zu finden. 

Diese Gespräche fanden zwischen Januar und März 2019 statt. Die Verhandlungen mit Peter Massine führten ausschließlich Holger Ehlers, Katrin Ehlers und Jens Grimm. 

Jens Grimm und Holger Ehlers erklärten Ende Januar, dass Peter Massine eingewilligt hatte, die Apassionata-Markenrechte an die beiden abzutreten und sich aus dem operativen Geschäft vollkommen herauszunehmen, gegen den Erhalt einer Lizenz-Gebühr, die gewinnabhängig sein sollte. 

Paukenschlag-Deal mit Hongkun

Doch plötzlich – und noch während die oben beschriebenen und von Peter Massine „abgesegneten“ Gespräche geführt wurden – platzte die Bombe: Peter Massine hatte sich am 1.3.2019 mit den „Chinesen“, wie er sie nannte, also mit der Apassionata World GmbH (Hongkun), geeinigt und ihnen die Marken-, Werks- und Musik-Rechte der APASSIONATA für 6 Millionen Euro verkauft.

Die „Paukenschlag“-Nachricht vom „Asset“-Deal zwischen Peter Massine und Hongkun erreichte uns am 6.3.2019. Kurz darauf erfuhr ich von Holger Ehlers, dass es am 12.3.2019 zu einem Grundsatz-Gespräch zwischen ihm, seiner Frau Katrin Katrin, Jens Grimm und Peter Massine in seinem Haus in Friedrichsfelde Ost kommen würde. Nach diesem Treffen gab er dann bekannt, dass er von Peter Massine die Rechte an der Vermarktung mehrerer Apassionata-Shows sowie das gesamte Apassionata-Equipment – im Wert von „1,5 Mio“, wie er schrieb – erhalten habe. Damit stellte er sich als Rechtsnachfolger der „Apassionata“ und als neuer Arbeitgeber dar. Das war erst einmal eine gute Nachricht, denn Peter Massine war „raus“, und es galt ja immer Holger Ehlers‘ „Motto: alle verdienen oder verlieren“. 

Holger Ehlers, der neue „Arbeitgeber“

Nach außen – also auch gegenüber mir und anderen Kollegen – vermittelte Holger Ehlers (als neuer „Rechteinhaber“) noch bis in den Juni 2019 hinein, dass wir alle an einem Strang ziehen und dass es eine Perspektive für die „Apassionata“ – unter dem neuen Label „Mondwind“ und ohne Peter Massine – geben würde. Wir arbeiteten also weiter für eine „gemeinsame Zukunft“.

Erst Ende Juni 2019 wurde klar, dass das „Mondwind-Trio“ Holger Ehlers, Katrin Ehlers und Jens Grimm die Apassionata-Show-Produktion „Der magische Traum“ – von Peter Massine rechtswidrig der Mondwind GmbH zugeschoben –, tatsächlich „geklaut“ und mit einem hohen Profit über Merlin Producciones in Spanien nach Saudi-Arabien weiterverkauft hatte. 

Causa Apassionata, Asteris Kutulas, Holger Ehlers, Peter Massine
Werbung für die „Apassionata“-Show in Jeddah, vermarktet vom neuen „Eigentümer“, der Mondwind Entertainment GmbH

Der Gewinn – fast 1 Million Euro – floss in die Taschen des Mondwind-Trios und nicht in die Insolvenzmasse. Der Verkauf der Apassionata-Show erfolgte also 2 Monate vor der Insolvenzanmeldung der Apassionata GmbH, die inzwischen Wickberg GmbH hieß. Ein Rechtsanwalt erklärte mir kürzlich, dass es sich hierbei eindeutig um die „Entreicherung“ eines Unternehmens und um Insolvenzbetrug gehandelt habe – durch das kollusive Vehalten von Peter Massine, Holger Ehlers, Katrin Ehlers und Jens Grimm.

Das Grand Finale von Peter Massine & Holger Ehlers: Eine Hand wäscht die andere 

Das „Mondwind-Trio“ hatte sich offensichtlich mit Peter Massine auf das folgende „Prozedere“ geeinigt und folgende Vereinbarung getroffen: Peter Massine würde
1) bei Holger Ehlers alle noch offenen Rechnungen (ca. 180.000 Euro) – auch aus dem SenseUp Vertrag von 2017 – begleichen,
2) Holger Ehlers, Katrin Ehlers und Jens Grimm (die beiden Gesellschafter der Mondwind GmbH) die Rechte an der Vermarktung diverser Apassionata-Shows, vor allem an der Show „Der magische Traum“ für Saudi-Arabien und darüber hinaus „weltweit“ übertragen,
3) den dreien das Anlagevermögen (Equipment) der SenseUp und Apassionata GmbH überlassen und
4) die Rechnungen aller Apassionata-Mitarbeiter, die bis Frankfurt durchhalten und in Saudi-Arabien tätig sein sollten, begleichen, damit sie bei der Stange gehalten werden und nicht vorher aussteigen.

Im Gegenzug garantierten Holger Ehlers und Jens Grimm ihrem Partner Peter Massine, dass die Shows bis Frankfurt, also bis zum 29.4.2019, weiterlaufen würden, denn das war die Voraussetzung dafür, dass Peter Massine die Lizenz-Rechte von der Live Nation GmbH wiederbekommen würde, um die Marke „Apassionata“ samt aller Rechte an Hongkun (Apassionata World GmbH) für 6 Millionen Euro verkaufen zu können.  

Holger Ehlers war in diesem Augenblick der Einzige, der als Executive Producer und Künstlerischer Direktor die Tour bis zum bitteren Ende „durchziehen“ konnte – mit einkalkulierten Gläubiger-Opfern auf der einen Seite und mit einem riesengroßen Gewinn für sich. Das tat er auch – indem er, mit Hilfe von Jens Grimm, dafür sorgte, dass Peter Massine seinen 6-Millionen-Deal realisieren konnte. Das Grand Finale von Peter Massine, Holger Ehlers und Jens Grimm. 

Gier siegt über Vernunft

Wären Holger Ehlers und Katrin Ehlers – die ab 2018 als Managerin und auch als Verlegerin ihres Mannes auftrat – nicht so gierig geworden und hätte Jens Grimm nicht jegliche Wirtschaftsprüfer-Vernunft über Bord geworfen, dann hätten wir tatsächlich eine für alle Beteiligten annehmbare Lösung finden und auch an einem Weiterführungskonzept für eine Showproduktion arbeiten können – in Absprache mit den Gläubigern, den Insolvenzverwaltern, der Live Nation GmbH und der Apassionata World GmbH (Hongkun).

Holger Ehlers interessierte jedoch seit Anfang 2019 einzig und allein, wie er zusammen mit seiner Ehefrau Katrin Ehlers und seinem neuen Geschäftspartner Jens Grimm (auf Kosten vieler Mitarbeiter und Firmen) vom Ende der „Apassionata“ profitieren könnte, u.a. durch den Verkauf der Apassionata-Show „Der magische Traum“ nach Saudi-Arabien im Mai/Juni 2019 – mit einem Gewinn von fast einer Million Euro. 

Aus Holger Ehlers‘ „Motto: alle verdienen oder verlieren …“ vom 9.1.2019 wurde 6 Monate später, im Juli 2019: Nur Holger und Katrin Ehlers, Jens Grimm und Peter Massine verdienen. Viele andere – die meisten – verlieren, wie man der Insolvenz-Tabelle oben entnehmen kann.

27.10.2019, Apassionata-Postscriptum

Die Premiere von „Cavalluna“ war gestern, heute ist der zweite Showtag, danach Abbau und die Rückfahrt.  Zeit, alles auf den Punkt zu bringen. Auch meine Gedanken zur Causa Apassionata. 

Über Moral

Eines der vielen Zeugnisse, die offenbaren, wie die Mitarbeiter unter dem Regime von Peter Massine litten, das von Holger Ehlers als Künstlerischer Direktor und Executive Producer „bis zum Ende“ – also bis zum „Zahltag“ von Peter Massine – am Leben erhalten wurde, ist eine Mail vom 26.2.2019, geschrieben von einer langjährigen Apassionata-Mitarbeiterin:

Hi Peter,
Wir sparen an jedem Cent. Meine Reisen und Ausgaben bezahle ich seit längerem von MEINEM privaten Geld. Selbst, wenn ich eine Auslagenrechnung stellen würde, würde ich ja das Geld nicht kriegen.
… Mein Kontingent an Stunden je Quartal ist übrigens auch gleich aufgebraucht. Nach nicht einmal einem Monat. Und ich rede hier nur von Arbeitsstunden. Nicht von Spaßstunden, weil es ja so super lustig ist, jedes Wochenende in irgendwelchen Hallen zu verbringen, statt zu Hause auf der Couch und mit seinem Kind oder Anhang?!? Ernsthaft?  
Ebenso wie Dinge vom Hörensagen kursieren, was Deine Ausgaben wie etwa Schulgelder, Taschengeld, Geschenke, Reisen, Auto usw. betrifft, die allen, die mehr oder weniger am Existenzminimum dümpeln, weil gar nicht oder nicht pünktlich bezahlt wird, negativ aufstoßen, weil es hier um einen Luxusbereich geht, den niemand sonst hat. Irgendwie spricht sich alles rum.       
… Es gibt noch einige, denen das Produkt so am Herzen liegt, dass sie bereit sind weiter zu kämpfen. 
Gruß von der Front

Der Betrug und der Vertrauensbruch durch Peter Massine werden überdeutlich, wenn man den letzten Satz liest und dabei bedenkt, dass Peter Massine zu diesem Zeitpunkt „hinter dem Rücken“ all dieser Mitarbeiter – die „bereit sind weiter zu kämpfen“ und an der „Front“ Opfer zu bringen – „ihr Produkt“ APASSIONATA bereits verkauft hatte. Die Unterzeichnung des diesbezüglichen Vertrages mit der Apassionata World GmbH (Hongkun) erfolgte nur 4 Tage später, am 1.3.2019. 

Peter Massine handelte also nicht nur seinen Millionen-Deal mit der Apassionata World GmbH (Hongkun) aus, sondern betrog zugleich systematisch auch viele seiner Geschäftspartner und viele seiner Mitarbeiter der SenseUp GmbH und der Apassionata GmbH aber auch seine Partner-Firma, die Live Nation GmbH.

Die uns zur Verfügung stehenden Unterlagen zeigen: Peter Massine bekam seinen 6-Millionen-Deal, und Holger Ehlers verdiente in den letzten 8 Monaten der „Apassionata“ durchschnittlich 26.000 Euro monatlich und erzielte zusätzlich für sich und seine Frau einen satten Gewinn von mehreren hunderttausend Euro aus dem Verkauf der Apassionata-Show nach Saudi-Arabien. Viele seiner Kollegen und Partner blieben zum Teil auf Hunderttausenden Euro Schulden sitzen. Ein alter Weggefährte und Apassionata-Veteran schrieb am 25.10.2019 an Holger Ehlers einen desillusionierten Brief, den er mir zur Verfügung stellte. Hier ein Auszug:

… Du hast uns täglich beteuert, das du ohne einen Pfennig dastehst, aber in Wirklichkeit hast du bis zu allerletzt dein Geld bekommen, und uns so zu belügen, find ich vor all den Leuten, die zu Deinem Erfolg beigetragen haben, schon sehr mies. A. hat für Dich jede freie Minute geopfert, um für die Show das Beste zu leisten. Du, der sich vor allen Leuten als Showmaster hingestellt hat und auch letztlich im Namen von Peter Versprechungen und Deals gemacht hat, hast nur an dein eigenes Weiterkommen gedacht, denn wie soll ich es anders sehen, wo doch Gelder und Mittel dahin geflossen sind, die heute allein nur Dir und Deiner Frau zu Gute kommen? A. und auch ich haben für unsere Arbeit im Gegensatz zu Dir kein Geld gesehen …

Und er stellte die – meiner Meinung nach berechtigte – Frage:

„Wieso verdient Katrin Ehlers, eine brandenburgische Staatsbeamtin, die nichts mit der „Apassionata“ zu tun hat, außer die Ehefrau von Holger Ehlers zu sein, hunderttausende Euro durch die Apassionata-Show „Der magische Traum“, und die Pferdefachfrau, die an dieser Produktion maßgeblich mitgewirkt hat, wird nicht einmal für ihre monatelange Arbeit bezahlt?“ 

Ich verstehe die stille Wut meiner ehemaligen Kollegen, die nur eins verlangen: Dass die Justiz sich dieser – in ihren Augen – schreienden Ungerechtigkeit annimmt und darüber befindet, ob z.B. die „Privatisierung“ der Gewinne in Höhe von ca. 1 Million Euro aus dem Verkauf der Apassionata-Show „Der magische Traum“ nach Saudi-Arabien im Mai 2019 … in die Taschen von Holger Ehlers, Katrin Ehlers und Jens Grimm rechtens war. Das zur Moral.

Über Rechtsfrieden

Zum rechtlichen/finanziellen Aspekt. „Unterm Strich“ ergibt sich nach den Insolvenzanmeldungen der beiden Apassionata-Firmen SenseUp Entertainment GmbH im Februar 2019 und der Apassionata/Wickberg GmbH durch Peter Massine im Juni 2019 – entsprechend meiner journalistischen Recherchen – folgendes Bild:

Apassionata Holger Ehlers Peter Massine
4 Personen – Peter Massine, Holger Ehlers, Jens Grimm, Katrin Ehlers – „verdienen“ 7,5 Mio, während Dutzende Apassionata-Mitarbeiter der SenseUp GmbH und der Apassionata GmbH einen zum Teil existenzvernichtenden Verlust von 4,1 Mio erleiden

Dieses zweifelsfrei belegbare – finanzielle – Ergebnis der „Apassionata-Liquidation“ mögen die vier „Begünstigten“ Peter Massine, Holger Ehlers, Katrin Ehlers und Jens Grimm als rechtmäßig empfinden, die Geschädigten – verständlicherweise – dagegen nicht. Sie verlangen, dass ein Gericht darüber entscheidet, wissend, dass Recht-Haben und Recht-Bekommen vor Gericht zwei unterschiedliche Dinge sind. Doch selbst wenn das Gericht entscheiden würde, dass all diese Massine-Ehlerschen-Grimmschen-Transaktionen und Konkurse rechtlich und finanziell absolut nicht zu beanstanden seien, es also keinerlei Insolvenz- und/oder andere Straftaten gegeben habe – wäre trotzdem der „Rechtsfrieden“ zumindest juristisch hergestellt. Dann wüssten die zahlreichen Gläubiger der Apassionata GmbH, dass sie 4 Millionen Euro aufgrund eines „Naturereignisses“, einer höheren Gewalt, eines unergründlichen Schicksals „verloren“ haben. Selbst das wäre besser als eine untätige Justiz. 

Die Causa Apassionata und kein Ende in Sicht

„Apassionata“ war für mich seit 2013 vor allem als Künstler interessant – ich entwickelte u.a. durch meine dramaturgisch-künstlerische Mitarbeit an den verschiedenen Apassionata-Produktionen einige für mich wichtige Ideen und Konzepte, unter anderem auch meine Liquid Staging Theorie, an der ich seit 2009 kontinuierlich gearbeitet hatte. Auf meinem Asti-Blog als auch auf meinem Asteris-Kutulas-Vimeo-Kanal findet man zwischen 2013 und 2019 diverse Apassionata-Texte und Apassionata Video Blinks

Die CAUSA APASSIONATA erscheint mir wie eine Parabel auf unsere heutige Welt. Die Macht des Geldes. Die Überheblichkeit des Menschen. Aufstieg und Fall eines Unternehmers. Aufstieg und Fall eines Künstlers.

Mich erinnert das an die Lektüre des Buchs „Die Philosophie des Geldes“ von Georg Simmel während meines Germanistik- und Philosophiestudiums in Leipzig. Simmel wollte Ende des 19. Jahrhunderts den längst „überholten“ Marxismus reformieren, indem er ihm ein Stockwerk unterbaut, so dass „die wissenschaftlichen Formen als das Ergebnis tieferer Wertungen und Strömungen“, psychologischer, ja metaphysischer Voraussetzungen erkennbar werden. In diesem Buch steht der schöne Satz: „Die Freude am Geldbesitz gleicht der Freude am Siege, die bei manchen Naturen so stark ist, dass sie gar nicht danach fragen, was sie denn eigentlich durch den Sieg gewinnen.“ – Schade, dass Megalomanie, Dummheit, Narzissmus und Charakterlosigkeit die beiden Apassionata-Protagonisten Peter Massine und Holger Ehlers in einer toxischen Kloake voller Gier und Hybris haben ertrinken lassen.

© Asteris Kutulas

Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 1 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 2 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 3 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 4 | Das Ende (Oktober 2019)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 5 | Das Nachspiel (Oktober 2021)

Producing, Artworking & Promoting Hellas Filmbox Berlin

Hellas Filmbox Berlin 2016  – Filmmakers‘ Trailer, dedicated to the Festival Team of Hellas Filmbox Berlin by Michael Kastenbaum, Zafeiris Haitidis, Yannis Sakaridis, Anna Rezan a.o.
Hellas Filmbox Berlin
Hellas Filmbox poster 2016 with Annabell Johannes, photo by DomQuichotte

Statement on producing & artworking Hellas Filmbox Berlin

For me, Hellas Filmbox was a conceptual art project from the very beginning. My aim was not to create just another „normal film festival“, but rather an „undogmatic communication model“ that would transcend conventional boundaries. I imagined an institution imbued with creativity and freedom – a vision that initially existed only in my head, but gradually took shape with each successive festival, culminating in the third festival at the Urban Spree location (Berlin-Friedrichshain) in January 2018.

Now, as we – meaning Sandra von Ruffin, Ina and myself – entrust the festival to the capable hands of Sofia Stavrianidou and Elisa Deftos, I have encapsulated and visualised the artistic and political essence of the four festivals (2016-2019) during my tenure as creative director. The artwork we developed and the accompanying marketing materials exude the energy we wanted to convey.

In collaboration with Sandra, Ina, Achilleas Gatsopoulos, Dom Quichotte and many other talented individuals, and with the invaluable support of peppermint and Gero Angreß, we cultivated a distinct „berlinesque“ identity – artistic and unconventional, yet deeply unique.

I would like to thank everyone involved for their fantastic collaboration. Together we have created something extraordinary, unexpected and truly beautiful.

Asteris Kutulas, Co-Founder & Creative Director Hellas Filmbox Berlin (2016-19)

Hellas Filmbox Berlin by Asteris Kutulas
Festival Poster 2016 with Sandra von Ruffin, fotografiert von DomQuichotte

Hard Facts 2016-19

  • 300 screenings with approx. 230 films
  • 65 films translated into German
  • roadshows with 30 Best of films in 15 German cities
  • over 150 Greek directors present at the festival
  • over 15.000 spectators
  • more than 200 German and international filmmakers, artists and professionals present at the festival

Hellas Filmbox Berlin directed by Asteris Kutulas
Festival Poster 2018 by Achilleas Gatsopoulos

Press Quotes

  • „The small Greek Berlinale “ (Zeit online)
  • „…contemporary, daring and creative cinema, as rarely seen before…“ (Goethe Institut)
  • „Look towards Greece! A group of artists are trying to save the image of a nation through art-house cinema.“ (Stern)
  • „Contemporary Greek cinema and its insights into the situation of this land.“ (Tagesspiegel)
  • „The most heartfelt film festival in Berlin!“ (Jüdische Zeitung)
Hellas Filmbox Berlin, Creative Director: Asteris Kutulas
Vorbericht in der BILD über das zweite Filmfestival im Januar 2017 (mit Sandra von Ruffin, fotografiert von DomQuichotte)

Press & Media Impact 2016-19

  • more than 800 articles in the press from Germany, Greece, Switzerland, Russia, Belgium, France, USA, Australia etc.
  • over 26 million media contacts
  • reviews in the most influential media in Germany: ZEIT, STERN, BILD, BUNTE, BZ, TAZ, GALA, FAZ, Deutsche Welle, RBB Berlin, Sat1 etc. as well as in the leading media in Greece
  • Hellas Filmbox’s website had 2,500 visitors per day in the month of January 2018
  • the Facebook page of Hellas Filmbox had 332.600 visits, 79.200 interactions, 46.400 video views in the month of January 2018
 
Hellas Filmbox Berlin, Creative Director: Asteris Kutulas
Box Talk with Oscar winner Volker Schlöndorff & Yannis Sakaridis

 

Hellas Filmbox Berlin, Creative Director: Asteris Kutulas
Festival poster 2017 (with Stathis Papadopoulos, photo © by DomQuichotte)

 

Hellas Filmbox Berlin, directed by Asteris Kutulas
Poster for the side event „Pop-up exhibition HELLAS ARTBOX BERLIN“

 

Hellas Filmbox Cyprus, creative director: Asteris Kutulas
Retrospective – Greek Cypriot Cinema CYPRUS IN A BOX (poster by Achilleas Gatsopoulos)

 

Retrospective – GREEK FEMALE FILMMAKER (poster with Sandra von Ruffin, photo © by DomQuichotte, art work by Achilleas Gatsopoulos)

Hellas Filmbox Berlin

  • was established in 2016 to highlight the current, highly artistic Greek film scene and present it to the German audiences
  • to gives an insight into the current situation of Greece, its people, inner conflicts and secrets
  • to take the German audience on a unique journey into the human soul through the eyes of Greek filmmakers
  • believes in films as an alternative way of thinking and seeing Greece
  • creates a constructive artistic dialogue between Greece and Germany by highlighting the current emotional and political rifts between the two countries
Hellas Filmbox Die Griechen kommen!
Hellas Filmbox poster by Achilleas Gatsopoulos with the Message of 2015/16: „The Greeks come!“

 

More than 350 directors & artists participated at the Hellas Filmbox festival between 2016 and 2019

Guests & Contributors

More than 350 filmmakers, artists and professionals from Greece, Germany, Turkey, the United States, France, etc. participating in …

  • Screenings
  • Panels
  • Exhibitions
  • Workshops
  • Theater productions
  • Concerts
  • Open Discussions etc.
GREEK EROTICA 2018 Hellas Filmbox festival
GREEK EROTICA 2018 Hellas Filmbox festival poster by Achilleas Gatsopoulos

The Festivals from 2016 to 2019

The first festival – the SOUTH: loud, radiant, hot, with nude art, overcrowded, like the first holidays in Greece.

The second festival – the WEST: structured, progressive, international, masculine & feminine, with Oscar winner Costa-Gavras, with Ulrich Tukur, Rolf Hochhut, Dani Levi and many others.

The third festival – the EAST: horny, dirty, honest, with a lot of heart, with a different focus and location, in the Urban Spree – a street art gallery on the „naughty“ district of Friedrichshain.

The fourth festival – the NORTH: more reserved, calm, thoughtful, influenced by the numerous experiences of the previous festivals. Different again! No walls! „More geil!“ (Even cooler!) 30 years after the fall of the Berlin wall.

„No walls! More geil“ – Festival poster series 2019 with Sandra von Ruffin by Achilleas Gatsopoulos & Asteris Kutulas
"No walls! More geil" with Sandra von Ruffin by Achilleas Gatsopoulos & Asteris Kutulas
„No walls! More geil“ – Festival poster series 2019 with Sandra von Ruffin by Achilleas Gatsopoulos & Asteris Kutulas

 

Hellas Filmbox, Asteris Kutulas, Friedrich Liechtenstein
Hellas Filmbox 2018 poster with Annabell Johannes & Friedrich Lichtenstein, photo by DomQuichotte, artwork by Achilleas Gatsopoulos

The Artworkers

Creative Director: Asteris Kutulas // Art Director: Achilleas Gatsopoulos // Photography: DomQuichotte & Achilleas Gatsopoulos // Creative: Ina Kutulas, Sandra von Ruffin, DomQuichotte & Achilleas Gatsopoulos // Body Painting: Johny Dar // Costumes: Heike Hartmann, Annabell Johannes, Ina Kutulas // Models/Actors: Sandra von Ruffin, Annabell Johannes, Friedrich Liechtenstein, Ioanna Kryona, Dimitris Argyriou

Hellas Filmbox poster 2018 with Sandra von Ruffin & Friedrich Lichtenstein, photo by DomQuichotte
Hellas Filmbox poster 2016 with Sandra von Ruffin & Annabell Johannes, photo by DomQuichotte
Statement

Für mich war Hellas Filmbox von Anfang an ein Konzeptkunst-Projekt. Ich wollte kein „normales Filmfestival“ kreieren, sondern ein über sich hinaus weisendes „undogmatisches Kommunikationsmodell“. Eine Institution, die nach Kreativität und Freiheit riecht. Das ist sicherlich etwas, das nur in meinem Kopf existierte, aber ich habe versucht – vor allem mit dem dritten Festival (2018) in der Urban Spree Galerie –, mich dem sehr anzunähern.
Jetzt, da wir – damit meine ich Sandra von Ruffin, Ina und mich – das Festival in die Hände von Sofia Stavrianidou und Elisa Deftos legen, habe ich das künstlerisch-politische Konzept der ersten vier Festivals (2016-2019), bei denen ich auch Creative Director war, zusammengefasst. Dieses von uns entwickelte Artwork und das dazugehörige Marketing offenbaren die Energie, auf die es uns ankam. Zusammen mit den Artworkern Sandra, Ina, Achilleas Gatsopoulos, DomQuichotte und zusammen mit vielen anderen sowie der wunderbaren Unterstützung von peppermint und Gero Angreß haben wir ein sehr eigenes, „berlinerisches“ und gleichzeitig sehr künstlerisches und ungewöhnliches Erscheinungsbild von Hellas Filmbox kreiert.  
Ich danke Euch allen für die phantastische Zusammenarbeit! Wir haben gemeinsam etwas Verrücktes, Überraschendes und sehr Schönes erschaffen.

Asteris Kutulas
Co-Founder & Creative Director Hellas Filmbox Berlin

Hellas Filmbox poster 2018 with Sandra von Ruffin & Annabell Johannes, photo by DomQuichotte

Die Ganzheit der geteilten Welt – Südkorea-Tagebuch (24.9.19)

Seoul ist eine wohlhabende Stadt, in der hohe Gehälter gezahlt werden. Das merkt man überall an den gepfefferten Preisen. Es gibt hier weiße, gelbe und schwarze Taxis. Die Fahrt mit einem schwarzen Taxi kostet dreimal so viel wie die Fahrt mit einem gelben oder weißen Taxi. Als ich gestern mit einem weißen fuhr, erlebte ich etwas Unerwartetes: Im Radio wurde Mozarts „Zauberflöte“ gespielt. Der Taxifahrer, der kein Wort Deutsch oder Englisch verstand, bewegte während der 40minütigen Fahrt seinen Kopf im Takt zu den Arien und Rezitativen. Ganz offensichtlich war er dabei eins mit sich.

Immer und überall diese Höflichkeit in Kombination mit unzureichenden Fremdsprachen-Kenntnissen – das ergibt sehr spezielle Botschaften, Informationen eigener Natur, weshalb man sich ein wenig „wie im falschen Film“ fühlt, nachdem man sie vernommen hat, immer wieder mehr oder weniger stark verunsichert ob des kryptischen Inhalts, den man nur teilweise entschlüsseln kann. Eine kryptische Welt, die auf ihre Entschlüsselung in uns wartet.

Asteris Kutulas Tagebuch Südkorea

Ich begegnete aber auch Menschen, die zumindest teilweise Englisch sprachen. Die Unterhaltungen, die wir führten, offenbarten mir ein Land, das nach seiner zweiten Hälfte verlangt, ein Land, das seine asiatischen Wurzeln verflicht mit der höchst entwickeltsten westlichen Technologie und das ein 5G-Netz hat, während man in Deutschland nur davon träumen kann. Ein kleines Land, das sich gegen seine mächtigen Nachbarn China und Japan durchzusetzen weiß – was an ein Wunder grenzt.

Ein Liedermacher aus Seoul sagte mir: „Ich bin sehr beunruhigt ob der Entwicklung Südkoreas. Das läuft alles in eine völlig falsche Richtung. Ab nächstes Jahr singe ich nicht mehr. Es macht keinen Sinn.“

Ein Professor, der an der Uni von Seoul lehrt: „Wir stehen hier alle sehr unter Druck. Eine ganz andere Leistungserwartung als die in Europa. In Europa arbeitet man, um zu leben. Hier lebt man, um zu arbeiten.“

Mr. Wong, der Unternehmer, eröffnete mir: „Ich glaube an Geister. Sie beherrschen die Welt. Ich habe das Glück, dass sie mir erscheinen, und manchmal kann ich sogar mit ihnen kommunizieren.“

Asteris Kutulas Tagebuch Südkorea

Morgen fliege ich zurück nach Deutschland. Südkorea hat mich beeindruckt. Eine andere Welt, die über ihre Produkte und ihre Wirtschaftsmacht tief in unser europäisches Leben hineinwirkt und in erbitterter Konkurrenz steht mit der anderen Wirtschaftsmacht jenseits des Atlantik, den USA – ihrem gleichzeitig engsten Verbündeten.

Und als „Sahnehäubchen“ Zen-Meister Subul, der erklärt, jeder Einzelne sei Gott und könne eins mit sich sein. Wir können viel von Korea lernen und Korea von uns.

© Asteris Kutulas, Seoul, 24.9.2019

(Photos © by Asteris Kutulas)

Krieg, Wiedervereinigung, Smartphones – Südkorea-Tagebuch (23.9.19)

Mr. Lee, ein unglaublich netter und sympathischer Unternehmer, hat uns zum Abendessen eingeladen. Cathy flüstert mir zu: „Das ist ein richtig reicher Mensch.“ John fragt Mr. Lee danach, wie er über die Wiedervereinigung denkt. Mr. Lee geht in sich, denkt lange nach und gibt so etwas wie eine Grundsatzerklärung ab, die ihm sehr wichtig zu sein scheint: „Wir werden sehr viele Probleme haben. Das wird ein langer Weg. Es wird vielleicht auch Verlierer geben. Aber das ist alles unwichtig. Wichtig ist nur, dass die Wiedervereinigung kommt.“

Sein Partner, Mr. Wong, ergänzt: „Nach der Wiedervereinigung werden wir – im Gegensatz zu Deutschland, das den Osten de-industrialisiert hat –, den Norden aufbauen und dadurch den Wohlstand sowohl im Norden als auch im Süden erhöhen. Korea wächst sehr schnell, und da ist noch mehr Potential. Im Inland gibt es nicht genügend Arbeitskräfte, deshalb holen wir sie auch aus den Nachbarländern. Wegen der Nachfrage ist das mit der Zeit aber immer kostspieliger geworden. Diese Arbeitsmöglichkeiten und dieses Geld sollten unseren koreanischen Mitbürgern im Norden zugutekommen, statt dass das Geld ins Ausland abfließt.“ Mr. Lee fügt hinzu: „Südkorea gehört bereits zu den fünf führenden Wirtschaftsnationen der Welt. Nach der Vereinigung mit Nordkorea werden wir auch Japan überholen.“

Das italienische Restaurant, in dem wir sitzen, befindet sich im Gangnam-Distrikt, dem „Manhattan Seouls“. Durch den „Gangnam Style“-Song von PSY ist dieser Stadtteil weltberühmt geworden. Am Nebentisch deklamiert ein US-Amerikaner laut: „Don’t kill the baby before it is born.“

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch

John fragt, wie die Jugend zum Korea-Krieg steht, der zur Spaltung des Landes geführt hat. Mr. Lee sagt: „Die jungen Leute wissen kaum etwas darüber, und es interessiert sie auch nicht besonders. Für sie sind weder dieser Krieg noch dessen Folgen ein Thema. Sie erleben seit zwanzig Jahren ein Land im ununterbrochenen Aufschwung, in dem es ihnen immer besser geht. Sie machen sich keine Gedanken darüber. Ich glaube, sie wollen nichts vom Krieg wissen; sie beschäftigen sich mit der virtuellen Realität ihrer Smartphones.“

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch

Als wir uns verabschieden, verbeugt sich Mr. Lee, wie es hier üblich ist, und reicht mir die Hand. „Nice to meet you.“ Noch eine Verbeugung. Ich habe kein anderes Land kennengelernt, in dem Höflichkeit eine so große Rolle spielt. Hinzu kommt das permanente Bestreben, sich in in sein Gegenüber hineinzuversetzen, immer darum bemüht, niemanden in Verlegenheit zu bringen. Das erzeugt ein ganz anderes Lebensgefühl, und ich ahne, dass das glücklich machen könnte. Jedenfalls bemerke ich an mir, wie ich selbst anfange, diese Höflichkeit zu zelebrieren und mich ebenfalls mehrmals zu verbeugen. Demut. Selbstachtung durch Selbstverleugnung. Freiheit durch „Unterwerfung“. 

© Asteris Kutulas, Seoul, 23.9.2019

(Photos © by Asteris Kutulas)

Seouls Temperaturkurve der Aromen, Südkorea-Tagebuch (18.9.19)

„Wir sind alle umzingelt“ – Südkorea-Tagebuch (22.9.19)

Seltsam, in Südkorea zu sein, wenn man aus dem ehemals geteilten Deutschland „kommt“. Noch einen Tag oder auch nur Stunden vor dem „Mauerfall“ war nicht daran zu denken, dass Deutschland bereits ein Jahr später vereint sein würde. Hier dagegen sprechen alle von der Wiedervereinigung, wollen alle (mehr oder weniger) die Wiedervereinigung, suchen nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

In der demilitarisierten Zone werden Wirtschaftsbetriebe gegründet. Arbeiter aus Süd und Nord arbeiten dort zusammen, eine Bahnlinie zwischen beiden Ländern wird gebaut, die aber (noch) keine bilaterale Verbindung ist, sondern der Zug bringt die Arbeiter vorerst nur in die „Zone“. Und dieser Tage kommen beim DMZ-Forum Experten zusammen, um über alle Aspekte des Wiedervereinigungsprozesses zu diskutieren und Lösungen zu finden. Politisch, wirtschaftlich, kulturell, ökologisch, psychologisch.

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch

Ich habe das Gefühl, dass an der „Basis“ alles bereit ist für die nationale Familienzusammenführung und dass es nur noch des Drei-plus-Zwei-Abkommens bedarf: USA, China, Russland, Nord- und Südkorea müssen sich gegenseitig die Sicherheiten gewähren, die alle brauchen, um die Teilung zu beenden.

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch

Der Taifun aus Okinawa hat Südkorea erreicht. Bei strömendem Regen fahren wir zum neuen Event-Ort. Die Veranstaltung musste von Open-Air nach Indoor und noch dazu in eine ganz andere Stadt verlegt werden. Man rechnet deshalb mit viel weniger Zuschauern, aber das scheint die Organisatoren nicht weiter zu stören. Das Kulturereignis wird live im Internet und später im Fernsehen übertragen.

Die südkoreanische Regierung ehrt den 94-jährigen Mikis Theodorakis. Dessen 3. Sinfonie ist das Highlight des Abends. Sieben seiner Lieder als Kontrastprogramm dazu, gesungen von Maria Farantouri. Zwei musikalische Seiten eines Komponisten, dessen Werke hier anlässlich des DMZ-Festivals aufgeführt werden und der in seiner berührenden Videobotschaft mit brüchiger Stimme von einer „Wunde der Teilung“ spricht, die geschlossen werden muss.

Wie eine prophetische Mahnung während des 3. Satzes der 3. Sinfonie der auf Konstantinos Kavafis‘ Versen beruhende Text: „Wir sind alle umzingelt. / Es gibt kein Schiff zu dir, / keine Straße. /So sehr hast du dein Leben zerstört – es verfolgt dich, /wohin du auch gehst.“

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch Nara Jung Kyonggi Philharmonic Orchestra
Conductor Nara Jung rehearsing with the Kyonggi Philharmonic Orchestra, the WiJeongbu City Chorus, the Grand Opera Chorus and soprano Seo Sun Young

Ein südkoreanischer Orchestermusiker kommt später zu mir: „Ich wusste gar nicht, dass es so eine Musik gibt – die ist wirklich einzigartig. Klassisch und modern zugleich, und sehr energetisch und emotional. Grüßen Sie Herrn Theodorakis von mir. Seine Sinfonie wird in Südkorea großen Anklang finden.“

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch

Übermorgen geht es zurück nach Berlin, in das seit fast 30 Jahren wieder-vereinte und irgendwie wieder-„geteilte“ Deutschland. Vielleicht werden es die vom Buddhismus beseelten Südkoreaner besser machen als die Deutschen, zwischen denen in den letzten Jahren wieder das Gift des Hasses verspritzt wird. Hier gibt es Meister Subul, der weiß: „Schau nicht auf die Dunkelheit, sonst wirst auch du dunkel.“

© Asteris Kutulas, Seoul, 22.9.2019

(Photos © by Asteris Kutulas)

Seouls Temperaturkurve der Aromen, Südkorea-Tagebuch (18.9.19)

Revolutionäre Melancholie – Südkorea-Tagebuch (21.9.19)

Henning und ich gehen zur Probe von Maria Farantouri und Tae Choon Jung, der hier so etwas wie der Konstantin Wecker Südkoreas ist. Alle kennen seine Lieder, ein linker Aktivist, der herrliche Melodien schreibt. Er und Maria werden am Sonntag ein gemeinsames Konzert geben. Mitten in der Probensituation sieht er mich plötzlich an, hält inne, greift nach meiner Hand und sagt: „Ich träume jeden Tag von Revolution.“ Und zu Maria: „Als ich dich vor zwanzig Jahren entdeckte und diese wunderbaren Lieder von Mikis Theodorakis hörte, befiel mich immer wieder eine endlose Melancholie. Es war so schön, dass ich an Selbstmord dachte.“ Maria sah ihn zweifelnd an: „Wenn ich singe, denkst du an Selbstmord?“ – „Ja, das ist so göttlich.“

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch Tae Choon Jung
Tae Choon Jung (rechts), südkoreanischer Liedermacher & politischer Aktivist, mit seiner Kalligraphie für Mikis Theodorakis

Ich musste an die vorgestrige Eröffnung des DMZ-Forums denken. Das Theodorakis-Lied „Der Zug fährt um acht“ ist hier in einer koreanischen Cover-Version ein Megahit. Alle kennen es. Die meisten wissen nicht, dass der Komponist Mikis Theodorakis ist. Als Maria das Lied in der griechischen Originalversion mit Klavierbegleitung zu singen begann, änderte sich sofort die Stimmung; das Publikum hielt den Atem an – der Beginn einer Reise … Einer der Direktoren des Art Centers flüsterte mir ins Ohr: „Ich muss weinen.“

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch
Reunification Town. Demilitarized Zone. Between South and North Korea. (Infiltration Tunnel)

Gestern in der abgesperrten, demilitarisierten Zone. Am Check Point gutaussehende, modisch gestylte, bis an die Zähne bewaffnete Soldaten mit sehr coolen Sonnenbrillen: „No photos!“ Unsere Pässe wurden eingesammelt. Stacheldraht. Wachtürme. Die Regierungsvertreterin, die uns die „Visas“ besorgte und vom Einfahrtstor abholte – eine energische Schönheit um die 50. Sie erklärte uns, wie es sich hier leben lässt, in dieser „verbotenen“ Zone, die mich an die Tarkowski-„Stalker“-Atmosphäre erinnerte und zugleich an DDR-Grenzschutzanlagen. Wir fuhren los. Ingwer-Felder. Ein Fluss schlängelte sich durch die Hügellandschaft. Bussarde. Ein Naturreservat wie aus dem Bilderbuch.

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch

„Haben Sie keine Angst, so dicht an Nordkorea zu leben?“, fragte Menas. „Absolut nicht. Falls etwas passieren sollte, ist es gut, dass wir eigentlich zu nah dran sind … und deshalb weder von taktischem noch von strategischem Interesse.“ Es ging in ein Dorf mit malerischen Häusern. „In der Zone gibt es drei „Dörfer“: unseres mit 60 Familien, ein anderes mit 40 Familien, wo Militärangehörige wohnen, und das größte mit 150 Familien. Da ist auch die Schule. Früher, während der Kriegshandlungen hatten zunächst alle die Zone verlassen müssen. Nach einer langwierigen Auseinandersetzung mit der Regierung konnten diejenigen zurückkehren, die hier geboren worden waren, Landeigentum besaßen und genügend Geld zum Hausbau hatten. Die Regierung übernahm die Kosten für die gesamte Infrastruktur, für die Verlegung von Strom- und Wasserleitungen etc.“

Mich interessierte: „Wie ist das, hier zu wohnen?“ Sie: „Sehr schön. Ruhig. Alles sicher. Alle sind hier sehr glücklich.“ Ich hatte meine Zweifel: „Trotz des Stacheldrahts?“ Sie lächelte: „Wir sind ja frei.“

© Asteris Kutulas, Seoul, 21.9.2019

(Photos © by Asteris Kutulas)

Seouls Temperaturkurve der Aromen, Südkorea-Tagebuch (18.9.19)

Hektik und Slowmo unter diesem schrecklich schönen Himmel – Südkorea-Tagebuch (20.9.19)

Wir steigen in unseren kleinen Bus, um in die demilitarisierte Zone in der Gyeonggi Provinz zu fahren. Der Begriff „Totalstau“ fällt mir ein als Bezeichnung für das, was dann folgt. Sehr sehr langsam ziehen die Hochhäuser, Shopping Malls und Bürotürme vorüber, obwohl sie doch pulsiert, diese Stadt. Ich habe den Eindruck, dass es keine Bauten gibt, die älter als zwanzig Jahre sind. Fast nur junge Leute in den Straßen. Und sehr viele Kinder.

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch
Seoul Centre (photo © vy Asrweis Kutulas)

Plötzlich Hektik auf dem Beifahrersitz. Unser südkoreanischer Begleiter klebt regelrecht am Telefon. Ein Taifun hat sich aus Okinawa nach Südkorea aufgemacht und die Pläne der Organisatoren für eine Open-Air-Veranstaltung durchkreuzt. Jetzt soll das große Konzert übermorgen in einem Konzerthaus in einer ganz anderen Stadt stattfinden.

Ich habe eine Eingebung, suche in meinem Computer, und es erklingt Johann Sebastian Bachs „Prelude in B Minor“, von Alexander Siloti für Klavier arrangiert. Gespielt vom göttlichen Emil Gilels. Jetzt wird die Fahrt durch Seoul für mich zu einem Film. Seoul in Slowmo. „Kein einziger dicker Mensch auf der Straße“, platzt John, der aus Los Angeles zum DMZ-Festival gekommen ist, in meine melancholische Stimmung. „Einen habe ich gestern gesehen, aber der war Europäer … Und ich natürlich. Wie machen die das?“ Henning weiß Bescheid: „Das ist das Essen. Reis und Gemüse.“ John teilt uns seine nächste Beobachtung mit: „Die Männer sehen alle so nichtssagend aus – ganz im Gegensatz zu den Frauen, die irgendwie „leuchten“, sehr „schön“ und offen sind und die sehr selbstbewusst auftreten.“

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch Kim Phuc
Mit Kim Phúc aus Vietnam

Im Kintac-Center dann das DMZ-Forum. Plötzlich steht in einem schwarzen Kleid Kim Phúc vor mir. Eine glückliche, stets lächelnde, beeindruckende Frau. Das Foto, auf dem sie als Neunjährige 1972 während des Vietnamkriegs zu sehen war, nackt, vor dem Bombenhagel von Trảng Bàng fliegend, ging um die Welt. Es trug dazu bei, diesen Krieg zu beenden. Sie sagt zu mir mit einem entwaffnenden Lächeln: „Wir hatten die Teilung zwischen Süd- und Nordvietnam. Jetzt bin ich hier, um über Hoffnung zu sprechen. Und auch darüber, dass manches sich sehr schnell ändern kann.“

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch
Kim & Moon

 

Dann eine Unterhaltung mit dem Direktor des Art Centers der Gyeonggi Provinz. Er: „Seit der amerikanische Präsident den symbolischen Schritt über die Grenzlinie gemacht hat, hoffen wir, dass eine Wiedervereinigung mit Nord-Korea möglich wird.“ Ich: „Ich kenne nicht sehr viele, die Donald Trump so viel Sympathie entgegenbringen wie ihr hier in Südkorea.“ Er nickt: „Wir wollen zeigen, dass die demilitarisierte Zone von einem Symbol des Kalten Krieges zu einem des Friedens werden kann.“ Und: „Der schöne Himmel, der jetzt über uns leuchtet, soll auch über Nordkorea leuchten. Wir hoffen, dass wir das DMZ-Forum nächstes Jahr in Nordkorea abhalten können … The sky is sadly beautiful.“ So sieht‘s aus.

© Asteris Kutulas, Seoul, 20.9.2019

(Photos © by Asteris Kutulas)

Seouls Temperaturkurve der Aromen, Südkorea-Tagebuch (18.9.19)

 

Der Himmel ist immer noch geteilt, Südkorea-Tagebuch (19.9.19)

Mitten in der „Altstadt“ von Seoul. Wolkenkratzer, moderne Architektur, Hügellandschaft, unzählige Autos, die in der Sonne grell orangefarbenen Taxis, höfliche Männer, selbstbewusste Frauen, bunte LED-Wände mit viel Reklame für Altersheime (glaube ich), der mächtige und still dahinfließende Hangang-Fluss. Geruhsamkeit. Für einen Berliner wie mich eine seltsam nicht-nervöse Stimmung. Eigenartig, denn ich befinde mich in der viertgrößten Wirtschaftsregion der Welt. Die „Altstadt“ ist eigentlich eine „Neustadt“ geworden, ein Neapoli; diese Neustadt wird vielleicht schon jetzt wieder als eine zukünftige „Altstadt“ gedacht und deshalb so genannt. „Was alt war, wird wieder alt sein, eines jungen Tages“, so verheißt es eine Plakatwand.

Asteris Kutulas Südkorea Zen-Meister Subul
Zen-Meister Subul (rechts) und Menas Kafatos in Seoul

Zen-Meister Subul Sunim

Zu Abend gegessen mit Zen-Meister Subul Sunim, einem der bedeutendsten buddhistischen Mönche des Landes. Cathy flüstert mir ins Ohr: „Man muss normalerweise sechs Jahre auf einen Termin mit ihm warten, aber wir sind eng mit ihm befreundet, und immer, wenn wir aus Los Angeles hierherkommen, treffen wir uns.“

Während der Unterhaltung sagt Meister Subul, dass der Mensch Regeln braucht, um sich beschränken und in Harmonie mit den anderen und mit sich leben zu können. „Regeln machen frei.“ Ich widerspreche und stelle fest, dass mich die neuere europäische Geschichte leider gelehrt hat, dass der Mensch jede Regel zerstört und nicht bereit ist, in Harmonie mit den anderen zu leben. Meister Subul: „Schau nicht auf die Dunkelheit, sonst wirst auch du dunkel.“

Dann faltet er die Hände, sieht mir in die Augen und fragt mich, ob ich an Gott glaube. Meine Antwort scheint ihn nicht zu verblüffen: „Nein, ich glaube nicht an Gott, ich glaube nicht mal an den Menschen.“ Dann ist es an mir, ihm die Frage zu stellen: „Do you believe in god?“ Er bejaht und spricht den unglaublichen Satz aus: „God was created for an purpose.“ Ich versichere ihm, dass ich mich für ihn freue, dass er diesen Glauben an Gott hat und dass mir das sehr tröstlich erscheint. Meister Subul hebt den Finger: „Ein alter chinesischer Zen-Meister sagte mal: ‚Wenn du Buddha auf der Straße triffst, dann töte ihn.‘ Er hat damit gemeint, dass du selbst Buddha bist, nicht irgend jemand, den du auf der Straße treffen kannst.“ Sein gütiger Blick trifft den meinen. „Gott ist in dir“, insistiert er, „du selbst bist Gott“.

Kurz nach dieser Unterhaltung im Kintex-Center die erste Probe für das bevorstehende Konzert. Marias Stimme erfüllt diese nüchterne Halle ganz.

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch
Kim & Moon

Nachts laufe ich durch ein leeres Seoul. Ab und zu ein Auto. Mir fällt auf, dass ich den ganzen Tag nicht einen einzigen Menschen mit einem Hund gesehen habe. Die bunten Werbetafeln schicken ihre Botschaften ins Nichts und erhellen den asiatischen Himmel über einem geteilten Land. 1981 schrieb ich über den Zustand in Deutschland: „Der Himmel ist immer noch geteilt, und die Hoffnung fiel in die Spalte zwischen den Hälften.“ Ich hoffe sehr, dass die unnatürliche Teilung Koreas bald überwunden werden wird. Die Menschen hier wünschen es sich von Herzen. 

© Asteris Kutulas, Seoul, 19.9.2019

(Photos © by Asteris Kutulas)

Seouls Temperaturkurve der Aromen, Südkorea-Tagebuch (18.9.19)

 

Seouls Temperaturkurve der Aromen, Südkorea-Tagebuch (18.9.19)

Kurz bevor ich das Flugzeug verließ, erinnerte ich mich plötzlich an Goshas Worte von vor 30 Jahren: „Immer, wenn ich irgendwo ankomme, will ich wissen, wie es riecht. Sobald ich draußen bin, atme ich ganz tief ein.“ In Seoul ist die Luft ein bisschen wie in Athen. Süd-Korea … Süd-Koriander, das Eine und das Andere – ineinander. Das würde vielleicht das Thema dieses Aufenthalts werden.

Mitten in der „Altstadt“. Erste Impressionen: Wolkenkratzer, moderne Architektur, Hügellandschaft, unzählige Autos, die in der Sonne grell orangefarbenen Taxis, höfliche Männer, selbstbewusste Frauen, der mächtige und still dahinfließende Hangang-Fluss, eine seltsam nicht-nervöse Stimmung – und das schreibe ich als Berliner. Geruhsamkeit. Eigenartig, denn ich befinde mich in der viertgrößten Wirtschaftsregion der Welt.

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch

Ich habe auf dem Flug hierher zwei scheinbar gegensätzliche Meinungen über Südkorea gehört. In der Frankfurter Lufthansa-Lounge begegnete ich plötzlich einem alten Freund, der in Dubai lebt und zuvor in Berlin einen Zwischenaufenthalt hatte, um dann nach London weiterzufliegen. Er meinte: „Wird dir dort sehr gut gefallen, Südkorea ist das Deutschland Asiens.“ Als ich das später Henning, mit dem zusammen ich gereist bin, erzählte, war dieser anderer Meinung: „Nein, Japan ist das Deutschland Asiens“. Jedenfalls bestand ein koreanischer Geschäftsmann, der Uhren produziert und der im Flugzeug neben mir saß – nachdem er erfahren hatte, was ich für ein Landsmann bin – darauf, dass Südkorea das „Griechenland Asiens“ sei. Der eine bezog sich wohl auf die koreanische Gastfreundlichkeit und der andere auf die koreanische Arbeitsmoral. Klingt nach einem „idealen Land“. Seit Jahrzehnten höre ich immer wieder mal, dass es perfekt wäre, könnten die positiven „Dinge“ Griechenlands und Deutschlands vereint werden. Sagen wir also: Südkorea. Seeluft in der Luft.

Das Skurrile an dieser Geschichte ist, dass das erste Gespräch, das ich in Seoul mit meiner koreanischen Freundin Susan führte, in der Auskunft mündete, dass es zwischen Südkorea und Japan gewaltige Auseinandersetzung gibt und zwar in einer Causa, weswegen es auch zwischen Griechenland und Deutschland mächtig kracht.

Es geht um die Reparationszahlungen Japans an Südkorea, die bereits erfolgt waren, bzw. um die, die noch ausstehen, nachdem das Oberste Gericht Südkoreas kürzlich die bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Abmachungen zwischen Südkorea und Japan als illegal und unzureichend charakterisiert hat. (Abmachungen, die 1965 getroffen worden waren, während der Zeit der südkoreanischen Militär-Diktatur.) Japan hat daraufhin beschlossen, Südkorea nur noch eingeschränkt mit Rohstoffen zu beliefern, so dass Samsung & Co. Ende September ihre Produktion drosseln müssen und ihre Kunden nicht mehr ausreichend werden beliefern können. Das ist hier in Südkorea Gesprächsstoff Nummer 1. Neben dem Handelskrieg USA-China gibt es also auch den zwischen Japan und Südkorea.

Asteris Kutulas Südkorea Tagebuch Kim Trump

 

Meine Reise hierher hat mit der Teilung Koreas zu tun: Seit 1953 ist Korea gespalten. Eine Demarkationslinien-Koexistenz. Jetzt ist wohl die Zeit der Wiedervereinigung gekommen. Wir fahren morgen in die Provinz der demilitarisierten Zone, nach Gyeonggi, um beim DMZ-Festival dabei zu sein. Künstler und Persönlichkeiten aus der ganzen Welt wollen helfen, Brücken zu schlagen und Konzepte zu entwickeln, damit eine Wiedervereinigung eines Tages Realität wird. Susan sagte: „Hier lieben alle Donald Trump, weil er es durch seine Politik ermöglicht hat, an eine Wiedervereinigung zu denken und sie für realistisch zu halten.“ Die Temperaturkurve der Aromen steigt an.

© Asteris Kutulas, Seoul, 18.9.2019

(Photos by Asteris Kutulas)

Der Himmel ist immer noch geteilt, Südkorea-Tagebuch (19.9.19)

 

Ein Sondeur, umgeben von tollwütigen Hunden,  flaniert, seinen Sklaven zuwinkend, durch Bizarre Städte

[Folgend ein Gastbeitrag über die Zeitschriften Bizarre Städte (1987-89)  und Sondeur (1990-91), den ich 1996 für die Zeitschrift SKLAVEN verfasste.]
 
Asteris Kutulas, Bizarre Städte, Sondeur
Titel verschiedener Ausgaben der Zeitschriften BIZARRE STÄDTE und SONDEUR sowie Grafiken daraus

Bizarre Städte & Sondeur

Die Zeitschrift SONDEUR, die zwischen April 1990 und März 1991 zwölf Ausgaben erlebte, war die Weiterführung der in der DDR erschienenen nicht-offiziellen Publikationsreihe BIZARRE STÄDTE (dreizehn Bände zwischen 1987 und 1989). Heute über die Gründe ihres Entstehens und Untergehens zu schreiben scheint mir, das will ich festhalten, wie über eine längst verblichene „märchenhaft-grauenvolle“ Zeit nachzudenken, über untergegangene Phänomene eben. Und wer will daran schon noch einen Gedanken verschwenden? Die Antwort ist einfach und lautet: DIE SKLAVEN. Und IHREM Willen unterwerfe ich mich gern; immerhin waren Wolfram Kempe, Annett Gröschner und Bert Papenfuß-Gorek Autoren der BIZARREN STÄDTE und zum Teil des SONDEUR, zweier Projekte also, die für mich zusammengehören.

DDR & geistige Freiheit

Der SONDEUR war ein Missverständnis, während die BIZARREN STÄDTE ein noch größeres Missverständnis darstellten. Bei letzteren ging es nämlich in allererster Linie um Existentielles: um lange Rotweinnächte (erinnert Ihr Euch: Rosenthaler Kadarka?), um endlose und zumeist absurde, manchmal abstrus-tragische Gespräche, um verquere Energien, um jenes unvergesslich aufregende Kribbeln in der Seele – um „geistige Freiheit“ – innerhalb einer Gesellschaft, in der „Ordnung und Disziplin“ zu herrschen hatten. Also musste man es sich selbst besorgen. Um es anders auszudrücken: Bei den BIZARREN STÄDTEN ging es mehr um die „DDR“ bzw. um das Leben, das wir in diesem Land führten, als um ein „Zeitschriftenprojekt“, während es beim SONDEUR doch mehr um die Zeitschrift ging, aber da gab es kein „Land“ mehr, in dem eine solche Zeitschrift hätte funktionieren können, kein „Um-Land“ für solch ein Ansinnen.
 
Die Umstände veränderten sich 1990-91 in einem so rasanten Tempo, dass kaum einer wusste, WOHIN DAS ALLES FÜHREN SOLL. Nur die Konzernchefs wussten und die Spekulanten und die allerklügsten Politiker. Das war dann der Augenblick, da wir mit SONDEUR nach der 12. Ausgabe aufhörten und Ina, unser Sohn und ich nach Athen zogen, in das Ursprungsland der ANARCHIA. Wenn schon, dann wollten wir es richtig erleben.
 
Zeitschrift Sondeur und Bizarre Städte von Asteris Kutulas
Zeichnung von Johannes Jansen
 
Der innere Grund für mein Engagement in Sachen Zeitschriften war allerdings, dass ich ein ausgekochter Pessimist hinsichtlich gesellschaftlicher Entwicklungen war und weiterhin bin und darum immer der Theorie nachhing, dass man das, was man will, selbst machen muss, sonst passiert gar nichts.
 
So entstanden die Idee zu den BIZARREN STÄDTEN während eines Gesprächs mit Johannes Jansen Ende 1986 und die Idee zum SONDEUR Ende 1989 während einer kalten Dezembernacht bei einer anregenden Diskussion mit Stefan Körbel. In beiden Fällen gaben nicht nur andere den Anstoß zu diesen Vorhaben, die ANDEREN waren auch der eigentliche Grund derselben. Denn innerhalb der „geordneten“ DDR- Gesellschaft Leute kennenzulernen, mit denen man zwar wenig oder gar nichts zu tun hatte, die aber allesamt etwas TATEN, was mich in irgendeiner Form interessierte, war nicht nur spannend und teilweise „amüsant“, es war – das kann ich im nachhinein feststellen – überlebensnotwendig für die eigene Kreativität. 

Nachdenken dürfen?

Ich erinnere mich noch genau der zutreffenden Aussage Claus Trägers, meines Leipziger Literaturtheorie-Professors, der die Frage nach der fehlenden Mobilität im DDR-Roman wie folgt beantwortete: „Was wollen Sie? Wenn Sie in diesem Land, sagen wir mal, in Oschatz geboren worden sind, dann werden Sie in Oschatz leben, in Oschatz arbeiten, und in Oschatz sterben.“ Genau das war in dieser Hinsicht die DDR: man bereitete sich „planmäßig“ auf den Tod vor; keine Visionen, keine Extravaganzen. Nein, alles ging seinen geregelten – aberwitzigen – sozialistischen Trott. Die Bevölkerung schien durch die „Wirtschafts- und Sozialpolitik der Partei“ gelähmt und korrumpiert, was nichts anderes bedeutete, als dass man den Leuten vorgaukelte, auf Konsumebene mit dem Westen Schritt halten zu können (was schließlich die Ursache für den sozialistischen Niedergang bedeutete). Dafür durfte auch keiner aufmucken. Dem „Arbeiter“ ging es gut (solange er nicht anfing nachzudenken), zum Teil „besser“ als heute, dem Intellektuellen (ich meine: dem wirklichen, also dem „Künstler“) ging es schlecht, weil er, um ER zu sein, NACHDENKEN MUSSTE.
 
Man lese heute im „Neuen Deutschland“ von vor 1990, und man wird sofort verstehen, was ich meine: Angesagt war die allgemeine Verblödung im Namen der fortschrittlichsten und revolutionärsten Gesellschaft. Ich habe das schon damals als organisierten Versuch der persönlichen Entmündigung empfunden. Ich konnte aber nicht akzeptieren, dass ein vergreister und realitätsenthobener Erich Honecker mir vorschreiben zu können glaubte, was ich zu denken, zu sagen und zu machen habe. Es war einfach lächerlich, aber auch tot-ernst. Und wenn man bedenkt, dass Honecker sein Dogma mit Hilfe von Leuten wie Sascha Anderson in die konkrete Tat umsetzte – um auf unser unmittelbares Thema zurückzukommen –, war die Wirklichkeit jeder Satire haushoch überlegen. Meine Emphase sei mir verziehen, aber ich kriege immer noch geistigen Ausschlag, wenn ich an bestimmte Vorfälle aus jener Zeit denke.
 
Zeitschrift Sondeur und Bizarre Städte von Asteris Kutulas
Siebdruck von Gottfried Bräunling

Stasi & Bizarre Städte

Ich erinnere mich, wie zwei Literaturbeauftragte der Stasi (Hasi und Nasi, wie Ina sie genannt hat) Anfang 1989 zu mir nach Eggersdorf kamen, in den Händen triumphierend die untergründlerische Zeitschrift „Liane“ haltend, und mich fragten: „Haben Sie schon gelesen?“, so als wären sie auf ihrem täglichen Nachhauseweg bei mir auf einen Kaffee vorbeigekommen, mit der neusten Zeitungsnachricht in petto. Gemeint war ein Artikel des Herausgebers von „Liane“, der gegen das Konzept der BIZARREN STÄDTE mit Schlagworten argumentierte, die einige führende Repräsentanten aus der Szene vorgaben: 
 
– Jede Öffentlichkeit über 100 Personen ist suspekt. 
– Das Politische in der Kunst ist zu verurteilen, es geht nur um Ästhetik.
– Die Aufklärung ist tot, es lebe der Strukturalismus. 
 
Das war die Verkehrung der Werte – das Staatserhaltende, versteckt in der Widerstandsgeste –, und die beiden Stasi-Leute hatten gut lachen. Im Grunde genommen lehnte auch der „Liane“-Autor (wahrscheinlich, ohne es zu ahnen) das ab, was das DDR-System mit der Zeit abgeschafft hatte: Öffentlichkeit, politischen Diskurs, Aufklärung im philosophischen – kantschen – Sinne. Jene aus der Szene, die solche „moralischen Prämissen“ aufstellten, taten es aus gutem Grunde, denn sie arbeiteten für die Stasi.
 
Mit den konkreten BIZARREN STÄDTEN, in denen es darum ging, die eigene Kreativität auszuleben, hatte das wahrlich wenig zu tun. Aber schon das war in der DDR unerwünscht, und ich kenne viele Leute, die, da sie danach lebten, kaputtgespielt wurden. Das beliebteste, einfachste und effektivste Mittel war, durchsickern zu lassen, dass der und der für die Stasi arbeitet. Es gab kaum einen Autor, über den nicht ein anderer gesagt hätte, ich solle mich vor ihm vorsehen – so konnte man weder arbeiten noch leben. Also fassten wir den „historischen Beschluss“, unsere Projekte durchzuziehen und die Stasi-Gerüchteküche gänzlich zu ignorieren. Wir dachten uns, das ist genau das, was die Stasi nicht will, und falls wirklich Leute unter uns sind – was stört es uns. Dieser Beschluss war wie ein Befreiungsschlag: Wir konnten arbeiten (und teilweise genießen).

Sondeur

Ich schreibe das alles, um zu zeigen, innerhalb welcher Koordinatensysteme und Reviere tollwütiger Hunde solche relativ harmlosen – ich meine das ohne jede Koketterie – Projekte wie die BIZARREN STÄDTE entstanden sind. Ich fand es einfach gut (weil sich sonst nicht viel ereignete), verschiedene Leute verschiedener Künste und verschiedenen Alters zusammenzubringen und gemeinsam etwas zu machen, z.B. eine Zeitschrift, Ausstellungen, Lesungen, Bier trinken gehen, sich streiten, leben halt. Diese „Begleiterscheinungen“ waren das Eigentliche bei den BIZARREN STÄDTEN und später beim SONDEUR, wobei der SONDEUR das – allerdings bedeutende – Nachspiel zu den BIZARREN STÄDTEN darstellte, das Satyrspiel zu einer/der „Tragödie“.
 
Mit Hilfe von Tilo Köhler, Ina Kutulas, Jannis Zotos und Marina Bertrand (und natürlich vieler anderer) haben wir in den Wonnemonaten vor und nach der Währungsunion versucht, gute Literatur, spannende Artikel, aufregende Interviews und skurrile Nebensächlichkeiten aufzutreiben und zu veröffentlichen. Mir war von Anfang an klar, dass dieses Projekt eins auf Zeit sein würde. Über soviel kapitalistischen Realitätssinn verfügten wir bereits 1990. Die SKLAVEN haben da sicherlich mehr Chancen, denn sie scheuen nicht die Öffentlichkeit, sie sind politisch und lieben die Aufklärung, oder?
 
Mit hellenischem Gruß
Asteris Kutulas, Sommer 1996
 
(Veröffentlicht in der Zeitschrift SKLAVEN, Heft 30, BasisDruck Verlag, Berlin November 1996)
 
Bizarre Städte: Unabhängige Zeitschriftenpublikation in der DDR (1987-1989)
Sondeur: Monatszeitschrift für Kultur und Politik in der Nachwendezeit (1990-1991)
Sklaven: Monatszeitschrift der Prenzlauer-Berg-Szene seit 1995
 
Titelbild: Zeichnung von © Trak Wendisch als Buchdeckel für „Bizarre Städte“, Band 2 (1988)
 
Zeitschrift Sondeur von Asteris Kutulas
 

„Zorba“ Satellite Clip with Stefanos Korkolis

DANCE FIGHT LOVE DIE | The Satellite Clips | STEFANOS

Music (”Zorba theme”) by Mikis Theodorakis
Version for piano by Stefanos Korkolis
„Zorba“ Satellite Clip performed by Stefanos Korkolis
Cinematography by Mike Geranios
Mikis Theodorakis in Düsseldorf (May 2017) filmed by Asteris Kutulas
Edited by Dimitris Argyriou & Asteris Kutulas
Written & directed by Asteris Kutulas

Music published by Schott Music

A Satellite Clip by Asteris Kutulas & Dimitris Argyriou
© Asti Music, 2019


SATELLITEN UMKREISEN THEODORAKIS’ PLANETEN

Über ein Langzeit-Filmprojekt von Asteris Kutulas
Von Sofia Stavrianidou

30 Jahre. 40 Länder. 4 Kontinente.
600 Stunden Film. 54.000.000 Frames.
Der in Deutschland lebende Publizist, Produzent und Filmemacher Asteris Kutulas hat den griechischen Komponisten Mikis Theodorakis zwischen 1987 und 2017 ungezählte Male besucht; er begleitete Theodorakis auf Tourneen und ließ dabei seine Videokamera laufen. Kutulas filmte Theodorakis bei Konzerten, während diverser Proben mit Orchestern, Solisten, Bands, on Stage und Backstage, bei CD-Aufnahmen in Studios, bei Opern- und Ballett-Produktionen, in Hotellobbys und auf Hotelzimmern, in Bussen und Lokalen, auf Ausflügen und während privater Treffen.
Das zwischen 1987 und 2017 gefilmte Material bildet einen umfangreichen Fundus von etwa 600 Stunden. Aufgenommen wurde es in Berlin, Athen, St. Petersburg, Verona, Santiago de Chile, Sydney, Tel Aviv, Budapest, Wien, Kopenhagen, Malmö, Pretoria, Çeşme, Amsterdam, Montreal, London, Brüssel, Luxemburg, Barcelona, Zürich, Oslo, Paris, auf den griechischen Inseln Chios, Kreta und Syros usw. usf.

SATELLITE CLIPS – Das ungenutzte Filmmaterial

Die „Satellite Clips“ umkreisen den Hauptfilm DANCE FIGHT LOVE DIE, der ihnen als Heimatplanet gilt. Die Formel lautet: Satellite-Clips = aus dem für den Hauptfilm nicht genutzter 600-Stunden-mit-Mikis-Fundus + Fiction- und Making-of-Material, das während der Shootings mit den Schauspielern und den jungen Musikern zwischen 2014 und 2017 entstanden ist.
Diese Clips, die auch als „Trailer“ für den Hauptfilm fungieren, werden in den nächsten Monaten bis zur Premiere des Hauptfilms nach und nach im Internet veröffentlicht. Sie tragen den Namen des an der Entstehung des jeweiligen Clips maßgeblich beteiligten Künstlers bzw. Mitarbeiters des Regisseurs.

DANCE FIGHT LOVE DIE – With Mikis On The Road – Der Film

Docufiction von Asteris Kutulas – mit Mikis Theodorakis, Sandra von Ruffin, Stathis Papadopoulos und vielen anderen (2018)

Aus dem während dreier Jahrzehnte entstandenen Fundus mit mehr als 600 Stunden unveröffentlichten Film-Materials wird ein 90minütiger hybrider Film-Essay, der den Zuschauer spannende, überraschende, skurrile, mysteriöse, aber auch sehr typische Augenblicke aus dem On-the-Road-Leben eines unverwechselbaren und charismatischen Künstlers miterleben lässt. Augenblicke, die einen umfassenden und originären Einblick in die „Agenda des geistigen Anarchisten“ Theodorakis erlauben.

Kutulas verschmilzt in seinem Film sehr persönliche Momente mit historischem Material, dokumentarische Aufnahmen mit humorvoll-grotesker, teilweise verstörender Fiktion, und er macht erlebbar, welchen Widerhall Theodorakis’ Musik in den Arrangements junger Künstler findet – u.a. als Rock-, Klassik-, Electro- oder Rap-Version. Im fiktionalen Parallel-Universum des Films (inspiriert vom autobiographischen Roman des Komponisten „Die Wege des Erzengels“) erscheint die „Liebe“ als Chimäre, der „Tanz“ als Verzweiflungstat, der „Tod“ als Kontrastprogramm, der „Kampf“ als verführerischer Widergänger, der uns immer aufs Neue gegenübertritt und prüft.

Photo © by Ina Kutulas/Asti Music

Dance Fight Love Die – Reviews & Statements

Nach der Wahl: Beginn einer neuen Ära? (Wahl-Tagebuch 2019)

Wahl-Tagebuch, Athen, 08.07.2019

Tag 1 nach der Wahl. Sitze abends im Studio von Mikis Theodorakis, gegenüber die Akropolis, wir verfolgen zusammen gespannt die Abendnachrichten. Mitsotakis, Tsipras, Genimata, Koutsoumbas, Veropoulos, Varoufakis – die Vorsitzenden der sechs im Parlament vertretenen Parteien erscheinen einer nach dem anderen auf dem Fernsehbildschirm und geben Erklärungen ab.

Die Kommentare einer Vielzahl von Journalisten überschlagen sich. In der ausländischen Presse wird der „Beginn einer neuen Ära für Griechenland“ regelrecht gefeiert. Die „Märkte“ sprechen der neuen Regierung ihr „Vertrauen“ aus. Tayyip Erdogan hofft, dass es ab jetzt in der Ägäis und im Mittelmeer keine Probleme mehr geben wird. Der Chef der aus dem Parlament geflogenen Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“ verspricht, umgeben von entschlossen nach vorn blickenden uniformierten Anhängern, wieder auf die „Straße“ zurückzukehren, „von wo wir gekommen und wo wir stark geworden sind“. Das kann man nur als Drohung verstehen.

Mikis stellt den Fernsehton leiser und sagt: „Es muss in Griechenland endlich ein wirksames Anti-Nazi-Gesetz geben. Diese Typen müssen sofort verhaftet und verurteilt werden und gleich darauf ins Gefängnis – und zwar für lange. Es ist unerträglich, wie sie ungehindert ihre Hetz-Propaganda in der Gesellschaft verbreiten können. Ich habe so ein Gesetz schon 2013 gefordert; jetzt werde ich mich deswegen auch an Mitsotakis wenden.“ Mikis kaut auf seiner kubanischen Zigarre herum – die er aus gesundheitlichen Gründen aber nicht mehr rauchen darf – und stellt den Fernsehton wieder lauter.

Graffiti in Athens (Photo © by Ina Kutulas)

Die Namen der neuen Regierungsmitglieder werden bekanntgegeben. 18 der 51 Ministerposten – in Griechenland gelten auch die „stellvertretenden Minister“ als Minister – sind mit Technokraten besetzt. Und fast alle anderen Minister erweisen sich tatsächlich als kompetente Fachleute für den Zuständigkeitsbereich des ihnen jeweils zugewiesenen Ministeriums. Das ist ein Novum in der griechischen Geschichte. In den letzten 100 Jahren galten andere Kriterien: Ministerposten wurden durch die mächtigsten Parteifunktionäre besetzt. Das war von Belang, nicht ihr fachliche Kompetenz. Den Bruch mit dieser unsäglichen Tradition hatte Mitsotakis vor seiner Wahl versprochen. Die Reaktionen innerhalb der Partei und innerhalb der Parlamentsfraktion werden wohl nicht lange auf sich warten lassen. Die Frage wird sein, wie lange Mitsotakis bei den zu erwartenden Angriffen standhalten will und wird.

Alexis Tsipras, die abgewählte Ministerpräsident, bekommt durch sein starkes Wahlergebnis von 31,5% der Stimmen eine zweite Chance. Es fühlt sich wie ein Sieg in der Niederlage an. Er wird die nächste Zeit nutzen, um auf der Grundlage einer großen Wählerschaft aus seiner mitgliederschwachen SYRIZA eine Volkspartei zu machen. Und er muss eine wichtige strategische Entscheidung treffen: Will er weiterhin in Europa zu den „Linken“ gehören, oder wird er sich über kurz oder lang im „grünen Lager“ positionieren?

Asteris Kutulas Griechenland Athen Tagebuch 2019
Graffiti in Athens (Photo © by Ina Kutulas)

Die kleinen Parteien werden durch die Polarisierung der beiden großen Parteien zwischen diesen zerrieben. „Potami“, „Zentrumsunion“ und „Goldene Morgenröte“ sind aus dem Parlament geflogen, in dem nicht mehr acht, sondern nur noch sieben Parteien vertreten sind.

Im Fernsehen spricht gerade Kyriakos Velopoulos, dessen Partei „Griechische Lösung“ mit 3,7% neu ins griechische Parlament eingezogen ist. Bekannt wurde Velopoulos in den vergangenen Jahren als Kommentator in Spartenkanälen, als Telemarketing-Verkäufer von Büchern aus der eigenen Druckerei und als Vermarkter esoterischer Heilmittel. Dazu bemerkte mein Freund Wassilis Aswestopoulos in einem kürzlich geführten Gespräch: „Seine Wähler können keinen Widerspruch darin sehen, dass Velopoulos ihnen Haarwuchsmittel als „geheime Wundermittel“ verkauft, selbst aber eine nicht zu übersehene Halbglatze hat. Sie haben auch die von ihm als „Original Handschriften von Jesus Christus, unserem Gott!“ lautstark angepriesenen schriftlichen Dokumente einiger Mönche gekauft. Gebannt lauschen sie seinen Analysen, in denen er von einem wieder erstarkenden, zur Großmacht werdenden Griechenland schwärmt.“

Mikis schaltet den Fernseher aus und meint: „Es reicht. Hören wir uns meine 7. Sinfonie an.“ Sofort sind sie da, die Allmacht und die Schönheit der Musik. Und dann im dritten Satz die Worte von Jannis Ritsos: „Nächtlicher Hafen / Lichter, ins tiefe Wasser gerissen / Gesichter ohne Spuren, nichtssagend / kurz erhellt von den Scheinwerferlichtern / der Schiffe in einiger Entfernung / verschattet im Vorübergehn“.

© Asteris Kutulas, 8.7.2019

Text-Redaktion & © Photos: Ina Kutulas

Artikel-Veröffentlichung in der Tageszeitung „junge Welt“, 9.7.2019

Wahlgewinner: Mitsotakis, Tsipras und die Demokratie (Wahl-Tagebuch 2019)

Wahlgewinner: Mitsotakis, Tsipras und die Demokratie (Wahl-Tagebuch 2019)

Wahl-Tagebuch, Athen, 07.07.2019 

Gestern Abend war ich bei Dimitris, einem Freund, der eine Werbeagentur leitet. Wir sahen uns die Fernsehdebatten nach der Wahl an. Als die Wahlergebnisse bekannt waren, fragte ich ihn nach seiner Meinung. Dimitris streckte mir drei Finger entgegen: „Es gibt drei Sieger bei diesen Wahlen in Griechenland: die Demokratie, die rechts-konservative Partei „Neue Demokratie“ (ND) und die sozialistische Partei SYRIZA. Die Demokratie, weil die faschistische Partei „Goldene Morgenröte“ an der 3%-Klausel gescheitert und darum nicht länger im Parlament vertreten ist. Die „Neue Demokratie“, weil sie mit ihrem Spitzenkandidaten Konstantinos Mitsotakis die Wahl mit fast 40% gewonnen hat und die Regierung bilden wird. SYRIZA, weil für die Partei von Alexis Tsipras die 31,5% Zustimmung einen beachtlichen Erfolg darstellen und SYRIZA damit die im Vergleich stärkste europäische sozialistische Partei geworden ist.“

Eine Minute, nachdem die exit pools bekannt gegeben wurden, akzeptierte SYRIZA die Wahlniederlage; wenig später rief TayyipErdogan den zukünftigen griechischen Ministerpräsidenten an und gratulierte ihm zum Sieg. Dagegen fällt der Freudentaumel der Anhänger des Wahlgewinners sehr bescheiden aus. Kein Überschwang, kein Fahnenmeer, keine Autokorsos … Das Volk bleibt zuhause vor den Fernsehapparaten und … wartet ab.

Griechenland Tagebücher 2019 von Asteris Kutulas

 

Wassilis Aswestopoulos, ein guter Freund und ein exzellenter Autor, der als Fotoreporter für die deutschen Medien in Griechenland arbeitet, erläutert mir seine Sicht auf die Situation: „Mitsotakis hat – anders als Tsipras und anders als seine konservativen Vorgänger – auf Fahnen schwingende und Parolen brüllende Parteihelfer bei seinen Wahlveranstaltungen verzichtet. Sein Wahlkampf orientierte sich an westlichen Vorbildern. Er erinnerte mehr an Obama als an die üblichen, populistischen Volkstribunen, denen die Griechen bislang ihre Stimme gaben. Mitsotakis wirkt wie ein College-Boy, wie eine griechische Kennedy-Version. Er möchte eine Gesellschaft der Eliten schaffen. Nicht mehr die Familie, sondern vielmehr die Ausbildung und die individuelle Leistung sollen die Berufslaufbahn bestimmen. Der Spross eines der größten Familien-Clans hat der Clanherrschaft den Kampf angesagt. #MetonKyriako, #MitKyriakos hieß der von der Partei in sozialen Medien verbreitete Hashtag, der die Familienbande in den Hintergrund stellen soll.“

Wassilis war noch ein Punkt wichtig: „Mit einer knallharten Law & Order Politik möchte die Partei die bislang an rechtsextreme Parteien verlorenen „besorgten Bürger“ zurückgewinnen. Und den Verlierern der Krise, den Armen verspricht Mitsotakis das bedingungslose Grundeinkommen. Er sieht sich als Vertreter des ganzen Volkes und nicht nur als Vertreter seiner eigenen politischen Klientel.“

Wie eine Bestätigung dessen kam in einer der zahllosen Debatten im Fernsehen folgende Erklärung von Makis Voridis, dem Fraktionsvorsitzenden der ND: „Mitsotakis ist kein Demagoge. Er hat alles angekündigt, was wir jetzt umsetzen wollen. Wir hatten und haben keine Hidden Agenda. Deshalb ist unser Programm vom griechischen Volk gewählt worden. Genau das werden wir umsetzen.“ Für einige Griechen hört sich das wie ein Neu-Anfang an, für andere wie eine Drohung.

Kurz darauf erscheint Alexis Tsipras vor den Kameras. Er sieht vollkommen entspannt – und irgendwie erleichtert aus. Er gratuliert Mitsotakis und bemerkt, dass seine Regierung vor vier Jahren eine katastrophale Situation, ein Land in Auflösung und kurz vor der Verarmung übernommen hatte, jetzt aber ein Griechenland an Mitsotakis übergibt, in dem die Arbeitslosigkeit halbiert wurde, die Staatskassen saniert sind, das Land den europäischen Rettungsschirm verlassen konnte und eine Reserve von 32 Milliarden der zukünftigen Regierung viel Gestaltungsfreiheit bieten. – Und tatsächlich berichteten Medien in den letzten Monaten, dass sich die Brüsseler Bürokraten immer wieder anerkennend äußerten: „Tsipras liefert“. Jetzt, scheint es, hat er die letzte Lieferung getätigt.

Griechenland Tagebücher 2019 von Asteris Kutulas
Athen, Juli 2019 (Photo © by Asteris Kutulas)

Dimitris sagt: „Es gibt wieder zwei Pole: die ND auf der einen und SYRIZA auf der anderen Seite. Hoffen wir, dass das nicht dieselbe Polarität zur Folge hat, wie wir sie in den letzten vierzig Jahren zwischen ND und PASOK erlebten. Hoffen wir, dass sich sowohl die „Neue Demokratie“ geändert und aus der Krise gelernt hat, als auch dass SYRIZA nicht in die Fußstapfen von PASOK tritt und sich stattdessen zu einer fortschrittlichen „grünen Volkspartei“ entwickelt. Und hoffen wir, dass die Kommunisten der KKE und der neu ins Parlament eingezogene Jannis Varoufakis mit seiner MERA25-Partei eine realistische, demokratische Gesellschaftsalternative entwickeln werden, wozu sie sich ja berufen fühlen.“ Ich antworte mit: „Amen!“

© Asteris Kutulas, Griechenland Tagebücher 2019

Text-Redaktion & © Photos: Ina Kutulas

Nach der Wahl: Beginn einer neuen Ära? (Wahl-Tagebuch 2019)

Artikel-Veröffentlichung in der Tageszeitung „junge Welt“, 9.7.2019

Morgen wird gewählt (Wahl-Tagebuch 2019)

Wahl-Tagebuch, Athen, 06.07.2019

Morgen wird gewählt. Ich habe in den letzten Tagen bei Freunden, Bekannten oder bei zufälligen Begegnungen keine Hoffnung gespürt, habe nichts Positives erfahren – selbst, wenn mein Gegenüber vom besten aller möglichen Wahl-Ergebnisse seiner jeweils präferierten Partei ausging. Bei Neue-Demokratie-Anhängern, die einen großen Sieg erwarten, überwiegt eher die Freude darüber, dass SYRIZA verliert, als dass sie davon überzeugt wären, dass durch den Sieg ihrer Partei eine „bessere Zukunft“ bevorsteht. Manchmal hatte ich das Gefühl, eher fürchten sie sich vor den kommenden Entscheidungen ihrer Partei. Bei SYRIZA-Anhängern überwiegt das Argument, dass mit der Neuen Demokratie die Rechtsradikalen an die Macht kommen. „Koulis“ (so wird Mitsotakis hier mit pejorativem Unterton gerufen), heißt es, hätte Vertreter von LAOS und aus dem Umfeld der „Goldenen Morgenröte“ in den letzten Jahren mit ins Boot geholt, um dieser faschistischen Partei das Wasser abzugraben, die tatsächlich über die Hälfte ihrer Anhänger einbüßte.

Dabei sind die Programme – vor allem die der beiden großen Parteien – voll mit Wahlversprechen. Große Unterschiede gibt es nicht. Mein Freund Konstantinos sagte heute: „Egal, wer gewinnt, ob Alexis Tsipras oder Konstantin Mitsotakis, glaubst du wirklich, einer dieser beiden wird es wagen, das oligarchische System in Griechenland anzugreifen, die Grundlage von Korruption, Steuerhinterziehung und die eigentliche Ursache für die Krise?“ Wir sitzen im „Diplo“, einem wunderbaren Café auf dem Exarchia-Platz.

Es ist heiß. Ein Hund liegt in der Sonne, wie im tiefsten Frieden. Im Gegensatz zu gestern heute Wind. Konstantinos erklärt: „Frag doch mal, wie viele der 2.000 Namen aus der Lagarde-Liste mit vermuteten griechischen Steuerflüchtlingen in der Schweiz bislang überprüft wurden, seit die Liste vor sieben Jahren aufgetaucht ist! Bestimmt nicht mehr als 100. Die französische oder die deutsche Regierung haben im selben Zeitraum Tausende überprüft und sich Milliarden Steuergelder zurückgeholt. Und dabei ist diese Liste hier bereits durch die Hände eines ND-, eines PASOK- und eines SYRIZA-Finanzministers gegangen.“

Asteris Kutulas Athen Tagebuch Mitsotakis Tsipras

Ein älterer Herr vom Nebentisch, der gehört hatte, dass wir uns über Tsipras unterhalten, mischt sich ein, ziemlich erbost: „Ich jedenfalls glaube Tsipras kein Wort mehr! Er hat uns versprochen, den Mindestlohn von 350 auf 750 Euro anzuheben. Und was hat Tsipras gemacht? Der Mindestlohn, den ich kriege, ist jetzt nur bei 550 Euro. Ich werde dieses Mal Mitsotakis wählen; der hat angekündigt, den Mindestlohn sogar abzusenken, wenn es sein muss, und Mitsotakis hält, was er verspricht. Ich lass mich nicht länger von Tsipras verarschen. Der hat versprochen, versprochen und nichts gehalten.“ Ich dachte, der Mann hätte gescherzt, merke allerdings sehr schnell, dass er das ernst meint. Auf meinen Einwand, dass der Mindestlohn inzwischen auf 650 Euro angehoben wurde und er im Fall einer Absenkung weniger Geld in der Tasche haben würde, schlägt der Mann erbost mit der Faust auf den Tisch: „Mein Junge, ich lass mich nicht von diesem Lügner verarschen, verstehst du?“ Konstantinos zuckt mit der Schulter: „Asteris, willkommen im griechischen Wahlkampf 2019! Die Leute sind einfach durcheinander. Und nach inzwischen fast zehn Jahren Krise müde.“

Dann deutet Konstantinos auf einen Mann, Mitvierziger, und sagt: „Da hast du dein positives Beispiel. Das ist Castro“. Er erzählt, dass Castro ein syrischer Flüchtling der ersten Stunde ist, ein Aktivist und Organisationstalent. „Castro hat in Athen Strukturen geschaffen, die Flüchtlingen, aber auch Griechen helfen, sich autark zu organisieren und Überlebensstrategien zu entwickeln, wo der Staat versagt. Castro hat Spenden gesammelt, außerhalb von Athen billig Land gekauft, das bewirtschaftet wird, hat Arbeitsplätze geschaffen und jetzt hier am Exarchia-Platz einen Falafel-Laden eröffnet, wo man mit jeweils so viel zahlt, wie man gerade geben kann. Eine funktionierende, selbst organisierte Parallelwelt, die den Menschen Hoffnung gibt und Mut macht. Solche funktionierenden Parallelwelten gibt es inzwischen einige in Griechenland. Auch viele griechische Jugendliche gehen diesen Weg, verlassen Athen und bauen Kommunen im ganzen Land auf. Parallelwelten, die sich schützen und nicht vereinnahmt werden wollen.“

Asteris Kutulas Athen Tagebuch Mitsotakis Tsipras

Wir verabschieden uns. Konstantinos umarmt mich und gibt mir das mit auf den Weg: „Wenn du morgen wählst …“ Ich unterbreche ihn: „… wähle ich das kleinere Übel!“ Er lacht, und ich gehe zur Metro-Station Omonia-Platz.

© Asteris Kutulas

Text-Redaktion & © Photos: Ina Kutulas

https://asti-blog.de/2019/07/06/wahlen-in-griechenland-syriza-oder-sex/

Kaputtgespielt (Wahl-Tagebuch 2019)

Wahl-Tagebuch, Athen, 05.07.2019

Athen ist ruhig, seltsam still, unaufgeregt. Null Wahlkampfstimmung. Die Menschen bereiten sich auf die Sommerferien vor. Ich habe das Gefühl, wenn nicht auf den Fernsehbildschirmen in Restaurants oder Kafenions die diversen Politikerköpfe auftauchen würden und wenn es nicht ein paar zentrale Wahlveranstaltungen der Parteien gäbe, würde man vom Wahlkampf gar nichts merken.

Mein alter Freund Dionissis meint desillusioniert: „Es geht bei diesen Wahlen um nichts, glaub mir.“ Ich nehme einen Schluck griechischen Kaffee „me oligin“, mit wenig Zucker, und erwidere: „Tsipras hat gestern gesagt, es geht um UNSER LEBEN.“ Dionissis schüttelt den Kopf: „Alles Floskeln. Kuck sie dir an, diese traurigen, machtgeilen Gestalten: Konstantinos Mitsotakis von der Neuen Demokratie, Alexis Tsipras von SYRIZA, Fofi Genimata von der Ex-PASOK-Bewegung KINAL, Nikos Koutsoumbas von den Kommunisten … Und dazwischen auch noch der gescheiterte Ex-Finanzminister Varoufakis mit seiner neuen Partei Mera25 – irgendwie alles „greise“ Politiker von gestern. Kein Visionär darunter, keine inspirierende Persönlichkeit, nichts, alles Luftnummern. Wir sind wirklich verloren.“ Er nimmt einen Schluck Bier, schaut sich um und krempelt seine Ärmel hoch. Es ist sehr heiß in Athen.

Asteris Kutulas Athen Tagebuch 05
Liebe! Hoffe!

2012 war Dionissis noch Mitglied der Hackergruppe Anonymus. Ende Januar 2012 schickte Anonymus eine Botschaft an die damalige griechische Regierung, in der es hieß, das Volk solle keine Angst haben vor seiner Regierung, sondern die Regierung solle Angst haben vor dem Volk. Ich erinnere ihn daran. Dionissis will nichts mehr davon wissen: „Das ist Schnee von gestern. Außerdem ist ja durch SYRIZA das Volk an die Macht gekommen … oder?“ Er lacht selbst laut über diesen billigen Witz und klopft mir auf die Schulter. „Asteris, weißt du, was mich wirklich wütend macht?“ Er schaut mir direkt in die Augen. „Mich macht wütend, dass die Faschos von der Goldenen Morgenröte und der „Griechischen Lösung“ insgesamt bestimmt auf 7% kommen. Wie kann man nur solche furchtbaren und gefährlichen Typen wählen? Es gibt keine Hoffnung, mein Bruder. Es geht nur noch um das EIGENE Leben. Ich werde mit meiner Familie Griechenland verlassen. Wir ziehen zu meinem Cousin nach Perth. Ich kriege dort einen sehr guten Job in der Perlen-Produktion.“

Diesen „Schlussstrich“ haben in den Jahren der Krise inzwischen mehr als 600.000 vor allem jüngere Griechen gezogen. Griechenland verliert seine Zukunft. Sehr viele meiner Landsleute sind total ernüchtert, müde und kaputtgespielt. Solche resignierten Aussagen habe ich gestern und heute zuhauf gehört: Die griechischen Politiker haben das Land „verkauft“ und „verraten“, die EU hat Griechenland herabgewürdigt und abgestoßen, und aus der Hoffnung und „System“-Alternative SYRIZA wurde ein Stabilisator des „Systems“. Auch Dionissis bringt es auf diesen Punkt: „Nach vier Jahren SYRIZA-Regierung hat uns das „System“ eine klare Botschaft geschickt: Keiner kann dem System was anhaben. Das System hat ohne große Mühe selbst die „Radikalen Linken“ von SYRIZA absorbiert und sich untertan gemacht.“

Asteris Kutulas Athen Tagebuch 05

 

Dionissis wechselt das Thema: „Wie findest du es in dieser Location? Ich dachte, dir als deutschem Griechen wird es gefallen, dass wir uns in einer der besten Bierbars Athens treffen.“ – „Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss. Ich trinke keinen Alkohol. Ich bleibe bei meinem Kaffee.“ Dionissis schaut mich ungläubig an. „Ich sollte auch keinen Alkohol trinken. Das Bier kostet hier 5 Euro, und ich kann mir das eigentlich nicht leisten.“

© Asteris Kutulas

Text-Redaktion & © Photos: Ina Kutulas

Veröffentlichung in der Tageszeitung „junge Welt“

 

Tsipras mit den kühlen Händen eines Sushi-Meisters (Wahl-Tagebuch 2019)

Wahl-Tagebuch, Athen, 4.7.2019

Gleich nach meiner Ankunft in Athen fuhr ich ins Stadtzentrum. Elisa hatte sich mit mir verabredet im Restaurant SAH. „Kam, sah … und eröffnete das SAH“, dachte ich. Elisa, eine Performance-Künstlerin, deren Kunst darin besteht, sich in diversen Underground-Locations Schmerzen zuzufügen. Sie weiß, dass ich diese Art von Aktion schwer ertragen kann. Sie sagt, sie verkörpere Griechenland. „Da kommt ja mein größter Fan!“ Elisa umarmt mich und beißt mir in die Schulter. „Nein, bitte nicht!“, ich schiebe sie weg, sie lacht und stellt mir ihren neuen Freund vor: „Das ist er! Stefanos! Er arbeitet bei der Post.“ Stefanos, 35, Bartträger, blaue Augen, nur noch wenig Freiraum zwischen seinen Tattoos.

Während des Essens bemerke ich, dass sich die Gäste im gegenüberliegenden Restaurant eine Fernsehdebatte fünf älterer Herren ansehen, bei der es immer wieder Einblendungen von Alexis Tsipras gibt. „Worum geht’s da?“, frage ich Elisa und Stefanos. Elisa winkt ab: „Alles dreht sich gerade um ein Fernsehinterview, das Tsipras dem Sender SKY vor zwei Tagen gegeben hat. Jahrelang boykottierte er SKY, weil die immer Anti-SYRIZA-Propaganda gemacht haben.“ Stefanos unterbricht sie: „Aber 5 Tage vor der Wahl wollte er sich die 40% Zuschauerquote nicht entgehen lassen.“ – „Klar!“, meint Elisa. „Tsipras wird die Wahl verlieren und greift nach jedem Strohhalm, um sich noch mal darstellen zu können.“ Ich frage die beiden: „Und wie war das Interview?“ – „So, wie er regiert hat – es war seltsam!“ – „Wie meinst du das?“

Elisa streicht sich mit der Hand übers Gesicht: „In den letzten Jahren wirkte Tsipras so abgehoben, wie nicht von dieser Welt; er gab sich oft aristokratisch staatsmännisch – das war ein krasser Gegensatz zur profanen und üblen Realität hier.“ Stefanos erklärt: „Die Gesetze werden in Brüssel gemacht, Griechenland ist eine Schuldenkolonie und Tsipras deren Staathalter. Egal, wer in Athen die Wahlen gewinnt – regiert werden wir von Brüssel aus.“ Elisa stimmt ihm zu: „Deshalb ging es Tsipras ab einem bestimmten Punkt nicht mehr um Griechenland, sondern vor allem um das Wohlwollen der Brüsseler Bürokratie und der europäischen Staatschefs. Er wollte von Frau Merkel, von Tusk und von Juncker als Staatsmann auf Augenhöhe akzeptiert werden …“ Ich werfe ein: „Ist doch nicht schlecht für Griechenland, wenn unser Premier in Europa respektiert und nicht beschimpft wird …“ Stefanos zuckt mit der Schulter: „In Griechenland kann er nicht mehr viel ausrichten, seit er sich dem Brüsseler Diktat im Juli 2015 unterworfen hatte.“

Asteris Kutulas Wahl Tagebuch Alexis Tsipras
Graffiti in Athens

SAH, denke ich, wär auch in Berlin ein guter Name für ein Restaurant. Auf dem Fernsehbild von gegenüber jetzt wieder groß Tsipras‘ Gesicht. „Er sieht entspannt aus“, sage ich, und Stefanos erwidert: „Seine bevorstehende Niederlage macht ihm nicht viel aus. Tsipras hat sich – vor allem durch die Lösung für den Mazedonien-Namensstreit – der europäischen Nomenklatura „angedient“; der hat in den letzten beiden Jahren mit kühler Hand regiert, weil er für den Nobelpreis vorgeschlagen werden wollte und weil er in Zukunft Kommissionsmitglied in Brüssel sein möchte. Griechenland interessiert ihn nicht besonders. Er hat „europäische“ Politik gemacht, keine griechische.“

Elisa konstatiert ziemlich resigniert: „Griechenland liegt am Boden, die Konservativen, die uns diese ganze Scheiße eingebrockt haben, kommen wieder an die Macht, und Tsipras sieht zufrieden aus. Das ist die Situation.“ Ich frage: „Aber ist das nicht eine außerordentliche Leistung, aus einer 4%-Bewegung eine Regierungspartei zu machen und nach vier Jahren an der Macht immer noch 25% der Wähler halten zu können?“ Für Stefanos gibt es keine Diskussion: „Was ich Tsipras vorwerfe ist, dass er dafür gesorgt hat, dass die Konservativen von der ND wieder an die Macht kommen.“

„Bei der nächsten Performance bin ich Elisa-Hellas,“ sagt Elisa. „Um mich herum Sushi-Meister, die mir Instrumente reichen … Ihr wisst, warum es keine Frauen als Sushi-Meister gibt?“ Sie schaut uns an. Ich schüttle den Kopf. „Weil die kühlere Hand-Temperatur des Mannes eher geeignet ist, Sushi zu machen … Also von mir gibt es jetzt für Euch Brüsseler Sushi.“ Sie nimmt ein Messer und beginnt, sich in die Hand zu ritzen.

© Asteris Kutulas |Text-Redaktion & © Photos: Ina Kutulas

Junge Welt Veröffentlichung, 6.7.2019

https://asti-blog.de/2019/07/06/wahlen-in-griechenland-syriza-oder-sex/

„Wahlen in Griechenland: SYRIZA oder Sex“ (Wahl-Tagebuch 2019)

Wahl-Tagebuch, Athen, 03.07.2019

Sitze im Flugzeug nach Athen. Am Sonntag wird in Griechenland gewählt. Und obwohl ein „Machtwechsel“ bevorsteht, scheint niemand – zumindest unter meinen Bekannten – besonders „besorgt“ oder „aufgewühlt“ zu sein. Was für ein Gegensatz zu den zwei Wahlen 2015.

„Die Deutschen sind unzuverlässig geworden. Aber irgendwie seltsam unzuverlässig.“ Neben mir sitzt George, ein griechischer Musiker, der ein Gespräch mit mir führen will: „Wir Griechen sind zumindest zuverlässigunzuverlässig. Abgesehen natürlich von den Müttern, die sind nicht unzuverlässig …“ Er hält inne und dreht den Kopf zu mir: „Gehst du auch wählen? Die Rechten von der Neuen-Demokratie-Partei kommen jetzt wieder an die Macht.“ – „Und wie findest du das?“, will ich wissen. George dreht den Kopf leicht zu mir hin, knetet ein Stück Papier zu einer Kugel und sagt: „Ich weiß es nicht.“

Das habe ich in letzter Zeit sehr oft gehört. Viele meiner Landsleute wissen nicht, wen bzw. was sie wählen sollen, und viele können nicht glauben, dass die Partei „Neue Demokratie“ mit ihrem Spitzenkandidaten Konstantin Mitsotakis innerhalb von vier Jahren wieder zu einer wählbaren Alternative geworden ist. Immerhin waren diese Partei und ihre Politiker – zusammen mit der sozialistischen PASOK – hauptverantwortlich für die größte politische, ökonomische und humanitäre Krise im Nachkriegsgriechenland. Eine Freundin aus Kalamata sagte mir kürzlich am Telefon: „Nach vier Jahren Alexis Tsipras und SYRIZA wissen wir: Die machen alle dieselbe Politik. Also warum nicht gleich das Original des kapitalistischen Systems wählen? Die von der Nea Dimokratia sollten das am besten können.“ Tatsächlich kann man im Griechenland von 2019 nicht zwischen alternativen Politiken, sondern nur das wählen, wovon man glaubt, es sei das „kleinere Übel“.

Mein Freund Nikos, den ich letzte Woche während eines Kurztrips nach Athen auf einen Kaffee am Syntagma-Platz getroffen hatte, ist anderer Meinung: „SYRIZA hat einen neuen Politik-Stil eingebracht und hat durch viele kleine Schritte eine viel sozialere Politik gemacht, als es alle anderen Parteien getan hätten. Und die SYRIZA-Politiker sind nicht korrupt, im Gegensatz zu den alt eingesessenen.“ Bei der Schlacht zwischen den beiden führenden Parteien, die bei den Umfragen eine große Differenz aufzeigen (ND: 35%, SYRIZA: 26%), geht es darum, wer das Land am besten aus der Krise führen kann. SYRIZA konnte offenbar in den letzten vier Jahren nicht überzeugen – und viele „Versprechen“ nicht erfüllen. Und die Konservativen um Mitsotakis nutzten geschickt die vielen Fehler und die generell schwierige Ausgangsposition ihrer politischen Gegner aus, um das Wahlvolk vergessen zu lassen, welche Griechenland-Politik sie selbst jahrzehntelang gemacht hatten, und um ihr Wahl-Versprechen von einem besseren Lebensstandard plausibler zu „verkaufen“.

Asteris Kutulas Wahlt-Tagebuch 2019 SYRIZA Alexis Tsipras
Graffiti in Athens: „Die Haie leben nicht auf dem Land“

Sehr viele Griechen, vor allem die Jugendlichen, mussten ihr Lebensniveau drastisch nach unten schrauben. Die Verluste überwiegen. Viele von ihnen haben sich an die neue Armut „gewöhnt“. Meine Freundin Marina schrieb mir unlängst in einer Mail: „Weißt Du, die Sonne und das Meer kann uns keiner nehmen. Scheiß auf die Politiker.“ Ich antwortete ihr: „Ist das deine neue Definition von „Engagement“?“ Ihre nächste Mail kam prompt: „In einem Land, in dem selbst die „Radikalen Linken“ der SYRIZA nichts gegen das „System“ ausrichten können und eigentlich auch nichts ausrichten wollen, ziehe ich es vor, das Meer der Ägäis zu genießen, etwas Sex zu haben und mich intensiv mit der Imkerei zu beschäftigen und mit dem Oregano auf meinem Balkon.“

Gleich landen wir. Athen hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Zum Guten und zum Schlechten. Die Wahlen am Sonntag entscheiden wahrscheinlich gar nichts, außer dass alles beim Alten bleibt, nur noch etwas verschärfter, so scheint mir – aber vielleicht irre ich mich. „Gleich sind wir unten“, sagt Giorgos. „Zuhause! Heimat! Super!“ Das Flugzeug setzt auf. Es ruckelt kaum. Auf einem der Flughafengebäude weht die blau-weiße griechische Fahne.

© Asteris Kutulas | Text-Redaktion & © Photos: Ina Kutulas

Junge Welt Veröffentlichung, 5.7.2019

Tsipras mit den kühlen Händen eines Sushi-Meisters (Wahl-Tagebuch 2019)

Leasing the Sky | Mega & Special Events | Directed by Gert Hof & Produced by Asteris Kutulas

GERT HOF MEGA & SPECIAL EVENTS 1999 – 2010

Gert Hof events produced by Asteris Kutulas
Gert Hof in Lviv (during general rehearsal)

EVENTS DIRECTED BY GERT HOF (1951 – †2012) & PRODUCED BY ASTERIS KUTULAS

Gert Hof events produced by Asteris Kutulas
Gert Hof & Asteris Kutulas, Malta 2004 (photo © by Ralph Larmann)

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THE GERT HOF | ASTERIS KUTULAS MEGA & SPECIAL EVENTS (1999 – 2010)

Produced by Asteris Kutulas, Maria Farantouri, Washingtos Holocaust Museum
Maria Farantouri

WASHINGTON – „MAUTHAUSEN CANTATA“
US HOLOCAUST MEMORIAL MUSEUM, OCTOBER 28TH 1999


MUSIC BY MIKIS THEODORAKIS
PERFORMED BY MARIA FARANTOURI


Artistic Direction by Asteris Kutulas
Light & Stage Design by Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Holocaust Memorial Museum Washington
Promoted by Peter Pappas

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Acropolis Millennium, produced by Asteris Kutulas
Photo © Vangelis Scouldatos/AstiMusic

ATHENS – THE MILLENNIUM EVENT
ACROPOLIS, DECEMBER 31ST 1999

MUSIC COMPOSED AND CONDUCTED BY MIKIS THEODORAKIS

Artistic Direction by Gert Hof & Asteris Kutulas
Light & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Greek Ministry of Culture & the Municipality of Athens

Executive Producers Tim Dowdall & Dimitris Koutoulas
Technical Director Gerd Helinski
Programming Fireworks & Pyro Hans-Georg Kehse
Light Equipment Helicon GmbH Berlin
Pyro & Fireworks Pyro-Art Feuerwerke GmbH Berlin

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Berlin Millennium with Mike Oldfield, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sabine Wenzel

BERLIN – THE MILLENNIUM EVENT
VICTORY COLUMN BERLIN, DECEMBER 31ST 1999

MUSIC COMPOSED AND PERFORMED BY MIKE OLDFIELD

Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof
Event General Management by Asteris Kutulas

Programming & Operators Jens Probst & Gerry Appelt
Light Equipment Procon MultiMedia AG
Fireworks Nico Feuerwerk GmbH
Balloons Helicon GmbH Berlin
Produced by Achim Perleberg & Egon Banghardt
An Art in Heaven Production

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Ferropolis Opening with Mikis Theodorakis, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sven Treder

FERROPOLIS – THE CITY OF STEEL
OPENING CELEBRATION, JULY 16TH 2000

MUSIC COMPOSED AND CONDUCTED BY MIKIS THEODORAKIS

Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Expo 2000 Sachsen-Anhalt GmbH & the Government of Sachsen-Anhalt

Technical Director Gerd Helinski
Programming & Operator Stephan Aue
Pyro & Fireworks Pyro-Art Feuerwerke GmbH Berlin
Light Equipment & Balloons Helicon GmbH Berlin
Space Cannon Light Equipment Procon MultiMedia AG

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Hungary Millennium directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sabine Wenzel

BUDAPEST – THE MILLENNIUM EVENT
1000 YEARS OF HUNGARY, AUGUST 20TH 2000

MUSIC BY ROBERT ERDESZ

Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof
Event General Management & Production Asteris Kutulas

Produced by Asteris Kutulas, Happy End Kft. & Art in Heaven GmbH for the Government of Hungary
Executive Producer Tim Dowdall
Programming & Operator Stephan Aue
Technical Direction & Local Support Multimedia (Europe) Ltd.
Light Equipment Procon MultiMedia AG
Balloons Helicon GmbH Berlin, Director: Gerd Helinski
Pyro & Fireworks Boom Boom Productions, California

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Chine Millennium directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sven Treder

BEIJING – THE MILLENNIUM EVENT
CHINA MILLENNIUM MONUMENT, DECEMBER 31ST 2000

MUSIC BY KLAUS SCHULZE

Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof
Event Management & Production Asteris Kutulas

Produced by Beijing Gehua Cultural Development Co., Beijing Television, Shanghai Eastern Television, Art in Heaven GmbH & Asteris Kutulas for the Chinese Government
Executive Producer Tim Dowdall & LogistiX
Technical Director Gerd Helinski
Programming & Operator Stephan Aue
Space Cannon Light Equipment Procon MultiMedia AG
Light, Laser & Neon Equipment Gehua Beijing
Pyro & Fireworks Ikebun Co. Ltd. Japan

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Gert Hof, Asteris Kutulas, Night of the Euro, Athens, Light Show

NIGHT OF THE EURO
SYNTAGMA SQUARE ATHENS, DECEMBER 31ST 2001

MUSIC BY PERICLES KOUKOS

Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Municipality of Athens

Executive Producers Tim Dowdall & Dimitris Koutoulas
Programming & Operator Stephan Aue
Pyro & Fireworks Nanos Fireworks Athens
Light Equipment Ultraschall OHG
Technical Direction Multimedia (Europe) Ltd.

Athens was cold and inhospitable.  Gert was obsessed with the idea of a „Euro-Monument“.  A steely structure, more than 40 metres in height, topped by the Euro symbol and swathed in blue neon light.  It was to become a symbol for the new, united Europe.  For days and nights on end Gert was out there on the windy Constitution Square, right in the heart of Athens, to supervise construction – without sleep, without rest, just hungry for the finished result.  The Greek, German and Hungarian technicians, engineers and construction workers were toiling around the clock.  Gert, whose religion is perfection, had his eye on every detail.  He smoked his hundredth cigarette and drank the fiftieth coffee, if only to keep warm.  Gert was in a trance state where seconds, minutes, hours and days curdle into a fleeting Fata Morgana, chased to no avail.  He was beyond help.  The one thing that had stayed with him – who grew up in a dark East German prison cell – from childhood was the craving for LIGHT.  Athens was the place where he was given a little of that.  And where he took a little of it back. – Asteris Kutulas

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sabine Wenzel

DRESDEN SHINES AGAIN – THE BENEFIT EVENT
SEMPER OPERA HOUSE, DECEMBER 7TH 2002

MUSIC BY JOHANN SEBASTIAN BACH

Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the State of Saxony

A Light Monuments Production
Technical Director Gerd Helinski
Programming & Operator Jens Probst
Pyro & Fireworks Pyro-Art Berlin
Light Equipment Procon MultiMedia AG

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo © by Asti Music

ATHENS – DAY OF EUROPE
THE ACROPOLIS EVENT, MAY 9TH 2003

MUSIC BY MIKIS THEODORAKIS
PERFORMED BY GEORGE DALARAS

Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the General Governor of Athens and Piraeus, the European Commission, the Greek Ministry for Foreign Affairs and the European Parliament

Event Coordination Vassilis Riziotis & Dimitris Koutoulas
Technical Director Harald Günthert
Programming & Operator Jens Probst
Artist Management Anna Dalaras
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Pyro & Fireworks Nanos Fireworks Athens
Local Production Art Hellas Athens
A Light Monuments Production

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Atlantic City Donald Trump Show directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Guido Karp

ATLANTIC CITY – LIGHTS OF FREEDOM
THE TRUMP TAJ MAHAL EVENT, JULY 26TH 2003

MUSIC BY BRUCE SPRINGSTEEN

Artistic Director, Light & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Donald Trump Organization

Event Coordination Michael B. Sladden
Programming & Operator Jens Probst
Production Management Ed Puntin
Light Equipment Syncrolite, LP Dallas
Pyro & Fireworks by Grucci, Inc.
A Light Monuments Production

„It was a pleasure welcoming Berlin director Gert Hof and his producer Asteris Koutoulas to the USA. Gert used 80 SS/SX7Ks with Pigis from Fourth Phase and some pyro from Gucci. The show was visible for 20 miles around Atlantic City and created quite a stir among the blasé Americans who believe they have seen it all. 

Gert Hof is part 21st century technologist and part P.T. Barnum whose main goal is to create a lasting and remembered impression on the mind … Gert Hof developed an explosive style that is uniquely qualified to celebrate the triumph of the human spirit. His show explodes with light, pyro, sound, colour and grand images. He is obsessed with the power of light as are those of us who make the tools of his trade.“

Jack Calmes & Jimmy Page Henderson, Syncrolite

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Red Square Moscow City Day event with Scorpions directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sabine Wenzel

MOSCOW – DAY OF CITY CELEBRATION
THE RED SQUARE EVENT, SEPTEMBER 6TH 2003

MUSIC PERFORMED BY THE SCORPIONS & THOMAS ANDERS

Artistic Director, Light, Neon, Laser & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Municipality of Moscow

Co-Produced by Multimedia International Budapest & JSA Moscow
Event Coordination Alexander Strizhak
Executive Producers Tim Dowdall & Valery Feofanow
Technical Director Gerd Helinski
Programming & Operator Jens Probst
Production Management Kostya Bryanka
Production Coordination Gleb Kharchenko
Stage & Local Production JSA Moscow
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg (Space Cannons)
Light Equipment A & O Bremen (Syncrolite)
Neon Installation Multimedia International Budapest
Pyro & Fireworks Piro Show Moscow
Laser Equipment Laser Kinetiks Moscow
Logistics Bauer Concept Berlin
A Light Monuments Production

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Guido Karp

PIRAEUS – HARBOR OF THE WORLD
OCTOBER 18TH 2003

MUSIC BY MIKIS THEODORAKIS

Artistic Director, Light, Laser & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the Governor of Piraeus

Executive Producers Vassilis Riziotis & Dimitris Koutoulas
Technical Director Gerd Helinski
Programming & Operator Jens Probst
Production Management Renos Varlas
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Fireworks Nanos Fireworks Athens
Pyro Effects Daniel Schwartz Berlin
Laser Equipment Laser Design Athens
Logistics Bauer Concept Berlin
Stage & Local Production New Sound & Light Ltd. Athens

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sabine Wenzel

POZNAN – THE OLD BREWERY OPENING EVENT
NOVEMBER 5TH 2003

MUSIC COMPOSED & PERFORMED BY KLAUS SCHULZE

Artistic Director, Light & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for Fortis Sp. z o.o. & Grazyna Kulczyk

Co-Produced by Viva Art Music Warsaw
Event Coordination Marek Szpendowski
Technical Director Gerd Helinski
Programming Jens Probst
Operator Jan Schröter
Production Coordination Marek Debski
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Pyro & Fireworks Pyro Art Berlin
Stage & Local Production Viva Art Music Warsaw

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sabine Wenzel

ISCHGL – THE LIGHT
WINTER OPENING EVENT, NOVEMBER 28TH 2003

MUSIC BY GEORG FRIEDRICH HÄNDEL
PERFORMED BY AMICI FOREVER

Artistic Director, Light & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the Tourismusverband Ischgl

Executive Producer Tim Dowdall
Event Coordination Andrew Zweck
Technical Director Gerd Helinski
Programming & Operator Jens Probst
Production Management Steffen Brandt (Procon)
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Helium Balloons Helicon GmbH
Pyro & Fireworks Pyro-Art Berlin

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Jens Rötzsch

BERLIN – EUROPEAN ACCESSION NIGHT
THE GENDARMENMARKT EVENT, APRIL 30TH 2004

MUSIC BY PETER THOMAS
PERFORMED BY JOCELYN B. SMITH & THE SCHÖNEBERGER SÄNGERKNABEN

Artistic Director, Light, Neon & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Presidents of the European Parliament (Pat Cox), the European Commission (Romano Prodi) & the European Council (Bertie Ahern)

Event Coordination Stephan Reichenberger
Technical Director Gerd Helinski
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Neon Installation Multimedia International Budapest
Fireworks Flash Art GmbH
Pyro Effects Daniel Schwartz

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Malta Welcome Europe event directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sabine Wenzel

MALTA – WELCOME EUROPE
THE FORT ST. ANGELO EVENT, MAY 1ST 2004

MUSIC BY ROGER WATERS

Artistic Director, Laser, Light & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the “Welcome Europe” Consortium, the Maltese Government and the European Broadcasting Union (EBU)

Executive Producer Tim Dowdall
Event Coordination Andrew Zweck & Nigel Camillieri
Technical Director Steffen Brandt
Programming & Operator Jens Probst
Programming Laser Daniel Brune
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Projections E/T/C UK Ltd. & Ross Ashton
Pyro & Fireworks Flash Art GmbH
Pyro Effects Daniel Schwartz
Fireworks & Pyro Coordination Felix Wolff
Laser Equipment laserfabrik showlaser GmbH
Logistics Bauer Concept Berlin
Producers & Local Partner NnG Promotions

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Motörhead, Stage Fright show, Gert Hof, Asteris Kutulas
Motörhead – Stage Fright Concert (photo © Ralph Larmann)

MOTÖRHEAD – STAGE FRIGHT
PHILIPSHALLE DUSSELDORF, DECEMBER 7TH 2004

MUSIC PERFORMED BY MOTÖRHEAD

Stage & Light Design Gert Hof
Executive Producer Ulrike Rudolph for SPV
Gert Hof Management & Light Production by Asteris Kutulas for SPV

Production Manager Steffen Brandt
Technical & Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
An SPV Production

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Ralph Larmann

NUREMBERG – THE CCN EVENT
OPENING CEREMONY OF THE CONGRESS CENTRE EAST, APRIL 17TH 2005

MUSIC BY SERGEJ RACHMANINOW

Art Director, Neon & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Congress Centre Nuremberg

Technical Director Steffen Brandt
Programming & Operator Jens Probst
Neon Installation Multimedia International Budapest
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Pyro Effects Sven Asamoa

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Turkey, Gert Hof, Gallipoli, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sabine Wenzel

GALLIPOLI (TURKEY) – IN MEMORIAM SON ET LUMIERE
THE 90TH ANNIVERSARY OF THE ANZAC DAY, APRIL 25TH 2005

MUSIC BY TOMASO ALBINONI

Art Director, Light & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the Australian Government

Event Coordination Andrew Zweck
Technical Director Steffen Brandt
Programming & Operator Jens Probst
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Pyro Effects Sven Asamoa & Daniel Schwartz
Logistics Bauer Concept Berlin

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo © by Jens Rötzsch

MAGDEBURG – HEAVEN SYMPHONY
MAGDEBURG CATHEDRAL, CELEBRATION OF THE 1,200 YEARS OF MAGDEBURG, MAY 7TH 2005

MUSIC BY HILDEGARD VON BINGEN, ANTONIO VIVALDI, GIACOMO PUCCINI, CARL ORFF & THE SCORPIONS

Art Director, Fireworks & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the Municipality of Magdeburg

Technical Director Michael Casper
Pyro & Fireworks Flash Art GmbH
Pyro Effects Sven Asamoa
Production, Light Equipment, Sound & Stage Procon MultiMedia AG Hamburg

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ATHENS – TOGETHER IN FRIENDSHIP
THE TOWN HALL ATHENS EVENT, JUNE 11TH 2005

MUSIC BY MIKIS THEODORAKIS

Art Director, Fireworks & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the Municipality of Athens

Event Coordination Vassilis Riziotis & Dimitris Koutoulas
Technical Director Spiros Nanos
Programming & Operator Pavlos Nanos
Pyro & Fireworks Nanos Fireworks Athens

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo © by Jens Rötzsch

OMAN – LIGHT FROM THE ARAB WORLD
THE 35TH NATIONAL DAY & REIGN ANNIVERSARY OF HIS MAJESTY SULTAN QABOOS
MUSCAT, NOVEMBER 22ND 2005

MUSIC BY CHRISTIAN STEINHÄUSER

Art Director, Light, Laser, Boat & Pyro Design Gert Hof
Event Concept Dimitris Tziotis/ Cleverbank Athens
Produced by Asteris Koutoulas for the Government of Oman

Production Coordination Dimitris Koutoulas
Technical Director Steffen Brandt
Production Management Norman Bauer
Programming & Operator Jens Probst
Programming Fireworks & Pyro Markus Katterle
Programming Laser Daniel Brune
Boat Coordinator Gerd Helinski
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Fireworks FlashArt GmbH
Laser laserfabrik showlaser GmbH
Pyro Effects Sven Asamoa
Projections Ross Ashton – E/T/C UK Ltd.
Sound Equipment Black Box Music Berlin

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo © Ralph Larmann

ATHENS – LIGHTING UP THE STARS
OPENING EVENT OF THE “MALL”, NOVEMBER 24TH 2005

MUSIC BY RAMMSTEIN

Art Director, Neon & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the Orama Organization

Executive Producer Dimitris Koutoulas
Technical Directors Ulli Klug & Steffen Brandt
Programming & Operator Jens Probst
Neon Installation Multimedia International Budapest
Light Equipment Procon MultiMedia AG Hamburg
Additional Light Equipment Black Box Music Berlin
Pyro Effects Sven Asamoa & Nanos Fireworks Athens

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Reinhold Messner, Bozen, Gert Hof, Asteris Kutulas
Photo by © Ralph Larmann

BOZEN (ITALY) – THE VOLCANO
OPENING EVENT OF THE MESSNER MOUNTAIN MUSEUM SIGMUNDSKRON, JUNE 9TH 2006

Art Director & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas

Technical Director Sven Asamoa
Programming & Operator Sven Asamoa
Pyro Effects Sven Asamoa & Daniel Schwartz
Local coordination Felix Wolff

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Events directed by Gert Hof
Photo by © Ralph Larmann

DRESDEN – „THE GREEN DIAMOND“
RE-OPENING EVENT OF THE GREENERY VAULT, OLD CASTLE, SEPTEMBER 9TH 2006

MUSIC BY JOHANN SEBASTIAN BACH

Art Director, Light & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Technical Director Gerd Helinski
Programming Jens Probst
Laser programming Daniel Brune
Pyro Effects Sven Asamoa
Laser Eqipment laserfabrik showlaser GmbH
Light Equipment A&O Lighting GmbH & Procon MultiMedia AG

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo © by Ralph Larmann

LVIV (UKRAINE) – THE 750TH ANNIVERSARY EVENT
OPERA HOUSE SQUARE, SEPTEMBER 30TH 2006

MUSIC COMPOSED & CONDUCTED BY RUSLANA

Art Director, Light, Laser, Neon & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Municipality of Lviv

Production coordination Norman Bauer
Technical Director Steffen Brandt
Light Operator Jens Probst
Local Logistics Manager Taras Shykh
Fireworks Director Markus Katterle
Pyro Director Sven Asamoa
Laser Programming Daniel Brune
Light Equipment Procon MultiMedia AG
Pyro & Fireworks Flash Art GmbH
Laser Equipment laserfabrik showlaser gmbH
Logistics Bauer Concept Berlin

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UNICEF, Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Ralph Larmann

DUSSELDORF – 60 YEARS OF UNICEF GALA
LTU ARENA, OCTOBER 23TH 2006

MUSIC BY JOHN LENNON
PERFORMED BY SENAIT MEHARI & HENNING SCHMIEDT

Art Director & Laser Design Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for UNICEF

Technical Director Gerd Helinski
Laser Programming Daniel Brune
Laser Eqipment laserfabrik showlaser GmbH

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Events directed by Gert Hof, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Jens Rötzsch

DRESDEN – RE-OPENING CEREMONY RAILWAY CENTRAL STATION
NOVEMBER 10TH 2006

MUSIC BY JAN GARBAREK

Art Director, Neon, Pyro & Laser Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for Deutsche Bahn AG

Technical Director Gerd Helinski
Laser programming Daniel Brune
Laser Eqipment laserfabrik showlaser GmbH
Pyro Effects ars agens berlin

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Sofia, Bulgaria, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Guido Karp

SOFIA – THE WELCOME EUROPE EVENT
BATENBERG SQUARE, DECEMBER 31ST 2006

Art Director, Light, Fireworks & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Government of Bulgaria

Technical Director Gerd Helinski
Light Operator Jens Probst
Executive Producers Tim Dowdall & Ivan Nestorov
Light Equipment Procon MultiMedia AG

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AidaDiva christening, Hamburg, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Guido Karp

HAMBURG – AidaDIVA CHRISTENING CEREMONY
HAMBURG HARBOR, APRIL 20TH 2007

MUSIC BY WESTBAM & CHRISTIAN STEINHÄUSER

Concept, artistic direction, light, laser, fireworks & pyro design by Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for Aida Cruises AG

Production Manager & Technical Director Gerd Helinski
Coordination by Massine Productions GmbH, Berlin
Production Manager for Procon MultiMedia AG Michael Casper
Programming & Operator Jens Probst
Programming & Operator Laser Daniel Brune
Programming Fireworks & Pyro Effects Markus Katterle
Production Manager Fireworks & Pyro Effects Konrad Kuschel
Technical Director Fireworks & Pyro Effects Holger Behrens
Sound Director Klaus Rahe
Boat Coordination Dimitris Koutoulas
Production, Light & Sound Equipment Procon MultiMedia AG, Hamburg
Fireworks & Pyro Effects Flashart GmbH, Bielefeld
Laser Equipment laserfabrik showlaser GmbH

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Hugo Boss, Fashion Week, produced by Asteris Kutulas
Fashion Week Hugo Boss after show, Russian Embassy Berlin (Photo by © Sabine Wenzel)

BERLIN – THE HUGO BOSS AFTER SHOW PARTY
OPENING FASHION WEEK BERLIN
RUSSIAN EMBASSY BERLIN, JULY 12TH 2007

Light, Laser & Pyro Design by Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for Hugo Boss AG

Technical Director Gerd Helinski
Programming & Operator Jens Probst
Nowadays Production Coordination Volker Scherz
Light Equipment A&O Lighting Technology GmbH
Laser Equipment laserfabrik showlaser GmbH
Pyro Effects Asamoa Agens
Hugo Boss Production Nowadays GmbH

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Hugo Boss, Hamburg, produced by Asteris Kutulas
Photo by © Sabine Wenzel

HAMBURG – THE HUGO BOSS BOAT CHRISTENING
SEPTEMBER 18TH 2007

MUSIC BY WESTBAM

Light, Laser & Pyro Design by Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for the Hugo Boss AG

Technical Director Gerd Helinski
Programming & Operator Jens Probst
Laser Programming Daniel Brune
Light Equipment Procon MultiMedia AG
Laser Equipment laserfabrik showlaser GmbH
Pyro Effects Sven Asamoa
Coordination by Massine Production GmbH

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Vilnius, produced by Asteris Kutulas

VILNIUS – OPENING CEREMONY VILNIUS GATES
OCTOBER 26TH 2007

MUSIC BY LINAS RIMSA

Fireworks, Laser & Pyro Design by Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas

Technical Director Norman Bauer
Production Manager Konrad Kuschel
Fireworks & Pyro Programming Felix Wolff
Fireworks & Laserequipment FLASH ART GmbH

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Anouk, Asteris Kutulas
Photo by © Anja Pietsch

ANTWERP & ARNHEM – ANOUK LIVE IN CONCERT
MARCH 2008

MUSIC BY ANOUK

Light & Stage Design by Gert Hof
Produced by Asteris Koutoulas for Live Nation Holland

Programming & Operator Jens Probst
Light Director Steffen Brandt
Production Management Flip van Ommeren
Light Equipment Procon MultiMedia AG & A&O Lighting
A Live Nation Holland Production

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Produced by Asteris Kutulas, Westbam, Loveparade
Photo by © Sabine Wenzel

DORTMUND – COLOSSEUM OF LIGHT
CLOSING-EVENT OF THE LOVEPARADE
JULY 19TH 2008

MUSIC BY WESTBAM

Light, Laser & Pyro Design by Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Loveparade

Technical Director Gerd Helinski
Programming & Operator Jens Probst
Laser Programming Daniel Brune
Light Equipment A&O Lighting GmbH Bremen
Laser Equipment laserfabrik showlaser GmbH
Fireworks & Pyro Effects Elements Entertainment GmbH
Pyro Effects Sven Asamoa
Coordination by Massine Production GmbH

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Vilnius, Gert Hof, Asteris Kutulas
Vilnius (Photo by © Ralph Larmann)

VILNIUS – 1000 YEARS OF LITHUANIA & EUROPEAN CULTURAL CAPITAL 2009 CELEBRATION
CATHEDRAL SQUARE, JANUARY 1ST 2009

MUSIC BY VYTAUTAS JURGUTIS

Art Director, Light, Fireworks & Pyro Design Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Government of Lithuania

Local Producers Linas Ryskus & Giedre Zemaitiene
Production & Logistics Director Norman Bauer
Light Operator Andre Grohmann / tenfeet Deutschland
Technical Director Procon MultiMedia AG Ingo Gaebel
Technical Director Flash Art Felix Wolff
Technical Director Pyro Sven Asamoa
Local Production Manager Renata Krapikaite
Light Equipment Procon MultiMedia AG
Pyro & Fireworks Flash Art GmbH
Logistics Bauer Concept Berlin

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Mikis Theodorakis, Gert Hof, Asteris Kutulas
Concert House Berlin (Photo by © Sabine Wenzel)

BERLIN – CANTO GENERAL
KONZERTHAUS AM GENDARMENMARKT, OCTOBER 5TH 2009

MUSIC BY MIKIS THEODORAKIS
PERFORMED BY MARIA FARANTOURI, RAINER SCHEERER, CONCERT CHOIR BERLIN, SINGAKADEMIE NIEDERSACHSEN, CONCERT ORCHESTRA BERLIN, CONDUCTED BY CLAUS-ULRICH HEINKE

Artistic Direction by Gert Hof & Asteris Kutulas
Light Design by Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Promoted by Stephan Gorol
Technical Director Mathias Jung


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Jerusalem Light Festival, produced by Asteris Kutulas, ISRAEL MUSIC FESTIVAL
Jerusalem (Photo © by Ralph Larmann)

JERUSALEM – LIGHT FESTIVAL OPENING & ISRAEL MUSIC FESTIVAL CLOSING CEREMONY
SULTAN’S POOL, JERUSALEM, JUNE 6TH 2010


MUSIC PERFORMED BY JERUSALEM SYMPHONY ORCHESTRA, CONDUCTED BY SAMUEL GAL ALTEROVICH


Artistic Direction & Light Design by Gert Hof
Produced by Asteris Kutulas for the Municipality of Jerusalem

Director & Coordinator Light Festival Eduardo Huebscher
Light Operator Ofer Brum
Light Equipment Gil Teichmann Company

Gert Hof, Israel, Asteris Kutulas, Jerusalem Light Festival

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GERT HOF EVENTS | ACKNOWLEDGMENTS

We give MUCH THANKS to our partners,

above all Achim Perleberg in Bochum, Tim Dowdall in Budapest, Sebastian Turner, Markus Mahren, Westbam, Peter Massine and Rainer Schaller in Berlin, Morten Carlsson and Jens Zimmermann in Hamburg, Andrew Zweck in London, Rafaela Wilde in Cologne, Marek Szpendowski in Warsaw, Michael Sladden in New York, Alexander Strizhak in Moscow, Dimitris Koutoulas, Vassilis Riziotis, Dimitra Rodopoulou and Dimitris Tziotis in Athens, Gerhard Seltmann in Magdeburg, Udo Hoffman and Sun Xiangyan in Beijing, Stephan Reichenberger in München, Michael Shurygin in St. Petersburg, Gil Teichmann in Tel Aviv and Eduardo Hübscher in Jerusalem, Stephan Gorol in Bonn, Linas Ryskus in Vilnius, Michael Thamm in Rostock, Robert van Ommen in Amsterdam, Ruslana in Kiew, Ivan Nestorov in Sofia and Tewe Pannier in Dubai. Without them the events that were documented here would not have been possible. We thank you from the bottom of our hearts.

Many thanks to our partners, friends and colleagues

Peter Amend, Anton Attard, Anouk, Petra Bandmann, Bruno Baiardi, Laci Borsos, Giovanni Broccu, Jack Calmes, Nigel Camillieri, Michael Casper, Scott Cooper, Anna & George Dalaras, Rene Dame, Sven Dierkes, Thomas Erbach, Maria Farantouri, Klaus Feith, Valery Feofanow, Knut Foeckler, Mike Finkelstein, Matthias Frickel, Christine Friedrich, Toni Froschhammer, Tim Geladaris, Steve Gietka, Jörn Gläske, Thilo Goos, Phil Grucci, Anne Hansen, Laszlo Hegedüsz, Andreas Heine, Christoph Heubner, Wolfgang Hörner, Klaus Jankuhn, Alexandros Karozas, Hans-Georg Kehse, Joey Kelly, Pericles Koukos, Alexander Koutoulas, Ina Kutulas, Dominika Kulczyk, Hansjörg Kunze, Marcus Kurz, Ralph Larmann, Denis Leonov, Till Lindemann, Sabina Linke, Panos Livadas, Zülfü Livaneli, Peter Madai, Jannis Mihas, Gerda Milpacher, Pavlos Nanos, Ivan Nestorov, Marco Niedermeier, Nikos Moraitis, Mike Oldfield, Fotis Papathanassiou, Rena Parmenidou, Linda Powers, Alkistis Protopsalti, Ramin Rachel, Theodoros Roussopoulos, Lutz Rainer-Seidel, Rammstein, Peter Reiner, Uta Richter, Savas Savas, Scorpions, Susanne Schäfer, Volker Scherz, Henning Schmiedt, Klaus Schulze, Daniel Schwartz, Oliver Schwarzkopf, Melanie Sievers, Thanos Stavropoulos, Christian Steinhäuser, Andrea Szabo, Mikis Theodorakis, John Totaro, Donald Trump, Christine Uckert, Spiros Vergos, Matthias Weinert, Michael Wilde, Roger Waters, Arne Weingart, Elisabeth Wülfing, Giedre Zemaitiene

& especially

Sven Asamoa, Ross Ashton, Norman Bauer, Steffen Brandt, Daniel Brune, Gerd Helinski, Guido Karp, Ralph Larmann, Markus Katterle, Spiros Nanos, Jens Probst & Oliver Schwendke

& our amazing photographers

Nikos Boutsikos, Guido Karp, Ralph Larmann, Takis Mavromatis, Mihalis Patsouras, Anja Pietsch, Jens Rötzsch, Sven Treder, Sabine Wenzel

& our partner companies

above all Procon MultiMedia AG Hamburg
A&O Lighting Bremen, Art Hellas Athens, Art in Heaven GmbH, Bauer Concept Berlin, Black Box Music Berlin, Cleverbank Athens, Ellinika Petrelea, Esernyo Kft. Budapest, E/T/C UK Ltd. Projecting London, FansUNITED GmbH, FX Factory Berlin, Gil Teichmann Company, Helicon GmbH, Intracom Athens, JSA Moscow, Jerusalem Municipality, laserfabrik showlaser, Kulczyk Tradex Sp. z.o.o., Lufthansa-Büro Dresden, Maltese Government, Multimedia International Budapest, Nanos Fireworks Athens, Government of Oman, OPAP Athens, Orama Athens, Piraeus Port Authority S.A., Pyro-Art Berlin, Sensible Events London, Silvretta Seilbahn AG, Scholz & Friends AG, Skoda Auto Polska S.A., Space Canon Italy, TuiR Warta S.A., Tourismusverband Ischgl, Trump Organization

Gert Hof & Asteris Kutulas, 2010

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Many thanks from my heart to Nina & Wanja Hof.

Asteris Kutulas, June 3rd 2019

Gert Hof: Regisseur, Lichtarchitekt, Künstler

Rammstein | Theodorakis | Sehnsucht

Rammstein | Gert Hof | Mikis Theodorakis – Ein griechischer Dialog über deutsche Volksmusik

Athen, 9.9.1999 – was für ein Datum! Ich zeigte heute Mikis, angeregt durch Gert Hof, verschiedene Video-Clips von Rammstein und längere Ausschnitte aus dem Wuhlheide-Konzert, aber auch andere Videos von Gert. Mikis, wie immer hoch interessiert, neugierig, offen, wollte die Song-Texte von Rammstein übersetzt haben, saugte alles auf. Ich war gespannt auf seine Reaktion auf diese ganz eigene „musikalische Befindlichkeit“, auf dieses sehr spezifische deutsche Gesamtkunstwerk. Ihm gefiel die Rammstein-Energie, das Existenziell-Theatralische in ihren Videos und Konzerten und seine Antwort auf meine diesbezügliche Frage kam prompt:

Mikis Theodorakis: Rammstein ist sehr beeindruckend, ist in gewisser Weise etwas Neues für mich. In seinen Rammstein-Inszenierungen benutzt Gert Hof Elemente, die eine „Politisierung“ in sich haben. Ich erkenne bei Hof Anflüge einer gewissen Nostalgie, wenn ich das so sagen darf. Er sieht geschichtliche Elemente „nostalgisch“, er steht der Vergangenheit nicht feindlich gegenüber – obwohl er allen Grund dazu hätte. Und ich habe das Gefühl, dass die Menschen in Deutschland, vor allem im ehemaligen Ostdeutschland, eine „Sehnsucht“ in sich tragen. Nach der anfänglichen absoluten Identifizierung mit der Neuen Gesellschaft, nach der großen Liebe zum Westen, kam die Zeit der Desillusion, falsche Hoffnungen gingen zu Bruch. 

Asteris Kutulas: Nun ja, Westdeutschland hat es sich leisten können, eine marode Wirtschaft aufzufangen und langsam wieder aufzubauen. Und die DDR-Bürger leben jetzt in einer Demokratie.

Mikis Theodorakis: Das stimmt, aber trotzdem glaube ich, dass die „westliche Welt“ insgesamt als Zukunftsmodell gescheitert ist. Freiheit und Demokratie dienten vor allem der atemberaubenden Entwicklung der großen Konzerne, der corporations. Der gesamte „Fortschritt“ hatte nur einen Zweck: dass einige wenige Leute sehr viel Geld verdienen. So ist der Mensch zur Handelsware degradiert. Das ist für den Einzelnen gar nicht mal so schlecht, weil es Erleichterungen und eine gewisse Freiheit mit sich bringt. Aber wenn es dann soweit ist, dass der Mensch einen bestimmten Lebensstandard erreicht hat, nicht mehr hungert, Bildung hat, ein Auto besitzt etc., ist Schluss. Denn dann stellt man – wenn man sie stellt – die Frage nach dem „Wozu?“ Bei diesem „Wozu?“, bei dem tatsächlich der Humanismus einsetzen würde, bei dem der Mensch „beginnt“, verweigert unsere Gesellschaft die Antwort. Und wenn es den Menschen nicht mehr gibt, kommt das „Tier“ zum Vorschein.

Asteris Kutulas: Irgendwo dort, wo das Tier zum Vorschein kommt, fangen ja auch die Themen von Rammstein an.

Mikis Theodorakis: Das ist das Gute an Rammstein: der konzeptionelle und inhaltliche Ansatz, ihre Ästhetik. Aber ich bin skeptisch, was die musikalische Form betrifft. Rammstein folgen größtenteils noch dem Vorbild, dem Archetyp, der amerikanischen Musik und „Unterhaltung“. Sie tappen in die eigene Falle. Das ist wie im Krieg: wenn ich die Waffen des Feindes benutzen, sie aber nach eigenen Vorstellungen einsetzen will. Ich bin da sehr pessimistisch: Die anderen sind (fast immer) viel stärker. Ich kann sie nicht mit den eigenen Waffen schlagen. Wenn du deutsche Jugendliche fragst, was sie an Rammstein mögen, was sie „bekommen“, dann wirst du merken, dass es im Grunde auf das „Amerikanische“ im Gestus und im Rhythmus der Musik hinausläuft.

Asteris Kutulas: Aber die Rammstein-Texte sind doch so etwas wie die Faust in den Bauch des deutschen Kleinbürgers. Das müsste dir doch sehr entgegenkommen. Und vor allem: Es sind deutsche Texte. Zudem findet das Inhaltliche seine Entsprechung in der musikalischen Form.

Mikis Theodorakis: Das, was gut ist, sind das „Gesamtkunstwerk Rammstein“ und die Texte, also die Message, aber das hat etwas mit Logik zu tun. Was die amerikanische Musikindustrie geschafft hat, ist: den Menschen – also ihren „Kunden“, zugleich ihre „Ware“ – zum „Tier“ zu degenerieren, so dass er immer gleichgültiger wird gegenüber jedweder Botschaft. Die Message wird mit der Zeit ohnehin immer unbedeutender. Höhepunkt dieses Prozesses ist für mich die Technomusik, die fast gänzlich auf Worte verzichtet. Das einzige, was interessiert, ist ein gemeinsamer Nenner für Abertausende von jungen Menschen. Und dieser gemeinsame Nenner ist der Rhythmus. Ein sich immer wiederholender Rhythmus, der, je ursprünglicher und lauter er daherkommt, die Massen in einem gemeinsamen Vibrieren eint. Das ist die Rückkehr in den Dschungel. Und da sich der Mensch in unser heutigen Gesellschaft tatsächlich wie in einem Dschungel vorkommt, vermittelt ihm dieser Techno-Beat die Illusion einer Gemeinschaft mit anderen Menschen, was sicherlich auch eine Art von Widerstand darstellen kann. Aber das sind wirklich nur Illusionen. Diese Gemeinschaft existiert nur für den Moment des Konzerts. Oft spielen dabei auch Drogen eine Rolle, was mir zeigt, dass der Mensch in diesen Augenblicken vergessen, sich aber nicht erinnern will. Er will sich vom Menschen befreien und nicht zum Menschen werden.

Asteris Kutulas: Aber du selbst benutzt auch oft in deiner Musik diesen Rhythmus, zwar griechischen Ursprungs, aber immerhin …

Mikis Theodorakis: Ja, auch bei mir spielt der Rhythmus eine große Rolle, aber er unterstützt die Melodie. Die Melodie ist das menschliche Element. So habe ich es erfahren. Und ich weiß, dass das seit der Antike so ist. Die deutsche Musik hat der Welt in den letzten drei Jahrhunderten, besonders während der klassischen und der romantischen Epoche, große Melodien geschenkt. Und da wir hier am Fuße der Akropolis sitzen, bin ich angehalten zu sagen, dass dies das Vorbild des Schönen ist, nach dem wir Menschen der westlichen Kultur gelebt haben. Die Chinesen haben eine andere ästhetische Kategorie des Schönen, die Ägypter wieder eine andere. Für uns entäußerte sich das Schöne in der Musik, in der Melodie. Wenn du die Melodie eliminierst und nur noch der Rhythmus bleibt, ist es so, als würdest du einem sehr kräftigen, muskulösen Menschen das Gehirn amputieren, so dass nur ein Muskelprotz übrig bleibt.

Mikis Theodorakis Asteris Kutulas
Photo © by Privatier/Asti Music

Asteris Kutulas: Könntest du dir eine Zusammenarbeit mit so einer Band wie Rammstein vorstellen?

Mikis Theodorakis: Ich sehe, dass das, was ich selbst musikalisch geschaffen habe, keine Resonanz findet bei einem größeren Publikum. Es gibt natürlich viele Menschen – die trotzdem eine Minderheit darstellen –, mit denen ich kommuniziere. Das große Publikum, das ich einst als Komponist hatte, waren vor allem die Jugendlichen Ende der sechziger Jahre und Anfang der Siebziger, die noch Visionen hatten. Ich glaube nicht, dass die jungen Leute von heute Visionen haben. Ich sehe nicht, dass meine Musik in die heutige Zeit passt. Sie richtet nur „Schaden“ an. Ich erlebe es in Griechenland. Die meisten Leute, die Unterhaltung und das Vergessen suchen, empfinden schon meine Anwesenheit als problematisch. Die Anwesenheit eines Menschen mit meiner Vergangenheit, die Anwesenheit eines durch und durch engagierten Menschen, stört. 

Asteris Kutulas: Du weichst der Frage aus.

Mikis Theodorakis: Wenn die Rammsteiner Melodien von mir auf ihre Art und Weise covern, in ihre Farben kleiden würden, in ihre Rhythmen, nach ihrer Auffassung, wäre das eine Ehre für mich. Das würde mich sehr freuen. Und es wäre gut. Aber ich würde ihnen nicht dazu raten, wenn sie kommerziell denken. Sie würden Publikum verlieren. Und zurzeit sind sie ja ganz oben.

Asteris Kutulas: Was du sagst, klingt sehr nach Resignation …

Mikis Theodorakis: Um die Wahrheit zu sagen … ich glaube nicht, dass die Welt letztendlich den „amerikanischen Weg“ gehen wird. Es wird Reaktionen geben. Und ich glaube, dass das, wofür ich und viele andere stehen, sich schließlich durchsetzen wird. Ich weiß nicht, auf welchem Weg. Vielleicht werden es die „Rammsteiner“ sein, die, wie die Russische Armee von 1905, das Winterpalais im Sturm erobern werden. Vielleicht. Auf jeden Fall wird der Mensch doch Mensch bleiben. Denn die jungen Menschen, die heute in die Konzerte oder Clubs gehen, fragen sich danach: Was machen wir jetzt? Wohin gehen wir? Die Gesellschaft hindert sie daran, das Geschenk des Lebens zu genießen. Und das Geschenk des Lebens ist das Schöne: Die Natur, die Farben, die Liebe. Und das Schönste von allem ist das Geschenk der Musik, und Musik ist Melodie. Eine einzige Melodie in immerwährender Veränderung. Und in jeder Epoche klingt sie anders. Wenn man den jungen Leuten die „Melodie“ vorenthält, bringt man sie um. Aber sie wollen nicht umgebracht werden.

Guido Karp Photo
Photo © by Guido Karp

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So endete unser Gespräch über die transzendentale Obdachlosigkeit des zeitgenössischen Menschen und über das Gesamtkunstwerk „Rammstein“ an einem heißen, lichtüberfluteten griechischen Septembertag.

Der Tag neigte sich dem Abend zu, der Parthenon blickte durch die Fenster und das laute Grillenzirpen vom Philopappus-Hügel erinnerte mich an Sokrates, denn hier musste er den Schierling trinken, um zu sterben. Und da entsann ich mich seiner Apologie: angeklagt, die Jugend zu verführen und vom wahren Glauben abzulenken. However, das obige Gespräch, in einer überarbeiteten Fassung, diente Gert Hof – in Absprache mit Rammstein – als Nachwort-Text für das erste Rammstein-Buch, das er als Herausgeber publizierte: Rammstein, Die Gestalten Verlag, Berlin 2001

(Das Gespräch führte ich auf Anregung und im Beisein von Gert Hof, der sich intensiv daran beteiligte.)

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Nachtrag, 29.7.2022

Durch meinen damals neuen Arbeits-Partner, den Regisseur Gert Hof, lernte ich im Sommer 1999 die Band Rammstein kennen, deren Bühnen- und Lichtdesigner er war. Mich begeisterte diese Band vom ersten Augenblick an. Gert Hof liebte und verehrte Theodorakis und wollte unbedingt, dass wir ihm die Musik und die Videos von Rammstein vorstellen, zumal die Bandmitglieder Mikis natürlich kannten. Gert und ich bereiteten damals die Millennium-Events auf der Akropolis in Athen und an der Siegessäule in Berlin vor. Als wir im September 1999 Mikis in Athen besuchten, brachte Gert Aufnahmen von mehreren Rammstein-Videoclips sowie Ausschnitte aus dem legendären Rammstein-Konzert in der Wuhlheide mit.

Bei unserem zweiten Besuch schlug ich Mikis vor, sich diese Videos anzuschauen. Ich erinnere mich, wie er mich ansah und fragte: „Eine deutsche Band? Und sie singen auf deutsch? Und sie machen, wie du mir gerade erklärt hast, Industrial Rock?“ Mikis fand diesen Begriff toll: Industrial Rock. Den kannte er bis dahin noch nicht. Er kannte Punk-, Metal und vor allem Techno-Musik, aber der Begriff „Industrial“ war neu für ihn. Mikis fragte weiter: „Und du willst unbedingt, dass ich mir das anhöre und anschaue?“ Ich nickte und schob die erste VHS-Kassette in die Anlage, drehte die Lautstärke voll auf, es lief der Clip „Du hast“.

Nachdem Mikis das gesehen hatte, fragte er: „Gibt’s noch mehr?“ Es folgten: „Du riechst so gut“, „Engel“ und zum Abschluss Ausschnitte aus dem Wuhlheide-Konzert. Während die Videos liefen, wollte Mikis, dass ich ihm die Texte übersetzte, was ich gern tat.

Gert fragte immer wieder: „Und? Was sagt er? Wie findet er das?“ Es folgte ein Gespräch, das ich auf Kassette aufnahm und das später von Gert in Absprache mit den Rammsteinern als Nachwort zu ihrem Buch „Rammstein“ beim Gestalten-Verlag 2001 veröffentlicht wurde. So schaffte es Gert, zwei seiner großen Leidenschaften, Mikis und Rammstein, zusammenzubringen.

Dieses denkwürdige Gespräch mit Mikis über Rammstein – vom 9.9.1999 – veröffentlichte ich später in einer überarbeiteten Fassung hier in diesem Blog-Eintrag. Einiges, was Mikis in diesem Interview sagte, finde ich immer noch äußerst spannend. In gewisser Weise könnte man Rammsteins Opus magnum „Deutschland“ und den großartigen Wurf „Zeit“ als eine „Antwort“ auf einige Gedanken von Mikis verstehen, die er in diesem Gespräch äußert.

Vorhin dachte ich, dass die Essenz von „Deutschland“ und „Zeit“ möglicherweise der von Mikis Theodorakis‘ Oratorium „Axion Esti“ Mitte der Sechzigerjahre entspricht, als dieses Werk zum künstlerischen Ausdruck eines ganzen Landes wurde. Tolle lyrische Texte. Existenzielle Themen von großer gesellschaftspolitischer Relevanz. Eine komplexere musikalische Struktur. So eine geniale filmische Umsetzung wie jetzt die von „Deutschland“ und „Zeit“ war natürlich 1963 noch gar nicht möglich – aber immerhin bekam der Dichter Odysseas Elytis 1979 für „Axion Esti“ den Nobelpreis.

Anlässlich des heutigen 97. Geburtstags von Mikis und der laufenden Rammstein-Tour habe ich diese Geschichte festgehalten, damit sie nicht unerzählt bleibt.

Asteris Kutulas

Hellas Filmbox Interview 2016 & Trailer 2019

Hellas Filmbox Berlin 2019 (Official Trailer by Asteris Kutulas)
Hellas Filmbox Berlin 2019 (Film Trailer by Asteris Kutulas)

 Interview für die „tageszeitung“ (TAZ)

… im Dezember 2016 während der Vorbereitung des zweiten Edition von Hellas Filmbox Berlin (im Januar 2017)

Elena Taxidou: Wie entstand bei Ihnen die Idee zur Gründung des Festvals?

Asteris Kutulas: Zwischen März und Juni 2015 gab es wegen der Wahl der linken Tsipras-Regierung (die einen plötzlichen Erdrutsch in der griechischen Parteienlandschaft bedeutete) einen signifikanten Umschwung in der Kommunikation der deutschen Öffentlichkeit im Hinblick auf Griechenland. Die Urteile waren massiv negativ und hauptsächlich undifferenziert, das Klima zwischen beiden Ländern vergiftet von  Schuldzuweisungen, Empörung, Verächtlichkeit, Spott. Diese durchweg „schlechte Stimmung“ gegenüber allem Griechischen und bedauerlicherweise allen Griechen wurde von verächtlichen Stereotypen angeheizt und sowohl von der deutschen Politik als auch von der deutschen Presse ständig reproduziert. Positives und Kreatives war kein Thema mehr.

Die Medienlandschaft in Deutschland zeichnete sich in ihrer Berichterstattung über Griechenland wahrlich nicht durch Differenziertheit und wohlbedachte Worte aus. Wenn man jetzt plötzlich, Ende 2016, von kommunikativen «Echokammern» spricht und sich an diese Zeit erinnert, dann wird man feststellen, dass sich bereits Anfang 2015 beinah ganz Deutschland in solch eine «Echokammer» verwandelt hatte. Erst Jan Böhmermanns Reaktion, der mit seinem Varoufakis-Stinkefinger-Video mehr als überraschte, war ein Appell, der zum Nachdenken aufforderte.

Das Griechenland-Bashing, das 2010 mit dem der griechischen Göttin Aphrodite von einem deutschen Journal aufgesetzten Stinkefinger begonnen hatte, wirkte sich massiv negativ aus, bis hinein in den Alltag Zehntausender Griechen in Deutschland. Es resultierte daraus eine Situation der Feindseligkeit, die sich keiner bis dahin hätte vorstellen können. Deutsche und griechische Künstler und Aktivisten wollten sich auf diesen Prozess der Entfremdung konstruktiv reagieren. Sie gründeten im Frühjahr 2015 die Deutsch-Griechische Kulturassoziation. Deren erstes politisches „künstlerisches Statement“ war die Gründung des griechischen Filmfestivals HELLAS FILMBOX BERLIN, das im Januar 2016 erstmals stattfand.

Hellas Filmbox Berlin Trailer und Interview (2019) mit Asteris Kutulas

Taxidou: Wie war das erste Feedback auf das erste Festival im Januar 2016?

Asteris Kutulas: Wir haben HELLAS FILMBOX BERLIN 2105 mit dem Anliegen initiiert, mit den Mitteln der Kunst Brücken zu bauen zwischen Deutschland und Griechenland in einer für die Beziehung der beiden europäischen Länder schwierigen Zeit. Das ist in eindrucksvoller Weise gelungen. Die im traditionsreichen Kino Babylon gezeigten 71 Filme wurden an 4 Tagen von Tausenden von Zuschauern besucht und das Festival in über 220 Presseberichten in Print, Rundfunk und TV besprochen (u.a. in großen Beiträgen in BILD, DIE ZEIT, STERN, SAT1, in diversen ARD-Medien etc.).

Von den 36 Filmvorführungen (Slots) waren 15 ausverkauft und weitere 10 fast ausverkauft. Ausverkauft waren auch der Opening- und der Closing-Event des Festivals, bei denen u.a. folgende Gäste auftraten: Vicky Leandros, Hans W. Geißendörfer (Köln), James Chressanthis (Los Angeles), Holger Ehlers, André Hennecke, Klaus Hoffmann, Michael Kastenbaum (New York), Kostas Papanastassiou, Anna Rezan (Athen), Melentini, Sarah P., Sandra von Ruffin und viele andere.

Das Festival hat bewiesen, dass HELLAS FILMBOX BERLIN nicht nur ein starkes künstlerisches Statement in der deutschen Hauptstadt ist, sondern dass es zugleich ein breites – und zudem auch jugendliches – Publikum angesprochen hat.

Taxidou: Wie einfach oder wie schwer war es letztendlich aus dem Nichts heraus ein Filmfestival in der deutschen Hauptstadt zu gründen? Und warum hat es vorher kein Griechisches Filmfestival in Berlin gegeben?

Asteris Kutulas: Wir begannen 2015 im April mit der Planung und ab Juni mit den Vorbereitungen für das 1. Festival. Wir haben viele Gespräche geführt und ein Konzept entwickelt, um in Berlin das deutsche Kino-Publikum zu erreichen. Wir haben das Ganze nicht als „Filmfestival“, sondern als „Event“, als „Politikum“ vermarktet. Und wir haben etwa 30 Filme ins Deutsche übersetzt und untertitelt. Das war eine ganz wesentliche Entscheidung. Im Kino haben wir es ja nicht nur mit Bildern, sondern auch mit Sprache zu tun. Sie können, wenn Sie ein breiteres deutsches Publikum für griechische Filme interessieren wollen, diese Filme nicht mit englischen Untertiteln zeigen.

Das größte Problem bestand und besteht weiterhin allerdings darin, dass unser Festival nicht durchfinanziert ist, so dass wir unsere Kosten nicht decken können. Neben der Unterstützung durch die Niarchos Stiftung Athen und die Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn (für die deutschen Übersetzungen) sind wir auf Spenden und Sponsoren-Leistungen von Freunden und Unternehmen angewiesen. Aber auch diese reichen nicht aus, so dass wir unser Festival letztendlich nur durch den immensen Einsatz unseres hochmotivierten und sehr inspirierenden HELLAS FILMBOX-Teams verwirklichen können. Letztendlich entscheidet sich in solch einem Team, ob es dieses Festival gibt bzw. Ob es überleben kann.

Hellas Filmbox Berlin Trailers und Interview (2019) mit Asteris Kutulas

Taxidou: Wie schätzen Sie das deutsche Publikum ein nach den Erfahrungen des ersten Festivals?

Asteris Kutulas: Gernot Wolfram, Professor für Cultural Studies an der Macromedia Hochschule Berlin, charakterisierte das für das deutsche Publikum Interessante an unserem Festival wie folgt: „Griechenland steht bei diesem Festival als Synonym für einen Aufbruch jenseits nationaler Logiken … Statt in langweiligen Eindeutigkeiten zu denken, fordert das HELLAS FILMBOX Festival den Entdeckergeist der Zuschauer heraus.“  Wir haben darauf vertraut, dass die Besucher des Festivals auf diese Realität in den Werken der Filmemacher gespannt sind. Wir waren davon überzeugt, dass es eine Offenheit dafür gibt, auch andere als die in den Leitmedien vermittelte Sichtweisen wahrnehmen zu wollen und sich dazu in Beziehung zu setzen.

Ja, man kann gewiss sagen: Wir Griechen – und zwar wir alle – haben in den vergangenen Jahrzehnten unseren „Job für Griechenland“ nicht gut gemacht. Unser Land ist ruiniert. Griechenland erlebt eine Katastrophe. Behauptungen wie die, dass Griechenland die gesamte Euro-Zone in Gefahr bringt und dass sich sämtliche Griechen auf Kosten des deutschen Steuerzahlers ein schönes Leben machen, befördern allerdings einen Prozess der Verdummung.

Wir glaubten 2015, dass unter diesen Umständen die Notwendigkeit bestand – und sie besteht noch immer –, den deutsch-griechischen „Dialog“ durch künstlerische Aktivität in Gang zu halten und zu erweitern. Mehr denn je halten wir es derzeit für notwendig, kreativ zu bleiben. HELLAS FILMBOX BERLIN ist ein ganz praktisches Beispiel für eine kommunikative Plattform.

Was die schwierige Situation Griechenlands anbelangt, so wollen wir diese beiden Krisen – die „Krise in den bilateralen Beziehungen“ (in die viele Menschen beider Nationen geraten sind) und die „Krise in Griechenland“ – für die Förderung des griechischen Kunstschaffens nutzen und den griechischen Filmemachern in der deutschen Hauptstadt auch im Januar 2017 eine Plattform bieten, dem hiesigen Publikum und der hiesigen Presse ihre neuesten Produktionen vorzustellen. 

Taxidou: Ist tatsächlich ein „Dialog“ durch ein solches Festival, also durch das „Kino“, möglich?

Asteris Kutulas: Kunst ist eine Kommunikationsform, die in bestimmter Art und Weise die Mentalität, die Denkungsart und bestimmte „Handlungsmuster“ einer Nation zum Ausdruck bringt. Das trifft insbesondere auf das Film-Genre zu. Wenn Sie sich zum Beispiel Fassbinder-Filme ansehen, kommen Sie sehr schnell zu einem besseren Verständnis der „deutschen Psyche“ – wie wir Griechen sagen würden. Aber natürlich auch der deutschen Geschichte und des deutschen „Alltags“.

Wenn Sie sich andererseits das griechische Filmschaffen ansehen – von Michalis Cacojannis, Nikos Koundouros, über Costa-Gavras und Pandelis Voulgaris bis hin zu Nikos Perakis, Athina Tsangari und Ektoras Lygizos –, dann stellen Sie fest, dass oft schon die „Form“ und die „Ästhetik“ griechischer Filme viel darüber verraten, wie wir Griechen „ticken“.

Ich will sagen: Wenn man „Film“ als Kommunikationsform ansieht, in gewisser Weise als ein internationales Verständigungsmodul, dann könnte es – neben dem „Vergnügen“ – auch als Medium der Erkenntnis dienen. Erkenntnis darüber,  wie die Griechen „leben“, was sie für Menschen sind, wie ihr Sinn für Humor ist, wie sie Geschichte betrachten, die eigene und die der anderen etc. etc. Wir denken, dass das durch unser Festival „rübergekommen“ ist.

© Asteris Kutulas, 2016

Hellas Filmbox Interview & Trailer.

Hellas Filmbox Interview Trailer

Video Blinks – Ein Konzeptkunst-Projekt (2013-19)

Artist’s Statement – Die Apassionata Video Blinks

Die Apassionata-„Video-Blinks“ sind ein Konzeptkunst-Filmprojekt, eine Art „Video-Tagebuch“ – mein subjektiver Blick auf Details der Apassionata-Show, die für mich besonders emotional, besonders spannend und besonders „künstlerisch“ sind. Ich „erschaffe“ mir meine Ideal-Show in kleinen kaleidoskopartigen „Schnipseln“, die für mich eine riesige Collage ergeben. Jeder Video-Blink ist wie der Vers eines Gedichts – ein Gedicht voller Melancholie, Schönheit und Dynamik.

Die „Video-Blinks“ (2013-19) wie auch die „Satellite Clips“ zu meinem Film „Dance Fight Love Die“ (2018) gehören für mich zum „Manifest der Emotion“ gegen das Kalt-Abstrakte der meisten mir bekannten Bühnen-Produktionen.

Hier, bei den Apassionata-Proben, schaue ich in die Gesichter der Tänzerinnen und Tänzer, der Reiterinnen und Reiter. Ich habe atmende Menschen vor der Kamera, die nicht nur „funktionieren“, sondern deren Individualität ich durch das Objektiv umso deutlicher sehe. Der tagelange Prozess, bei dem diese Menschen nicht von der ersten Stunde an ihre Show-Kostüme tragen, sondern deren Körper anfangs ganz anders eins sind mit den Körpern der Pferde und mit dem „Körper“ der Show, mit der Musik.

Die Luft, die aufgeladen ist, das Licht, das alles mit seiner Kraft verwandelt, der Augenblick der Transformation, wenn die Requisiten und Kostüme alles zu einer Geschichte machen – diese tagelange Entwicklung von morgens bis nachts nicht nur zu begleiten und mitzugestalten, sondern sie ab und zu mit der Kamera einzufangen, bedeutet auch für mich selbst Verwandlung.

Darum produziere ich seit etwa sechs Jahren – neben der Probenarbeit und wenn ich Zeit habe – diese „Video-Blinks“, die offenbaren, wie ich als Dramaturg und künstlerischer Berater die Apassionata-Show sehe, also seit wir sie – meiner Meinung nach – zu einem eigenständigen „Genre“ gemacht haben. 

© Asteris Kutulas, 2019

Video Blinks 2015 „Im Bann des Spiegels“ Show

Video Blinks 2016 „Cinema of Dreams“ Show

Video Blinks 2017 „Der Traum“ Show

The Apassionata Video Blinks Showcase

Dance Fight Love Die – Reviews & Statements

DANCE FIGHT LOVE DIE – WITH MIKIS THEODORAKIS ON THE ROAD | REVIEWS & STATEMENTS | SELECTION FROM GERMAN & GREEK PRESS

– BeNow TV: It’s a mighty essay film; a tremendous, hypnotic collage that doesn’t seek out what’s concrete and tangible, but instead aims to penetrate the poetry of Theodorakis’ oeuvre … It is like a notebook, filled by Kutulas with images, thoughts, associations and visions of Theodorakis and his music. The result feels like a cinematic river, frequently turning into a roaring torrent. The movie oscillates between energy and meditation; it possesses a great sense of form, lives off its bold contrasts and juxtapositions, comes with lavish orchestration and almost operatic accents – it is told like a piece of music. 

– Süddeutsche Zeitung: “Dance Fight Love Die“ splices music and moving images into a condensed representation of the life and work of an enfant terrible of recent European musical history: Greek composer Mikis Theodorakis.

Dance Fight Love Die by Mikis Theodorakis and Asteris Kutulas
Official movie poster of Dance Fight Love Die

– programmkino.de: Kutulas projects a challenging blend of historic document, artful essay and fast-paced onslaught of imagery.

– der Freitag: Theodorakis is always in motion; he connects continents with his appearances. More than once, his larger-than-life persona shines through. 

– junge welt: Kutulas loves ballet, turning this life-in-film into a ballet of many acts. It is more of a dance than a journey through time, as the title itself suggests … Kutulas’ film is far more than a biopic. Through the composer’s music, it tells the history of Greece. Using the life of this musical and physical giant, he describes what it means to be Greek. 

– nachrichten.net: Without any flattery, bells or whistles, Kutulas sends viewers on a voyage of discovery, exploring the universe of a great Greek, Mikis Theodorakis. Employing quickly changing scenes and a completely dialogue-free plot, Kutulas effortlessly bridges the gap between space and time, reality and dream, all overshadowed by Theodorakis’ incredible music … Kutulas’ work is a true cinematic highlight!

Mikis Theodorakis on the road by Asteris Kutulas
Stathis Papadaopoulos as Akar in Dance Fight Love Die (Making of photo © by Stella Kalafati/Asti Music)

– filmjournalisten.de: Like a volcanic eruption, Asteris Kutulas – who also wrote the script together with Ina Kutulas – hurls 30 years of Mikis Theodorakis’ efforts and works onto the silver screen … Like fireworks, one capture after another erupts onto the screen, revealing a bottomless pool of musical ideas that don’t shy away from artistic experiments (Air Brush) and invariably put a spotlight on war, Holocaust, military dictatorship, Greek-Turkish reconciliation and the Cold War. Like eruptions triggered by the clash between universe and humanity’s own destructiveness … The excerpts ejected by this cinematic volcano are sourced from many different parts of the world. In one, several decades after Zorbas, we find Theodorakis dancing the sirtaki with Anthony Quinn on Munich’s King’s Square. In another, he enthuses about Soviet Alpine chocolate, retrieved from a “great cabinet”. And when his hands aren’t busy conjuring up chocolate, they love to direct and compose. This man is a marvel. 

– film-rezensionen.de: „Dance Fight Love Die“ is definitely enthralling – not least of all because of the very different interpretations – but occasionally quite strange and, in its own way, mesmerising. 

– WELT: This is what everything, from left to right, leads to: People will never be the way Mikis Theodorakis, the Marxist methusaleh, shapes them as musical figures. Mikis, the man, extends his arms as if to fly or dance, and states: “I am free”. 

– kino.de: Asteris Kutulas has produced an idiosyncratic portrait of Mikis Theodorakis. The film consists of four- to six-minute clips that come together in a wild trip across four continents. Personal moments receive just as much space as the music of Mikis Theodorakis. This cinematic essay is portrait, historic document and road trip in one. 

– filmdienst.de: You have to let yourself succumb to this patchwork of visual clips and musical maxims. Then, the artistic synthesis of “Dance Fight Love Die” transcends its piecemeal approach and becomes enthralling. 

– indiekino.de: A life in transit, peppered with ever-new encounters. Kutulas lets us participate in this turbulent trip and immense abundance that makes and shapes Theodorakis as a fantastic musician and humorous human with a huge heart. 

– kino-zeit.de: “Dance Fight Love Die“ is a rush of impressions that invites us to delve (even) deeper into Theodorakis and his oeuvre. 

– motzkunst.de: Using poetic and occasionally disturbing visuals for their road movie “from the spirit of music“, Asteris and Ina Kutulas head for a tunnel with the famous Attic light at the end, opening up new cinematic realms. 

– TV TODAY: An unusual mix of collage, essay and portrait of an exceptional artist. 

– Telepolis: Kutulas shows an illustration of the Mauthausen concentration camp, given to him by Simon Wiesenthal, and uses Wiesenthal’s own words to remind us that the Nazis weren’t only reprehensible for their murders, but also because they trampled all over human dignity. In many ways, “Dance Fight Love Die“ is a political film that uses retrospectives to reference current global affairs. 

– koki-es.de: DANCE FIGHT LOVE DIE is neither a conventional music documentary nor a traditional biography featuring artist interviews, explanations or a tried-and-tested chronological structure … The film centres around the many – occasionally very personal – moments and scenes of Theodorakis during tours, (private) travels and productions. All recordings portray a highly focused, perfectionist composer in his element who feels music in every vein. 

– spielfilm.de: We’re on the road with the enthusiastic Greek composer – and this continent-hopping tour is often surprisingly funny … an audio-visual, associative journey that uses images and sounds from a 30-year collaboration to capture the man and artist Mikis Theodorakis. 

– Sächsische Zeitung: There are few words in “Dance Fight Love Die“. It is mostly about inspiration, eros and, naturally, one of the most formative composers of a century. 

– hardsensations.com: In “Dance Fight Love Die“ Asteris Kutulas documents the furious productivity of Mikis Theodorakis. He frames Eckermann-esque labours of love in passe-partouts and stages them like a slide show. For thirty years, Kutulas has been collecting private and public slivers of the Greek national hero who doesn’t mind the camera by this side. Theodorakis lives in an incessant creative frenzy.

– Frankenpost: “Dance Fight Love Die“ – the soundtrack of a life … This also turns the film into a soundtrack of 20thcentury Greece and its dark chapters during which Theodorakis fought and suffered – from the Second World War to the civil war and up to the country’s military dictatorship. According to Kutulas, he managed to escape from a death chamber in 1944, but was buried alive during the subsequent civil war in1948 and had to suffer a mock execution by the ruling junta in 1967. For him, death is as much part of life as dancing, fighting and loving. 

– programmkino.de: … Theodorakis is an important symphonic composer; he is a director and choirmaster who delves deep into the respective work and remains skilled at conveying thought-provoking ideas – on love, on death, on fear. Unfettered by dramaturgical structure, this documentary captures his life in a wealth of images and short scenes: Theodorakis and his art graced Athens and Crete as well as the Himalayas and St. Petersburg, Jerusalem as well as the Bavarian town of Passau and San Francisco, South Africa as much as the Turkish cities of Ephesus or Cesme. Naturally, the film also shows his attitude and statements on political issues: on fighting his country’s former German occupation, on the Greek junta and military dictatorship, on their opposition, on the Mauthausen concentration camp (Symphonia Diabolica), on the murdered Anne Frank or the Nazi hunter Simon Wiesenthal. He loves ballet as much as symphonies, oratorios as much as opera, with its many arias and chorals featured in the film from Medea, Antigone, Elektra or the Mauthausen oratorio. Then, there are lyrics and poems; he talks about war and love; he dreams of the highly problematic Greek-Turkish friendship; he ponders how humanity hurts the Earth. Altogether, an impressive life and, altogether, an impressive film. 

Mikis Theodorakis and Asteris Kutulas
Mikis Theodorakis in the movie Dance Fight Love Die

– Griechenlandzeitung: It’s a frequently beguiling rush of music and colours. Not structured chronologically, but associative, not biographical, but experimental, poetic, humorous, existential. It sketches stages of a world-encompassing, unifying music and captures the sheer diversity of a powerful, artistic existence. Theodorakis places the harmony of music and art above the disharmony of humans. “Imagine the Earth without people”, he dreams at once point. And then adds that „humankind is a dischord.“

– Zeitungsgruppe Mittelhessen: The film is a worthy homage to the musician, democrat and humanitarian, without putting him on a pedestal, which wouldn’t suit the musical anarchist anyway. Instead, it offers an associative cinematic collage in the style of Alexander Kluge. Across a range of short clips, young dancers and artists who underscore his work’s relevance to the present, demonstrate just how contemporary Theodorakis music remains, also giving musical room to well-known contemporaries like George Dalaras, Maria Farantouri or Zülfü Livaneli. Plus, naturally, many impressions of the seminal artist himself who remembers early moments stargazing with his father and the loving care of his Turkish mother, but also tongue-in-cheek ruminations about his own cosmos of air, earth, water and universe. 

– unsere zeit: During the ninety minutes of his latest, genre-busting film, “Dance Fight Love Die”, Kutulas meshes very personal moments and historic material, documentary footage and unsettling fiction – in specially produced, epic, feature-style scenes of lovers, pregnancy, in-fighting or demonstrative suicides … Focusing on Theodorakis, who regularly can’t stop himself from singing along while conducting, this travel film collage jumps between the times and locations. The contrasting clips and camera captures follow musical associations on an “echo wall”. 

– ZITTY: What a huge project: Film-maker Asteris Kutulas spent three decades trailing the famous musician, composer and writer Mikis Theodorakis with his camera. From the resulting 600 hours of footage he has now distilled this film. And delivered an extensive portrait of a restless soul. 

evensi.de: The film “Dance Fight Love Die – With Mikis on the Road“ is neither traditional biopic nor concert film, but a visually stunning collage that conveys the art and personality of this important European composer and helps us understand how this passionate, exceptional artist could become the role model for an entire nation. 

– screeneye.gr: … an anarchically structured, but dynamic trip to different destinations where music has the first word in everything Asteris Kutulas and his wife Ina capture. The film features the voices of Mikis and countless young and old artists who cover his songs. In some instances, Kutulas references his own 2015 film, Recycling Medea. There is no logic: Anarchy rules the film’s structure, but this anarchic structure also accounts for this work’s inherent charm.

Mikis Theodorakis and Asteris Kutulas
Mikis Theodorakis and Tatjana Vassilieva (Behind the scene photo © by Asteris Kutulas)

Elias Malandris (author and theatre critic): … The enchanting female characters in Kutulas work feel like the protagonists of a painting, just like they do in his film “Recycling Medea”. Asteris Kutulas knows Mikis very well and lets us catch glimpses of some the artist’s more personal sides, of his cosmos, of situations with people who are close to him, of his thoughts and ideas – and of disturbing moments in short, very private captures. The film is a precious document of an entire life. 

Ioanna Karatzaferi (author & film scholar): … How did Asteris Kutulas “build” this work? The director made an intelligent decision and assembled the film from 4-6-minute sequences, each of which introduces us to a specific “Theodorakis episode” like a fast-paced timelapse. So, the proceedings are not dominated by the – often witnessed – laboured attempts of a director to equal the portrayed, here Mikis Theodorakis. It doesn’t erect a museum or pedestal, but focuses on the musical action. Overall, the film is impressive in both its artistic and technical execution. Mikis’ and Asteris’ work – they encounter each other and fuse into a hard, indestructable, shining, well-cut diamond. Both Kutulas’ film and his previous film essay, “Recycling Medea”, which revealed his “own Medea”, give me renewed hope for the future of film-making; a hope for films without incessant weapons-waving, films that don’t exclusively focus on horrid crimes, films not dominated by perpetual battle cries or catastrophic invasions … 

– heilewelt blog: I have seen quite a few music documentaries in my life. But I’ve never seen one like DANCE FIGHT LOVE DIE about Mikis Theodorakis, a Greek composer. I haven’t known his music beforehand and it’s not a traditional documentary, I feel like I now know what drives Mikis… I found this a very refreshing way of showing a life’s work. Music is emotion and that’s is what the film transports… At some point you get used to the tempo of the film… I highly recommend this movie. You don’t even need to understand Greek or German.

– BeNow TV: “A unique cinematic collage“: This is certainly no film to be expected. Nor a conventional artist portrait … The film doesn’t set out to explain. It is a somewhat enigmatic work – and there’s nothing wrong with that. It even needs to be. In its choice of images, music and montage, the film contains many signs and codes … Its perspective remains mysterious and multi-faceted. Time and again, it throws up new impressions with Theodorakis as the anchoring factor. The rest of the film blurs, fluctuates and keeps surprising us with unusual ideas … Because Kutulas‘ film is less tame-informative documentary and more essay-style exploration of the mythical person of Theodorakis resp. the mythical power of his music … it is a cinematic odyssey. 

– elHype.com: … Although a global name as a composer, Theodorakis also enjoys a fanatical cult following, earning him the stature of a living legend who is still working today into his tenth decade… When one has to account for all the footage they have acquired since 1987, filming the legendary composer travelling and working on tour, condensing all that into less than 90 minutes was not an easy task. However, this is a exactly what director Asteris Kutulas set for himself and the results are the film Dance Fight Love Die – With Mikis on the Road (2017), a record of time the director has spent with Theodorakis on the road from 1987 to the present, organizing more than 150 concerts in 100 locations, in places as diverse and far and wide as Canada, Chile, Russia, Israel, South Africa, Turkey, Australia and most European countries, amounting to over 600 hours of footage… Ultimately, the documentary plays like snippets or teaser trailers cut together. Every inclusion seemed like a dramatic advert for a concert in a particular place at a particular time. Linking all these clips into 87 minutes made for big decisions and attempts at lucid seamlessness…

André Hennicke (actor & author): “Dance Fight Love Die“ – a film like a day dream. Like a breathing memory of a large, adventurous life that doesn’t want to end. The huge, lanky man with a crutch. Who doesn’t want to accept that he can’t fly. He searches for a way to fly anyway. His music. It allows any listener to fly. The many, different shreds of his music that – like fragile filaments – connect those small, human moments with the amazing peaks of his success. Very emotional. Almost as if this was our own memory …

– greeksnewagenda.gr: Filming Greece – “Dance Fight Love Die“: an idiosyncratic portrait of an idiosyncratic artist … Based on over 600 hours of filmed material starring Mikis Theodorakis in any possible situation, “Dance Fight Love Die“ by Asteris Kutulas is a hybrid film on the hybrid life of one of Greece’s most prolific figures, composer Mikis Theodorakis. For thirty years (between 1987 and 2017), Asteris Kutulas organized many major Theodorakis concerts around the world, while he accompanied and occasionally filmed Theodorakis on his travels. This resulted in accumulated film footage of Theodorakis’ travels around the world. Kutulas complemented this material with „fictional“ shootings (filmed by DOP Mike Geranios) adding a subplot inspired by Theodorakis‘ autobiography „The ways of the Archangel“. This docu-fiction film, an experimental portrait of the artist, offers an insight to lesser known aspects of Theodorakis‘ personality, while it cites the universal influence of his music.

Hans-Eckardt Wenzel (songwriter & author): A very impressive film. The ornamental aspect doesn’t get out of hand and the documentary angle adds a sense of soft realism to everything. The film approached Theodorakis’ music in a very astute way while also unleashing its global nature, untethered to the language of words or country norms. The most impressive part was the visual sequence featuring the dancer and Mikis wearing a gas mask at the demonstration. You can feel this sense of justice, this gentle humanism that is sorely lacking in today’s world. The film shows a good way to approach the all-pervading power of music. I can only guess how much work this movie was. Excellent editing, great musical structuring, those breaks between sound and silence, between movement and rigor. I am truly impressed! This film entirely matches my own view and understanding that the only way to escape the current crisis cannot be political, but must be cultural.

Annett Gröschner (author): It’s a collage of staged scenes, backstage video snippets, interviews with Theodorakis and performances around the world. The film also recapitulates the life of the frequently controversial composer who was never just an artist, but always someone who meddled in politics, earning him torture, prison, banishment, exile and, finally – four years ago – an eye injury from a tear gas attack at the Syntagma Square protests. His entire life, Theodorakis was an intellectual free spirit, an autonomous republic in the best sense of the word. Now, at the end of his life, he is forced to state that nothing has improved in Greece, that – after facism, civil war, junta and corrupt neoliberal governments – the climate remains poisoned and the Greeks’ dignity woefully wounded …

Composer’s Statement
 
Asteris Kutulas already revealed to me an independent approach of a most personal point of view in his very first work: the film “Recycling Medea”. For me – looking at it from an artistic point of view – this was a fortunate coincidence. Through his perspective and approach, he introduced completely new ways of expressing and dealing with my own work and my personal life. At first it wasn’t easy for me to adjust to his special approach, because of the vast amounts of work I had already made, as well as the fact that I had been developing my own aesthetic and philosophical codes for a long time. But instead of Asteris’ unusual directorial interpretation of my work and life repulsing me, the opposite happened; they enriched me psychologically, spiritually and creatively because they inspired me to see myself and my work with the fearless eyes of today and tomorrow. I will say, this approach has made me feel young, because this view redeems both my work and me from dozens of years formerly burdened by my untamed life.
 
Mikis Theodorakis, Athens 2018

Photo with Mikis Theodorakis & Asteris Kutulas (1983) © by Rainer Schulz

Satellite Clips – Ein Konzeptkunst-Projekt

DIE SATELLITE CLIPS UND DER MUTTERPLANET

Die „Satellite Clips“ umkreisen den Hauptfilm DANCE FIGHT LOVE DIE, der ihnen als Heimatplanet gilt. Die Formel für dieses Konzeptkunst-Projekt lautet:

Satellite Clips =
Musik von Mikis Theodorakis
+ aus dem für den Hauptfilm nicht genutztem 600-Stunden-Fundus
+ Fiction- und Making-of-Material, das während der Shootings mit den Schauspielern und den jungen Musikern zwischen 2014 und 2022 entstanden ist

Die Clips tragen den Namen des an der Entstehung des jeweiligen Clips maßgeblich beteiligten Künstlers bzw. Mitarbeiters des Regisseurs. Die ersten beiden „Satellite Clips“ mit dem Titel STELLA und MELENTINI verbanden die „Berliner Ästhetik“ des Regisseurs mit der „Universellen Harmonie“ von Mikis Theodorakis und sind in Zusammenarbeit mit der jungen Filmemacherin Stella Kalafati, die während der Entstehung des Hauptfilms als Regieassistentin gearbeitet hat, und der Musikerin Melentini produziert worden. 

Satellite Clips – STELLA
Satellite Clips – MELENTINI

ARTIST’S STATEMENT

DANCE FIGHT LOVE DIE ist ein Film-Phänomen. Der Regisseur war mit dem Komponisten unterwegs, drei Jahrzehnte, hat ihn umkreist, überall auf der Welt. Der Regisseur mit seiner Kamera war Auge und Festplatte zugleich. Der Komponist ist das Zentrum; um ihn dreht sich alles. Wie Ideen um eine Erscheinung. Es ereignete sich die Geburt des Films aus dem Geiste der Musik. Die Kamera des Regisseurs war der Satellit. Ein Langzeitprojekt in einer Welt, die verrückt geworden und aus den Fugen geraten ist. Die Welt ist der Killersatellit. Deshalb Musik. Deshalb Film, Text und Tanz. Deshalb die SATELLITE CLIPS. Der Komponist hat sich nicht auffressen lassen von wilden Tieren oder von Jahrzehnten. 

DANCE FIGHT LOVE DIE – ein 90-Minuten-Film, gemacht aus 600 Stunden Ausgangsmaterial. „With Mikis on the Road“ – von Anfang bis Ende die Musik des Komponisten. Doch dieser Film will sich nicht beenden lassen. Die übriggebliebenen 599 Stunden wollen zu Satelliten werden, die um den Mutterplaneten kreisen. Das Zentrum ruft, und jeder Satellit springt in eine Bahn, um ein eigener Film zu werden, ein Clip mit eigener Musik.

Das unbenutzte Material schreit danach, benutzt zu werden. Und all die Dutzenden Künstler, die mit ON THE ROAD waren bei diesem Film schreien danach, gezeigt zu werden. 

Satelliten kann man abschalten. Aber nicht die KUNST, nicht das Zentrum. Es werden weitere Satelliten kommen. Einer heißt „Stella“, einer heißt „Air Cushion Finish“, einer heißt „Achilleas”, einer heißt „Stathis“, einer heißt „Sandra“, einer heißt „Melentini“. Wo ein Satellit ist, folgt schon der nächste.

Asteris Kutulas, 2019

The SATELLITE CLIPS on Vimeo

Mein Berlin – 30 Jahre nach dem Mauerfall

Berlin ist für mich die Hauptstadt des wiedervereinten Deutschlands – das ist eine wichtige Aussage, weil für viele von uns uns, die wir hier seit langem leben, Berlin jahrzehntelang die Hauptstadt des Kalten Krieges und gleichzeitig die Hauptstadt der Mauer war. Keine andere europäische Stadt war gespalten in zwei Teile. Wir erlebten das Regime der Mauer mit Freunden, die ins Gefängnis mussten, mit Freunden, die Selbstmord begingen, mit Freunden, die mit jedem Mittel versuchten, die Mauer zu überwinden.

Berlin Mauerfall, Asteris Kutulas
Berliner Bär

Wir erlebten damit zugleich auch das Phänomen „Niemandsland“, eine No-Go-Area, durchzogen von unseren Gedanken, bewohnt von unseren Vorstellungen und von ihnen immer wieder überwunden. Es war ein Topos, der uns ständig herausforderte. Niemandsland inmitten einer Welt, in der vieles „Volkseigentum“ war, also „allen“ gehörte. Unsere Jugendzeit war davon geprägt, dass wir im Kopf die „Mauer“ oft überwanden. Daraus resultierte unsere Lebenshaltung, unsere eigene Utopie.

Berlin Mauerfall, Asteris Kutulas
Berlin: Spreeathen

In dieser Stadt wurde am offenbarsten, dass „die große Utopie“, die des Kommunismus – die Utopie von der Freiheit des Menschen – vollkommen gescheitert war. Und vergessen wir nicht, dass 1989 diese Mauer genau hier in dieser Stadt sich öffnete. Wir erlebten auch das. Es war ein energetisches Beben, wie sich vielleicht Joseph Beuys äußern würde.

Das Ende des Kalten Krieges erlebten wir auch so – als dieses Märchenhafte: Sesam, öffne dich! Eine Mischung aus Aladin, Wunderlampe, 40 Räubern und Lotte Reinigers Scherenschnittwelten, ein Animationsfilm, in dem wir Darsteller waren, die Welt schaute nach Berlin, die East-Side-Gallery blieb wie ein Stück Filmstreifen.

Im Niemandsland-Streifen waren Schüsse gefallen, die stete Androhung der Schüsse ein Motor, der die Kreativitätsmaschinen in beiden Teilen der Stadt antrieb. Es waren Filme entstanden, und die Dokumentationen aus dem Reich der Mangelwirtschaft sind heute angeblich besser archiviert als die aus dem „Goldenen Westen“. Vor Überraschungen ist man nie sicher. Diese Lektion haben wir mehrfach gelernt. In keiner anderen deutschen Stadt gab es dieses Amalgam aus West und Ost, Sozialismus und Kapitalismus, Freiheit und Unterdrückung – und gleichzeitig unter den Bedingungen der Unterdrückung so viel Freiheit.

Berlin Mauerfall, Asteris Kutulas
Berlin: Scheiß auf‘ Geld – Liebe den Aufstand

Wichtig für diese Stadt ist auch, dass sich hier seit den Tagen von Westberlin bis heute die größte Gay-Community Europas eingefunden hat. Wir sprechen immerhin von 300.000 Menschen. Allerdings hat Berlin im Hinblick darauf bekanntermaßen eine einzigartige Vergangenheit, weil hier im Laufe der 1920er Jahre sexuelle Freiheiten gelebt wurden, wie man es so nirgendwo auf der Welt hatte. Die Outsider der Gesellschaft waren deren Insider geworden, ganz Berlin schillerte und wurde zu einem Sehnsuchtsort. Davon erzählt Berlin bis heute.

Berlin Mauerfall, Asteris Kutulas
Berlin: Mitte, Kreuzberg etc.

Von den 3,5 Millionen Einwohnern Berlins sind 500.000 Ausländer bzw. Menschen mit ausländischen Wurzeln. So lebt diese Stadt unter anderem vom Input aus 189 Ländern. Und mit 200.000 Türken gibt es hier die größte türkische Community außerhalb der Türkei. Nicht zu vergessen: In Berlin gibt es – soweit ich weiß – die größte Techno-Gemeinde der Welt mit den weltweit bekanntesten Techno-Clubs, und zugleich ist es die einzige Stadt weltweit mit drei Opernhäusern.

Bei alledem spielt in unser tägliches Leben die Vergangenheit hinein. Der 2. Weltkrieg ging von hier aus, und hier nahm sich Hitler das Leben. Berlin ist die Hauptstadt des Holocaust. Während der Zeit des Nationalsozialismus blutete auch die kulturelle Szene Berlins aus. Wovon die Stadt sich bis heute nicht erholt hat. Berliner Schnauze und jüdischer Humor – das hatte sich fabelhaft ergänzt, und vielleicht war diese Art von Witz das eigentliche Gold der legendären 20er Jahre. Allerdings gibt es in dieser Stadt immer genügend Leute, die die unliebsame Vergangenheit nicht verdrängen wollen, sondern die sie erst recht thematisieren und in den Fokus rücken.

Berlin Mauerfall, Asteris Kutulas
Berlin: Mich laust der Affe

In Berlin lässt man die Toten nicht ruhen, in Berlin fragt man sich, wie viel Verbrecherpotenzial in einem selbst wohnt. Man will es wissen. Heinrich Zilles Geist ist lebendig und zieht um die Häuser. Auch von Zille hätte dieser Satz sein können: „Zeige deine Wunde“. Er stammt aber von Joseph Beuys, der sich nur kurz in Berlin blicken ließ. In Berlin gibt’s viel Geschrei, schrille Buntheit, wenig Adel. Berlin ist durchlässig. Die Mauer bedeutete auch aus diesem Grund eine akute Störung, und seit ihrem Abriss arbeitet die Stadt an einer energetischen Heilung. Es ist kein Ende abzusehen.

All das zusammen erschafft heute einen „Energieplan“ – um bei Joseph Beuys zu bleiben, der nicht nur für Deutschland einmalig ist, sondern für ganz Europa. Und ich würde sagen, dass all das eine sehr spezifische Lebensauffassung erzeugt und eine spezifische Sicht auf die Kunst, was man nur hier so erfahren kann. Ich glaube, dass das auf unterschiedlichste Art und Weise in der Arbeit vieler Berliner Künstler erkennenbar wird und auch in meiner eigenen. Es ist schwierig, in Berlin Kohle zu machen, aber einfach, sich täglich zu verheizen. Lotte Reinigers Wunderlampe wird am Brennen gehalten.

© Asteris Kutulas (mit einem Beitrag von Ina Kutulas) Aus einem Interview mit doctv.gr (2017), überarbeitet und ergänzt im Februar 2019

Photos @ by Ina Kutulas

Berlin Mauerfall, Asteris Kutulas
Berlin: Radikale Akzeptanz

Berliner Gericht verbietet Künstler, seine Show als „einzigartiges Erlebnis“ zu bezeichnen

Die Causa „Apassionata“ – und kein Ende …

Ein deutsches Gericht hat vor ein paar Tagen einem Berliner Künstler verboten, sein künstlerisches Schaffen als EINZIGARTIG zu bezeichnen. Kein Witz. Das haben deutsche Anwälte tatsächlich einem deutschen Richter verklickern können! Es besteht seit Kurzem eine einstweilige Verfügung gegen den künstlerischen Direktor der Apassionata Holger Ehlers, nach der die Veröffentlichung von – im Übrigen von mir als Apassionata-Dramaturgen bereits 2013 verfassten und damals schon von ihm übernommenen und publizierten – Textpassagen über die eigenen Shows auf seiner Künstler-Homepage verboten wurde! Die Rechtsanwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek PartGmbB, die dieses Verbot erwirkt hat, arbeitet im Auftrag der Apassionata World GmbH – Tochterfirma eines chinesischen Immobilienkonzerns (Hongkun) mit Johannes Mock-O’Hara, Xiongxiong Lin und Weihao Zhao als Geschäftsführer.

Ich habe mich bezüglich des (very dirty) Apassionata-Markenstreits – denn darum geht es im Kern – zwischen Peter Massine und Thomas Bone-Winkel/Hongkun-Konzern die letzten Jahre, so gut ich konnte, zurückgehalten, weil meiner Meinung nach beide Seiten „irrational“, unternehmerisch katastrophal und selbstzerstörerisch gehandelt haben. Wie man so sagt: Da konnte man nix machen. Aber dieses Verbot, dieses Gerichtsurteil betrifft direkt auch mich als Künstler und all meine künstlerisch tätigen Kollegen. 

Apassionata vor Gericht

Der chinesischen Tochterfirma Apassionata World GmbH geht es hier im Kern darum: einen Künstler – der zwischen die Fronten eines Gesellschafterstreits um die Rechte an der Marke APASSIONATA geraten ist – mundtot zu machen und finanziell durch Gerichtsprozesse zu ruinieren. Weil er seine Apassionata-Shows, die er als Musiker seit 2001 betreut sowie als Autor und Regisseur seit 2009 jedes Jahr neu kreiert, weiterhin für Peter Massine – und inzwischen für Live Nation als Veranstalter – produziert. In diesem „Streit“ ist die Ausgangssituation folgende: auf der einen Seite ein chinesischer Milliardenkonzern mit einer der teuersten und größten Anwaltskanzleien Deutschlands, auf der anderen Seite ein Künstler, dem auf Androhung von 250.000 Euro oder 6 Monate Haft verboten wird, auf seiner eigenen Künstler-Homepage zu schreiben:

1) dass seine Shows ein „einzigartiges Erlebnis“ darstellen (obwohl das stimmt),
2) dass seine Shows unerreicht und/oder ohnegleichen und/oder beispiellos seien (obwohl jeder Künstler das Recht haben sollte, das zu behaupten),
3) seine Shows über eine 15jährige Tradition verfügen (obwohl das stimmt),
4) seine Shows ein weltweites Publikum haben (obwohl das stimmt).

Seine Shows heißen: „Apassionata – Cinema of Dreams“, „Apassionata – Der magische Traum“ etc. So sind sie bei den Urheberrechtsgesellschaften etc. seit 2001 fortfolgend angemeldet, so steht es auf allen diesbezüglichen CDs, DVDs, Plakaten, Programmheften und zehntausenden Youtube Videos.

Die Verhältnisse in Deutschland haben sich offensichtlich so verändert, dass ein deutsches Gericht mich zwingen kann, zu beweisen, dass Liechtensteiner und Eskimos in meine Show kommen, und wenn ich es nicht kann und ich es weiterhin behaupte, ich dafür ein halbes Jahr in’s Gefängnis muss … So scheint es, ist der Stand der Dinge. Ich bin mir sicher, Joseph Beuys würde sich im Grabe umdrehen, auferstehen und sich mit einsperren lassen – und ich wäre in diesem Fall sein Coyote: „Ich liebe Deutschland, und Deutschland liebt mich“ … (Wobei … Vielleicht hätte Beuys in Deutschland einen Schäferhund als Begleittier gewählt.)

Eigentlich wollte ich einen sarkastischen Text schreiben, aber der Gedanke, dass ein Künstler für sechs Monate in’s Gefängnis muss, weil er auf seiner eigenen Künstler-Homepage behauptet, seine Show sei einzigartig, hat dazu geführt, dass ich das alles nicht zum Lachen finde.

Die „kreativen“ – auf 25 Seiten festgehaltenen – Spitzfindigkeiten der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek PartGmbB, die es brauchte, damit ein deutsches Gericht quasi an den Grundfesten der Meinungsfreiheit und im gewissen Sinn des Urheberrechts rüttelt, sollten jedoch veröffentlicht und meinen Comedy-Kollegen als Vorlage für ihre nächste Show oder Sendung zur Verfügung gestellt werden. Das hübscheste Argument aus dieser Vorlage, die dazu diente, dem Künstler zu verbieten, auf seiner persönlichen Homepage die von ihm entworfene und als Autor, Komponist und Regisseur realisierte Kunst als EINZIGARTIGES ERLEBNIS zu bezeichnen, lautet sinngemäß (hier von mir „poetisch“ umschrieben): Pink Floyd darf sich nicht „einzigartig“ nennen …, weil es Depeche Mode gibt! 

Ergo: Stefan Raabs Sendung darf sich nicht einzigartig nennen, solange es eine Harald Schmidt-Show gibt. Der Louvre darf sich nicht einzigartig nennen, weil es die Tate Gallery gibt. Die Mona Lisa darf nicht als einzigartig bezeichnet werden, weil es die Sixtinische Madonna gibt. Ein Werk von A.R.Penck ist nicht einzigartig, weil es ebenso ein Werk von Baselitz gibt. Die Lyrik von Ingeborg Bachmann ist nicht einzigartig, weil es auch Lyrik von Sarah Kirsch gibt. Der Reichstag? Ist nicht einzigartig! Kucken Sie sich mal das Planetarium an! Hier eine Kuppel, da eine Kuppel. Beides Halbkugeln.

Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ein Richter allen Ernstes so etwas verfügen könnte.

Es geht immerhin um eine Show, wo für jede Sekunde Musik komponiert und Film produziert wurden, eine Show, die sekundengenau einer nach Drehbuch realisierten Storyline folgt, darin eingebettet Tanz, Artistik und Pferde-Dressur, Kostüm-, Licht- und Bühnen-Design. Ein Gesamtkunstwerk – wie eine „Oper“, in einer Arena halt. Von der es allein schon bei youtube hunderttausende Videos mit über 100 Millionen Views gibt, die in dutzenden Ländern von bislang mehr als 6 Millionen Live-Zuschauern gesehen wurde und deren weltweit vertriebene DVDS 12mal Gold und 3mal Platin erhalten haben, von den CDs ganz zu schweigen. Und jetzt untersagt ein deutscher Richter dem Urheber, auf seiner Homepage feststellen zu dürfen, dass diese Shows einzigartig sind und ein weltweites Publikum haben. Das ist der pure Irrsinn.

Asteris Kutulas, November 2018 (nach dem Besuch einer denkwürdigen und hoch-absurden Gerichtsverhandlung)

Anmerkung
Als ich während der Gerichtsverhandlung den Richter fragte, WAS denn nun der Künstler auf seiner eigenen Homepage schreiben dürfe, um nicht gegen das vermeintliche Wettbewerbsrecht zu verstoßen, antwortete mir dieser, das müßten wir unseren Rechtsanwalt fragen. Auf meine Nachfrage, was wir tun könnten, wenn wir KEIN Geld für einen solchen hätten, zuckte er nur mit der Schulter!  Und ich frage die deutsche Regierung, die für die Einhaltung der Kunst- und Meinungsfreiheit in diesem Land zuständig ist: An welche Instanz muss man sich ab jetzt wenden, um herauszukriegen, ab wann man z.B. von einem „weltweitem Publikum“ seiner Show sprechen darf? Welche Kriterien muss man einhalten: Reichen den Nachweis von zwei Kontinenten dafür aus? Oder ist das Kriterium 10 Länder auf verschiedenen Kontinenten? Was passiert, wenn der Nahe Osten oder Indonesien fehlen? Darf man dann trotzdem von einem „weltweitem Publikum“ sprechen? Muss man grundsätzlich ab jetzt einen Rechtsanwalt konsultieren, um auf diese oder zum Beispiel auf die Frage, ob man sein eigenes Kunstwerk in einer „ein-jährigen“ oder „zehn-jährigen“ Tradition sehen darf, eine Antwort zu erhalten? Und an welche INSTANZ muss man sich wenden, wenn man kein Geld für einen Rechtsanwalt hat? Und die letzte Frage: Was ist das für eine Rechtssprechung und eine Justiz, die für solche „Vergehen“ einen Künstler für 6 Monate ins Gefängnis stecken würde? A.K.

Meine Apassionata-Story, Teil 3 (Riesa-Tagebuch 2018)

„Apassionata Pferdeshow – Tagebuch, Riesa, 20. Oktober

Apassionata Pferdeshow Produktion „Der magische Traum“

Mittags: Pferde lügen nicht

Die Welt der Pferde und der Reiter ist eine ganz eigene, mir bis heute fremd gebliebene Welt, obwohl ich seit zehn Jahren mit der Apassionata beruflich so sehr verbunden bin. Kerstin Brein zum Beispiel war in meiner Vorstellung immer unsere „Pferdeflüsterin“ – bis zum heutigen Tag jedenfalls. Als ich Kerstin beim Mittagessen fragte, wie sie das macht mit dem „Flüstern“, bekam ich die für mich erstaunliche Antwort: „Wieso … Ich sage nichts zu den Pferden. Ich flüstere ihnen auch nicht zu. Ich höre sie nur.“ Die „Pferdeflüsterin“, die also gar keine ist, sagte das mit so einer mich verblüffenden Selbstverständlichkeit, dass ich gleich noch mal nachfragen musste: „Und wie kommunizierst du mit ihnen?“ Jetzt schaute mich Kerstin sehr verständnisvoll an, als würde sie gleich beruhigend meine Hand in ihre Hände nehmen. Dann erklärte sie mir: „Wenn ich zum Beispiel ein Pferd auffordere, nach vorn zu gehen, höre ich es sofort antworten. Zum Beispiel: Also jetzt hab ich gar keine Lust dazu! Oder das Pferd sagt zu mir: Endlich geht es los! Oder: Kannst du mich das vielleicht in fünf Minuten nochmal fragen? … Ich höre das einfach.“

Ich konnte mir die Frage nicht verkneifen: „Du verstehst die Pferde, als wären sie Menschen?“ – „Weißt du“, erwiderte Kerstin, „Menschen sind meistens skrupellos, aber Pferde lügen nie.“

Ich zeigte auf eines ihrer Pferde: „Was sagt dir der da?“ – „Ach, der Schimmel steigt sehr gern während der Show. Er liebt das!“ – „Und der da?“, wollte ich wissen. „Das Pony? Na ja, das Pony ist gerade unzufrieden mit seiner Situation und sagt zu mir: Das ist nicht mein Ding! Also lass ich es in Ruhe und frage es morgen noch mal …“ – „Und was ist mit dem da?“ Kerstin lächelte: „Der Fuchs verbeugt sich super und möchte das immer wieder tun.“ – „Und sie?“ – „Die Stute mag ihre Kollegen gerade nicht und beschwert sich bei mir über sie.“ Eine Frage musste ich noch loswerden: „Gibt es zwischen dir und den Pferden Reibereien?“ Und Kerstin antwortete mir geradeheraus: „Asteris, weißt du, was bei den Pferden so toll ist? Sie lügen nicht, und sie sind auch überhaupt nicht nachtragend. Auch untereinander nicht.“

„Hans, das Pferd“ schaute kurz zur Tür herein, durch die man aus dem Hof in’s Catering kommt, schüttelte wie besessen seine Mähne und trabte dann davon, völlig uninteressiert an unserem Gespräch.

Nachmittags: Das „Game of Thrones“ der Apassionata Pferdeshow

2009 war ich zum ersten Mal mit Apassionata in Riesa. Dieses Jahr bin ich zum zehnten Mal hier. Zehn Premieren habe ich bereits in Riesa erlebt. Eine Art Jubiläum. Heute gab es während einer nachmittäglichen Kaffeepause mit langjährigen Apa-Weggefährten eine Unterhaltung über diese letzten zehn Jahre. In der Runde auch mehrere Reiter und Klaus, ein Freund, den ich schon seit 1999, also seit meiner frühen Gert-Hof-Zeit kenne. Er fasste die Situation treffend zusammen: „Innerhalb von nur zwei Jahren verliert Peter Massine seine Firma „Apassionata World GmbH“ und das Apa-Park-Projekt in München an die „Chinesen“, seine Marke „Apassionata“ wird von seinen alten Partnern und die „Chinesen“ durch dutzende Gerichtsprozesse in Frage gestellt, Massine selbst ist „bankrott“ und hoch verschuldet, hat immense Anwaltskosten und keinen Plan. Ist doch Wahnsinn! Alles aus dem Ruder gelaufen … Alles.“ Klaus fasste sich an den Kopf.

Abends: Die Ästhetik der Melancholie

Die Probe ist vorbei, tiefe Stille im Hotelzimmer, langsam komme ich zu mir. Probenzeit ist Adrenalin-Zeit. Alles in der Show muss ineinandergreifen, alles muss sich „vollenden“. Außerdem ist es die Zeit, in der die Nerven blank liegen, die Zeit der Gefühlsaufwallungen und Krisen. 100 Menschen stehen unter Druck, viele haben Stress, manche kommen klar mit der Situation, andere nicht. Es ist wichtig zu vermitteln, zu beruhigen, Mut zu machen und zuversichtlich zu sein. „Alles wird gut.“

Meine Video Blinks zur Apassionata Pferdeshow

Für mich persönlich sind die Probentage in Riesa eine schöpferisch sehr konstruktive Zeit. Seit fünf Jahren produziere ich – neben der Probenarbeit und wenn ich Zeit habe – meine „Video-Blinks“. Das ist ein Konzeptkunst-Projekt, eine Art Video-Tagebuch – mein subjektiver Blick auf Details der Show, die für mich besonders emotional, besonders spannend, besonders künstlerisch und besonders „schön“ sind. Ich „erschaffe“ mir meine Ideal-Show in kleinen kaleidoskopartigen „Schnipseln“, die später zu einer Collage in einer Video-Art-Ausstellung zusammengefügt werden sollen. Für mich ist jeder Video-Blink wie der Vers eines Gedichts – ein Gedicht voller Melancholie … und darum voller Freude, Stärke, Sehnsucht und Dynamik.

Die Video-Blinks offenbaren, wie ich als Dramaturg die Apassionata-Show seit fünf Jahren sehe, also seit wir sie – meiner Meinung nach – zu einem eigenständigen „Genre“ gemacht haben.

Dramaturgie bei der Apassionata Pferdeshow

Meine Aufgabe als Dramaturg und als künstlerischer Berater bestand darin, Strategien für die Show zu entwickeln und als Sparring-Partner den Regisseur jedes Jahr auf’s Neue auf dem Weg zur jeweils aktuellen Show zu begleiten und ihn beim intensiven, monatelangen, schöpferischen Prozess zu unterstützen. Ich sorgte dafür, dass der Video-Content „filmischer“ und interaktiver wurde und dass mit den Jahren die „Reiter“ immer mehr als „Darsteller“ gesehen und eingesetzt wurden. Das Licht wurde emotionaler und „bühnen-gemäßer“ eingesetzt, der Tanz, also die Choreographie, erhielt eine immer wichtigere Rolle. Der von Holger Ehlers entwickelte Storyline gaben Ina Kutulas und ich eine immer größere Tiefe, was bis zum Einsatz recht anspruchsvoller literarischer Texte ging, die spezifisch für unsere Show und unser Publikum entwickelt und geschrieben wurden. Hier ein Auszug aus dem zentralen Gedicht der Show „Der Traum“ von 2017, geschrieben von Ina Kutulas:

… Ich träum, wie die Welt das Leben erträumt
Ich weiß von der Liebe, denn ich weiß von den Bäumen
Lass mich mit dir vom Erblühen träumen
Es ist keinen Tag für das Leben zu spät
Ich weiß von den Bäumen: Jeder Winter geht
gibt die Erde ihr Schwarz den Lichtstrahlen preis
Ich sag dir, was ich vom Leben weiß
Liebe – ein Wort, und es bricht dunkles Eis.

Was den TANZ anbelangt, sind wir so weit gegangen, dass wir ab 2017 mit Katherina Markowskaja und Maxim Chashchegorov zwei Solisten von Weltrang engagierten, die vom Bayerischen Staatsballett kamen, und erstmalig setzten wir einen „Tanzboden“ ein, um diesen Höhepunkt der Tanzkunst in unserer Show zeigen zu können. Plötzlich war es möglich, dass in einer Arena auf Spitzen getanzt und sogar klassisches Ballett aufgeführt werden konnte. Eine kleine Sensation.

Strategie für eine Apassionata 2.0

Die strategische Frage, die Peter Massine mir 2009 gestellt hatte, und die ich damals als Berater beantworten musste, lautete: Jedes Jahr zeigen dieselben Pferde dieselben Dressuren, mit minimalen Variationen in der Darbietung. Wie können wir erreichen, dass die Menschen mehrmals, im besten Fall jährlich, zur Show kommen, ohne sich irgendwann fürchterlich zu langweilen? Und wie kann so eine Show auch für diejenigen zum Erlebnis werden, die keine Pferde- oder Tierliebhaber sind?

Ich entwickelte 2010 die Strategie für eine Apassionata 2.0 – also eine Show, die 1) für ein großes (nicht nur Pferde-affines) Publikum bestimmt war, die 2) zugleich immer auf der Höhe der Zeit sein sollte und die 3) so unikal sein musste, dass kein Konkurrent sie kopieren konnte. Nur dadurch konnte das Überleben der Apassionata langfristig gesichert werden. Der Kern dieser Strategie bestand darin, einen Künstler zu finden, der sie umsetzen und damit der Show seinen Stempel aufdrücken konnte, wie es Guy Laliberté mit dem Cirque du Soleil getan hatte.
Wie ich bereits in meinem vorherigen Tagebucheintrag schrieb, war dieser Künstler für mich Holger Ehlers, ein „Prol“ unter den Show-Machern, ein „Underdog der Szene“, ein authentischer, spontan-emotionaler Künstler, ein Naturtalent, der ein sehr feines Gespür für das Publikum hat.

Die Entscheidung für dieses Konzept mit Holger als Kreativ-Direktor, das ich Peter damals vorschlug und das er letztendlich mittrug, hatte zur Folge, dass Holger mit meiner Unterstützung die gesamte Show seit 2010 immer mehr auf Wirkung und auf Emotion hin ausrichtete. Dadurch wurde Apassionata im Laufe der letzten 10 Jahre im Hinblick auf die Publikumsresonanz immer erfolgreicher, und auch die Presse bewertete unsere Show immer positiver. „Im Bann des Spiegels“, „Cinema of Dreams“ und „Der magische Traum“ waren die Höhepunkte. Holger Ehlers hat – zusammen mit mir – sowohl die Vision dieses neuen Genres entwickelt, als auch – vor allem durch die Kompositionen – das ganz spezifische „Apassionata-Feeling“ kreiert, das neben der Musik durch Holgers Bildwelt, seine Kostümvorgaben, sein Regiekonzept und seine Philosophie – die Pferde als „emotionale Props“ einzusetzen – definiert wird.

Wie ich bereits schrieb, bin ich davon überzeugt, dass wir ab etwa 2013 ein „neues Genre“ kreiert haben, indem wir ein Gleichgewicht zwischen Mainstream und künstlerischem Anspruch herstellten, um unser Publikum zu erreichen, zu begeistern und die Besucherzahlen zu erhöhen. Uns ist das gelungen, weil wir schrittweise folgende Elemente der Show ausgebaut bzw. neu in die Show eingebracht haben:

MUSIK | Eine sehr ausgefeilte, auf die Pferde und das Apassionata-Publikum abgestimmte Musik
DRAMATURGIE | eine dramaturgische Linie, die immer perfekter wurde und durch Straffung und Abwechslungsreichtum dazu angetan war, den Spannungsbogen zu halten und weiter zu erhöhen
EQUIPEN CROSSOVER | Mix-Bilder unterschiedlicher Pferde-Rassen wurden generiert, die es bis dahin in noch keiner anderen Pferdeshow gegeben hatte
PFERDE-„BILDER“ | Eigenständige, Show-affine Pferde-„Bilder“ wurden von uns entwickelt, die zuvor in keiner anderen Show zu sehen gewesen waren
VIDEO-CONTENT | Ein immer „filmischerer“ Video-Content wurde kreiert, der immer „interaktiver“ und publikumswirksamer eingesetzt werden konnte
LICHT | Durch das Konzept für eine neue Licht-Ästhetik und einfache Innovationen im Bereich der Bühnenkonstruktion konnte die Arena-Bühne intimer und „theatralischer“ gestaltet werden
TANZ | Es erfolgte eine absolute Aufwertung der Tanzeinlagen und der Choreographie, die nicht Lückenfüller blieben, sondern die zu eigenständigen Show-Elementen wurden und seitdem sowohl als Solo-Nummern als auch in Korrespondenz mit den Pferde-Choreografien funktionieren etc. etc.

All diese Elemente, die heute selbstverständlich sind, mussten ab 2009 schrittweise und gegen große Widerstände des „Apassionata-Establishments“ durchgesetzt werden. Das hing u.a. damit zusammen, dass sowohl die Equipe-Chefs als auch die Apassionata-„Bürokratie“ (die noch unter dem Schock der Gert-Hof-Produktion von 2008 standen) keine Veränderungen wollten.

2009 gab es noch etliche Dogmen: Wir hatten u.a. zu kämpfen mit erheblichen Restriktionen im Hinblick auf die Reiter-Kostüme. Es durfte während der Pferde-Auftritte kein bewegtes Licht in der Arena und überhaupt kein Licht auf dem Arena-Boden eingesetzt werden. Es gab keine Verschmelzung von Tanz- und Pferde-Nummern. Und wie lang eine jede Dressur-Nummer war, das lag im Ermessen des jeweiligen Reiters etc. etc. etc.

Die Equipen wurden hofiert und gehätschelt und eben nicht wie normale „Darsteller*innen“ behandelt, die den Regeln und Anforderungen des Kunstbetriebs zu folgen hatten. Bis 2009 (mit Ausnahme der Gert-Hof-Show) standen nicht die SHOW und auch nicht die PFERDE im „Mittelpunkt“ , sondern die jeweiligen Equipe-Chefs mit ihren Traditionen und Befindlichkeiten. Zudem „gehörte“ die damalige Apassionata-Revue – durch die Aussparung bzw. Nivellierung des künstlerischen Elements – ALLEN, die „irgendwie“ mitmachten. Alle, vom Pförtner bis zum Buchhalter, durften ihre Meinung sagen und sich „einbringen“. Der Herrschaft des Mittel- und des Zehntel-Maßes war Tür und Tor geöffnet. Bekanntlich ist Kunst aber eine „diktatorische“ Angelegenheit. Oder um es anders auszudrücken: Kunst muss immer den Fingerabdruck eines Künstlers haben.

Zäsuren bei der Apassionata Pferdeshow

Gert Hofs Inszenierung von 2008 hatte das absolut, deshalb machten wir, was die künstlerische Seite anbelangte, enorm wichtige Erfahrungen. Aber Gerts Show scheiterte unter anderem an einem – damals scheinbar peripheren und deshalb von etlichen unterschätzten – Detail, das – von mir angeregt – Holger Ehlers zwei Jahre später grundsätzlich veränderte: Das Primat der Musik mit einer vom Autor und Komponisten der Show festgelegten Länge war 2008 noch nicht gegeben, so dass Gert seine Inszenierung dramaturgisch nicht wirklich hatte „planen“ und umsetzen können. Die Inszenierung war zu jener Zeit letztendlich noch immer der Willkür der variierenden Pferdenummern-Länge unterworfen.

2010 setzte ich mit Holger erstmals durch, dass die Show sekundengenau auf die vorgegebene Musik programmiert wurde, von Anfang bis Ende – und alle Equipen hatten sich daran zu halten. Das war die Revolution, unsere „kopernikanische Wende“, wie ich es nannte. Von da an konnte man die Show kontrollieren und dramaturgisch-künstlerisch ausgestalten, und erst ab da war es möglich, in „Bildern“ zu denken und wie auf einer Theater- oder Opernbühne zu inszenieren! Natürlich gibt es Riesenunterschiede zwischen einer Theaterbühne und einer Arena-Situation, wie man sie bei Apassionata hat. Trotzdem war es erforderlich, Bühnenästhetik-Erfahrungen zu nutzen, um ein neues Konzept für eine Apassionata zu entwickeln, von der sich nicht alsbald das Publikum verabschieden sollte, weil es schon x-mal das Gleiche gesehen hatte. Denn Apassionata war bis dahin eine einfache Pferde-Nummern-Show. Und Pferde-Nummern-Shows – das konnte nicht nur Apassionata.

Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich stehen die „Pferde“ weiterhin im Mittelpunkt der Apassionata. Allerdings überwiegt der „künstlerische Aspekt“ inzwischen sowohl akustisch als auch optisch und vor allem in der Gesamtwahrnehmung. Seit 2010 nutzt Holger das emotionale Element der „Melancholie“ – wie bereits Gert Hof 2008 – in seinen Inszenierungen und befreit dadurch die Pferde davon, „nur als Vorzeigeobjekte benutzt“ zu werden. Sie sollen als freie, selbstbewusste Wesen, die sie sind, präsentiert werden. Holger bettet die Pferde-Dressuren ein in einen sie kontrapunktisch umhüllenden musikalischen Kontext, wobei die spezifische Ausgestaltung von Melodik, Harmonik und Rhythmus entscheidend ist.

Die Apassionata-Shows „Im Bann des Spiegels“, „Cinema of Dreams“ und „Der magische Traum“ sind – als Höhepunkte der oben beschriebenen Entwicklung – jede für sich einzigartig, jede ein künstlerischer Fingerabdruck des Autors und Regisseurs Holger Ehlers und seines Teams.

Nachts: Vision „Freiheit“

Es ist inzwischen spät in der Nacht. Ich erinnere mich an mein mittägliches Gespräch mit unserer „Pferdeflüsterin“ Kerstin Brein. Ihre letzte Frage an mich lautete: „Asteris, welche ist denn deine Vision von einer idealen Apassionata-Show?“ Worauf ich sofort und ohne zu überlegen antwortete: „Eine Show wie im „Theater“. Bestehend nur aus „Freiheits-Nummern“. Also eine Show nur mit „Pferdeflüsterern“ und ihren Pferden. Auch mit Trickreiten, Comedy-Nummern und sogar mit „klassischen Dressuren“ – alles, was möglich ist, aber ohne schmerzhafte Dressurmethoden, ohne Peitschen, Kandaren, Sporen, keine Rollkur. Ohne Gewalt. Mit Pferden, die nicht lügen, aber auch mit Menschen, die freigeistig und nicht skrupellos sind.“ Kerstin wurde still und nachdenklich, und ich merkte ihr an, dass sie meinen Gedanken gut fand. Wir gingen lächelnd unserer Wege – sie zu ihren Pferden, ich zu meinem Laptop. Die Apassionata wie ein großes Gedicht. „Schreibe ich deinen Namen … „. Paul Éluard kam mir plötzlich in den Sinn. „Freiheit … “ Liberty.

© Asteris Kutulas
Riesa, 18.-20.10.2018

Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 1 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 2 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 3 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 4 | Das Ende (Oktober 2019)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 5 | Das Nachspiel (Oktober 2021)

Apassionata – Der Vorhang fällt (Riesa-Tagebuch 2019)

Meine Apassionata-Story, Teil 2 (Riesa-Tagebuch 2018)

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 15. Oktober (im Morgengrauen)

Die Apassionata Pferde-Show Story & „Der magische Traum“

Leo ist jung, cool, und er spricht sechs Sprachen. Im Gegensatz zu mir versteht er auch die Pferde. Leo ist der Stage-Manager und sowas wie der vibrierende Mittelpunkt unserer Mannschaft. Er macht das so locker, als würde er Samba tanzen, was damit zu tun haben könnte, dass seine Mutter Brasilianerin ist. Leo schaut immer ernst drein; immerhin hat er in bestimmten Augenblicken auch die größte Verantwortung für die gesamte Produktion der Show. Wenn er „Go!“ sagt, dann bewegt sich die Show-Maschinerie: Das Licht geht an, die Tänzer pirouieren herein, die Pferde im Trab, die Tore öffnen und schließen sich, und natürlich beginnt die Musik „bei Null“. Das alles durch Leos „Go!“ Wir hängen an seinen Lippen. Und Leo hängt an den Lippen von Holger, dem künstlerischen Direktor, der ganz lässig in seinem Drehstuhl sitzt und (meistens) wohlwollend nach links und rechts schaut. Ein Nicken zu Leo, der haucht in’s Mikro: „Go!“ Sofort Magie: Die Apassionata Pferde-Show.

Die Apassionata Pferde-Show Story

Was für eine Entwicklung! 2009 begann ich, als freier Berater für die Apassionata zu arbeiten. Wie ich in meinem ersten Blog-Beitrag schon schrieb, war Peter Massine, als Produzent der Show, bereits seit 2006 der Meinung, dass „Apassionata“ als traditionelle Pferde-Nummerngala ein Auslaufmodell und nicht mehr zukunftsfähig sei. Auch ich sah das so. Aus diesem Grund engagierte Peter 2008 für die „Sehnsucht“-Show den Regisseur und Lichtarchitekten Gert Hof. Allerdings war Gert Hofs Inszenierung für das traditionelle Apassionata-Publikum zu diesem Zeitpunkt zu „revolutionär“. Gert, der die Kinder für die besten Kritiker seiner Lichtinszenierungen hielt, hatte ein grandioses Märchen herbeigezaubert und nicht damit gerechnet, dass die Kinder bei diesem Kampf auf Leben und Tod, der um den gestohlenen Mond geführt wurde, tatsächlich Angst bekamen. Sie rannten aus der Show und mit ihnen die Eltern.

Peter hatte eine schwierige Erfahrung gemacht, die er aber nie bereute. Holger hatte sich das Ganze sehr aufmerksam angeschaut und erlebte diese Lektion aus der „Schule Gert Hof“ als eine höchst interessante Lehrstunde. So oder so, die „Sehnsucht“-Show von Gert bedeutete den großen Umbruch bei der Apassionata.

In meiner Berater-Funktion führte ich im Auftrag von Peter 2009 eine Analyse der Apassionata und ihrer Entstehungsgeschichte durch. Ich bezog in diese Betrachtung auch Entwicklungen anderer Entertainment-Bereiche mit ein und kam zu dem Schluss, dass der „künstlerisch-emotionale“ Weg, den Peter mit Gert Hof eingeschlagen hatte, grundsätzlich der richtige war, dass dieser Weg aber „evolutionärer“ und mit einem Grundverständnis für das Apassionata-Publikum gegangen werden musste. Auf jeden Fall weg von einer Reitkunst-Veranstaltung, hin zu einer vollkommen neuen „inszenierten“ Apassionata-Showproduktion – wie die von Gert Hof.

Bei meinem Rückblick auf die Apassionata-Entwicklung stellte ich damals auch fest, dass sich diverse Regisseure aus unterschiedlichen Bereichen (TV, Ballett, Theater, Event) an der Apassionata versucht hatten, die aber genauso wie Gert Hof – wenn auch aus völlig anderen Gründen – schließlich passen mussten, weil ihre Show „irgendwie nicht funktionierte“. Holger war dann immer derjenige, der diese Inszenierungen „ausbesserte“ (was ich 2009 und 2010 miterlebte), zumal er als Mit-Komponist durch die Musik die emotionale Grundstruktur einer jeden Show regelrecht vorgab.

Nach dem Scheitern der Inszenierung des Choreographen M.K. im Jahre 2009 und nachdem 2010 nacheinander drei (!) Regisseure mit ihrem jeweiligen Inszenierungsansatz scheiterten, schlug ich Peter vor, fortan auf externe Regisseure zu verzichten und konsequent auf Holger Ehlers als künstlerischen Direktor zu setzen, der bereits 2009 und 2010 zusammen mit noch zwei anderen Musikerkollegen als Komponist der Apassionata fungierte und sich – zum ersten Mal – auch als Autor und Regisseur bewiesen hatte.

Da ich zur selben Zeit Executive Producer der Apassionata wurde, also auch die organisatorische und finanzielle Verantwortung für die Show-Produktion übernahm, willigte Peter ein und unterstütze von da an diese Transformation – auch gegen alle, vor allem internen, Widerstände. Zugleich bedeutete diese Entscheidung, dass Peter die Grundlage für eine äußerst erfolgreiche Zukunft der Apassionata legte, wie sich in den folgenden Jahren herausstellen sollte.

Um die Apassionata Pferde-Show zu professionalisieren und von Dilettantismus zu befreien, sorgte ich als Executive Producer dafür, dass Holger nach und nach (bis 2014) alle Gewerke im Grundsatz bestimmte, damit ein Gesamtkunstwerk aus einer Hand entstehen konnte.

Die Apassionata Pferde-Show als Gesamtkunstwerk

Um die Gesamtkunstwerk-Strategie für die Apassionata umzusetzen, beschlossen Holger und ich 2011 einen „Fünfjahresplan“, der später verlängert wurde, um nach und nach aus der Nummern-Revue eine Show von Weltformat zu produzieren – für ein breites Publikum, das nicht nur aus Pferde-Liebhabern bestehen würde. Folgende inhaltliche Schwerpunkte legten wir fest, um sie auf eine jeweils neue qualitative Stufe zu heben, und diese Vorhaben realisierten wir dann tatsächlich genau so:

2011 Primat der Musik & der Dramaturgie
2012 Show-Buch
2013 Neue Licht-Ästhetik
2014 Professioneller (filmischer) Videocontent
2015 Dramaturgische „Pferdechoreographie“ (Mix-Bilder)
2015 Kostüme & Props
2016 Weiterentwicklung des Storytellings (Gewichtung auf Off-Texte)
2017 Tanzchoreographie & Einführung eines Tanzbodens
2017 Zweite Ebene des Bühnenraums (Decken-Bespielung)
2018 Einbeziehung des gesamten Bodens in die Bühnenästhetik

Die Jahreszahlen markieren die qualitativen Wendepunkte, die letztendlich in der Summe zur heutigen – künstlerisch einzigartigen – Apassionata-Show geführt haben. Das Resultat war nicht nur eine spezifische „Apassionata-Show“ und seit etwa 2013 ein neues, eigenständiges Genre, sondern eben dieses von uns angestrebte Gesamtkunstwerk, in dem alles aufeinander abgestimmt und in dessen Ablauf keine Sekunde zufällig ist. So wurde aus der „abstrakten“ Apassionata-Show – über die Jahre – ein emotionales, „familiäres“ und sehr artifizielles Opus, ein Konglomerat aus Opern-, Theater- und Pop-Ästhetik, wobei die Pferde immer mehr „eingebettet“ wurden in eine optisch-akustische Kunst-Landschaft, häufig voller Melancholie. Alles wurde zu „Kunst“ und damit emotional. Das Publikum liebte es … mehr und mehr.

Und das kam auch der ehemals „kalten“ Marke APASSIONATA zugute, die einen immer „wärmeren“ Nimbus erhielt durch diesen neuen, künstlerischen Charakter der Show, den ich von Anfang an unterstützte und – ab 2013 auch als Dramaturg – mit-erschuf.

Peter Massine und die Apassionata Pferde-Show Story

Hier in Riesa, wo immer alles beginnt (und nichts endet), ging mir das heute nochmal durch den Kopf. Anlass dafür war ein Gespräch mit meinem Freund Heinz aus Dresden, der mich auf einen Kaffee besuchen kam. Wir waren zusammen vor vielen Jahren Gymnasiasten an der berühmten Kreuzschule gewesen. Er im Kreuzchor, ich nicht. Wir nahmen unsere Kaffee-Monk-Pappbecher in die Hand und gingen vor der Halle auf und ab. Reiter, Pferde, ein paar Raucher, Hufeklappern, Wolken, Kühle.

„Was ist los mit eurer Apassionata?“, fragte Heinz. „Ich hab so viel darüber gelesen, im Spiegel und so …“
„Heinz, aus meiner Sicht, ist es ganz einfach: Zwei langjährige Freunde und Partner von Peter Massine versuchen seit zwei Jahren – mit Hilfe einer chinesischen Immobilienfirma –, Massines Apassionata-Unternehmen „feindlich“ zu übernehmen. Die Haupt-„Verantwortung“ hierfür trägt Peter selbst. Er  hat sich von Gier und Megalomanie leiten lassen und wollte seine chinesischen Partner betrügen, die sich erfolgreich gewehrt und zurückgeschlagen haben. Aber auch seine ehemaligen Freunde und jetzigen „Gegner“ haben offenbar Peters Widerstands-Willen unterschätzt. Sie dachten womöglich – in chinesischem Geld schwimmend –, Massine finanziell sehr schnell in die Knie zwingen und ihm nicht nur das Unternehmen, die Apassionata World GmbH, „wegzunehmen“ – was sie geschafft haben –, sondern auch die MARKE „Apassionata“. Eigentlich ging’s ihnen um diese MARKE.“

In diesem Augenblick kreuzte Leo kurz auf, und ohne, dass ich sein „Go!“ hörte, wusste ich, das bedeutet: „Go!“ Heinz und ich brachen die Unterhaltung ab. Heinz beschäftigte noch etwas, doch er schüttelte den Kopf: „Fragen über Fragen … Wir müssen uns wiedersehn! Spannendes Thema!“ Ein kurz angedeutetes Winken noch, und wir gingen auseinander.

Holger Ehlers und die Apassionata Pferde-Show Story

Es gibt jemanden, der mir nachsagt, ich hätte einen Der-kleine-Prinz-Reflex. Der kleine Prinz verzichtete nie auf eine einmal gestellte Frage, und ich lasse angeblich keine Frage unbeantwortet, wenn sie einmal gestellt wurde. Hier also schriftlich der zweite Teil der Antwort, Heinz:
Die letzten sieben Jahre haben gezeigt, dass unser „Apassionata-Konzept“ funktioniert, vor allem die Apassionata-Musik „holt“ sich emotional das Publikum – und ist die halbe Miete. Dazu kommen Holgers von der deutschen Romantik und Jules Verne inspirierten Storylines, unsere Bild-Ideen für den Video-Content und eine sehr eigene Inszenierungsphilosophie etc.

Genug geschrieben, ich muss schnurstracks wieder in die Arena, es gibt noch einen Durchgang. Reiter, Pferde, Tänzer … Der Schluss der Show soll verändert werden. Ich warte, dass Leo in’s Mikrophon sagt: „Go!“

© Asteris Kutulas
Riesa, 15.10.2018

Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 1 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 2 (Oktober 2018)
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Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 4 | Das Ende (Oktober 2019)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 5 | Das Nachspiel (Oktober 2021)

„Cinema of Dreams“ Apassionata Show – Video Blinks 2016

Meine Apassionata-Story, Teil 1 (Riesa-Tagebuch 2018)

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 12. Oktober (abends)

Apassionata Pferde-Show Produktion „Der magische Traum“

Gestern in Riesa angekommen. Apassionata Proben. Momentan noch völlig entspannte Atmosphäre. Die Welt hier atmet outdoor Altweibersommer. In der Halle atmen wir Apassionata. Am aufgeregtesten sind wohl die Pferde, die sich langsam an die Musik, an die neue Umgebung, an das Showlicht gewöhnen müssen. Ich habe Respekt vor den Vierbeinern. Obwohl ich sie nicht verstehe. Ein mächtiger schwarzer Friese schaut mich an aus seinen großen runden Augen. In diesen schwarzen Spiegeln sehe ich mein Abbild und bin sofort auf mich zurückgeworfen. Um mich herum ein Gewirr von Stimmen und Sprachen. Techniker, Reiter, Künstler. Heike kommt aus der Kostümbildnerei, schiebt mich sanft beiseite und geht – bepackt mit zahlreichen Steam-Punk-Outfits – die vier Waschmaschinen anschmeißen.

Apassionata, Riesa, Asteris Kutulas

Für mich ist es das zehnte Mal: Apassionata in der Sportstadt Riesa (die sich den Sport inzwischen nicht mehr leisten kann), in einer Stadt, die zu DDR-Zeiten berühmt war wegen der VEB Zündwarenwerke. Alle Streichhölzer der DDR wurden im sächsischen Riesa produziert. Auf allen Streichholzschachteln stand: Riesa. Heute hat Holger Ehlers hier, in der Sachsenarena, das Sagen. Der Kreativdirektor der Apassionata zeigt auf einige Reiter mit ihren Pferden und prophezeit: „Das wird eine tolle Show“. Er muss es ja wissen. Holger hat die Entwicklung der Apassionata von Anfang an, also seit 2002, mitgemacht. 2010 übernahm er dann den Job des Apassionata-Regisseurs und -Autors.

„Hans, das Pferd“ taucht auf in diesem Moment, schaut sich um und trabt weiter. „Hans, das Pferd“ reagiert immer äußerst sensibel auf die Musik. „Hans, das Pferd“ ist everybodys Darling, denn es hat die Aufgabe übernommen, die Kreatur zu sein, die Schuld hat an großen und an kleinen Übeln. Von einigen wird „Hans, das Pferd“ aber auch als Glücksbringer gesehen. Heike drückt auf die Start-Knöpfe aller vier Waschmaschinen.

Peter Massine ist heute da, der Gründer und Produzent der Apassionata. Peter ist nachdenklicher geworden, „philosophischer“. Und trotz des „lästigen“ Umstandes, dass ihm noch immer ein übermächtiger Gegner Kontra gibt, scheint er zufrieden zu sein. Er sagte vorhin zu mir: „Ich saß eben noch im Auto. Ich fuhr die Strecke Berlin-Riesa und konnte nicht glauben, dass wir es tatsächlich geschafft haben. Dass ich überlebt habe. Dass Apassionata überlebt hat. Wahnsinn!“ Hinter Peter liegen zwei schwierige Jahre. Er hat gerade als Hauptakteur (in Gestalt sowohl des Haupt-Täters als auch des Haupt-Opfers) eine der spektakulärsten Schlachten der deutschen Entertainment-Branche (irgendwie) „überstanden“. Jetzt ist es ihm offensichtlich gelungen, eine zukunftsträchtige Basis für seine Apassionata zu schaffen – mit Hilfe seines Freundes und Kreativdirektors Holger Ehlers, der in den letzten beiden Jahren die Produktion am Leben und zusammengehalten hat, und vor allem mit Hilfe seines neuen strategischen Partners „Live Nation“, der in den nächsten 11 Jahren die Apassionata veranstalten wird.

Schlacht um die Apassionata Pferde-Show

Die Schlacht um die „Apassionata“ war (und ist) knallhart und gnadenlos. Sie nahm zuweilen skurrile Züge an und war bestimmt von Gier, Verrat und Hybris. Die multiplen Auseinandersetzungen zwischen Peter und seinem früheren Partner, dem chinesischen Hongkun-Konzern, erreichten in der Saison 2017/18 ihren Höhepunkt, als zwei Apassionata-Shows zugleich on Tour waren. Die Apassionata von Peter Massine („Apassionata – Der Traum“) und die Apassionata  der chinesischen Apassionata World GmbH („Apassionata – Gefährten des Lichts“). So etwas hat es, meines Wissens nach, noch nie in der deutschen Entertainment-Industrie gegeben. Für das Apassionata-Publikum konnte die Sache verwirrender nicht sein.

Die Ursache des Ganzen: Peter hatte versucht, seine chinesischen Partner über den Tisch zu ziehen, die haben sich gewehrt und ihm im Gegenzug als Reaktion darauf sein Unternehmen (die Apassionata World GmbH), seine Mitarbeiter und seine Infrastruktur „weggenommen“. Dass die „Chinesen“ damit sehr weit gekommen sind, hat sicherlich damit zu tun, dass Peter in der Vergangenheit sowohl falsche Personalentscheidungen getroffen als auch unternehmerisch fatale Fehler gemacht hat. Ich meinte heute: „Klar, dafür musst du büßen. Aber sicher hätte es nicht so sein müssen, auf diese Art und Weise …“. Peter lächelte bitter und fragte mich: „Erinnerst du dich daran, wie unsere Apassionata-Zusammenarbeit begonnen hat?“

Apassionata, Gert Hof, Asteris Kutulas
Plakatentwurf zu Gert Hof’s „Sehnsucht“-Inszenierung von 2008

Gert Hof & die Apassionata Pferde-Show

Ja, ich erinnere mich. Als ich mit dem Regisseur und Lichtkünstler Gert Hof zusammenarbeitete, haben wir ab 1999 mit Peter bei diversen Gert-Hof-Events kooperiert. 2006 konfrontierte Peter mich zum ersten Mal mit seinen Sorgen hinsichtlich der Apassionata-Show. Er glaubte – im Gegensatz zu seinem damaligen Partner – an eine Zukunft der Show, war aber zu der Erkenntnis gekommen, dass „Apassionata“ als traditionelle Pferde-Nummern-Gala ein auslaufendes Modell sei. Ein neues Konzept wurde gebraucht. Wir einigten uns 2007, Gert Hof mit einer Apassionata-Produktion zu beauftragen, um der Show eine neue Richtung und Qualität zu geben. Das tat Gert auch, mit der Apassionata „Sehnsucht“-Show. Gert Hof konnte eins perfekt: großartig inszenieren. Das sah man bei den Licht-Events. Das sah man bei der Rammstein-Bühnenshow. Das sah man bei seinen Theaterinszenierungen.

Zwischen 1998 und 2010 war ich Partner, Manager und Produzent von Gert Hof, mit dem zusammen ich in dieser Zeit mehr als 40 Events weltweit produzierte. Gert hielt die Musik für die eigentliche Basis seiner Shows. Jedes Mal investierte er sehr viel Zeit in diese „Basis“. Er sagte immer: „Asteris, die Musik ist die Mutter!“ Die Zusammenarbeit mit den Komponisten und Musikern unserer Events war immer aufregend und äußerst inspirierend: im Waldhaus des Tangerine-Dream-Komponisten Klaus Schulze, bei Mike Oldfield außerhalb Londons, im Berliner Aufnahme-Studio von Max (Westbam) und Klaus Jankuhn, bei Mikis Theodorakis gegenüber der Akropolis etc. etc.

Apassionata, Mike Oldfield, Asteris Kutulas
Mike Oldfield & Gert Hof, Photo © by Asteris Kutulas

Apassionata, Westbam, Asteris Kutulas
Westbam & Klaus Jankuhn, Photo © by Asteris Kutulas

Udo Lindenberg, Gert Hof, Asteris Kutulas
Udo Lindenberg & Gert Hof, Photo © by Asteris Kutulas

So lernte ich bei mehreren Sessions im Tonstudio – während der Apassionata-Produktion „Sehnsucht“ im Jahr 2008 – Holger Ehlers kennen, der für diese Show die Musik nach den Wünschen von Gert produzierte. Dieser Prozess dauerte – wie bei Gert üblich – mehrere Monate. Es wurde an jeder Sekunde gefeilt. Die inszenatorische Leistung von Gert (der auch das Buch schrieb, Licht, Choreographie und Kostüme bestimmte und natürlich Regie führte) war einmalig für eine Arena-Show und kann nur mit „grandiosem Theater“ umschrieben werden.

Rammstein-Inszenierung für Kinder

ABER: Gert Hof war zu Apassionata 2008 wie aus dem finsteren Nichts des Alls gekommen, war wie ein Komet in die bis dahin friedlich-schöne Apassionata-Welt eingeschlagen, und seine Inszenierung hatte eine „Schneise der Verwüstung“ hinterlassen. Diese „Rammstein-Inszenierung für Kinder“ war phänomenal, das Beste, was ich auf einer Arena-„Bühne“ je gesehen hatte, seiner Zeit weit voraus, aber für die Apassionata-Kinder ein Schock. Sie nahmen scharenweise Reißaus. Sogar „Hans, das Pferd“ wurde manisch melancholisch.

Nach Gerts Apassionata-Geschichte brauchte die Menschheit jedenfalls erstmal eine gehörige Portion „Herr der Ringe“, für längere Zeit, ehe es sich an finstere Szenen gewöhnt hatte und schwarze Reiter und böse Frauen und andere ungute Zeichen furchtlos erwartete, ja, sogar auf diese gefasst war. Die dunkle – fast „dystopische“ – Gert-Hof-Apassionata-Inszenierung von 2008 hatte nichts mit dem bis dahin traditionellen Apassionata-Publikum zu tun gehabt, so dass die Show – im laufenden Tour-Betrieb – uminszeniert werden musste, um das Überleben des Apassionata-Unternehmens zu sichern. Diese Aufgabe übernahmen im Herbst 2008 Marcus Gerlach und Holger Ehlers, und sie retteten damit nicht nur die Apassionata, sondern auch … „Hans, das Pferd“.

Peter Massine ist vor einer Weile vom Tisch aufgestanden und hat gesagt: „Lass uns in die Arena gehn, die Proben laufen.“ Tatsächlich, der Catering-Raum ist inzwischen leer, alle sind auf ihren Posten. Die vier Waschmaschinen surren leise vor sich hin, die Steam-Punk-Kostüme drehen sich im Uhrzeigersinn, und Hund Woppi scharwenzelt um meine Füße und will gekrault werden.

Zweifellos, it’s Riesa Apassionata Time. Auch für „Hans, das Pferd“. Morgen geht’s weiter.

© Asteris Kutulas, 12.10.2018

Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 1 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 2 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 3 (Oktober 2018)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 4 | Das Ende (Oktober 2019)
Meine Apassionata-Story – Tagebuch, Teil 5 | Das Nachspiel (Oktober 2021)

Apassionata – Der Vorhang fällt (Riesa-Tagebuch 2019)

Das Makedonien-Problem – Ein Brief von Mikis Theodorakis

Brief von Mikis Theodorakis an Wim Wenders

[Der folgende Brief von Mikis Theodorakis an Wim Wenders (Herbst 1992), in dessen Eigenschaft als Vorstandsmitglied der European Film Academy, ist eine Reaktion auf die Nominierung eines Films aus der „Skopje-Republik“ unter der Staatsbezeichnung „Makedonien“ für den europäischen Filmwettbewerb FELIX 92. Daraufhin protestierten eine Reihe griechischer Filmemacher, u.a. Theodoros Angelopoulos und vor allem Melina Mercouri. Theodorakis erklärte seinen Austritt aus der Akademie für den Fall, dass diese ihren Beschluss nicht rückgängig machen würde, woraufhin Wim Wenders in einem Brief die Entscheidung der Film Academy verteidigte. Der daraufhin hier abgedruckte Brief, sowie der griechische Protest, führten zur Revision der Nominierung und der Annahme des am Schluss des Theodorakis-Briefes vorgeschlagenen Kompromisses.

Theodorakis setzte sich seitdem aktiv dafür ein, die Beziehungen zwischen Griechenland und „Skopje“ zu normalisieren und zu verbessern. 1996 reiste er als erster und einziger griechischer Künstler in die Nachbarrepublik, traf sich mit dem damaligen Präsidenten Kiro Gligorov zu Gesprächen und dirigierte das Staatsopernorchester von Skopje. 2010 prangerte er die griechische Regierung an, dass sie unfähig und aus populistischen Gründen unwillens sei, das zwischenstaatliche Problem der zwei Nachbarländer politisch zu lösen. Dieselbe Haltung brachte er in seiner Rede am 4. Februar 2018 auf dem Syntagma-Platz zum Ausdruck, wobei einige selbstkritische Töne dazukamen. Diese sehr antifaschistische Rede, in der er Brecht zitierte und sich als internationaler Patriot“ bezeichnete, der „alle Heimatländer liebt“, betonte er: 1) dass die Griechen selbst und alle griechischen Regierungen der letzten Jahrzehnte eine große Mit-Schuld an der derzeitigen Situation in Beziehung zum Nachbarland haben, 2) dass Griechenland kein Recht hat, unserem Nachbarland vorzuschreiben, wie es sich nennen soll, 3) dass Griechenland akzeptieren muss, dass unser nördlicher Nachbar in der Märchenvorstellung lebt, vom antiken griechischen Makedonien abzustammen, 4) dass das Einzige, was Griechenland tun kann, folgendes ist: dieses „Märchen“ nicht mit unserer Unterschrift zu bestätigen, aber ein freundschaftliches Verhältnis mit unserem Nachbarland zu pflegen und dieses zu vertiefen. Und dass es 5) für den Fall, dass eine griechische Regierung darüber nachdenkt, dieses „Märchen“ dennoch bestätigen zu wollen, eine Volksabstimmung dazu geben sollte – wegen der großen nationalen Tragweite dieser Entscheidung. // Folgend der Brief von Mikis Theodorakis an Wim Wenders vom Herbst 1992:]

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Lieber Wim Wenders,

ich danke Ihnen für Ihren Brief, auf den ich, wie Sie sehen, sofort antworte, da mir beim Lesen Ihrer Zeilen deutlich wurde, dass es ein prinzipielles Missverständnis hinsichtlich der Beweggründe, die mich zu meinem letzten Brief an die Akademie bewegt haben, auszuräumen gilt. Ich bin nämlich keineswegs von politisch geprägten Prämissen oder gar nationalistischen Vorurteilen gegenüber irgend einem Volk oder einer Minderheit geleitet worden. Ich habe einen Großteil meines Lebens, fast 50 Jahre, dem Kampf für die Freiheit und Gleichberechtigung aller Menschen gewidmet, was mich, so hoffe ich, vom Verdacht, auch nur im Geringsten souveräne Rechte anderer Völker – wie dem der Skopje-Republik – verletzen zu wollen, befreit. Nicht zufällig, lieber Wim Wenders, war ich es, der – als erster – während seiner Rede bei der Regierungssitzung vom 6.11.1991 in Athen die Ansicht vertreten hat, dass der Skopje-Staat nicht von Griechenland anerkannt werden soll, solange in seiner Staatsbezeichnung das Wort „Makedonien“ gebraucht wird, solange also die Herrschenden dort versuchen, etwas zu usurpieren, was ihnen nicht gehört. Zu diesem Vorschlag, auf den ich stolz bin, bewogen mich, neben der Liebe zu meiner Heimat, meine Eigenschaft als Intellektueller und meine Fixierung auf die humanistischen Ideale.

Die Erfindung einer „Makedonischen Nationalität“

An dieser Stelle komme ich nicht umhin, einige historische Fakten anzuführen: Ausgehend vom Namen „Makedonien“, den Tito 1945 im Interesse seiner panslawischen Anschauung für den südlichen Bezirk Jugoslawiens einführte, gingen die später in Skopje Herrschenden einen Schritt weiter, indem sie eine nicht-existierende „Makedonische Nationalität“ erfanden, um letztendlich „die Befreiung des griechischen Makedoniens vom griechischen Joch“ zu verlangen!

Das, was mir schon immer an den Menschen und insbesondere an den Skopjanern nicht gefiel, ist die Verneinung ihrer Herkunft, die Verheimlichung und Verleugnung ihrer historischen Wurzel. Alle wissen, dass im Skopje-Staat heute vorwiegend Albaner und Slawen leben. Letztere kamen in den ersten Jahrhunderten nach Christi auf den Balkan. In den historischen Dokumenten tauchen sie als Bulgari auf, während ihre Sprache eine Mischung aus bulgarischem Dialekt und anderen slawischen Dialekten war. Sie koexistierten mit den Griechen, den Bulgaren, Albanern, mit Christen und Muslimen. Sie schufen wie alle anderen Völker ihre eigene Kultur, ihre eigenen Lieder, Tänze und Mythen. Im jugoslawischen Völkerbund versuchten sie, ihre eigene, rein slawische, Physiognomie zu entwickeln. Aber statt auf ihre Herkunft, ihre Wurzeln, ihre Sprache, ihre Symbole stolz zu sein, beschlossen sie – verleitet von einem politischen Annektionismus, der sie für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren trachtete –, sich zu verwandeln, und zwar: in Griechen!

Die Makedonier sind Griechen

Denn die Makedonier lebten im griechischen Makedonien tausend Jahre, bevor die Slawen auf den Balkan kamen, und keiner bezweifelte bislang, dass Alexander der Große Grieche war, und dass sein Lehrer Aristoteles griechisch sprach und schrieb. Mit alledem will ich nur darauf hinweisen, dass es sich hierbei keineswegs um eine politische Auseinandersetzung handelt, sondern um eine Frage moralischer Natur: Kann man akzeptieren, dass sich ein Staat anmaßt, die Geschichte eines anderen Volkes, dessen Symbole und Namen zu usurpieren?

Schließlich wählte der Skopje-Staat als Symbol für seine Staatsflagge die SONNE VON VERGINA, das Wappen von Phillip, das kürzlich im Grab des Königs von Makedonien am Fuße des Olymp, also im Herzen Griechenlands, gefunden wurde. Vorher schon druckte Skopje auf seine Geldscheine den Weißen Turm von Thessaloniki und schmückte all seine Institute mit dem Abbild Alexanders des Großen, um nur einige der zahllosen Aneignungsversuche griechischer Wahrzeichen und Geschichte anzuführen.

Anspruch auf griechische Territorien

Sie könnten mir entgegnen: Wenn sich die Skopje-Slawen so sehr als Makedonier fühlen, warum fordert ihr sie nicht auf, heim ins Reich, nach Griechenland, zu kommen? Aber zum Glück – oder sollte ich „leider“ sagen? – haben wir Griechen nicht die Mentalität einer Großmacht, nicht den Anspruch, das auserwählte Volk zu sein, keinerlei Arroganz gegenüber Schwächeren. In unserm Fall beobachten wir das andere Extrem: Ein kleiner Bezirk Jugoslawiens, der vor einigen Jahrzehnten willkürlich auf einen griechischen Namen getauft wurde, bekommt mit der Zeit immer mehr Appetit – unterstützt von mächtigen Interessengruppen in der ganzen Welt –, erklärt im weiteren Geschichtsverlauf die Existenz einer „Makedonischen Nation“ und krönt nun seine Staatsdoktrin, indem es Anspruch auf griechische Territorien erhebt, darunter auf Makedonien selbst, den Nordbezirk Griechenlands, mit seiner Hauptstadt Thessaloniki.

Sie schreiben mir, dass sich „Europa in einer Übergangsphase befindet, die Landkarte neu gestaltet wird, Nationen und Grenzen aufgelöst und neu definiert werden …“. Ich hoffe sehr, Sie meinen damit nicht, dass auch unsere Grenzen neu definiert werden sollten … Und Sie fahren fort: „Deshalb sind sie auch beide unsere Kollegen und Freunde – die Filmemacher Griechenlands und die Filmemacher Mazedoniens.“ Auch wenn ich wollte, könnte ich dem nicht zustimmen, dass es heute Griechen und Makedonier gibt. Denn ganz einfach: die Makedonier sind Griechen, genauso wie die Sachsen Deutsche sind.

Mikis Theodorakis Makedonien Problem, Asteris Kutulas
Photo by © Privatier/Asti Music

Und so möchte ich meinen Brief mit einem absurden und monströsen Szenarium beenden, das, hoffe ich, Ihnen hilft zu verstehen, was genau geschieht und in welch unvorstellbare Situation uns der „Trotz“ einer Handvoll Menschen gebracht hat, die fortfahren, sich als etwas anderes auszugeben, als sie in Wirklichkeit sind:

1945 beschließen Stalin und polnische Staatsfunktionäre, um später „rechtmäßig“ deutsche Territorien beanspruchen zu können, an den östlichen Grenzen zu Deutschland einen Bezirk mit dem Namen „Sachsen“ zu gründen. Seine Einwohner haben keinerlei Beziehung zum deutschen Volk. Sie sind eine Mischung aus Slawen unterschiedlicher Herkunft, Polen, Zigeunern, Albanern und Muslimen. Dieses seltsame „Sachsen“ entwickelt einen eigenen Dialekt mit slawischen, albanischen und polnischen Einflüssen. Diesen Dialekt taufen die Herrschenden „Sächsische Sprache“. Des weiteren gründen sie (mit reichlich Geld) Institute in Australien, Kanada, den USA und in Europa, in denen die „Sächsische Nation“ propagiert wird. Die neuen „Sachsen“, oder besser die Pseudo-Sachsen, erklären sich mit der Zeit zum alleinigen Erben des sächsischen (und damit auch: deutschen) Kulturgutes. Walther von der Vogelweide, Luther, Bach, Immanuel Kant werden zu ihren nationalen Idolen. Sie drucken Landkarten von „Groß-Sachsen“ mit der Hauptstadt Dresden, nehmen den Dresdner Zwinger als Staatssymbol in ihre Fahne auf und geben Briefmarken mit dem Abbild August des Starken heraus. Schließlich wählen sie im Jahre 1991 eine Verfassung, die den Grundsatz festlegt, dass das Staatsziel „Sachsens“ darin besteht, ganz Sachsen, also auch den noch deutschen Teil, vom deutschen Joch zu befreien! Aber das deutsche Volk rebelliert. Die deutsche Regierung sieht sich zum Handeln gezwungen. Das Thema wird im EU-Rat behandelt, der gerade in Lissabon tagt und der einstimmig beschließt, dass die Pseudo-Sachsen aufhören müssen, einen fremden, einen deutschen Namen zu führen und die deutsche Geschichte zu usurpieren. Aber die Pseudo-Sachsen machen weiter … So schicken sie auch zum Filmfestival nach Athen einen pseudo-sächsischen Regisseur, den wir hier in Griechenland sofort als echten Sachsen anerkennen, also de facto als Repräsentanten des – deutschen! – „Groß-Sachsens“. Und wenn Sie als deutscher Künstler – und das deutsche Volk – protestieren und darauf hinweisen, dass es sich dabei um eine unverhohlene Geschichtsanmaßung handelt, antworten wir Ihnen, dass es uns nicht möglich ist, Unterschiede zu machen und dass für uns die „Sachsen“ (in Anführungsstrichen) und die Deutschen gleichermaßen Kollegen und Freunde sind, was nichts anderes bedeutet, als dass wir anerkennen, dass Deutsche und Sachsen (ohne Anführungsstriche) was vollkommen anderes sind und damit ebenfalls, dass Dresden, Meißen, Chemnitz, Leipzig, die Sächsische Schweiz eigentlich zum slawischsprechenden „Sachsen“ gehören. Obwohl dessen Vorfahren ja eigentlich noch Tausende von Meilen entfernt lebten, als das sächsische/deutsche Volk bereits das Nibelungenlied, einen Dürer, Lessing, Schiller, Mozart hervorbrachte. Jedenfalls stelle ich mir ungern vor, was passiert wäre, wenn nicht Griechenland, sondern tatsächlich Deutschland von so einem Problem betroffen gewesen wäre.

Die Verleugnung der eigenen Tradition

Mein Szenarium hat mit streng historischen Fakten zu tun. Und zusätzlich mit folgender Tatsache: Wenn ein Volk, und mehr noch ein Künstler seine Wurzeln verleugnet, wird das, was er künstlerisch ausdrückt, eine Lüge sein. Und wie Sie sehr gut wissen, sind Kunst und Lüge wie Feuer und Wasser. So wird ein Pseudo-Sachse, der angibt, sein Werk gründe sich auf – nichtexistente – deutsche Wurzeln, genauso lügen müssen wie ein Pseudo-Makedonier, der auf seiner – natürlich nichtexistenten – makedonischen, also griechischen Herkunft besteht. Das ist ganz einfach Betrug, und ich bin mir sicher, dass auch Sie sich über kurz oder lang dessen bewusst werden.

Was nun, wenn die „unpolitische“ European Film Academy mit einem pseudo-makedonischen Regisseur konfrontiert wird? Wir leben in einer organisierten Weltgemeinschaft, in der bedauerlicherweise der einzelne Künstler darunter leiden muss, wenn es darum geht, seinen Staat, mit dem er sich identifiziert, in die Schranken zu weisen, falls dieser Staat das friedliche Miteinander der Weltgemeinschaft bedroht. Und die Film Academy ist eine Organisation dieser Weltgemeinschaft und kann nicht de facto das Prinzip der Gleichberechtigung des Einzelnen über das Völkerrecht stellen. So wird, meiner Meinung nach, auch die Film Academy als künstlerische Institution nicht umhin können, will sie beiden Grundrechten gerecht werden, einen Weg des Kompromisses zu gehen, der z.B. darin bestehen könnte, dem Künstler als Einzelperson – und nicht als Repräsentanten eines vom EU-„Anerkennungsboykott“ betroffenen Staates – die Teilnahme am Filmfestival nahezulegen, so wie das mit den jugoslawischen Sportlern bei den letzten Olympischen Spielen geschehen ist.

Ich hoffe sehr, dass Sie nun meine Haltung besser verstehen, aber auch diesen langen, allzu langen Brief, mit dem ich Sie bemüht habe, weswegen ich Sie auch um Verzeihung bitte, zugleich meine Achtung und Liebe Ihnen und Ihrem Werk gegenüber bekundend.

Herzlich –

Ihr Mikis Theodorakis
Athen, 1992

Übersetzt von Asteris Kutulas

Mikis Theodorakis: „Wenn ich an den Holocaust denke: Ich schäme mich, als Mensch geboren zu sein“

Dance Fight Love Die – Ein extremer Film (Interview)

INTERVIEW MIT DEM FILMREGISSEUR UND AUTOR ASTERIS KUTULAS

Griechenland Aktuell sprach mit Asteris Kutulas, dem Filmregisseur, Übersetzer griechischer Literatur, Gründer der Deutsch-Griechischen Kulturassoziation e.V. und Festivaldirektor des 1. Festivals Hellas Filmbox Berlin, über seinen neuen Film „Dance Fight Love Die“, über Mikis Theodorakis und über die Präsenz der Musik von Theodorakis in der Bundesrepublik:

Mikis Theodorakis & Asteris Kutulas
Mikis Theodorakis & Asteris Kutulas, Tübingen 1988

Griechenland Aktuell: Nach „Recycling Medea“ kommt nun ein weiterer Film von Ihnen über das Leben und künstlerische Schaffen des wohl heute bekanntesten Griechen Mikis Theodorakis mit dem markanten Titel „DANCE FIGHT LOVE DIE“. Erzählen Sie uns von der Hauptidee Ihres Films.

Asteris Kutulas: In „Recycling Medea“ – meinem ersten Film der „Thanatos Tetralogie“ – steht nicht Mikis Theodorakis im Mittelpunkt des Geschehens, sondern der antike Mythos einer Mutter, die ihre zwei Kinder tötet, um sich an ihrem Mann zu rächen, der erst fremdgegangen ist und sie dann wegen dieser anderen Frau verlassen hat. Theodorakis’ Musik dient sowohl bei diesem als auch bei meinem neuen Film DANCE FIGHT LOVE DIE als „Soundtrack“. Und das wird wieder so sein bei „Elektra“ und „Antigone“, den anderen beiden Filmen der Tetralogie, die in den kommenden Jahren entstehen sollen.

Leben und Werkschaffen von Theodorakis ist – auf sehr poetische und eigenwillige Art und Weise – tatsächlich das Thema unseres Films „DANCE FIGHT LOVE DIE – With Mikis on the Road“. Ein schnell geschnittenes, rasantes Roadmovie über Musik, Rock’n’Roll, Sehnsucht, Kampf, Träume, Liebe und Tod. Ich wollte mit filmischen Mitteln die Frage beantworten: Was ist Kunst? Und ich wollte einen Film machen, der sich unterscheidet von allem, was ich vorher gesehen hatte.
Einen Film, geboren aus dem Geiste der Musik. Sehr modern und zugleich sehr emotional.

Griechenland Aktuell: In der Filmankündigung heißt es, dass Sie Theodorakis 30 Jahre lang, von 1987 bis 2017, auf vier Kontinenten begleiteten. Bei dem, was Sie an Filmmaterial in Ihrem Archiv haben, handelt es sich um einen riesigen Fundus. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach war, daraus ein lebendiges Ganzes entstehen zu lassen, also tatsächlich einen Film von 87 Minuten Länge.

Asteris Kutulas: Das Problem bestand darin, dass die etwa 600 Stunden Material, die ich 30 Jahre lang mit kleinen, unprofessionellen Kameras gedreht hatte, niemals dazu bestimmt waren, zu einem „Film“ zu werden. Darum mussten wir einen Weg finden, dieses Material mit neu gedrehten Szenen zu „kreuzen“, um eine filmästhetisch überzeugende Lösung zu finden. Ich wollte durchaus so etwas wie einen „atemberaubenden Film“ für das Kino schaffen, was uns – meiner Meinung nach – gelungen ist. Auch die allermeisten Publikumsreaktionen bestätigen das. Selbst Menschen, denen der Name Mikis Theodorakis kein Begriff ist und die seine Musik noch nie gehört haben, fühlen sich von dem, was sie sehen und hören, stark angesprochen und mitgenommen auf diese Reise. Eine Bilder-Explosion, ein „Baden“ in Musik und in ganz vielen – konträren – Film-Ideen. Kann man schwer beschreiben, ist was Neues, sollte man sich unbedingt ansehen.

Mikis Theodorakis & Asteris Kutulas
Mikis Theodorakis & Asteris Kutulas, Leipzig 1983

Griechenland Aktuell: DANCE FIGHT LOVE DIE kommt ab heute, den 10. Mai, in die deutschen Kinos, was ein großer Erfolg ist. Das hat sicherlich auch mit der Person von Mikis Theodorakis zu tun?

Asteris Kutulas: Theodorakis ist für mich ein „musikalischer Anarchist“, ein moderner Mozart. Er gehört zu den größten Melodikern des 20. Jahrhunderts. Seine Melodien überwinden Sprach- und Ländergrenzen, pflanzen sich fort, als wären sie zeitlos. Sie erreichen Musiker, Sänger, Tänzer, Hörer bis heute. Dieses musikalische Material inspiriert, als wäre es gerade erst geschrieben worden. Das offenbart DANCE FIGHT LOVE DIE auf sehr filmische Art und Weise. Ein extremer Film, sowohl hinsichtlich seiner inhaltlichen Konsequenz als auch seiner Form.

Griechenland Aktuell: Es lässt sich annehmen, dass die Musik von Mikis Theodorakis wie auch seine enorme Persönlichkeit in Deutschland nach wie vor bekannt sind. Ist Mikis Theodorakis in der heutigen Bundesrepublik noch immer beliebt?

Asteris Kutulas: Ganz sicher kann man sagen, dass Theodorakis beliebt ist. Er hat anderen nie nach dem Munde geredet und seine Meinung nie hinter der Meinung anderer versteckt. Er war immer sehr eigenständig, unabhängig. So ist auch seine Musik. Dieses Idol, das er bereits vor Jahrzehnten war, ist er für sehr viele Menschen in Deutschland geblieben. Seine Musik, oft tief emotional, schenkt Momente der Erlösung und der Motivation, sie gibt Kraft. Das haben nicht wenige früher erlebt, und um das heute wieder erleben zu können, hört man diese Musik, geht in diese Konzerte. Ich war gerade jetzt, am 4. Mai, bei einer Aufführung seines Werks „Canto General“ im ausverkauften Dresdner Kulturpalast, mit einem völlig enthusiastischen Publikum, der Applaus wollte nicht enden, Chor, Orchester und Solisten hätten noch x Zugaben geben können. Letztes Jahr erlebte ich das bei nach der Aufführung seiner 2. Sinfonie und des „Adagio“ aus der 3. Sinfonie, die von den Düsseldorfer Sinfonikern gespielt wurden. Bei Konzerten seiner „Liturgie Nr. 2“ in Brandenburg und Magdeburg war das zu erleben, und ich erlebe so etwas Ähnliches nach den Vorführungen von „Dance Fight Love Die“, wo das Publikum den Theodorakis, den es kennt, teilweise neu entdecken kann.

Ich erlebe immer wieder, dass Menschen sich wünschen, diesem Mann wieder begegnen zu können, sich wünschen, dass ihre Kinder und Enkel ihn und seine Musik erleben. Es ist tatsächlich so, als würde man seine Batterien aufladen können, wenn man diese Musik hört. Oftmals erzählt sie von der Sehnsucht des Menschen, ein Tänzer zu sein. Es ist nicht nur ein hoher Beliebtheitsgrad, von dem man sprechen kann, wenn man darüber redet, was für Theodorakis und seine Musik kennzeichnend ist, sondern es ist Dankbarkeit dafür, dass man mit dieser Energie in Kontakt sein kann, dass man bei einer Begegnung zusammen sein kann mit diesem wachen, interessierten Mann, der einem auf den Grund des Herzens schaut und der ein ausgezeichneter Gesprächspartner ist. Er ist ein freier Geist, ein ungewöhnlicher Mensch, und seine Musik ist unikal. Ich erlebe sehr erfolgreiche Musiker und Komponisten, Dirigenten und Chorleiter, die sich vor diesem Werk verneigen. Mir scheint das sogar häufiger geworden zu sein, als es z.B. vor zwanzig Jahren der Fall war. Ich bin absolut sicher, dass Theodorakis’ Musik noch oft neu entdeckt werden wird und Menschen ergreift.

Griechenland Aktuell, 10. Mai 2018

Dance Fight Love Die (Cinema Trailer)

DANCE FIGHT LOVE DIE
WITH MIKIS THEODORAKIS ON THE ROAD

A film by Asteris Kutulas
based on the music of Mikis Theodorakis

Ein clipartiges Notebook. 60 mal Musik. 60 Stories. 1 Anti-Romanze. Ein ungewöhnlicher Film über den musikalischen Anarchisten Mikis Theodorakis.

A clip-style journal. 60 bits of music. 60 stories. 1 anti-romance. The most extraordinary film about musical anarchist Mikis Theodorakis.

With Mikis Theodorakis, Sandra von Ruffin, Stathis Papadopoulos

Featuring (in alphabetical order) | Rafika Chawishe, Rosa Merino Claros, Uwe Förster, Constantinos Isaias, Stella Kalafati, Katharina Krist, Inka Neumann, Aiste Povilaikaite, Sofia Pintzou, Anna Rezan, Carlos Rodriguez, Marilyn Rose, Tatjana Schenk, Kat Voltage a.m.o.

With the Cover Orchestrators, Singers, Dancers, Soloists and Artists
(in alphabetical order) | Air Cushion Finish, Anna RF, Alexia, Çiğdem Aslan, Bejeranos & Microphone Mafia, Zoe Chressanthis, George Dalaras, Deerhoof, July Dennis, Francesco Diaz, Thanassis Dikos, Maria Dimitriadi, Galina Dolbonos, Eves Karydas, Maria Farantouri, Elliot Fisk, Ekaterina Golowlewa, Lakis Karnezis, Alexandros Karozas, Loukas Karytinos, Rainer Kirchmann, Maria Kousouni, Johanna Krumin, Ilse Liepa, Zülfü Livaneli, Melentini, Lorca Massine, Elinoar Moav, Petros Pandis, Kostas Papadopoulos, Maria Papageorgiou, Dulce Pontes, Anthony Quinn, Henning Schmiedt, Sebastian Schwab, Margarita Theodorakis, George Theodorakis, Kostas Thomaidis, Emilia Titarenko, Vladimir Vasiliev, Tatjana Vassilieva, Kalliopi Vetta, Nadja Weinberg, Renato Zanella, Jannis Zotos and many others

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DANCE FIGHT LOVE DIE is an exuberant visual epic: a poetic road movie; an associative film collage from the cosmos of composer Mikis Theodorakis, the ingenious enfant terrible of our recent European musical history, who inspired millions around the world, a standout artist shaped by his dramatic century, a man who made history.

From 1987 to 2017 director Asteris Kutulas was a constant at Theodorakis’ side. He captured countless moments of the composer’s life over 3 decades, 4 continents, 100 locations, and 600 hours of footage. For this exceptional film, Kutulas spliced extremely personal moments with treasures from the archives, documentary recordings with fictions, even the humorously grotesque, adding Theodorakis’ own music as reinterpreted by many, mostly young, artists who add to the master’s compositions their own personal inflections, be it from jazz, classical, electro or rap.

An 87-minute music extravaganza… Very few words. DANCE FIGHT LOVE DIE is a unique film on inspiration, Eros and Thanatos.

Dance Fight Love Die by Mikis Theodorakis and Asteris Kutulas
Official movie poster of Dance Fight Love Die

DANCE FIGHT LOVE DIE

Directed by Asteris Kutulas
Written by Asteris & Ina Kutulas
Sound & Music Mixing, Editing & Mastering | Alexandros Karozas
Cinematographer | Mike Geranios
On the Road cameras 1987-2017 | Asteris Kutulas
Editing | Cleopatra Dimitriou & Yannis Sakaridis
Make Up Artist | Johanna Rosskamp
Costumes | Heike Hartmann & Anabell Johannes
Art Director | Achilleas Gatsopoulos
Graphic Design & Motion Graphics | Achilleas Gatsopoulos & DomQuichotte
Color Correction | Matthias Behrens
Online Editing | Domingo Stephan
Camera Assistent | Max Valenti
Gaffer | Vassilis Dimitriadis
Production Manager (fiction part) | Marcia Tzivara

Post Production Management | Dimitris Argyriou
Artistic Consultancy | Ina Kutulas, DomQuichotte, James Chressanthis & Klaus Salge
Additional Photography | James Chressanthis (ASC), Stella Kalafati, René Dame, George Theodorakis, Reinhold Spur, Matthias Seldte, Achilleas Gatsopoulos, Vasilis Nousis, Stefanos Vidalis, Lefteris Eleftheriadis, Ioannis Myronidis, Zafeiris Haitidis
Additional Editing | Dimitris Argyriou, Stella Kalafati, Antonia Gogin, James Chressanthis, Lemia Monet, Bernd Lützeler, George Theodorakis, Zoe Chressanthis
Translations | Sonja Commentz (English) & Ina Kutulas (Deutsch)
Press & PR | Sofia Stavrianidou & Tony Agentur
Festival Strategy & Distribution | NewBorn Short Film Agency (Dimitris Argyriou)
Associated Producers | Klaus Salge, Christopher Kikis & Uwe Förster

Music Publishers | Schott Music GmbH & Co. KG & Romanos Productions Ltd.

Co-Produced by Yannis Sakaridis & ERT TV
Co-Produced by Schott Music GmbH & Co. KG

Produced by Asteris & Ina Kutulas
© Asti Music, 2018

Mikis Theodorakis Asteris Kutulas
Mikis Theodorakis & Asteris Kutulas in Vrachati 1982 (Photo © by Rainer Schulz)
A letter from Mikis Theodorakis on the occasion of the German cinema premiere of the film Dance Fight Love Die – With Mikis on the Road in May 2018:
Λυπάμαι πολύ που δεν θα μπορέσω να βρεθώ σήμερα μαζί σας στο Βερολίνο και στο πλευρό του αγαπημένου μου φίλου, του Αστέρη Κούτουλα. Κιόλας μέσα από το πρώτο του έργο, Recycling Medea, διέκρινα την ιδιαίτερη προσωπική του ματιά που πραγματικά ήταν μια ευτυχής έκπληξη για μένα, γιατί μου αποκάλυπτε εντελώς νέους εκφραστικούς τρόπους στη διαχείριση της ζωής και του έργου μου. Σας διαβεβαιώ, ότι αυτή η παραδοχή δεν ήταν εύκολη για μένα λόγω του όγκου του έργου μου και της πολυτάραχης ζωής μου μέσα από τους δύσκολους δρόμους της σύγχρονης ιστορίας μας. Κι ακόμα γιατί ήταν επόμενο να έχω καταλήξει στους δικούς μου προσωπικούς κωδικούς ως προς την φιλοσοφία και την αισθητική, όπως σμιλεύτηκαν μέσα από τις εμπειρίες και τις σκέψεις μου. Αντιθέτως όμως, θα έλεγα ότι αντί να με απωθήσουν οι νέοι ορίζοντες που άνοιγε με στον τομέα της κινηματογραφικής σκηνοθεσίας, με πλούτισαν ψυχικά, πνευματικά και διανοητικά, γιατί με βοήθησαν να δω τον εαυτό μου και το έργο μου με το ανανεωμένο και τολμηρό βλέμμα του σήμερα και του αύριο. Θα ‘λεγα ότι αυτή η προσέγγιση με κάνει να νιώθω νέος ανάμεσά σας, καθώς συντρίβει τα δεκάδες χρόνια με τα οποία με έχει φορτώσει η αδάμαστη ζωή μου. Έτσι θα βρίσκομαι με τη σκέψη μου στο πλευρό του Αστέρη και όλων των συντελεστών του έργου του.
Μίκης Θεοδωράκης, 2.5.2018

Hellas Filmbox Berlin Trailer 2018 by Asteris Kutulas

Mit der dritten Edition vom Hellas Filmbox Berlin vom Januar 2018 verändern wir das Festival und machen es zu einem umfassenden Kultur-Event. 

HELLAS FILMBOX CHANGE

Die HELLAS FILMBOX BERLIN-Mission: den deutsch-griechischen Dialog in Gang halten und verstärkt anregen durch Kunst und Kultur – insbesondere durch den Film – in einer für die beiden Länder politisch und zwischenmenschlich schwierigen Zeit. Kreative Aktion statt frustrierender Dispute. Einfallsreichtum contra Schuldzuweisung.

Durch die beiden Filmfestival-Editionen im Januar 2016 und Januar 2017 sowie durch die sich an jedes Festival anschließende Film-Roadshow durch Deutschland ist das in außerordentlich spannender Art und Weise gelungen. Das große Interesse des Publikums zeigte: Diese Filme, dieses Griechenland, diese Welt will gesehen werden, dieses Festival in Deutschland will erlebt werden.

HELLAS FILMBOX BERLIN hat innerhalb eines Jahres mehr als 130 griechische (oder griechenlandbezogene) Filme in Deutschland gezeigt, über 60 davon mit eigens dafür neu angefertigten deutschen Untertiteln. 

HELLAS FILMBOX ermöglichte somit einem – vorwiegend deutschen – Live-Publikum von mehr als 10.000 Menschen neue Einblicke, Informationen, Gesprächsstoff, Emotion, Phantasie und Spannung.

HELLAS FILMBOX sorgte in kürzester Zeit für mehr als 500 Presseberichte in deutschen und griechischen Medien (darunter ARD, ZDF, 3Sat, SAT1, BILD, Stern, Focus, ZEIT, Süddeutsche etc.). 

HELLAS FILMBOX brachte innerhalb von 12 Monaten mehr als 200 griechische und deutsche Kreative, vor allem Filmschaffende, zusammen – insbesondere in den Q&A-Sessions, Jurys, Panels, bei Ausstellungen, Partys, Workshops, Theatervorstellungen. 

HELLAS FILMBOX BERLIN wurde ohne längerfristige Vorlaufzeit „aus dem Stand“ zum größten griechischen Kultur-Event außerhalb Griechenlands.

Der große Erfolg des Projekts HELLAS FILMBOX spornt uns an, beim Erreichten nicht stehen zu bleiben, uns nicht mit unseren Erfahrungen einzurichten. Wir möchten die Möglichkeiten, die wir uns erarbeitet haben, für eine neue Form des Dialogs nutzen, uns abermals neu orientieren, die Atmosphäre eines traditionellen, derzeit üblichen Filmfestivals nicht aufkommen lassen, sondern eine neue kulturelle Eventform kreieren.

© Asteris Kutulas

Achilleas Gatsopoulos & Dimitris Argyriou bei der Vorbereitung des Filmfestivals vor dem Urban-Spree-Gelände
URBAN SPREE

Im neuen „Festival-Zentrum“ URBAN SPREE auf dem RAW-Gelände Berlin-Friedrichshain werden nicht nur Filme gezeigt werden, sondern es finden Konzerte, Ausstellungen, Workshops, Diskussionen statt. Außerdem ein Greek Market, ein Café-Shop, ein Food-Track – all das für 5 Tage an einem der angesagtesten Orte Berlins.

HELLAS FILMBOX BOX TALKS

stehen für einen länderübergreifenden, spannenden, emotionalen und publikumsaffinen Kultur-Diskurs mit großartigen Künstlern, Querdenkern, innovativen Filmemachern und begnadeten Individualisten.

Die BOX TALKS sind eine Kombination aus Workshop, Entertainment, Künstlerporträt, Politik-Diskurs. Geplant sind vier solche „Box Talks“, bei denen immer ein deutscher und ein griechischer Filmemacher bzw. Künstler oder Politiker im Mittelpunkt ist. Jeder der Eingeladenen stellt in einem – von einem Moderator geführten – Gespräch sein Werk schlaglichtartig vor, diskutiert darüber und nimmt teil an der kontroversen Debatte über diverse Themen. All das ist möglich und erwünscht: Filmausschnitte. Trailer. Blinks. Thesen. Antithesen. Life-Performances. Dialog. Pamphlete. Manifeste. Konzepte. Happenings.

RETROSPEKTIVE Neues Griechisch-Zyprisches Kino

Das 3. HELLAS FILMBOX BERLIN Festival, das diesmal vom 24. bis zum 28. Januar 2018 im legendären Urban Spree stattfindet, wird sich u.a. dem Neuen Griechisch-Zyprischen Kino widmen und rückt es deshalb als Schwerpunktthema in den Fokus. Mit diesem Programmteil bietet das Festival die Möglichkeit, einen repräsentativen Eindruck von der Filmgeschichte der Mittelmeerinsel zu gewinnen, und zu erfahren, mit welchen Themen und Fragen griechisch-zyprische Künstler sich auseinandersetzen.

ARTIST’S FORUM

Anlässlich der Hommàge an das zyprische Kino wird der griechisch-deutsche Filmemacher und Autor Asteris Kutulas in seiner neu gegründeten Reihe ARTIST’S FORUM den zyprischen Komponisten Marios Elias Ioannou zu dessen „Künstlerischem Credo“ befragen und anschließend die Weltpremiere des Films „Marios Joannou Elia – Sound of Vladivostok“ von Kostis Nikolas präsentieren.

Am 28.1.2018, 11:30 Uhr diskutieren Asteris Kutulas und Nora Ralli mit dem griechischen Filmemacher und Regisseur Stratos Tzitzis über seine Ästhetik. 

Apassionata – „Der Traum“: Video-Diary/Tagebuch 2017

Rehearsal Video Blinks „Apassionata – DER TRAUM“ Show

Four video blinks I have shot with my iPhone 6s during the rehearsals of the Apassionata show „Cinema of Dreams“ in Riesa (October 2017). This show was created and directed by Holger Ehlers. I was involved in this show production as a dramaturg and an artistic consultant.

Asteris Kutulas, Riesa, 23.10.2017

Riesa, 26.10.2017

Riesa, 27.10.2017

Riesa, 28.10.2017

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 22. Oktober 2017 (fast Mitternacht)

Produktion „Apassionata – Der Traum

Apassionata, Asteris Kutulas
Daphne De Visser mit ihrem Pferd

Bei Apassionata heißt jeder Raum: SaniTATsraum. Denn bei Apassionata ist die TAT immer eine Gute Tat, eine Nützliche Tat, eine Rettende Tat, und am heutigen Sonntag ist dieses Tun als Sonntagsgebet zu verstehen. “Wir müssen dankbar sein.” Unser tägliches Brot rhythmisiert seine Krumen zusammen mit Lampes Lichtern, mit den Waschmaschinen, die im Schleudergang singen, mit dem Kurzschluss, der einen feuerlosen Blitz auslöste und nachfolgend blitzschnelle Handlungen an der Tafel, auf der die Teller bereitstehn. Ob es mittags warmes Essen geben wird, ist keine Frage. Den Cateringbereich fasst das sanfte Schwingen der Vorhänge ein. Ist eine Plastik farbig bemalt, heißt es auch, sie sei “farbig gefasst”.

Apassionata Der Traum, Asteris Kutulas
Proben in Riesa, 2017

Gefasstheit – darauf schwört Steffen, der Produktionsleiter. Gefasstheit – darauf schwört Matze, der Stage-Manager. Gefasstheit – darauf ist das große Portal eingeschworen, das die Projektionen einrahmt. Im Cateringbereich erneuert sich die Gefasstheit der Crew. Das weite Weiß – die Farbe des Friedens, gepaart mit Blau. Das weite Weiß hat sich seinen Einflussbereich geschaffen. Das Blau in den Ecken. So, wie das Luftschiff die Briefe in die Ecken der Welt trägt, von wo Rettung für die Erde nahen wird, so bildet das Blau hier Raumecken, aus denen sich ausgleichende Stimmung speist. Ein wahrer Speise-Raum also. Schöner als je zuvor.

Apassionata Der Traum Asteris Kutulas
Proben in Riesa, Oktober 2017

Der weiße Flanell macht sich gut. Diese unangestrengte Feng-Shui-Energie besänftigt das Große Ganze. Dreimal am Tag. Die Wirkung bleibt nicht aus. Scharfe Kanten fehlen. Scharfe Worte fallen nicht. Scharfe Zungen schweigen. Scharfe Gedanken zur richtigen Zeit. Das Gulasch hat die nötige Schärfe. Der Basilikumtopf wird mit Wasser bedacht. Hund Woppi kämpft um nichts und bekommt seinen Wiesenspaziergang. Hannah begegnet Mascha. Die Küche gibt alles und wechselnde Musik mit Prophezeiungen. Gestern hieß es: “Diese Welt geht endlich unter”. Heute ist heute und Sonntag, heute geht die Sonntagswelt auf, Gott will Blues hören, und des Himmels Geschenk ist diese neue Welt unter der Sonne und in der Halle.

Text & Fotos © Ina & Asteris Kutulas

Bücher, Publikationen & literarische Übersetzungen

Asteris Kutulas – Bücher & Publikationen

1. Jannis Ritsos. Poesiealbum, Auswahl von Asteris Kutulas, Übertragen von Hans Brinkmann, Asteris Kutulas, Dirk Mandel, Steffen Mensching, Thomas Nicolaou, Klaus-Peter Schwarz und Klaus-Dieter Sommer; Verlag Neues Leben, Berlin 1983

2. Mikis Theodorakis. Anatomie der Musik, Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Asteris Kutulas; editions phi, Echternach 1985

3. Jannis Ritsos. Die Rückkehr der Iphigenie – Monolog, Übertragen von Asteris Kutulas; Romiosini Verlag, Köln 1986

4. Mikis Theodorakis. Meine Stellung in der Musikszene – Schriften zur Musik 1952-1984, Herausgegeben, übersetzt und mit Bibliographie und Zeittafel von Asteris Kutulas und Peter Zacher, Mit Anmerkungen von Asteris Kutulas; Reclam-Verlag, Leipzig 1986
4a) Lizenzausgabe: Röderberg-Verlag, Frankfurt/M. 1987

5. Jannis Ritsos. Delfi. Mit Originalillustrationen des Autors, Übertragen und mit Anmerkungen von Asteris Kutulas; editions phi, Echternach 1987 (bibliophile Ausgabe)

Jannis Ritsos, Asteris Kutulas

6. Mikis Theodorakis. Die Wege des Erzengels. Autobiographie, Band 1: 1925-1944, Übersetzt und kommentiert von Asteris Kutulas; editions phi, Echternach 1987

7. Edition BIZARRE STÄDTE (13 Ausgaben), Herausgegeben von Asteris Kutulas, Eggersdorf & Berlin 1987-1989

Bizarre Städte, Asteris Kutulas

8. Jannis Ritsos. Monochorde. Mit Illustrationen von Gottfried Bräunling, Übertragen und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas; GB edition, Berlin 1988 (bibliophile Ausgabe)

9. Giorgos Seferis. Poesiealbum, Auswahl von Asteris Kutulas, Übertragen von Asteris Kutulas und Steffen Mensching, Verlag Neues Leben, Berlin 1988

10. Jannis Ritsos. Chrysothemis – Monolog, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas; Romiosini Verlag, Köln 1988

11. Mikis Theodorakis. Die Wege des Erzengels. Autobiographie, Band 2: 1944-1949, Übersetzt und kommentiert von Asteris Kutulas; editions phi, Echternach 1988

12. Jannis Ritsos. Das ungeheure Meisterwerk. Mit einer Radierung und sieben Reproduktionen von Zeichnungen des Dichters, Übertragen, mit Nachwort, Annotationen und einem Interview von Asteris Kutulas; Dürer-Presse (Siebenter Druck), Herausgegeben von Hans Marquardt, Reclam-Verlag, Leipzig 1988 und Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/M. 1988 (bibliophile Ausgabe)

13. Jannis Ritsos. Die Mondscheinsonate. Mit Original-Illustrationen des Autors, Herausgegeben von Udo Tietz und Asteris Kutulas, Übertragen von Asteris Kutulas und Steffen Mensching; editions phi, Echternach 1988 (bibliophile Ausgabe)

Jannis Ritsos, Asteris Kutulas

(Taschenbuchausgabe des Titels Nr. 8)
14. Jannis Ritsos. Monochorde. Mit Illustrationen von Gottfried Bräunling, Übertragen und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas; Romiosini-Verlag, Köln 1989

15. Jannis Ritsos. Der Sondeur. Mit Zeichnungen von Trak Wendisch, Herausgegeben und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas, Übertragen von Ina und Asteris Kutulas; konkursbuch Verlag, Tübingen 1989

16. Jannis Ritsos. Halbkreis. Erotica-Gedichte. Mit Illustrationen von Gottfried Bräunling, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas; konkursbuch Verlag, Tübingen 1989

Jannis Ritsos, Asteris Kutulas

17. Mikis Theodorakis. Weil er sich nicht Gesetzen beugte … Liederheft, Auswahl und Vorwort von Asteris Kutulas; Akademie der Künste, Berlin 1989

Mikis Theodorakis Asteris Kutulas

18. Jannis Ritsos. Steine Knochen Wurzeln. Essays und Interviews, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort und und Werkregister von Asteris Kutulas; Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar 1989

Jannis Ritsos, Asteris Kutulas

19. Giorgos Seferis. Alles voller Götter. Essays, Herausgegeben, übersetzt, mit Nachwort, Anmerkungen und Register von Asteris Kutulas; Reclam-Verlag, Leipzig 1989
19 a) Lizenzausgabe: Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1990

Giorgos Seferis, Essays, Asteris Kutulas

20. Jannis Ritsos. Agamemnon. Mit Original-Illustrationen des Autors, Herausgegeben und übertragen von Asteris Kutulas; editions phi, Echternach 1990 (bibliophile Ausgabe)

Jannis Ritsos, Asteris Kutulas

21. Giorgos Seferis. „Drossel“. Mit Original-Illustrationen von Gottfried Bräunling, Herausgegeben und übertragen von Asteris Kutulas; editions phi, Echternach 1990 (bibliophile Ausgabe)

Giorgos Seferis, Asteris Kutulas

22. SONDEUR. Monatsboulevard für Kultur und Politik (12 Ausgaben), Herausgegeben von Asteris Kutulas, Chefredaktion von Asteris Kutulas und Tilo Köhler, Tantalus Verlag, Berlin 1990-1991

Sondeur Asteris Kutulas

23. Konstantin Kavafis. Die Lüge ist nur gealterte Wahrheit. Notate zu Moral und Literatur, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas; Hanser-Verlag, München 1991

Konstantin Kavafis von Asteris Kutulas

24. Odysseas Elytis. Tagebuch eines nichtgesehenen April. Mit fünf Collagen des Autors, Übertragen und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas; Romiosini Verlag, Köln 1991

25. Mikis Theodorakis. Die Wege des Erzengels. Band 3: Der Alptraum, Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Asteris Kutulas; editions phi, Echternach 1992

26. ausdrückliche klage aus der inneren immigration. texte und grafiken aus der ddr, herausgegeben und mit einem nachwort von asteris kutulas und udo tietz; editions phi, Echternach 1992

27. Nikos Engonopoulos, Poet’s corner 18 (deutsch-griechisch), Ausgewählt und herausgegeben von Asteris Kutulas, Übertragen von Ina und Asteris Kutulas; Unabhängige Verlagsbuchhandlung Ackerstraße, Berlin 1993

Nikos Engonopoulos, Asteris Kutulas

28. Odysseas Elytis. Der Duft des Mittagsmahls. Mit Illustrationen von Fränz Dasbourg, Übertragen von Asteris Kutulas; editions phi, Luxembourg 1993

29. Konstantin Kavafis. Die vier Wände meines Zimmers. Verworfene und unveröffentlichte Gedichte, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas, Übertragen von Ina und Asteris Kutulas; Hanser-Verlag, München 1994

Kavais, Asteris Kutulas

30. Mikis Theodorakis, Die Metamorphosen des Dionysos. Libretto & andere Texte. Mit neun Collagen und einem Text von Ina Kutulas, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Essay von Asteris Kutulas; Romiosini Verlag, Köln 1995

(Überarbeitete und gekürzte Zusammenfassung der Titel Nr. 6 & 11 & 25)
31. Mikis Theodorakis, Die Wege des Erzengels. Autobiographie 1925-1949, Herausgegeben und übersetzt von Asteris Kutulas; Insel Verlag, Frankfurt/M. & Leipzig 1995
31 a) [Taschenbuchausgabe], suhrkamp taschenbuch, Frankfurt/M. 1998

Mikis Theodorakis, Asteris Kutulas

32. Giorgos Seferis, Sechs Nächte auf der Akropolis, Herausgegeben und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas, Übersetzt von Asteris und Ina Kutulas; Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1995

Giorgos Seferis Asteris Kutulas

33. Mikis Theodorakis & A.R.Penck, Das Meer, der liebe Gott und das Muli (deutsch-griechisch). Mit neun Original-Siebdrucken von A.R. Penck, Übersetzt und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas, Herausgegeben von Asteris Kutulas und Gottfried Bräunling, Mit einer CD von Mikis Theodorakis (Macbeth) und einer Kleinplastik von Gottfried Bräunling; GB edition & Asti Music, Hohenöllen 1995 (bibliophile Ausgabe)

A.R. Penck, Asteris Kutulas, Mikis Theodorakis

34. Odysseas Elytis, Köder für Niemand. Mit Original-Illustrationen von Gottfried Bräunling und Fränz Dasbourg, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas; editions phi, Echternach 1996 (bibliophile Ausgabe)

Elytis, Asteris Koutoulas

35. Mikis Theodorakis, Siao und andere frühe Gedichte. Mit Illustrationen von Gottfried Bräunling, Übersetzt von Asteris Kutulas, Herausgegeben von Asteris Kutulas und Gottfried Bräunling, GB edition, Hohenöllen 1996 (bibliophile Ausgabe)

Mikis Theodorakis Siao, Asteris Kutulas

36. Jannis Ritsos, Deformationen. Gedichte, Texte, Interviews & Begegnungen 1930-1990, Herausgegeben, übersetzt und mit einem Essay von Asteris Kutulas, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas, Romiossini Verlag, Köln 1996

37. Gottfried Bräunling, Übermalungen, Mit 12 Notaten von Asteris Kutulas, edition GB 1996 (bibliophile Ausgabe)

38. [auf griech.:] Asteris Koutoulas, Der Komponist Mikis Theodorakis. Texte – Werkverzeichnis – Kritiken (1937-1996), Livanis Verlag, Athen 1998
38 a) [auf griech.:] Asteris Koutoulas, Der Komponist Mikis Theodorakis. CD-ROM; Livanis Verlag, Athen 1999

Koutoulas

(Taschenbuchausgabe des Titels Nr. 13)
39. Jannis Ritsos. Die Mondscheinsonate. Übertragen von Asteris Kutulas und Steffen Mensching, Mit einem Nachspruch von Elli Alexiou; Dielmann Verlag, Frankfurt am Main 2001

40. Mikis Theodorakis, Bis er wieder tanzt … Ein Kreta-Roman, Herausgegeben und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas, Aus dem Griechischen von Asteris und Ina Kutulas; Insel Verlag, Frankfurt am Main 2001

Mikis Theodorakis, Asteris Koutoulas

(Völlig überarbeitete Fassungen der Titel Nr. 3 & 10 & 20)
41. Jannis Ritsos, Die Rückkehr der Iphigenie. Monologe. Mit Fotos von Steinzeichnungen des Dichters, Übertragen und mit einem Nachwort von Asteris und Ina Kutulas; Inselbücherei, Insel Verlag, Frankfurt/M. & Leipzig 2001

Jannis Ritsos, Asteris Kutulas

42. Konstantin Kavafis, Familie Kavafis, Herausgegeben und mit einem Nachwort von Asteris Kutulas, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas, Dielmann Verlag, Frankfurt am Main 2001

Kavafis, Koutoulas

(Überarbeitete und erweiterte Fassung des Titels Nr. 27)
43. Nikos Engonopoulos, Unterhaltungen mit dem Fahrer verboten. Gedichte aus dem griechischen Surrealismus, Ausgewählt und herausgegeben von Asteris Kutulas, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas, Dielmann Verlag, Frankfurt am Main 2001

44. Mikis Theodorakis, In den paradiesischen Gärten meines Schädels. Gedichte – Poèmes (deutsch-französisch), Herausgegeben von Guy Wagner und Asteris Kutulas, Übertragen von Guy Wagner (französisch) & Asteris und Ina Kutulas (deutsch); editions phi, Echternach 2001

45. Jannis Ritsos, Hommage. Mit Grafiken von Gottfried Bräunling, Gedichte aus „Monochorde“, Übertragen von Asteris Kutulas, Redfoxpress 2009 (bibliophile Ausgabe)

46. Dionisis Karatzas, Selbstmord des Reservemonats. Griechische Gedichte über das Meer und die Liebe. Mit Zeichnungen von Trak Wendisch, Ausgewählt und herausgegeben von Asteris Kutulas, Übertragen von Asteris und Ina Kutulas, Edition Raute im Galerie Klinger Verlag, Görlitz 2010

Koutoulas

47. Giorgos Neophytou, DNA. Ein Theaterstück, Übersetzt von Ina und Asteris Kutulas 2012 (Uraufführung: Hessisches Staatstheater Wiesbaden & Satiriko Theatro Nicosia, 21. Juni 2012, Wartburg)

48. die horen, „Sogar dann, wenn jeder Himmel fehlt …“ – Auf der Suche nach einem verlorenen (Griechen)Land, Zusammengestellt von Asteris und Ina Kutulas, Wallstein Verlag, Göttingen 2013

horen, Koutoulas

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Autor folgender Schwerpunkthefte der Zeitschrift CHRONIKA
  • Jannis Ritsos 9/1996
  • Konstantin Kavafis 10/1996
  • Maria Farantouri 11/1997 (Interview)
  • George Dalaras 4/1998 (Nachdichtungen)
  • Theodorakis – Sonne & Zeit 10/1998 (Nachdichtungen)
  • Alkistis Protopsalti 3/1999 (Nachdichtungen)
  • Jannis Ritsos 4/1999
  • Elli Paspala 5/1999 (Nachdichtungen)
  • Jannis Ritsos, Agamemnon (Nachdichtung mit Ina Kutulas) 6/7 1999
  • Dionisis Karatzas, Lyrik (Nachdichtung mit Ina Kutulas) 8/9 2003
Weitere Übersetzungen sowie eigene Essays bzw. Artikel oder Interviews

– in den Zeitschriften:
ADAC Spezial Reisen, Akzente, Freibeuter, Konkursbuch, neue deutsche literatur, Plärrer, Sinn und Form, Sondeur, Lettre International, Temperamente, Partisanen, Chronika, Sklaven u.a.
– in den Zeitungen:
Die Andere, Der Anzeiger, Das Blatt, Frankfurter Rundschau, Junge Welt, Märkische Oderzeitung, Sonntag, Süddeutsche Zeitung, Stuttgarter Zeitung, TAZ, Union, Wochenpost, Lettre International, Chronika, Sklaven, FAZ, Junge Welt | Vima, Eleftherotypia, Ethnos, Ta Nea u.a.

Programmhefte in deutscher Sprache
(Auswahl, Redaktion, Übersetzungen, Nachdichtungen, Interviews von Asteris Kutulas)
Jannis Ritsos
  • Der Sondeur (Theaterstück)
  • Jannis Ritsos (Europa-Tournee 2009)
Mikis Theodorakis
  • Im Belagerungszustand (1990)
  • Theodorakis sings Theodorakis (1991-92)
  • „Theodorakis“ (Tournee Mai 1995)
  • Oracle (Europa-Tournee 1996)
  • Classics (Frankfurt 1996)
  • Classics (Leipzig & Hannover 1996)
  • Songs (Leipzig 1996)
  • Canto General (München 1997)
  • Theodorakis & Livaneli: Together (Tournee Mai 1997)
  • Mikis Theodorakis – Der Komponist (1998)
  • Sonne & Zeit Berlin (1998)
  • Mikis Theodorakis & Gert Hof (Ferropolis 2000)

Theodorakis, Asteris Kutulas

George Dalaras
  • European Tour 1998
  • European Tour 2001
Maria Farantouri
  • Poetica 1997
  • Asmata 1998
  • Nostalgia 2000

Asteris Kutulas

„Lampe“, der Herr der Apassionata-Lichter

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 22. Oktober (nachmittags)

Produktion Apassionata-Show „Der Traum“

Sonntag mit dunkler, feuchter Erde und Sonne. Die Sonne heißt immer Sonne, draußen. Lampe heißt fast immer Lampe, drinnen. Lampes Sonnen sind viele, und er, ihr Herr, hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eine fehlet an der ganzen großen Zahl. Lampe kann es Nacht werden lassen. Tiefe Nacht. Taghelle Nacht. Von Flüstern durchdrungene Nacht. Grausige Nacht. Nachtblumen-Nacht. Kosmische Nacht. Gala-Nacht. Nacht der Panther und Nacht der Skorpione. Nachttischlampen-Nacht. Fuchsnacht. Polarnacht. Schattennacht. Sommernacht. Liebesnacht.

 

Auch Tag kann Lampe werden lassen, jederzeit. Der Herr der Lichter ist zugleich Herr des hellen Mittagslichts, das gebraucht wird, wenn in der Prärie ein Reiter allein seiner Mission folgt. Ohne Akku, Feuerzeug, Proviant und Sanitäter. Der Reiter in der Prärie muss durchhalten. Die Hufschläge der Riders on the Storm geben seinem Herzschlag das Tempo. Der nur als Idee existierende Reiter in der Prärie ist so verlassen wie kaum jemand bei Apassionata.

Apassionata Show Der Traum Asteris Kutulas

Lampe lässt Licht werden. Alles Licht, nach dem die Show hungert und dürstet. “Schritt für Schritt”, sagt Lampe. Seine Bemühungen haben epische Ausmaße angenommen. Das Luftschiff will beruhigt schweben können. Es riecht das Licht.

Apassionata Show Der Traum Asteris Kutulas

“Ich kann nicht hexen”, sagt “Chef”. “Chef” glaubt man das sofort. Lampe würde das niemand glauben. Wobei Lampe eher Zauberer ist, statt Hexer sein zu wollen. Eine Baba Jaga ist bei Apassionata momentan nicht gefragt. Also braucht es auch keinen Hexer.

Text & Fotos © Ina & Asteris Kutulas

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Apassionata-Show „Der Traum“, Riesa, 20. Oktober 2017

Von Ina Kutulas

Auf dem Fußballfeld nebenan die Aufwärmphase. Dutzende Männer in Grün, Gelb, Violettblau. Der Vormittag findet seine Themen auf dem Boden der Realität und im Himmel. Eine Wolkenflotte ist aufgezogen. Sie nimmt inzwischen die Hälfte des Blaus ein. Ein weißes Pferd wird gewaschen, das Wasser lässt seinen Körper glänzen. Zwei Männer beschäftigen sich mit diesem sensiblen Geschöpf, das einen grünen Wasserschlauch akzeptiert. Großes Bild, umrahmt von der Nüchternheit des Bereichs vor der Halle, ein Bereich, der nichts weiter als seinen Zweck erfüllen muss.

Apassionata Show Der Traum Asteris Kutulas

Die Pferdemajestäten bringen Erhabenheit in die Alltagssituation. Dazu müssen sie beschäftigt werden. Sonst erleiden sie die Qual der Langeweile. Würde ein Pferd hier die Langeweile plagen, dann liefe etwas schlecht bei Apassionata. Das Kind Hannah im Pullover mit großem Leopardenmuster-Herz auf der Brust hebt schwere Früchte, fast größer als seine Hand, und sorgt dafür, dass es gut läuft.

Apassionata Show Der Traum Asteris Kutulas

Es ist windstill draußen. Jeder an seinem Platz. Der Tischler an seiner Bank, Tag für Tag; lange, schmale Kästen werden gebaut. Das Luftschiff hat sich in Luft aufgelöst. Nachts werden in den Kästen viele Luftschiffe schlafen, und sie werden verschwunden sein, wie von etwas Übermächtigem verschluckt, bevor der Tischler wieder zurückkommt, des morgens. Das große Luftschiff hat seine eigene Flotte wie der Himmel die Wolken. Die Kästen werden zu Bänken, die Bänke zu Schränken, der Himmel zur Küche, die Küche zur Arena, das Wasser kocht, die Proben laufen, die Tänzer sind zahlreich, ein junger Nurejew ist dabei.

Apassionata Show Der Traum Asteris Kutulas

Von Kabeln und Leitungen ist dieser Tag durchzogen. Amelie hat ein System aufgebaut. Wasser und Strom fließen. Die Elemente versuchen einander. Luft verbindet Luftschiff und atmende Körper, frei, allein für sich im Raum oder aufeinander eingespielt. Alles atmet und hört, wie die Uhr tickt, immer. Die Zeitfenster sind begrenzt – auch die für Kontroverse und Symbiose. Die Unermüdlichen, die man kaum sieht, haben wenig Schlaf, die Geister der Apassionata, die das Werden der Show vorantreiben, im Hintergrud, der jetzt der Vordergrund ist. Wenig Gelegenheit, Tageslicht an sich heranzulassen. Vierzig Stunden in vierundzwanzig.

Nur Pferde und Bäume schlafen im Stehen. Die Worte folgen dicht auf dicht. Die Schweigsamen müssen reden, und die Erzähler sich in Geduld fassen, sonst ecken sie an. Stoßstellen schmerzen. Dieser Schmerz wirkt sich aus auf den Tonfall, auf Farben, Schrittmaß, auf die Menge an Gold oder Rot in den Szenenbildern und auf Freundschaften, alte und neue.

© Ina Kutulas

Apassionata Tagebuch 2021 (Nachspiel)

Apassionata Pferdeshow „Der Traum“ (Tagebuch, 21.10.2017)

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 21. Oktober (nachmittags)

Produktion „Apassionata – Der Traum“

Sándor, der Choreograph, steht aufrecht, unweit vom Halleneingang. Seine Hand weist zum Himmel, der lange bedeckt war, inzwischen aber wieder das reinste Blau sehen lässt. “Perfekt organisiert”, sagt Sándor. Auch seine Jacke ist blau. Manchmal ruft er die Tänzerinnen zu sich. Eine markante Stimme. Sein “Girls … Ladies … please come to me, I’m here” könnte zu Beginn einer Rockballade erklingen.

Apassionata Pferdeshow Der Traum Asteris Kutulas

Sándor Román

bezieht sich vornehmlich auf die griechische Antike. Seine Umsetzung des Bildes eines trampenden Saloongirls ist direkt von Homer inspiriert, beteuert Sandor. Griechisch blauer Himmel über Riesa. Greek Western bei Apassionata. Der Esel ist dabei, das Catering bietet Feta und Oliven. Alle haben’s gut bei Apassionata. Jeder findet hier seine Welt, jeder auf seine Weise. Auch das macht den Apassionata-Blick aus. Er enthält einen Funken dunkle Glut.

Apassionata Pferdeshow Der Traum Asteris Kutulas

Sándor studiert mit den Tänzern

betörende Schrittfolgen. Solche Odysseischen Listen sind erlaubt, vorausgesetzt, sie dienen der Kunst. Die Musen haben geschmeidige Körper und treten auf den Plan. Selten wurde eine Rose mit mehr Grazie gehalten als hier von der Primaballerina Katherina Markowskaja. Die Halle möchte fast bersten bei dieser hohen Konzentration von Charme. Es werden Türen aufgehalten, der Stage-Manager ist Stunde um Stunde unterwegs. Wieder und wieder erscheint er und verleiht jeder Szene die Idee vom ruhelosen Läufer, vom Rutengänger und Wegesucher, der als Gefährte des tanzenden Träumers die Poesie der Show ausbalanciert. Es braucht auch ganz pragmatische Entscheidungen. Nicht nur ein Tanz kann ein Leben verändern. Auch ein Leben einen Tanz.

Dunkle Wolken wollen es regnen lassen, draußen, auf die Halle und auf die dunkle Erde, die gesund ist, wie man sich in Riesa sagt. Tiefe Schatten ändern die Farbe der Welt, drinnen. Eine Stimme ruft: „Dancers … On your position … Boys … from the beginning … Music please …“ Auch an diesem Sonntag gibt es ein Tagesziel. Wenn die Nacht kommt, glänzt das Fell der Pferde wie Seide. An einem einzigen seidenen Faden hängt nichts bei Apassionata. Der Montag kommt.

© Ina & Asteris Kutulas

24.10.2018

Dürers Melancholia ist hier vor Ort nicht melancholisch. Sie hat sich das Schneiderinnen-Bandmaß als befriedete Schlange umgelegt. Melancholia hat ehrlichen Schlamm an den Schuhen, sie hat ehrliche Fusseln am Kleide. Duftendes Wiesengras, Brombeerblätter und Hagebuttenschalen hat sie geatmet.  „Wir müssen dankbar sein“, höre ich mich sagen. Ohhhhmmmmmm … Die unmelancholische Melancholia senkt und hebt das Haupt, sie dankt den Wassern und Waschmaschinen. Sie dankt den Nadeln und Nähmaschinen. Es glitzert. Es blinkt. Es öffnen und schließen sich die Tore der Tage. Der Herbst in Riesa ist bunt.

Nach dem heißen, trockenen Sommer weht jetzt ein frischer Wind. Die Blätter der Ahorne färben sich golden, und schon haben sie begonnen, aus den Bäumen zu fallen. Dieser Winter soll ein verregneter werden. „Machen wir’s uns warm“, sagt Elsa am Telefon. Sie lebt mit zwei Geräten und zwei Tieren in Friedrichshain.

Hinter den Showkulissen ist es ruhig momentan. Ich lade die Akkus auf, und die Lichtmeister knipsen zur Pause die Scheinwerfer aus. 

Der Wind steht gut. Das Licht ist stark. Der Klang keine Sache für sich. Ein Reiter steht zwischen zwei Pferden, er legt seinen Mantel ab, er ruft einem anderen Reiter etwas zu und lässt aus dem Zurufen ein spanisches Lied werden. Die Tonmänner nehmen diesen Klang auf in die Werkzeugkiste in ihrem Brustkorb. Nichts kommt aus den Lautsprechern, das nicht gemacht wäre aus Pulsschlag, Gedankenkraft und nachhallender Stille. Über Riesa hängen dunkle Wolken. Bei Gewitter zuckt erst der Blitz, und darauf folgt der Donner. Diese Apassionata-Geschichte hat etwas von einem Wetterphänomen. Auch die Premiere der Apassionata-Show „Der Traum“ fand im Oktober 2017 statt, als passiere das in Synchronität mit den Vorboten des Orkans, der damals Deutschlands Topoi aufscheuchte. Eigentlich hätte man wissen können, dass „sowas“ kommt, aber dass es tatsächlich kam … Wer hatte mit dieser großartigen Show damals wirklich gerechnet? 

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Apassionata-Tagebuch, Berlin, 1. November 2017

Die Tonmänner (Jan & andere)
Behauptung: Es gab noch keine Apassionata, bei der die Tonmänner so weit gekommen waren. Den Tonmännern ist der Klang nie gut genug, nie perfekt genug, die Tonmänner sind nie ganz zufrieden. Ihr freundlicher Unmut ist eine der Zutaten einer Apassionata-Show. Die Apassionata lebt aus der Unvollkommenheit, die die Tonmänner erkennen, die sie abermals ausfindig machen, nach tausend Stunden Arbeit noch immer. Eine Unvollkommenheit, die die Tonmänner aufhorchen und die sie die Ohren steifhalten und die Löffel aufstellen lässt. Die Tonmänner sind dafür geboren.

Bei dieser Apassionata gibt es Momente der Stille, in die hinein man eine Stecknadel fallen lassen könnte, und sie würde in kein Trommelfell stechen. Der Ton des Aufpralls dieser Stecknadel auf dem Boden der Empfindsamkeit der Apassionata-Createure würde ebenfalls zu Material für die Tonmänner, aus denen sie Verschwiegenheit machen und Spannung, das Verlangen nach dem Erlauschen-Können. Apassionata, das ist die Musik mit ihren Pausen, das ist die erzählte Geschichte mit ihren Unterbrechungen und Fortsetzungen, das ist die Stimme des Sprechers, das ist das Werk der Tonmänner, die den Klang in Bewegung halten, damit er nicht abstürzt und die Pferde erschlägt. Der Klang bleibt immer in der Schwebe. Er trägt das Luftschiff. Farben werden in den Klang gemischt.

© Ina Kutulas

Apassionata Pferdeshow Der Traum Asteris Kutulas

 

Photos © by Asteris & Ina Kutulas

Apassionata, 15 Jahre ein „Traum“

Apassionata, 15 Jahre ein „Traum“

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 21. Oktober

Produktion „Apassionata – Der Traum

Heute wurde der Kaffeeautomat abgelöst von einem Kaffee-Geber. Die Wolken des Apassionata-Himmels sind Entwürfe: neue Kontinente für friedliche Bewohner eines friedlichen Planeten. Das Luftschiff fliegt zu den fernen Ecken der Welt. Die Tänzer tragen Pistolengürtel. Aus Ernst wird hier Spaß.

Apassionata Der Traum Asteris Kutulas

“Es geht immer um alles.”

So das streng gehütete Geheimnis der Apassionata seit fünfzehn Jahren. Fröhlich will es ausgeplaudert werden. Munter will es wieder zum Geheimnis werden. An bewegten Wassern laben sich die Erlen. Wenn das Pferd im Schritt geht, wird der Große Wagen gezogen. Die Sterne wiegen leicht. Ein frischer Mond kommt in seine Bahn. Das Iglu steht im kalten Licht. Winter. Dieser Winter hat seine Temperatur noch nicht gefunden. Der Himmel über Apassionata sucht jeden Tag seine Farbe. Abend.

Apassionata Der Traum Asteris Kutulas

Fünfzehn Apassionata-Shows

haben zum Ergebnis, dass niemand in der Halle stört. Geschwafel wäre eine Störung. Herumstehen wäre eine Störung. Den Meistern das Schachspiel erklären wollen, wäre so erwünscht wie sich der Esel einen Wolf zum Begleiter wünscht. Die Kriegsbeile der Geishas liegen in den Händen uralter Tempelgötter, die Tee trinken, wenn sie nicht streiten. Tiefschwarze Planen von der Rolle. “Linde”, ein Wort, das die Gasflaschen unter “Apassionata” verortet, denn diese Apassionata erzählt auch von den Bäumen. Was sagt “Chef” heute? “Chef” schweigt. Ein Zitat des Comedian Dieter Nuhr über einer Tür: “Wer keine Ahnung hat, einfach mal Klappe halten.”

Apassionata Der Traum Asteris Kutulas

Es regnet.

Große schwarze Pferde mit roten Decken. Es regnet. Hannah, das Kind, wandert von Arm zu Arm. Es regnet. Zum Sand kommt das Wasser. Es regnet. In der Halle steigt der Nebel auf. Stunde Sechs nach Mittag. Das Iglu steht im kalten Licht. Holger ist ruhig und gelassen. Tag Sieben vor Show-Start. Der Kaffee-Geber ist weg, der Kaffeeautomat zurück. Billy ist gelassen. Matze ist gelassen. Es regnet. Am Abend lassen die Tänzer neongelbe Jojos tanzen. Das Stroh bei Apassionata ist noch immer goldenes Stroh. Es regnet aus dunklem Himmel.

Text & Photos © Asteris Kutulas & Ina Kutulas

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 20.10.2017 (abends)

Riesa – An welchem Ort könnte eine Apassionata-Tour besser vorbereitet werden?

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 21. Oktober

Produktion „Apassionata – Der Traum

Der Herbst in Riesa ist bunt. Eichen- und Lindenblätter im Einklang, das Essigbaumrot flammt, der Wilde Wein hat seine Feuer entzündet. Das Wilde-Wein-Laub fällt. Keine Graffitis zu sehen. Zwischen der Riesaer Hauptstraße und der Sachsen-Arena liegt beinah eine andere Welt, in der etliche zu vermietende Räumlichkeiten und die unbekannte Größe “Zukunft” Platz haben. Das Wort “Glaube” begleitet denjenigen, der sich aufmacht zum Lutherplatz und dort beschließt, noch weiter zu gehen. Die Ampelübergänge trainieren die menschliche Empathie: “Bitte berühren”. An welchem Ort könnte eine Apassionata-Tour besser vorbereitet werden?

Apassionata Pferdeshow Proben Asteris Kutulas

Ein Akkordeonspieler vor dem Schuh-Geschäft spielt seine eigene Hymne und verwandelt sich dem Rhythmus dieses Samstagsvormittags an. Niemand scheint niemandem fremd. Der Herbst in Riesa bleibt bunt. Sporthosen, Damentaschen, die Buchhandlung mit Liebesschmöker.

Apassionata Pferdeshow Proben Asteris Kutulas

Der Baumarkt, das Haupteinkaufsziel einiger Apassionata-Mitarbeiter. Der Baumarkt wird an allen Wochentagen von ihnen aufgesucht, wann immer erforderlich. Wer Apassionata in sich trägt, erkennt einander allerdings auch auf der Hauptstraße, wo sich Post und Apotheke befinden; ein Gruß, ein langer Blick. Es ist ein wacher Blick, ein offener Blick, ein Blick, der morgens sagt: “Ein neuer Tag.” Abends sagt er: “Ein guter Tag.” Nachts sagt er: “Morgen wieder.” Die Rose der Apassionata ist dunkelrot.

Apassionata Pferdeshow Proben Asteris Kutulas

Tagsüber wird der Apassionata-Blick auf der Riesaer Hauptstraße nicht verschenkt, denn tagsüber – auch samstags und sonntags – befinden sich alle Apassionata-Mitarbeiter in der Halle oder in unmittelbarer Nähe der Halle. In Riesa Stadt werden von den Bürgern an diesem Samstag Wochenendeinkäufe getätigt. Monsator existiert. Es herrscht Geruhsamkeit. Der Apassionata-Esel trainiert unterdessen die Rückenlage. Holger gibt seine Anweisungen. Gitarren zu Totempfahl, zu Saloons und rollenden Stachelbüschen.

Text & Photos von © Asteris Kutulas & Ina Kutulas

Apassionata, 15 Jahre ein „Traum“

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 20.10.2017 (abends)

Ein Traum-Tagebuch von Asteris & Ina Kutulas – Apassionata-Show „Der Traum“

Wer sein Herz in Enge schlagen lässt, verengt diese Welt, die sich weiten will und drehen. Das steht zwischen den Zeilen des Briefs. Sphäros ist eine Erscheinung in der Höhe, die Show entsteht in der Tiefe der Herzkammern. Der Einzelkämpfer verschwindet unweigerlich aus diesem höllisch unbestimmbaren Paradies. So sieht es das Schriftlose Gesetz der Apassionata vor, das in niemandes Hand liegt. Das Schriftlose Gesetz der Apassionata dirigiert ein Jedes in komplizierten Systemzusammenhängen, zu denen auch Bienen gehören und Kopfschmerzen, zu denen all das gehört, was eigentlich mit Apassionata nichts zu tun hat. Nicht direkt, so die Auskunft von “Chef”.

Apassionata Tagebuch Riesa Asteris Kutulas

“Chef” regelt alle Angelegenheiten,

“Chef” legt die Choreographie fest zwischen Umluft und Inwendigkeit, zwischen Inständigkeit sowie Outstanding Dept. “Chef” personifiziert sich oder nimmt Objektcharakter an oder wird zum Wetterphänomen. “Chef” kann und weiß nichts allein. “Chef” ist das Dezentrale. Entgegen dem menschlichen Organismus kann es eine Weile ohne Kopf existieren, indem “Chef” zur Hydra mutiert und eine Vielzahl von Köpfen aus sich herauswachsen lässt. Mit dem Feuer aus seinen nunmehr sieben Rachen zündet “Chef” die Sterne in einer Paten-Galaxis an, die sich im Jahr 2017 der “Apassionata” angenommen hat. “Chef” spricht in vielen Zungen und spricht sich aus, entsprechend der Natur eines jeden.

“Was passiert, wenn 5000 Leute …?” – “Die Show”, so heißt es, “holt sich, wen und was sie braucht; alle anderen schickt nach jenseits von Apassionata”. Die Show hat sich “Chef” geholt, und “Chef” gibt sich diese Show. Niemand arbeitet für “Chef”, aber alle unterstellen sich ihm wie die Fußballspieler auf dem Feld nebenan, wie der Tonmeister, der sagt: “Gesundheit”, wie die Tänzerin, deren Arm einen perfekten Bogen beschreibt, der Regen und Sonne in die Arena holt und sieben Farben aufscheinen lässt, wie der Garrocha-Reiter, der Figuren in die Arena zeichnet, in denen der Dualismus des Universums sich verkörpert. Und die Halle hat sich das Schwarz geholt.

Apassionata Tagebuch Riesa Asteris Kutulas

Das Schwarz schluckt alle und alles.

Dann bringt dieses Schwarz das Leuchten hervor und wird zu seinem Träger. Zurückgezogen ins Dunkel, sitzen Tänzer, Reiter, Programmierer, Wächter1 der Show auf den Rängen, um vor sich die Bilder zu sehen, aus denen die Räume werden, in denen sie alle durch die Geschichte gehen werden und sie erzählbar machen. Musik und Licht beherrschen die Arena, Violinen, Bläser, Glocken.

Die Halle macht sich selbst vergessen, sie stellt ihre Präsenz zurück. Blau und Gold umfließen die Pferdekörper. Blauviolett und Silber erklingen als Echo des Chaos, das dieser Show 2017 einen Neuanfang gibt, begreiflich dem Reiter mit dem grünen Schlauch, der sein weißes Pferd in Glanz und Form aus der Wirklichkeit hinübertreten lässt in die Ebene des Erzählten. Begreiflich der Priesterin an der Tafel, die die Früchte der Schöpfung sortiert und die Schalen auffüllt.

Apassionata Tagebuch Riesa Asteris Kutulas

Vierzig Stunden ohne Schlaf

lassen “Crew” nicht ermüden. “Crew” wird zu “Werc”, wenn das Wort in Spiegelschrift gelesen wird, und das Werk ist die Show, die Tänzer und Pferde zusammenführt, Musik und Sand, zauberische Bewegungen von Männern vor Tausenden von Klappsitzen, das gespiegelte Bild eines bevorstehenden Ereignisses. Ein unsichtbares Publikum ist anwesend, ausgesetzt dem hörbaren Rauschen von Planeten, die sich drehen und um die diese Show sich dreht. Hier gibt es viele Reiter, viele Achsen, viel Wirbel. Hannah findet abends Früchte, die größer noch sind als die Früchte am Morgen.

Apassionata Tagebuch Riesa Asteris Kutulas

Bevor die Nacht kommt,

weitet sich alles, um sich dann zusammenzuziehen und zu sich selbst zurückzukehren. “Chef” ist auch ein Philosoph, der sagt: “Umsicht”. Das gilt für jeden Tisch, jeden leeren Becher, jede Stolperfalle, jeden Kontakt, und es gilt für die Luftschiffzentrale hinter den Fünf Hügeln. Woppi, der vierbeinige Sachverständige, hat den Kopf gehoben. Das schwarze Pferd merkt auf. Hannahs Pullover-Leopardenherz verlässt sein Muster und wird ein Lichtspiel auf dem Boden der Halle. Morgen kommt Mascha Maria. Und Hannah bekommt eine neue Aufgabe. “Wir fangen an!” Ein schwarzes und ein weißes Pferd sind das Thema des Tages, Tag Acht vor Show-Start. Die hellen Mächte treten in die Lichtkegel, Lichtkegel, die stillstehn oder tanzen, Lichtkegel, die dunklen Mächten trotzen. “Chef”, das dezentrale Komplexikum, es kennt alle Formeln, die es hier braucht.

Ina Kutulas (die während der Apassionata-Proben immer hinter Asteris Kutulas saß)

https://asti-blog.de/2017/10/19/apassionata-kutulas-tagebuch-2017-1910/

Recycling Medea – Movie Reviews & Statements

On the movie Recycling Medea (press excerpts & reviews)

… Asteris Kutulas has made a film on the crisis, on the protests and the story of Medea, the child murderess from Greek mythology. The result, however, is no documentary, but rather a cinematic essay, a visually striking collage that interweaves the protest marches and a Medea ballet production. And he does it to harrowing effect since the presence of prima ballerina Maria Kousouni, combined with the burning streets of Athens, proves an artful plot device with resounding pathos. Not to forget composer Mikis Theodorakis who does not remain the mute composer behind the scenes, but chooses to voice his own opinion. “If I was young today, they might also call me a terrorist”, he states …
Andreas Thamm, 15 November 2013
Süddeutsche Zeitung

Recycling Medea by Asteris Kutulas with Maria Kousouni
Maria Kousouni as Medea (Photo © by Stefanos Kyriakopoulos)

… Society: a power hungry, child-murdering entity. In this case, Greece. Two years ago in Athens, Asteris Kutulas watched the Medea choreography by Renato Zanella, head of the Athens National Ballet. The ensemble’s performance inspired this filmic experiment and contemporary reflection of the Greek situation. It explores the tragic figure of Medea who decides to take murderous revenge against her husband’s – avaricious and vain – betrayal. In Zanella’s Medea, terrific prima ballerina Maria Kousouni plays the leading role and key part in a film that is based on two choreographies, artistic and spontaneous. In the latter, Kutulas frequently contrasts the dance sequences with recordings of Greek youngsters, caught up in protests against a state that has robbed them of their future…
Jochen Schmoldt, December 2013
plärrer, Nuremberg

Recycling Medea by Asteris Kutulas at the EPOS festival in Tel Aviv. Israel
Review of Recycling Medea in the programme of the EPOS film festival in Tel Aviv, Israel.

Excerpt from the FAZ review of the premiere

… The ballet’s key scene also defines the entire film; it is its quintessence: Jason casts Medea out because he wants to marry another. A “shift in values” that requires and demands unfettered freedom. “If you wish to be free”, Medea retorts, “you will lose your children.”
Prima ballerina Maria Kousouni is from Athens and a brilliant, fantastic Medea. Renato Zanella, whose masterly choreographies have already graced Stuttgart, Berlin and especially Vienna, commands Kutulas’ film with his ensemble … Kutulas and his editor Babette Rosenbaum have edited Zanella’s stern danse macabre into harsh scenes of the Greek youth’s physical actions against the government. These monochrome documentary sequences, rarely illuminated by the occasional orange glow of burning streets, see them face the state’s power. It is a ballet of a different kind: that of stamping police boots, light-footed sneakers on the run and injured human bodies hitting the pavement.

Kutulas’ achievement, and that of his team, is the seamless interplay of these dance and street scenes. The almost wordless narration of the suffering murderess, carried by Theodorakis’ powerful music; Medea’s staged emergence from her terrible past; the viewer’s involuntary involvement in the atrocious present, in this everyday war of the generations set against the splendid façade of the parliament on Syntagma Square …

An audience of 1,200 – mostly young people – had flocked to the film’s premiere at Athens’ Theater Badminton. A rousing success, considering the enforced lack of advertising or public announcements: On express government orders, and a mere week before the film’s release, Recycling Medea’s intended promotional partner – state-owned TV and radio station ERT – had ceased operations. The enthusiastic audience, however, not only celebrated Kutulas and his dancers, but most of all wheelchair-bound Mikis Theodorakis, who had been pushed into the theatre by helpers. Edited into one of the work’s vicious fight scenes, the 53-year-old director lets the 87-year-old composer sigh, “If I was young today, they might also call me a terrorist”.

So, what kind of work is this? A music or ballet film? A political work or a documentary? According to the director, it is all of this and none at all. And yet, its context makes this a political film, first and foremost …
Hansgeorg Hermann, 4 July 2013
Frankfurter Allgemeine Zeitung

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The moral lesson of this epic poetic feature film raised my consciousness from the inside out. This is not art for art’s sake. It is art with a deep compassion for humanity. The pacing is fast and the message clear: the future of our children has been seriously compromised. Kutulas’ film should be viewed by a wide and diverse audience.
Spyros D. Orfanos, Ph.D., 2015
New York University – Psychotherapy & Psychoanalysis

Ballet film Recycling Medea by Asteris Kutulas
Poster draft „Recycling Medea“ (Photo © by Bill Billias)

Recycling Medea blends classical and modern dance with contemporary scenes of young people protesting austerity measures. According to the description of this powerful cinematic experiment, “Greece murders its children by destroying their future” … Spun from the associative and music-led montage of dance scenes and images showing frail and belligerent youths arises a filmic and identity-defining national anthem on contemporary events, retelling the legend against the backdrop of current crises.
Dunja Bialas, 14 November 2013
artechock.de

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Recycling Medea is a stirring and disturbing film about today’s child-murdering society. “To me, the Medea film”, explains Theodorakis, “is a Greek work of art.” A true statement. In the spirit of its Greek origins, it tells – in grand style – of our origins. It is a work about us all.
Junge Welt, 27 June 2013

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Asteris Kutulas’ filmic poem Recycling Medea conjures up consistent, bold and occasionally cryptic associations, narrated from the perspective of lost children. Playing off and with top-class and exquisitely emotional opera sequences, the direction splices the Greek tragedy (431 BC), verse by metaphorical verse, with the current Greek tragedy and its lost generations.

To this end, director Kutulas cuts the antique myth, through impressive camera and editing, into a clash of ‘stage ballet’ and ‘street ballet’, thus creating an entirely different collage and opera-ballet-documentary-art-film …

At the same time, Kutulas’ film not only documents the play, but also focuses on the repeated, occasionally baffling disruptions of Medea’s dance-based tragedy by streets filled with hooded and masked youths, armed police forces and burning cars. The time of innocence is gone. With its multi-layered approach, Recycling Medea illuminates times of resistance, of guilt, of lacking perspectives. Text and image fragments (inspired by Lars von Trier, Pasolini, Carlos Saura, Theo Angelopoulus et. al.) open up new room for thought. The children are dead, the country dying, a gasmask-wearing Theodorakis appears among the protesters; Medea stares up at the bright balcony seats, a masked protester straight at the camera. Art and reality start to mesh.
The epic narrative is underscored by stylistic elements, including the film’s typography: a cartoon font softens the harsh reality of Euripides’ quotes. On a different layer and level, the startling juxtaposition of 15-year-old blond “artlessness” – Bella’s internal monologue – appropriates authentic quotes from Anne Frank’s 1943/44 diary, thus adding contours to a striking yellow press beauty to embody a vision without a future …
With its timeless and encompassing approach, Kutulas’ melancholic epic Recycling Medea subliminally catapults fundamental questions of a parent generation’s guilt all the way into the present.
Karin Schmidt-Feister, 18 January 2014
tanznetz.de

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Provoking opus …

Based on the Medea choreography by Renato Zanella, head of the Athens National Ballet, Asteris Kutulas achieves a harsh contrast: fleet-footed art meets the spontaneous choreography of the streets in the guise of young Greek demonstrators in Athens who tackle a phalanx of law enforcement to vent anger about their stolen future. The visually captivating film leaves plenty of space for the sheer incredible presence and expressiveness of dancer and prima ballerina Maria Kousouni performing the elegiac revenge of a jilted Medea, while the charged and emotional ballet music was composed by Mikis Theodorakis, based on his opera Medea by Euripides …
Plärrer, January 2014

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Asteris Kutulas transforms the crisis gripping his native country into a poetic film that splices adolescent street fights with the ancient legend of child-murderess Medea. Medea twists and dances to Mikis Theodorakis’ music. The mythical figure finds herself caught in a desperate struggle, grappling with the decision to kill her children to punish her unfaithful husband. Cut. Tear gas wafts through the centre of Athens. Young people flinging fire bombs. Police behind shields. Cut. A young, elfish girl on a green meadow. Lost innocence incarnate. Just like the cradle of European civilisation lost its innocence in the ongoing crisis. The current situation in Greece inspired Asteris Kutulas’ imagery … and the result of these experiences is no feature film per se, no ballet film or political flick. Rather, it is a poetic collage, a 76-minute video clip …
Joachim Fahrun, 18 January 2014
Berliner Morgenpost

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… Another film that deserves mention is Asteris Kutulas’ film ”Recycling Medea”. It is a fascinating motion picture adventure, a cinematic canvas that mixes ballet dancing with opera music composed by the iconic Mikis Theodorakis, narration, images of youth protests in the streets of Athens and a character inspired by Anne Frank. Visually stunning and masterfully choreographed by Renato Zanella, the dancing vividly conveys an array of feelings ranging from love, hate, revenge and ultimately Media’s denial of the unbearable crimes she has committed. –
Hollywood Greek Reporter, 24 June 2015

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Medea’s shoulders
… The film shows the Medea ballet set to Mikis Theodorakis’ music and Renato Zanella’s choreography, cut with fight scenes between police and protestors in today’s Greece. The Anne Frank story, too, joins the narrative. The State Academic Orchestra and the St Petersburg Choir play and sing. Theodorakis conducts. It is an overwhelming, a ravishing music. Kutulas shows the dancers applying make-up as well as their choreographies, he reveals how he works with the ensemble and explains his intentions. The music carries the film, propels it into virtual highs and lows. As do, it should be said, the shoulders of prima ballerina Maria Kousouni. Shoulders of incredible strength, militancy and vulnerability; shoulders of great radiance. They symbolise the Medea legend’s dire abyss – and the sheer might passionate women can add to the scales. Something that simply needs to be seen.
Kopkas Tagebuch, Movie Star, 19 January 2014

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Based on the intensely dramatic and exceptionally emphatic opera Medea by composer Mikis Theodorakis as well as Renato Zanelli’s no less expressive ballet choreography, danced by exceptional prima ballerina Maria Kousouni, Asteris Kutulas spins surprising links between the choreographies of stage and street where, on Athens’ Syndagma Square, police and young protesters find themselves embroiled in bitter battle.
Greek News Online, May 26th 2014

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Fascinating Flicks at 9th Los Angeles Greek Film Festival
… Among the high caliber films shown at the festival that made impressions were, Asteris Kutulas’ film ”Recycling Medea,” a fascinating motion picture adventure. Kutulas; cinematic canvas mixes ballet dancing with opera music composed by the iconic Mikis Theodorakis, narration, images of youth protests in the streets of Athens and a character inspired by Anne Frank.  Visually stunning and masterfully choreographed by Renato Zanella,  the dancing  vividly conveys an array of feelings ranging from love, hate, revenge and ultimately Media’s denial of the unbearable crimes she has committed.
The National Herold, New York, June 14, 2015

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Passion, sexual betrayal, conflict, revenge, and infanticide are boiler plate themes for opera. The eminent Greek composer and political activist Mikis Theodorakis premiered his opera Medea in 1991 at Teatro Arriaga in Bilbao, Spain. Theodorakis, now 95 years old and still a radical, emphasizes the humanity of the myth, particularly with the themes of passion, dignity and loss. The last aria of the opera is, in my estimation, one of the most beautiful ever composed. In an earlier 1969 iteration as a song, Theodorakis had called it “The Oracle.”
„Recycling Medea“ is a passionate and poetic cinematic essay. It is a striking visual collage integrating scenes of protest marches, Theodorakis in a gas mask and stomping police boots in the burning streets of modern Athens with the passionate choreography of Renato Zanella. The exquisite prima ballerina Maria Kousouni portrays Medea. She manages to amaze the spectator with her sublime movements and the reach of her limbs. Her movements are immensely more expressive than the libretto. They represent a Medea we pity and fear – a woman and mother who is more than vengeful, she is tender, frightened, loving, heartbroken, mad. The music and the dance combine to both reassure and haunt my dreams. The contradictions in mood are stunning. Mother and society have betrayed the children. They have killed their future, and perhaps ours.
Spyros Orfanos, 7 August 2020
New York University Postdoc Blog

Recycling Medea | A film by Asteris Kutulas | Music by Mikis Theodorakis | Choreography by Renato Zanella | With Maria Kousouni as Medea

Recycling Medea Website

Mikis Theodorakis on „Recycling Medea“

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 19.10.2017 (abends)

Apassionata-Tagebuch von Asteris & Ina Kutulas, Riesa, 19. Oktober, abends

Produktion „Apassionata – Der Traum“

In der Stunde Vier dieses Nachmittags wird eifrig auf und ab gelaufen, während von grünen Hügeln dutzende Krähen aufsteigen, ein Martinshorn weit weg, der Notarzt kommt nicht zu Apassionata. Brennesseln, Malven, Hagebutten und Sonntagskaffeewetter auch heute. Die Hufe der Pferde auf hartem Grund, ein Wiehern, erwidert von einem anderen Wiehern. Hinter dem Zaun einige Kinder, viele Bälle und wenige helle Stimmen, lauter als alles, was aus der Halle zu hören ist – nämlich gar nichts.

Apassionata Tagebuch Riesa 19.10.2017 Asteris Kutulas

Die Halle gehüllt in ein Geheimnis

und vom reinblauen Himmel überwölbt, der keinen einzigen Kratzer sehen lässt. Eine Bank unter einem Baum am Rande der Apassionata-Siedlung. Es soll kalt werden, aber erst in zehn Tagen. Das bedeutet der Aufbruch von Tausenden Kranichen, die sich in der Gegend versammelt hatten und gestern aufflogen. “Wo sind die Kräfte, den dunklen Mächten zu begegnen?” Überall. Die bösen Mächte werden derzeit gebannt von allen Instrumenten, die die vielen Kisten hergeben. Kisten aus Holz und Metall, Körbe und Tüten, Kassetten und Cases und der Spezielle Kleine Kasten, den Wächter1 in seiner Obhut hat, denn nur er weiß, wie der zu öffnen ist. L wie Liebe.

Apassionata Tagebuch Riesa 19.10.2017 Asteris Kutulas

Majestätische Pferde

mit majestätischen Reitern, die über Laute und Zeichen kommunizieren. Zusammen mit dem Luftschiff, dem Apassionata-Erdball und dem Iglu bilden sie eine verschworene Gemeinschaft, in der jeder sich auskennt mit der Weltenrettung. Das Luftschiff verhalten, die Dampfmaschine versammelt einige Crewmitglieder um sich, um auf den Weg gebracht zu werden. Waschmaschinen werden angeschlossen. In der Kostümbildnerei Stecknadeln über Stecknadeln, Glanz, Gloria, dramatisches Feuer der Farben, Glitzer, Glimmer und Glamour.

Apassionata Tagebuch Riesa 19.10.2017 Asteris Kutulas

Woppi, der Beschützer seiner Decke,

ist im Laufe der Jahre zu einem Fachmann für Apassionata-Relevantes geworden. Zwischen seinen Inspektionsgängen ruht er und hebt den Kopf, wenn etwas in seinen Bannkreis gerät, das da nicht hingehört, wie er es weiß, auf seine Weise. Er bellt nicht. Sein neuer Freund hat in der Küche zu tun. Die ersten Tänzer sind eingetroffen. Pferde, vereint mit Ballettkoryphäen und einem großen Publikum. “So steht es im Brief”, sagt der Erzähler. Hier sind die Kräfte, den dunklen Mächten zu begegnen. Stunde Fünf nach Mittag.

Apassionata Tagebuch Riesa 19.10.2017 Asteris Kutulas

Abend, Stunde Sieben.

Hannah harkt im Stall, und weiß, was sie nicht will. Die großen Tiere in den Boxen wissen, was sie wollen. Strohballen, Hände, Sand. “Monk” in der Küche hat die Situation im Griff. Hip Hop bereitet Schumann vor. Aus der Kostümbildnerei wird ein pinkfarbenes Tuch im Henkelkorb durch den Cateringbereich getragen. Es bedeckt das Geheimnis des Tages 9 vor Show-Start. Hyppolytos ist dem griechischen Mythos entkommen und bei Apassionata gelandet. Das Luftschiff hat auch ihm die Einladung zugestellt. Alle Elemente sollen zusammenkommen. Das Goldene Stroh in den Stallungen schimmert. Es liegen Äpfel auf dem Tisch. Ganz einfach.

Text & Photos von © Asteris Kutulas & Ina Kutulas

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 20.10.2017 (abends)

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 19.10.2017

Apassionata-Tagebuch von Asteris & Ina Kutulas, Riesa, 19.10.2017, mittags

Produktion „Apassionata – Der Traum“

Robert Schumann gibt der Stunde Zehn eine elegische Note. Der Reiter versucht, sein Pferd zu wecken. Die Schulglocke gibt das Zeichen.
In der Frühe lagen Nebel über den Feldern und riefen die Serpentinen-Tänzerinnen aus dem Nichts hinein in den beginnenden Tag. Der Apassionata-Erdball begann sich schneller zu drehen, umspielt vom Atemhauch der Pferde, der Reiter, der Tänzer. Der Tag wärmte die Gemüter auf. Die Sonne stieg langsam höher. In Riesa das Licht, in Riesa der Stoff; die Luft, die noch kalt ist, füllt sich mit Geräuschen.
Apassionata Asteris Kutulas
Eine Zeitkapsel wird jeden Tag aus der Böschung der Ereignisse gegraben. Pferde laufen ab und zu im Kreis, als folgten sie einer Uhrenbewegung. Die Uhren müssen hier funktionieren, damit das Träumerische sich verwirklicht, letztendlich und jeden Moment.

Riesa ist keine große Stadt, aber es hat diese große Halle, in der es einige große Augenblicke geben wird. Das Luftschiff in der Schwebe, seine große Geruhsamkeit versorgt das Geschehen. Ein fünftes Element, die Liebe, ist enthalten in den Plänen für Fehler und Pannen. Ohne die Liebe, die sich jeden Tag einmischt in die Planungsabläufe, läuft letztendlich doch nichts.

Jede Nacht geht Wächter1 der Show zum Speziellen Kleinen Kasten, entriegelt die darin enthaltene Box, gibt den Code ein, lässt den Deckel hochschnellen, bewegt den Schieber, bis der graue Knopf mit dem Buchstaben L freiliegt. L steht für Liebe. Wächter1 der Show drückt Punkt 02:55 Uhr diesen Knopf L. Dann ist aller Zwist gelöscht und fort aus der Welt. Rein die Luft. Was laut wurde, wird still. Lavendel und Kamille verströmen ihr Aroma. Alles klingt nach Schuhmann. Zwei, drei Stunden später springt in der Küche der Hip Hop über die Topfdeckel. Dann ist wieder eine Nacht vorbei, die nicht von allen durchschlafen wurde.
Apassionata Asteris Kutulas

Schafgarbe und Berufkraut stehen auf zwanzig Tischen. Hundert Stühle sind noch kalt. Trainierte Reiter, Security, Crew und “The Crusher”. Nicht lange und jeder Stuhl ist heiß geworden und bald schon wieder verlassen. Frühstück dauert nur so lange, wie Essen und Trinken brauchen. Das Kind Hannah erklärt alles mit einem Ei und einer Banane, den Zutaten zum Morgenglück. Die Kaffeemaschine stottert manchmal, dann bekommt sie Bohnen. In der Halle der große granatrote Vorhang, auf den sich ein Lichtkegel gelegt hat. Das Tor öffnet und schließt. Die Vorbereitungen laufen von Zeit zu Zeit in einem eigentümlichen Anachronismus – Handys melden sich, Klingeln und Rufen, Alarmsignale, Warntöne, hektisches Schlagen des Pulses, eingeschlossen in die Natur einer übergeordneten Großen Stille, die all das in sich verwandelt in Genähtes und Gezimmertes, Abgestimmtes und Beantwortetes, in ein alles durchdringendes Ruhebewahren bei voller Aktion.
Apassionata Asteris Kutulas

Aus der diesjährigen Apassionata Story hat sich heute der Indianische Totemgeist herausgelöst, um die Kontrolle zu übernehmen. Stunde Zwei nach Mittag wird ein kleines weißes Pferd mit langer weißer Mähne seine Wege geführt. Das Luftschiff hält sich im Hintergrund.

Es kommt Kerstin, die Pferdeflüsterin, und geht mit drei Tieren über die Sandfläche der Arena nach einem Muster, das geheimen uralten Verabredungen gleichkommt. Ab und zu verständigen sich die Vier, wie Glenn Gould sich mit den Klaviertasten verständigt haben mag. Der Pianist Glenn Gould sang immer wieder mit, wenn er spielte. Das kam in der Musikwelt nicht oft vor. Die Große Freiheit kommt in der Welt auch nicht oft vor. In Riesa beginnt die Große Freiheit in Erscheinung zu treten und sich in den Prozess ihrer diesjährigen Verwirklichung zu begeben. Die Große Freiheit einmal im Jahr für alle. Hannah, das Kind, jetzt neben dem Catwalk, mit seinen Antworten zur Welt.

Apassionata Tagebuch 2017: Text & Photos © Asteris Kutulas & Ina Kutulas

Video Blinks – Ein Konzeptkunst-Projekt (2013-19)

Apassionata-Tagebuch, Riesa, 18.10.2017

Apassionata-Tagebuch von Asteris & Ina Kutulas, Riesa, 18. Oktober, später Nachmittag

Produktion „Apassionata – Der Traum

Alle Tage dieses Wetter – wie im tiefsten Frieden. Sonne. Ein Himmel, der hoch über der Halle steht, blau, mit hingewischten Wolkenstrichen. Drinnen ist die Halle so weit wie draußen der Himmel.Apassionata Tagebuch 18.10.2017 Asteris Kutulas

Aufbau für die Apassionata-Show „Der Traum“. Konstruieren und montieren. Zaubern und verteidigen. Von überall her Geräusche – aus der Küche, aus der Halle die Sprecherstimme, Musik, das Mahlen der Kaffeemaschine im Catering-Bereich, Ventilatoren, Schritte, Teller … Stete Betriebsamkeit. Keine Spur von Nervosität.

Das Apassionata-Schwarz mit dem goldenen Schriftzug darauf. Requisiten wie große Spielzeuge für Königskinder. Der Sand muss vorbereitet werden. Das Portal steht. Ein großer tiefroter Vorhang. „Bolschoi“, sagt jemand im Vorbeigehen. Pracht. Man steht davor und dann zwischen schwarzen Stühlen, Kisten und Körben, und man fühlt sich, als sei man mitten in eine Geschichte geraten, die sich noch nicht verraten will, die aber schon lockt und einen ein bisschen auf die Folter spannt, bevor sie sich erzählen lässt. Als dürfe man noch nicht ins Weihnachtszimmer. Zeit der Vorfreude.

 

Für diejenigen, die hier alles zusammenbringen sollen, ist es vermutlich manches Mal eher die Zeit des Problemelösens. Viele Kisten auf Rollen. Technik-Equipment, Beschriftungen, Besen, ein Helm, Flaschen, Kartons, wechselndes farbiges Licht, blinkende Lampen, Wasserstrahlen … Und weiterhin Hip-Hop-Musik aus der Küche: „Was für eine Zeit! Was für eine Zeit! Was für eine Zeit! Was für eine Zeit!“ Eine schwarze Stopp-Hand bedeutet dort an der Tür, dass dieser Bereich tabu ist. Eine Stimme: „Soooooo … Die letzten Hackbällchen …“Apassionata Tagebuch 18.10.2017 Asteris Kutulas

Dampf, und eine magische Dampfmaschine steht hinten in der Halle noch an der Seite, die die Arena später wohl verzaubern wird. Die ersten Reiter sind eingetroffen. Ein Fahrzeug mit allem, was die Kostüm-Crew braucht, eine Überraschungs-“Kiste“. Ein schwebendes Objekt, das gravitätisch in der Luft hängt, als könnte es das Omen sein für diese Show.

Immer mehr Leute, die zur CREW gehören. Manche sind das erste Mal dabei, andere schon etliche Jahre. Es liegt etwas von einem ganz großen Erlebnis in der Luft, das bereits nach den Leuten greift und sie in seinen Plan einbezieht. Eine spannende Zeit, wenn alles, was bisher anderswo vorbereitet wurde, hier zusammenkommt, wenn aufgebaut wird und davor und dahinter gehängt, gerichtet, verbunden, zum Leuchten gebracht, bereits begleitet von der Geschichte, die jedes Jahr eine andere ist und jedes Jahr andere Bilder entstehen lässt.Apassionata Tagebuch 18.10.2017 Asteris Kutulas

Diese Vorbereitungsphase hat ihre eigene „Natur“, wenn all die Technik eine vermittelnde „Ebene“ bildet: eine Mittlerebene zwischen der Idee für diese Show, den Skizzen, Entwürfen und den Stimmen, Klängen, Farben, Materialien, die später erst dazukommen, eine „Mittlerebene“ zwischen den Rollen, blanken Metallen, geraden Linien und den kräftigen Pferdeleibern, Stimmungen, Anmut, Eleganz, Schönheit, Poesie.

Rationale Berechnungen und Kalkulationen, die jetzt noch präsent sind, sichtbar wie eine Wirbelsäule, ein funktionaler Apparat – aber „irgendwo“ schlägt ein unsichtbares Herz, von dem etwas Anziehendes ausgeht, so dass man vom Geschehen eingefangen und berührt wird.Apassionata Asteris Kutulas

Apassionata Tagebuch 18.10.2017 Asteris Kutulas
Apassionata Proben, Riesa Oktober 2017

Auch die Menschen tragen ihre Geschichten mit sich – in Tätowierungen, Frisuren, in ihren Namen, die ihnen gegeben wurden und die man erfährt, wenn man sich begrüßt, in all den Dingen, die ihre Arbeitsinstrumente sind oder ihre Entwürfe, ihre Pläne.
Viele hier haben schon viel gesehen, manche haben längst so etwas wie ein ganzes Leben gelebt, mit vielen Herausforderungen, mit kritischen Erfahrungen und Erlebnissen, die das Leben veränderten.

Draußen ist es nicht mehr hell. Abendstimmung. Die Musik, die aus der Küche kommt, ist sphärischer geworden. Unterhaltungen an Tischen, Wartezeiten. Jetzt bräuchte nur noch jemand aufkreuzen, der die Windlichter und Lampions verteilt und anzündet. Hier ist aber noch lange nicht Schluss. „Ich mach jetzt weiter“, sagt einer nach dem anderen und verschwindet.

Text & Photos von © Asteris Kutulas & Ina Kutulas

Meine Apassionata-Story, Teil 1 (Riesa-Tagebuch 2018)

Recycling Medea – Photos

Recycling Medea | A film by Asteris Kutulas | Music by Mikis Theodorakis | Choreography by Renato Zanella | Written by Asteris & Ina Kutulas | With Maria Kousouni as Medea 

Bella Oelmann & Nicolaus Kausch during the shootings of „Recycling Medea“, Berlin 2012 (photo © by Ina Kutulas)
Recycling Medea Asteris Kutulas Mikis Theodorakis Maria Kousouni
Maria Kousouni, world premiere of „Recycling Medea“, Badminton Theatre Athens 2013 (photo by © Wassilis Aswestopoulos)
Photos Recycling Medea Asteris Kutulas Remato Zanella
Renato Zanella & Mikis Theodorakis during „Medea“ ballet rehearsal, May 2011 (photo © by Asteris Kutulas)
Recycling Medea Asteris Kutulas Mikis Theodorakis
Asteris Kutulas speech before the screening of „Recycling Medea“ at the Gasteig Munich
Recycling Medea Asteris Kutulas Mikis Theodorakis Tel Aviv Israel
„Recycling Medea“ at the EPOS Israel International Art Film Festival, Tel Aviv 2014 (photo © by Ina Kutulas)
Maria Kousouni rehearsing Medea, Syros 2011 (photo © by Asteris Kutulas)
Recycling Medea Asteris Kutulas Mikis Theodorakis
Asteris Kutulas, Bella Oelmann & Velissarios Kossivakis, press conference Greek cinema premiere of „Recycling Medea“, Athens 2013 (photo © by Mike Geranios)
Recycling Medea Asteris Kutulas Mikis Theodorakis Nikos Tzimas
Film directors Nikos Tzimas & Asteris Kutulas before screening of „Recycling Medea“ at the Goethe-Institute Athens, 2015
Recycling Medea Photos Asteris Kutulas Mikis Theodorakis Renato Zanella
Mikis Theodorakis & Renato Zanella, Athens, May 2011 (photo © by Asteris Kutulas)
World premiere of „Recycling Medea“, Badminton Theatre Athens 2013 (photo by © Wassilis Aswestopoulos)
Recycling Medea Asteris Kutulas Mikis Theodorakis Maria Kousouni
Alexander Kutulas & Maria Kousouni, world premiere of „Recycling Medea“, Badminton Theatre Athens 2013 (photo by © Wassilis Aswestopoulos)
Renato Zanella & Danilo Zeka, world premiere of „Recycling Medea“, Badminton Theatre Athens 2013 (photo by © Wassilis Aswestopoulos)
Recycling Medea Photos Asteris Kutulas Mikis Theodorakis Inna Sewtschenko Femen
Ukrainian FEMEN activist Inna Sewtschenko with Asteris Kutulas during the award ceremony of the Cinema for Peace Most Valuable Documentary Award (for Recycling Medea), Berlin  2014 
Maria Kousouni as Medea, ballet performance 2011, Apollon Theatre Syros (photo © by Stefanos Kyriakopoulos)
Danilo Zeka, Maria Kousouni & Sofia Pintzou, world premiere of „Recycling Medea“, Badminton Theatre Athens 2013 (photo by © Wassilis Aswestopoulos)
Recycling Medea Photos Asteris Kutulas Mikis Theodorakis
Mikis Theodorakis, world premiere of „Recycling Medea“, Badminton Theatre Athens 2013 (photo by © Wassilis Aswestopoulos)
Recycling Medea Photos Asteris Kutulas Mikis Theodorakis
Maria Kousouni & Mikis Theodorakis during the rehearsals of MEDEA ballet, Athens 2011 (photo © by Asteris Kutulas)
Bella Oelmann & Andre Hennicke during the shootings of „Recycling Medea“, Berlin 2012 (photo © by Ina Kutulas)
Recycling Medea Photos Asteris Kutulas Mikis Theodorakis
Danilo Zeka, Maria Kousouni & Mikis Theodorakis during MEDEA ballet rehearsal, Athens 2011 (photo © by Asteris Kutulas)
Recycling Medea Photos Asteris Kutulas André Hennicke
André Hennicke during the shootings of Recycling Medea, Berlin 2012 (photo © by Asteris Kutulas)
Recycling Medea Photos Asteris Kutulas Mikis Theodorakis James Chressanthis
Mikis Theodorakis & cinematographer James Chressanthis in Athens, 2014 (photo © by Asteris Kutulas)

 

During the shootings of „Recycling Medea“, Berlin 2012 (photo © by Klaus Salge)
Recycling Medea Photos Asteris Kutulas Joachim Krol
German actor Joachim Król holding the  Cinema for Peace Most Valuable Documentary Award 2014 for „Recycling Medea“ during the award ceremony (photo © by Asteris Kutulas)
Mike Geranios (DOP), Wassilis Dimitriadis & Asteris Kutulas during the shootings of „Recycling Medea“, Berlin 2012 (photo © by Klaus Salge)
Recycling Medea Photos Asteris Kutulas Alexander Payne Mikis Theodorakis
Mikis Theodorakis & Alexander Payne meeting before private screening of  „Recycling Medea“, Athens 2013 (photo © by Asteris Kutulas)

Recycling Medea | A film by Asteris Kutulas | Music by Mikis Theodorakis | Choreography by Renato Zanella | Written by Asteris & Ina Kutulas | With Maria Kousouni as Medea 

Recycling Medea – Movie Reviews & Statements

Bizarre Städte (1987-1989) – Ein Interview

Bizarre Städte Interview von Elgin Haelmstedt, Haiko Hübner und Stefanie Maach mit Asteris Kutulas

Berlin, 7.6.1999

Stefanie Maach: Sie schreiben in diesem Artikel in „Die Sklaven“, dass Sie die Idee zu BIZARRE STÄDTE mit Johannes Jansen gemeinsam hatten. Für mich ist es schwierig, mir vorzustellen, wie Sie gleich im ersten Band an die sehr renommierten Autoren herangekommen sind, zum Beispiel Heiner Müller und Volker Braun. Waren Sie schon in der „Szene“? Kannten Sie diese Leute schon?

Asteris Kutulas: Ich habe von 1979 bis 1984 Germanistik in Leipzig studiert. Ich hatte also “automatisch” mit verschiedenen Autoren zu tun. Und mit Leuten, die mit der sogenannten Szene in Berührung standen. Wenn man offen dafür war, über den Tellerrand guckte und vor allem das Spannende in dieser doch eingeschlafenen Gesellschaft suchte, kam man unweigerlich mit der “Szene” in Berührung. In Leipzig war ich zudem mit Peter Geist befreundet, durch den ich einige jüngere Autoren kennenlernte. Und verschiedene Leute vom germanistischen Institut machten mich wiederum mit anderen Autoren bekannt. So kam ich mit Johannes Jansen zusammen, aber auch mit Steffen Mensching, Gregor Kunz und Gerd Adloff, mit denen ich viel zusammengearbeitet habe. Mein Germanistik-Studium Anfang der achtziger Jahre hab ich wirklich genossen. Es war eine unglaublich intensive Zeit.

Wichtiger jedoch war, dass ich 1980 begann, mich systematisch mit Nachdichtungen und Übersetzungen aus dem Griechischen zu beschäftigen. So veröffentlichte ich bis Anfang der neunziger Jahre in Verlagen der ehemaligen DDR und BRD insgesamt 35 Bücher von Autoren wie Jannis Ritsos, Giorgos Seferis, Odysseas Elytis, Mikis Theodorakis, Konstantinos Kavafis, Nikos Engonopoulos usw. Da das sehr bekannte und anerkannte griechische Künstler waren, gab es natürlich sofort einen Draht zu verschiedenen DDR-Autoren. So lernte ich Heinz Czechowski, Volker Braun, Paul Wiens, Fritz Rudolf Fries oder Christa Wolf kennen. Diese Nachdichtungen waren wie Visitenkarten. Man merkte, dass da jemand war, der arbeitete. Zweitens war wichtig, was ich übersetzte, welche Texte ich auswählte. Zunächst habe ich mich mit Ritsos und Elytis beschäftigt, später auch mit Seferis. Die Creme der Creme der griechischen Lyrik, immerhin zwei Literaturnobelpreisträger. Ich begann, in “Sinn und Form”, der gewissermaßen elitärsten offiziellen Literaturzeitschrift der DDR, zu veröffentlichen, was ja ein “erlauchter Club” war. Auch daher kannten mich viele Autoren.

Bizarre Städte, Asteris Kutulas
Aus: Bernd Janowski, Es lebe Österreich-Ungarn!, Photo-biografischer Versuch über die Szene, in: Bizarre Städte, Band 1, 1987

Haiko Hübner: Kommen wir gleich zur Öffentlichkeitsdebatte mit Thulin alias Klaus Michael. Sie stellen in der Erwiderung auf seinen Artikel die Frage: „Sind es überhaupt die BIZARREN STÄDTE, für die sich Thulin interessiert?“ Ähnlich ging es uns auch, wir haben uns ziemlich lange damit beschäftigt und irgendwann wurde es für uns immer schwieriger, die Widersprüche zu sehen, die  Klaus Michael den BS vorwirft. Liegt das jetzt daran, dass die ganze Sache zehn Jahre zurückliegt, oder war das damals auch schon so zweitrangig – ob nun Glasnost oder nicht, ob es um eine Autorenzeitschrift geht oder nicht. Wir haben letztendlich den Eindruck, dass Klaus Michael private Ressentiments öffentlich gemacht hat.

Kutulas: Es ging nicht nur um private Ressentiments oder um Konkurrenzkampf. Das alles wäre ja normal gewesen. Es ging darum, dass BS innerhalb dieser Szene aus mehreren Gründen eine gewisse Eigenständigkeit hatte. Das lag in der Entstehung und der Geschichte der BS begründet. Volker Braun sagte damals zu mir: „Du bist der Neger in der DDR.“

Haiko Hübner: Im Sinne von fremd oder außenstehend?

Kutulas: In gewisser Hinsicht. Ich hatte mehrere Privilegien: Erstens besaß ich einen griechischen Pass und konnte reisen. Wie alle aus der „griechischen Kolonie“ in der DDR seit den siebziger Jahren, und das war auch kein Problem für unsere deutschen Freunde. Es gab keinen Neid, weil es nie anders gewesen war. Der andere Vorteil bestand darin, dass ich mit Mikis Theodorakis, dem griechischen Komponisten, seit Anfang der achtziger Jahre befreundet war und viel zusammengearbeitet habe.

Er war ja ein berühmter Mann, was für mich einen gewissen Schutz bedeutete. Dadurch war es schwer – nicht unmöglich, aber schwer -, von Seiten der Stasi an mich heranzukommen. Seit 1981 habe ich, zusammen mit Peter Zacher aus Dresden, für Theodorakis einige wichtige Produktionen in der DDR arrangiert. Seit 1986 organisierte ich für ihn vor allem im Westen Konzerte – von Israel bis Finnland und von Australien bis Kanada und Chile. Ich will damit sagen, dass meine griechische „Mentalität“ und „Daseinsweise“ auch bei meiner Arbeit an den BS sicherlich eine große Rolle spielten.

Zweitens muss betont werden, dass es seit Mitte der achtziger Jahre kaum noch wirkliche Repressionen gegen Literaten in der DDR gegeben hat. Mit einigen Ausnahmen: z.B. Peter Böthig, der ein wichtiger Mann in der damaligen Szene war und den es Ende der achtziger Jahre erwischte. Genauso wie Thomas Haufe in Dresden wurde auch er verhaftet. Diejenigen aber, die massiv unter Repressionen zu leiden hatten, waren die, die die ersten unabhängigen Literaturzeitschriften Anfang der achtziger Jahre herausgaben. Zum Beispiel Uwe Kolbe und viele andere, also die Generation vor uns. Die hatten richtige Probleme – Verhaftungen, Hausdurchsuchungen, berufliche Schwierigkeiten und so weiter.

Für mich war es also 1987 ungefährlicher als für andere, so eine Zeitschrift herauszugeben. Eine Ausweisung aus dem Land hätte die DDR-Staatsmacht natürlich betreiben können. Unter diesem Aspekt fand ich Klaus Michaels Artikel sehr bedenklich. Er lieferte der Stasi – wahrscheinlich ohne es zu Wollen – bestimmte Argumente, gegen den Herausgeber der BS vorzugehen. Wenn man seiner Argumentation bis zur letzten Konsequenz gefolgt wäre (BS als „politische“ und nicht als „inner-literarische“ Angelegenheit zu betrachten), hätte ich eigentlich verhaftet werden können. Das war das einzig Bedenkliche an seinem Artikel. Ansonsten fand und finde ich solche Auseinandersetzungen ganz erfrischend.

Bizarre Städte, Asteris Kutulas
Karsten Nicolai, Grafik zu Bizarre Städte, Band 3, 1988

Stefanie Maach: Klaus Michael schreibt, dass BS eigentlich die Kunst instrumentalisieren würde, dass es gar nicht um Literatur ging.

Kutulas: Das hängt davon ab, ob man Kunst als „Waffe“ oder als „Ästhetik“ ansieht. Für mich ist sie beides, man kann es nicht trennen. Für mich war die Herausgabe der BS in erster Linie ein Ausdruck von Freiheit, neben dem Spaß mit und um die Literatur.

Elgin Haelmstedt: Uns hat nur diese Aggressivität gewundert, mit der Thulin nur Ästhetik einfordert, gerade in dieser politisch aufgeheizten Situation. Das haben wir nicht verstanden.

Kutulas: Ich auch nicht. Aber das war schon der springende Punkt. 1988 kam es zu einer gemeinsamen Vorstellung der BS und der „Ariadnefabrik“ in der Akademie der Wissenschaften. Rainer Schedlinski stellte seine „Ariadnefabrik“ vor und ich die „Bizarren Städte“. Während des Gesprächs sagte Rainer den Satz: „Jede Öffentlichkeit über 100 ist mir suspekt.“ Ich habe sofort erwidert: „Jede Öffentlichkeit unter 100 ist mir suspekt.“ Ich hatte, ohne es zu wissen, ins Schwarze getroffen. Es ist völlig klar, dass die Stasi genau das wollte, denn jede Öffentlichkeit – zumal „innerliterarische“ – unter 100 Personen war noch zu kontrollieren.

Ich meinerseits ging noch weiter und sagte, dass ich, wenn ich könnte, die „Bizarren Städte“ normal veröffentlichen würde. Unausgesprochen stand aber damit der Satz im Raum: Selbstverständlich ohne Zensur. Darin bestand ja die Absurdität des Systems, literarische Texte a priori zu kriminalisieren, um dem Autor anschließend die Möglichkeit zu geben, den Staat vom Gegenteil zu überzeugen. Das war wirklich krank und eine Praxis, die ich schon durch die konkrete Veröffentlichungsweise der BS ablehnte.

Ich habe später mit dem Gedanken, die BS zu offizialisieren, sogar öffentlich gespielt, unabhängig davon, ob ich das gewollt oder gemacht hätte. Wahrscheinlich hätte es mich nicht mehr interessiert. Und realistisch war es ohnehin nicht. Aber ich konnte mir nicht verkneifen, die für die DDR irrwitzige Frage zu stellen: „Worin liegt das Problem, so eine Zeitschrift zu veröffentlichen?“ Und ich bin so weit gegangen, zu behaupten, ich hätte dies dem Kultur-Ministerium und dem Aufbau-Verlag vorgeschlagen. Natürlich hatte ich es keinem vorgeschlagen.

Bizarre Städte, Asteris Kutulas
Interview ersveröffentlicht in: Berliner Hefte zur Geschichte des literarischen Lebens 4/2001, Humboldt-Universität Berlin 2001

Stefanie Maach: Wir hatten gelesen, dass Sie sogar angestrebt hätten, eine offizielle Lizenz zu bekommen. Darüber haben wir uns gewundert: Wie kam er dazu? Welche Motivation stand dahinter?

Kutulas: Das war eine von mir verbreitete Fehl-Information, eine Provokation. Ich erzählte bei einigen Lesungen, dass ich das verschiedenen Verlagen vorgeschlagen hätte. Das ging natürlich gar nicht. Ich habe keinem jemals so etwas vorgeschlagen. Mir machte es Spaß, diese Absurdität ins Extreme zu treiben. Das war ohnehin der Anfangsimpuls, so eine Zeitschrift zu machen: Wieso sollten wir uns von diesem greisen, kleinbürgerlichen Honecker und seiner debilen Mannschaft vorschreiben lassen, was wir zu denken und zu tun hatten? Man sah doch jeden Tag im Fernsehen, dass der Mann nicht mehr richtig denken und sprechen konnte. Es war eine wirklich kaputte Situation. Die BS waren zunächst eine Trotzreaktion auf diesen „literarischen Zustand“ der DDR. Das war der Anfangsimpuls, als Johannes Jansen und ich die Idee zu BS hatten. Natürlich hat es viel Spaß gemacht, mit Künstlern wie Kerstin Hensel, Trak Wendisch, Horst Hussel, Kathrin Schmidt, Bert Papenfuß, Barbara Köhler, Matthias “Baader” Holst, Angela Hampel, Lanzendörfer und anderen zusammenzukommen, über Texte zu sprechen, Aktionen zu veranstalten usw. usf. Dieser Spaß war der eigentliche Grund weiterzumachen.

Haiko Hübner: Spielte diese ganze Diskussion überall eine Rolle, oder war das eher periphär? War das eine Sache zwischen Ihnen und Klaus Michael oder wurde das woanders auch diskutiert?

Kutulas: Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass mich einige Leute nach meiner Erwiderung angesprochen und mir auch Briefe geschrieben haben, in denen sie fragten, warum ich so hart zu Klaus Michael gewesen sei. Ich antwortete, dass das für mich einfach eine Gelegenheit war, mich zu verschiedenen Themen exponiert zu äußern. Aber für einige Leute war die Sache schon ernst. Denn Klaus Michael hat alle in dem Artikel niedergemacht, die mit den BS zu tun hatten. Die Vehemenz, mit der er Olaf Nicolai oder Peter Wawerzinek angegriffen hat, war unbegreiflich. Ich denke, im Kern ging es ihm schon um die „ästhetische Reinheit“, einen „innerliterarischen Zirkel“. Die BS schlugen da quer. Klaus Michael hing ja sehr viel mit den “Ariadnefabrik”- Leuten zusammen.

Die vom Staat hofierte offizielle DDR-Literatur hatte teilweise tatsächlich diese Tendenz, hin zu einer unsäglichen “gesellschaftlichen Poesie”. Daraufhin gab es die begründete Gegenreaktion der jungen Wilden aus dem Prenzlauer Berg, verbunden mit einem Rückzug aus der “Gesellschaft”. Mich interessierte aber diese Ebene nicht. Ich habe in meiner Erwiderung geschrieben, dass BS eine konkrete Zeitschrift mit konkreten Texten sei: z.B. von Heiner Müller, Frank Lanzendörfer, Annett Gröschner, Durs Grünbein, Uwe Kolbe, Adolf Endler, Heinz Czechowski, Christoph Hein usw. Die ganze Argumentation von Klaus Michael wäre zusammengebrochen, wenn er auch nur einen Satz über den Inhalt der BS geschrieben hätte. Er hat aber großzügig vom Inhalt abstrahiert.

Haiko Hübner: Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann hat Klaus Michael unbewusst diese ganze Argumentation übernommen, aber ihn jetzt irgendwie in die Nähe der Stasi zu bringen, wäre falsch. Nur, was stand dahinter? Wie kam er dazu?

Kutulas: Ich glaube, das resultierte einfach aus der damaligen Situation. Auf der einen Seite gab es diese in ihrer Gewichtigkeit ungleichen ästhetischen Gegenpositionen – Strukturalismus gegen Staatsdoktrin –, auf der anderen Seite gab es mehrere inoffizielle Zeitschriften, die sich aber irgendwie ähnelten, eine vergleichbare Ausrichtung hatten. Mein Konzept war offener. Ich fand gut und spannend, was Papenfuß schrieb, und ich mochte Volker Brauns Texte. Volker Braun mochte die Szene nicht. War mir egal – ich veröffentlichte seine Lyrik neben der von Detlef Opitz. Und so weiter. In der „Szene“ gab es dagegen unausgesprochene Verdikte, die mich aber nicht interessierten und an die ich mich nicht hielt. Ich war eben der „Neger“, und „Neger“ sind Sklaven. Sklaven interessieren sich naturgemäß nicht für Verdikte.

Elgin Haelmstedt: Zeigt das nicht auch, dass diese Debatte eine wichtige Rolle gespielt hat?

Kutulas: Ich kann das nicht bestätigen. Ich weiß es einfach nicht. Wenn Sie aber bestimmte Texte aus jener Zeit von Jan Faktor lesen, der u.a. auch in den BS veröffentlichte, dann werden Sie feststellen, daß er einige kritische und selbst-kritische Verweise zu dieser Szene-Weltanschauung und zur „Ariadnefabrik“ machte, die gewisse Parallelen zu meinem Standpunkt aufweisen.

Ich habe damals, obwohl ich die ganze Soße in den meisten anderen Zeitschriften als schrecklich empfand, keine Kritik an diesen geübt, weil ich die fragile Freiheit in der Szene nicht durch solche Debatten, obwohl sie schön gewesen wären, gefährden wollte. Wichtiger als jede kritische Betrachtung war, dass sie existierten. Wirkliche Kritik kann man ohnehin nur unter meinungsfreiheitlichen Voraussetzungen üben, die allerdings damals nicht bestanden.

Asteris Kutulas Bizarre Städte
Zeichnung von Erika Stürmer-Alex zu Bizarre Städte, Band 2, 1988 (Plakat für die Premiere von Band 3 am 26.3.1988 in der Akademie der Künste)

Haiko Hübner: Kann man im Prinzip für die „BS“ eine Außenseiterrolle annehmen, oder gibt es Parallelen zu einer anderen Zeitschrift?

Kutulas: Von der Herausgeberphilosophie, der Offenheit und von der Struktur her gab es meiner Meinung nach keine vergleichbare.

Stefanie Maach: Gab es für Sie ein gewisses Gemeinschaftsgefühl in der Szene?

Kutulas: Ich gehörte nicht zur Szene. Was ich aber an der “Prenzl-Szene” gut fand, war, dass es sie gab. Für viele Leute in der DDR war deren Existenz wichtig. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Berliner Szene auch auf andere Städte ausgestrahlt hat, so dass man auch in Leipzig, Jena, Dresden, Karl-Marx-Stadt usw. eine alternative Lebenshaltung finden konnte. Egal, ob ein paar Leute in der Stasi waren oder nicht – das spielte ja keine Rolle für die vielen, die drum herum waren. Und wenn die Stasi-Leute durch ihre Existenz die Szene ermöglicht haben, dann danke ihnen Gott, weil es vielleicht ohne sie die Szene gar nicht gegeben hätte. Die Szene hatte diese anarchische Substanz in sich – das fand ich sehr wichtig. Für Anarchisten war ja die DDR in gewisser Hinsicht ein Paradies, weil Geld keine Rolle spielte, es hatte keinen Wert. In diesem Land begannen die Probleme, wenn man anfing zu denken, wenn man die Zeitung aufschlug oder sich die „Aktuelle Kamera“ ansah.

Asteris Kutulas Bizarre Städte

Elgin Haelmstedt: Kann man die literarische Szene, ähnlich wie die kirchliche, als Nische in der sozialistischen Gesellschaft sehen?

Kutulas: Es gab viele Individualisten, die aufgrund ihrer Biographien zu einer unabhängigen Lebenshaltung gekommen waren. Ich habe viele solcher Leute gekannt. In Berlin gab es tatsächlich noch Nischen, wo es pulsierte. Und wenn es z.B. in Dresden nicht diese zehn, zwanzig Leute gegeben hätte, hätte man dort nicht leben können.

Stefanie Maach: Sie meinen, dass der Impuls aus Berlin kam und auf andere Städte wirkte?

Kutulas: Es strahlte natürlich aus, denn erstens kamen ja viele aus den verschiedenen Städten nach Berlin und „sendeten“ das, was sie in Berlin an Impulsen erfuhren, wieder in ihre Städte zurück. Zum anderen trugen Leute, die aus der Berliner Szene kamen, Ideen in andere Städte weiter.

Elgin Haelmstedt: In dem „Sklaven“- Artikel haben Sie noch einmal ganz deutlich geschrieben, dass die Arbeit an den „BS“ für die eigene Kreativität überlebenswichtig war. War es auch für das Bleiben in der DDR wichtig?

Kutulas: Ja. Es war so, dass Ina und ich Anfang 1989 beschlossen hatten, auszureisen. Wir sind aber dann im Zuge des Mauerfalls doch geblieben. Die Wende hat unseren Umzug nach Athen um zwei Jahre nach hinten verschoben. 1991 sind wir nach Griechenland gezogen. Es gab zwar nicht mehr den Grund zum Weggehen, aber wir hatten uns irgendwie schon gelöst. Für mich war es auch kein Problem mehr, weil ich kaum noch in der DDR war. 1987 hatte ich das Management von Theodorakis übernommen und war jedes Jahr mindestens vier Monate unterwegs.

Bizarre Städte, Asteris Kutulas, Harald Gallasch
Originalsiebdruck von Harald Gallasch in Bizarre Städte, Sonderheft 2, 1988

Stefanie Maach: In dem „Sklaven“-Artikel haben Sie geschrieben: “Ich schreibe das alles, um zu zeigen, innerhalb welcher Koordinatensysteme und Reviere tollwütiger Hunde solche relativ harmlosen – ich meine das ohne jede Koketterie – Projekte wie die BIZARREN STÄDTE entstanden sind.”

Asteris Kutulas: Relativ harmlos in dem Sinne, dass es nicht mit sehr großen Gefahren verbunden war. Nicht so harmlos wäre es gewesen, wenn ich wie verschiedene andere Leute vielleicht mein Leben oder doch zumindest meine Lebenssituation aufs Spiel gesetzt hätte – das war ja nicht so. Obwohl im Nachhinein … ich weiß nicht, keine Ahnung.

Haiko Hübner: Wer gehörte bei den „BS“ außer Ihnen zu den Mitarbeitern? Oft stehen nur Abkürzungen drin. Da konnten wir nur vermuten, um wen es sich handelt. Nur Gerd Adloff war bei einem der Bände ausdrücklich als Mitherausgeber aufgeführt.

Asteris Kutulas: Das geschah in einigen Fällen zum Schutz. Ganz wichtig war Ina Kutulas, sie hatte die gesamte Redaktion und die Sekretariatsarbeit übernommen. Dann war Uwe Gössler, der einige Bände betreute, ein wichtiger Mitarbeiter. Die Dresden-Bände sind von Gregor Kunz und Thomas Haufe mitherausgegeben worden. Johannes Jansen hat einige Autoren für die BS gewonnen, die ich nicht kannte. Eine ähnlich konstruktive Rolle spielten auch Gottfried Bräunling, Harald Müller, Matthias Flügge und Gerd Adloff. Xenia Trost war unsere Buchbinderin und damit eine wichtige Partnerin. Und dann gab es noch viele andere, wie zum Beispiel Trak Wendisch oder Lothar Trolle, die bei der Entstehung der BS entscheidende inspirierende Impulse gaben.

Haiko Hübner: Und die Exemplare gingen an die, die daran beteiligt waren?

Asteris Kutulas: Es blieben kaum noch Exemplare übrig. Diese verkauften wir. Für ca. fünfzig DDR-Mark. Damit haben wir die Kosten gedeckt. Es gab im Westen noch zwei Bibliotheken, die haben die ganze Reihe gekauft. Die Staatsbibliothek hat später einige Rest-Exemplare erworben. Wolfenbüttel auch. Das Literatur-Archiv in Marbach müsste eine vollständige BS-Reihe haben.

Elgin Haelmstedt: Herr Kutulas, wir bedanken uns für dieses Gespräch.

Das ganze Gespräch mit Asteris Kutulas von Elgin Haelmstedt, Haiko Hübner und Stefanie Maach mit Asteris Kutulas abgedruckt in: Berliner Hefte zur Geschichte des literarischen Lebens 4/2001, Humboldt-Universität Berlin 2001

Bizarre Städte, Asteris Kutulas, Horst Hussel
Originalzeichnung von Horst Hussel zu Bizarre Städte, Band 1, 1987

Gert Hof: Regisseur, Lichtarchitekt, Künstler

On the road with Gert Hof (Tagebuchblätter 1999 bis 2006)

Gert Hof auf der Akropolis, fotografiert von Asteris Kutulas
Dimitris Koutoulas, Periklis Koukos, Gert Hof auf der Akropolis, 1999 – Photo © Asteris Kutulas

Gert Hof – 1998

Als ich Gert 1998 bei einem Theodorakis-Projekt in Berlin kennenlernte, schien er mir irgendwie abgehoben und gleichermaßen bodenständig, arrogant, ein Arbeiter vor dem Herrn, unfreundlich, einnehmend, sehr konkret in seinen Vorstellungen, divenhaft, genialisch.

Mich beeindruckten jedenfalls seine unachahmliche Art und seine konsequenten Denkstrukturen, und wir beschlossen, weiter zusammenzuarbeiten. Gert entpuppte sich als Kontrollfreak, als Seismograph für menschliche Verhaltensmuster. Egal, ob es um Verhandlungen mit unseren verschiedenen Partnern ging oder um die Planung eines nächsten Events – er lehrte mich, das Panoptikum menschlicher Unzulänglichkeiten klar zu erkennen. Seine bohrenden und gnadenlosen Fragen über jedes Detail, sein Analytiker-Hirn, brachten nach kürzester Zeit die wahren Fähigkeiten – und vor allem die Unfähigkeiten – vieler unserer Partner zutage. Ich hasste ihn für diese offenbarende Art, gewöhnte mich aber schnell daran, mich in der Arbeit einsam zu fühlen.

Die Luft in der Liga, in der wir zu arbeiten begannen, das merkte ich bald, war sehr dünn. Ich musste, durch Gert dazu getrieben, viele Entscheidungen treffen, die mein Leben veränderten. In den ersten Monaten unserer Zusammenarbeit dachte ich oft, Gert sei größenwahnsinnig, bis ich mich seinem Größenwahn anschloss. Ab da betrachtete ich unsere Projekte nicht nur als Produzent und Manager, sondern auch – und vor allem – als Künstler, so dass auch meine eigene Ästhetik tief von dieser Zusammenarbeit geprägt wurde. 

Gert Hof – Regisseur Lichtarchitekt

Gert hatte mir, gleich als wir uns kennenlernten, sein Konzept einer gigantischen Lichtschow erläutert. Ich begriff, dass tatsächlich weltweit noch keine Eventform existierte – außer der des Feuerwerks –, die von Hunderttausenden oder gar Millionen live miterlebt werden konnte. Es gab zwar Mega-Konzerte, bei denen Laser und Licht eingesetzt wurden, aber keine Show, die die Möglichkeit bot, eine ganze Stadt einzubeziehen und zu entertainen. Monate später, nach unseren Events in Berlin, Athen, Budapest, Ferropolis und Peking, konnten dann alle, die das erlebt hatten, feststellen, dass selbst die größten Musikshows winzig wirkten im Vergleich zu dem, was wir inzwischen realisiert hatten.

Gert Hof in New York, fotografiert von Asteris Kutulas
Mit Gert Hof in New York, 2000 – Photo © Asteris Kutulas

Und ich erkannte, dass nicht das gewaltige Equipment diese Shows so außerordentlich machte, sondern der Umstand, dass wir es hier mit einer INSZENIERUNG zu tun hatten, die mehrere Elemente (u.a. Musik, Pyrotechnik, Neonarchitektur, Feuerwerk, Licht, Heliumballons, Statisten) vereinte. Viel wichtiger als die Hardware waren also das kreative Potenzial im migränegeplagten Kopflabor von Gert, seine 25jährige Theater-Erfahrung, seine über 20jährige Arbeit im Musik- und Filmgeschäft, seine architektonischen Visionen.

Mario Adorf und Gert Hof, fotografiert von Asteris Kutulas
Mit Mario Adorf und Gert Hof, 2008 – Photo © Asteris Kutulas

Denn es gab in der vor-hofschen Ära keine ausgeprägte „Ästhetik des Lichts“ – jedenfalls nicht in dieser Dimension und schon gar nicht im Outdoor-Event-Bereich –, vor 1999 interessierte sich keiner für dieses Phänomen, außer in Gesprächen über Dritte-Reich-Symbolik. Das „Licht“ führte ein Nischendasein. Gert hat es davon befreit, er befreite es auch aus der speerschen-nationalsozialistischen Umarmung, er machte es „hof“fähig für die moderne Kunst, fürs Entertainment, verlieh ihm die visionäre Kraft einer „Architektur am Himmel“, er schuf in gewisser Weise ein neues Kunstgenre, und er brachte es in die Feuilletons. Das ist vielleicht Gerts größtes Verdienst – er hat den Weg frei gemacht.

Well done, my friend, well done …

© Asteris Kutulas, 2012

Nacht

Gert liebt Architekturbücher, Thüringer Bratwurst, Musikhören, Kaffeetrinken, deutsche Lyrik, Zigarettenrauchen, Formel-1-Rennen, durchgeknallte Freaks und guten Kuchen. Vor allem mit gutem Kuchen kann man bei ihm viel erreichen. 

Gert Hof mag keine Partys, keine Geflügelgerichte, keine leeren Versprechen, kein Mittelmaß.

Gert Hof ist ein unglücklicher, sehr einsamer Mensch. Ein liebevoller Zyniker. Ein Eremit, sich und alle anderen um sich herum treibend. Er hat einst die Nacht geschaut und ist seitdem auf der Flucht vor ihr.

Rammstein

Die Band Rammstein gehört zu Gert wie der Ouzo zu den Griechen. Was für ein Name auch: rammstein – der hätte übrigens eine Idee von Gert sein können, der nicht nur Wassertrinker ist, sondern auch ein Schöpfer von Worten, gemacht mit Hammer und Amboss.

Die Farbe Schwarz

Gert liebt schwarze Sachen. Er geht immer in Schwarz. Vielleicht steht ihm ja auch keine andere Farbe. Unsere chinesischen Partner schenkten ihm in Peking einen grünen Militärmantel, damit er bei minus 20 Grad nicht friert. Er liebte diesen Mantel, fand aber dessen grüne Farbe unerträglich. Der Versuch, ihn schwarz zu färben, schlug fehl. Der Mantel war nicht mehr zu gebrauchen und musste entsorgt werden. Große Trauer bei Gert.

Obsessionen

Gert Hof ist ein exzessiver (manchmal gnadenloser) Mensch – nicht nur in seiner Lebenshaltung, sondern auch in seinem Denken. Er braucht „Verrückte“ um sich herum, anders funktioniert unser ganzes Experiment nicht. Kaum bekannt ist sein Engagement für den Schutz von vom Aussterben bedrohten Tieren.

Gert Hof, fotografiert von Asteris Kutulas
Mit Gert Hof in Antholz (Alpen), 2005 – Photo © Asteris Kutulas

Washington Holocaust Museum

November 1999. Im Washingtoner Holocaust Museum soll Gert für die „Mauthausen-Kantate“ von Mikis Theodorakis, gesungen von Maria Farantouri, Licht und Bühne machen. Eine Benefiz-Veranstaltung. Die Möglichkeiten vor Ort sind spärlich. Er bittet mich, 100 große Kerzen zu besorgen – für die Seelen der Ermordeten, sagt er. Gert ordnet sie auf der Bühne. Das Konzert findet in dieser Atmosphäre statt, wie in einem Kirchenschiff. Ein Requiem für die Opfer des Nationalsozialismus.

Spurensicherung in Auschwitz

Februar 2000. Wir besuchen das Konzentrationslager Auschwitz in Polen. Christoph Heubner, ein guter Freund und ein wunderbarer Lyriker, der das deutsch-polnische Jugendforum Auschwitz leitet, zeigt uns die Gedenkstätte. Durch seine detaillierten und kenntnisreichen Berichte geht uns das Ganze sehr unter die Haut. Gert ist besessen von der Idee, in Auschwitz-Birkenau einen Memorial-Event zu machen. Für ihn eine Art Lebensaufgabe. In einem Brief an das Auschwitz-Komitee schreibt er: „Es ist von eminenter Bedeutung für die Gegenwart und die kommenden Generationen, die Erinnerung an das Konzentrationslager Auschwitz als Synonym für das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit geographisch zu lokalisieren und die materiellen stummen Zeugen jener Zeit visuell identifizierbar zu machen. Das Konzentrationslager Auschwitz – die Todesstätte von Millionen unschuldiger Opfer vieler Nationalitäten, von denen 90% Juden waren – verlangt nach einem außergewöhnlichen Signal …“ Gert fängt an, Ideen zu entwickeln. Er wählt die „Mauthausen Kantate“ von Mikis Theodorakis als Musik zu seinem Konzept. Grundlage für die ästhetische Umsetzung einer Installation in Birkenau müsse die Wahrung der Würde der Opfer und ihrer Hinterbliebenen sein. Er nennt seinen ersten Konzeptentwurf „Nie wieder Auschwitz!“ und spricht von einer „Spurensicherung“. 

Die Metamorphosen des Dionysos

Dezember 2000. Gert inszeniert die Theodorakis-Oper „Die Metamorphosen des Dionysos“ am Griechischen Nationaltheater. Es geht um den letzten Tag im Leben des Dichters Kostas Karyotakis, der sich umbrachte. Die Szenen der Oper sind surreale Zeiteindrücke, historische Verkürzungen und schonungslose Abrechnungen. Der Schmerz bricht immer wieder durch, die Bilder werden schief, überzeichnet, revuehaft grotesk. Gert kommt nach Athen und weiß vom ersten Augenblick an, wie die Oper abzulaufen hat. Er ist in die Musik verliebt und hält obsessiv an seinem Konzept fest. Er schafft schnelle Abläufe, spannende Bilder, spielfilmhaft, ganz anders als bei herkömmlichen Opern-Aufführungen.

Die Stille von Auschwitz

Februar 2003. Wir reden mit der Museumsleitung und dem Internationalen Auschwitz-Komitee. Beide sind von der Idee Gerts angetan. Wir wissen, dass noch niemals in Auschwitz-Birkenau irgendeine Veranstaltung stattfinden durfte und es ein politisch brisantes Unterfangen ist. Nun liegt die Entscheidung bei der polnischen Regierung.

Gert schreibt in seinem Konzeptentwurf, dass das Medium Licht im Konzentrationslager Auschwitz eine besondere Rolle spielte. Der Suchscheinwerfer, Todesinstrumentarium der SS, diente zur Eingrenzung des Lagers, zur Bewachung und zur Verfolgung flüchtender Häftlinge. Der Flüchtende, der von einem Suchscheinwerfer aus der Nacht gemeißelt wurde, war dem Tod anheim gegeben. Gert will mit 200 Großraumscheinwerfern diese Bedrohung und den Terror visualisieren und nachempfinden lassen, denn die menschliche Sprache sei zu arm, um das Grauen zu beschreiben, dem die Opfer ausgesetzt waren. Also müssen assoziierende Metaphern geschaffen werden. Er spricht von der Stille als einem wesentlichen Bestandteil der Dramaturgie. Gert möchte außergewöhnliche, emotionale und eindringliche Metaphern zum Gedenken an den Holocaust erschaffen – als Mahnung gegen jegliche Art von Faschismus, heute und morgen, allerdings Bilder, die in Verbindung mit der Musik vor allem Jugendliche ansprechen. 

Yad Vashem, Gert Hof, Asteris Kutulas
With Gert Hof in Yad Vashem (photo © by Asteris Kutulas)

Zypern & die Öffnung der Mauer

Juli 2003. In Zypern fällt die „Mauer“, die Grenze zwischen Zypern und dem türkisch-besetzten Nord-Zypern wird nach 30 Jahren wieder geöffnet. Zülfü Livaneli, der bedeutendste türkische Komponist und Liedermacher, und Maria Farantouri aus Griechenland geben an der „grünen Linie“ ein Benefiz-Konzert, mit dem dieser historische Moment gefeiert werden soll. Gert bekommt eine Einladung, das Bühnen- und Lichtdesign zu machen. Wir fliegen sofort nach Zypern, und Gert arbeitet Tag und Nacht. Die Techniker vor Ort sind zunächst überfordert mit dem Know-how und dem künstlerischen Anspruch, den es für Gert durchzusetzen gilt. Stundenlang erklärt er den Leuten wieder und wieder geduldig, worauf es ankommt. Ich erlebe die Leute dann euphorisiert. Das Konzert wird zu einem unglaublichen Erlebnis. Griechen und Türken vereint. Wie in einem Traum.

Das Lichtschloss

Mai 2004. Eine Bekannte fragt Gert, ob er sich vorstellen könnte, eine Inszenierung am Schloss Ludwig II. in Bayern zu machen. Wir fahren hin und sehen uns die Landschaft an. Gert beginnt sofort, Ideen zu entwickeln. Ein „Lichtschloss“ soll über dem Forggensee und Neuschwanstein entstehen und letzteres über einen Lichtbogen mit dem neuen Musicaltheater verbinden. Die Devise ist: Natur, Romantik, Faszination. Ein Denkmal für König Ludwig II. und Richard Wagner. Gert denkt an den „Ring der Nibelungen“; ihm gehen assoziative Bilder durch den Kopf: „Die Lichtburg des Parzival“ oder „Der Lichtschwan des Lohengrin“ oder „Das Gralswunder aus Licht und Feuer“. Einer unserer Zukunft-Projekte.

Motörhead

November 2004. Phillipshalle Düsseldorf. Gert macht Licht- und Stagedesign für Motörhead. Das Ganze wird aufgezeichnet und soll nächstes Jahr auf DVD erscheinen. Diese Band ist ein Naturereignis. Mörderisch laut, ungeschminkt, krachig, straight. Gert fühlt sich „zu Hause“. Lammy, nach dem Konzert mit einem nassen Handtuch über der Schulter, scheint glücklich zu sein.

Motörhead, produced by Asteris Kutulas
Motörhead Stage Fright concert, directed by Gert Hof (photo © by Ralph Larmann)

1.200 Jahre Magdeburg & die Musik

Januar 2005. Mitten in den Vorbereitungen des Events zur 1.200-Jahr-Feier von Magdeburg erfahren wir, dass wir aus Budget-Gründen auf Licht-Equipment ganz verzichten müssen. Jetzt ist wenigstens Klarheit geschaffen. „Ich komme nicht weiter, ich verbrenne“, hatte mir Gert einige Tage zuvor gesagt – das Schlimmste für ihn: wenn mitten in der Arbeit Entscheidungsprozesse stocken. Er entschließt sich, einen reinen Feuerwerks-Event zu machen, aber mit seinen ästhetischen Kriterien. „Ich werde ein ganz anderes Feuerwerk hervorzaubern“, sagt er. „Denn ich bin ja kein Feuerwerker …“ Er hört sich tagelang Musik an, Gesualdo, Hildegard von Bingen, Telemann, Vivaldi, Puccini, Carl Orff und Hanns Eisler. Er würde gern einen Ausschnitt aus Eislers „Kuhle-Wampe-Suite“ von 1928 nehmen, aber die Verantwortlichen wollen keine Ostalgie-Diskussion haben. Überhaupt, die richtige Musik finden: für die eigene Inspiration, für die Menschen – damit ihr Herz berührt wird –, für die Show, die Auftraggeber. Aber eigentlich doch nur für die Menschen. Einer der wichtigsten Momente in der Entstehungsphase seiner Events. „Die Musik ist die Mutter“, sagt er immer.

Indien & Taj Mahal

September 2005. Ein heiß-schwüles Neu-Delhi. Gert ist Gastredner beim Kongress der indischen Lichtdesigner. Der stellvertretende indische Tourismusminister stellt ihn vor, dann spricht Gert. Das Publikum ist begeistert, hängt regelrecht an seinen Lippen. Wir werden am nächsten Tag von der Regierung nach Taj Mahal eingeladen. Eine übersinnliche Schönheit, eine geheimnisvolle Energie geht von diesem Bau aus. Das ist was für mich, sagt Gert, hier will ich was machen. Ein weiterer Plan für die Zukunft.

Udo Lindenberg fotografiert von Asteris Kutulas
Mit Udo Lindenberg und Gert Hof, Hamburg 2005 – Photo © Asteris Kutulas

Udo Lindenberg

Februar 2006. Wieder eine Begegnung mit Udo Lindenberg und Gert, der UFOnaut und der Lichtpapst. Ich frage mich: Warum hat es das nicht eher gegeben? Warum musste Linde seinen 60.Geburtstag abwarten, um sich mit dem Schwarzen Mann zu vereinen? Jetzt jedenfalls, haben sie sich gefunden und werden die Welt verändern.

© Asteris Kutulas, 2006

Gert Hof Regisseur – Lichtarchitekt: Brief an Gert Hof

Leasing the Sky | Mega & Special Events | Directed by Gert Hof & Produced by Asteris Kutulas

Phänomen Mikis Theodorakis

Ein musikalischer Anarchist

Mikis Theodorakis, der Komponist, der Weltbürger, der kompromisslose Demokrat war Zeit seines Lebens ein Vollblutmusiker, der unaufhörlich komponierte, dirigierte, produzierte – Songs und Sinfonien, Ballette und Opern, Filmmusiken und Kammermusik. Sein musikalisches Schaffen und sein gesellschaftliches Engagement führten häufig zu extremen Gegenpositionen, er selbst galt stets als gedanklicher Extremist. Für die Linken ein Rechter, für die Rechten ein Linker. Für akademische Musikkritiker ein Popmusiker, für die Popmusiker ein klassischer Komponist. Er richtete sich auf keinem dieser Plätze ein.

Er war und blieb ein Anarchiker. Ein weltoffener Geist, mit einem minutiösen Gedächtnis, rhetorisch versiert, gebildet, sensibel, voller Humor, umgeben von einer pulsierenden Aura, äußerst diszipliniert, ein begnadeter Geschichtenerzähler, sehr ernsthaft, spontan, lesehungrig – „ein deutscher Komponist, der im Raum der Ägäis geboren wurde“, wie er selbst sagt, „und ein kretischer Liedermacher, der in Paris gelebt hat“.

Eine Umfrage außerhalb Griechenlands ergab, dass Theodorakis Ende der 1980er Jahre der berühmteste Grieche im Ausland war. Er hat weltweit mehr als 70 Millionen Platten und CDs – mit „griechischer Musik“ – verkauft. In Griechenland selbst kennt ihn jedes Kind. Für die Griechen ist er „Mikis“. Sie haben ihn geliebt und gehasst, ihn gehört und ihn verboten. Er musste mehrmals ins Gefängnis, und er wurde weltweit gefeiert. Für viele war/ist er der Inbegriff Griechenlands. 

Die Gründe, die Ursachen für dieses einmalige Phänomen Mikis Theodorakis sind für Nicht-Griechen wahrscheinlich kaum nachvollziehbar. Es entstand, als Theodorakis ab 1960 die hohe Dichtung seines Landes (Elytis, Ritsos, Seferis, Gatsos etc.) „in den Blutkreislauf der breiten Masse einzuspeisen begann“. Der Brite Ron Hall brachte es wie folgt auf den Punkt: „Es war, als hätte Benjamin Britten Verse von Auden vertont, und die Platte, besungen vom Erzbischof von Canterbury, hätte die Beatles aus den Hitlisten verdrängt“. Oder, um das für Deutschland zu übersetzen: Man stelle sich vor, Hans Werner Henze würde Gedichte von Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Erich Fried und Hans Magnus Enzensberger vertonen und die damit veröffentlichten Platten, besungen von Hermann van Veen oder Konstantin Wecker, würden sich fünf Jahre lang durchschnittlich 12 Millionen mal verkaufen. Genau das geschah mit Theodorakis’ Liedkompositionen in Griechenland zwischen 1961 und 1966.

Musik und Lyrik

Allein die Single von „Am Strand“ (mit dem gleichnamigen Text von George Seferis) verkaufte sich 1964 mehr als 400.000 mal, bei einer Bevölkerungszahl von damals 7 Millionen Griechen. 1963 bekam George Seferis den Literatur-Nobelpreis – auch für den Zyklus, den Theodorakis bereits 1961 vertont hatte. Und für das Werk „Axion Esti“, auf dessen Grundlage Theodorakis 1960 sein gleichnamiges Oratorium komponierte, wurde Odysseas Elytis 1979 der Literatur-Nobelpreis verliehen. Es gibt selbst heute kaum einen Griechen, der diese Lieder nicht kennen und singen könnte, der also nicht durch Theodorakis‘ Musik die „hohe Dichtung“ inhaliert hätte.

Musik und Freiheit

Der zweite Grund für die Existenz des Phänomens Mikis Theodorakis, eng verzahnt mit dem eben beschriebenen, bestand im kulturpolitischen Impetus, den seine Musik umgab. Theodorakis verband Anfang der sechziger Jahre seine Kunst sehr bewusst mit einem emanzipatorischen Anspruch: mit dem Gedanken an die Freiheit des Individuums. Im monarchistischen und polizeistaatlich geführten Griechenland zu Beginn der sechziger Jahre entwickelte diese Kombination von Dichtung, Musik und individuellem Freiheitsanspruch eine unglaubliche Dynamik. Und es verwundert nicht, dass viele seiner Lieder damals nicht nur vom Staatlichen Rundfunk – wegen „Aufhetzung gegen die herrschende Ordnung“ (gemeint waren Liebeslieder) – verboten, sondern auch von der kommunistischen Linken stark kritisiert und zum Teil unter Verdikt gestellt wurden (wie die Revue „Lied des toten Bruders“).

Mikis Theodorakis Komponist von Asteris Kutulas
Maria Callas & Mikis (Photo © by Asteris Kutulas)

Sinfonik und Kunst

Dabei beschäftigte sich Theodorakis bis 1960 ausschließlich mit der sogenannten ernsten Musik. Seine Ballette, Klaviersonaten und sinfonischen Werke wurden in London, Paris, Rom, Athen und Stuttgart etc. aufgeführt. Er hatte bei Olivier Messiaen sein Zusatzstudium absolviert und erhielt für sein sinfonisches Schaffen Ende der fünfziger Jahre von Kollegen wie Kodály, Casals, Eisler, Schostakowitch und Milhaud eine Reihe von hochdotierten Preisen und Ehrungen. Das Ballett „Antigone“ (1959) wurde in der Choreographie von John Cranko vom Royal Ballet mehr als 150 mal in Covent Garden aufgeführt.

Der Bruch von 1960

Theodorakis‘ Rückkehr nach Griechenland 1960 und seine Besinnung auf das Lied geschahen aus der Erkenntnis heraus, dass er zu seinen Landsleuten gehörte – zu ihnen, mit denen zusammen er Anfang der vierziger Jahre gegen die Deutschen und Italiener gekämpft, mit denen er den Bürgerkrieg durchlitten und die schweren Jahre nach 1950 durchgemacht hatte. Diese „unterirdische“ – biografisch-seelische – Verbundenheit mit seinen Landsleuten war für ihn die Basis, um seine Kunst-Lieder (die wie „Volkslieder“ funktionierten) schreiben zu können und sie den Menschen zu geben.

Theodorakis „musste“ 1960 das akademische London und das mondäne Paris verlassen, und er musste sich mit dem „Bouzouki“ die Hände dreckig machen. Er tat es für sich und seine Landsleute, die ihn dafür umjubelt und gleichzeitig verdammt haben. Und nach weiteren 20 Jahren Beschäftigung mit dem Lied und seiner „Metasinfonik“, kehrte er 1980 nach Paris zurück, komponierte bis 2001 seine großen Sinfonien und schuf mit seinen Opern „Medea“, „Antigone“ und „Elektra“ eine „neugriechische Opernform“, die er „lyrische Tragödie“ nannte. Theodorakis hat uns Griechen einfach „zu viel“ gegeben, und wir tun uns schwer damit, ihm das jemals zu verzeihen.

© Asteris Kutulas, 2010/2017 | Cover photo of Mikis Theodorakis © by Privatier/Asti Music

(Mehr Informationen und Musik im Buch „Mikis Theodorakis – Ein Leben in Bildern“ bei Amazon.)

Dance Fight Love Die – The Satellite Clips

Dance Fight Love Die – With Mikis on the Road: The Satellite Clips (Trailer)

The Satellite Clips from the Unused Material of the film DANCE FIGHT LOVE DIE.

The Satellite Clips: ASTERIS (Kreuzgymnasium Dresden)
With the classmates of the Kreuzschule by Asteris Kutulas

The Satellite Clips: MAYDAY MIKIS (Dimitris)
With Mikis Theodorakis, Rainer Kirchmann, Maria Farantouri by Dimitris Argyriou

The Satellite Clips: MELENTINI
With Melentini & Mikis Theodorakis by Stella Kalafati

The Satellite Clips: ANNA
With Anna Rezan & Mikis Theodorakis by Dimitris Argyriou & Asteris Kutulas

The Satellite Clips: STELLA
With Stella Kalafati & Mikis Theodorakis by Stella Kalafati

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SATELLITEN UMKREISEN THEODORAKIS’ PLANETEN
Über ein Langzeit-Filmprojekt von Asteris Kutulas
Von Sofia Stavrianidou

30 Jahre. 40 Länder. 4 Kontinente.
600 Stunden Film. 54.000.000 Frames.
Der in Deutschland lebende Publizist, Produzent und Filmemacher Asteris Kutulas hat den griechischen Komponisten Mikis Theodorakis zwischen 1987 und 2017 ungezählte Male besucht; er begleitete Theodorakis auf Tourneen und ließ dabei seine Videokamera laufen. Kutulas filmte Theodorakis bei Konzerten, während diverser Proben mit Orchestern, Solisten, Bands, on Stage und Backstage, bei CD-Aufnahmen in Studios, bei Opern- und Ballett-Produktionen, in Hotellobbys und auf Hotelzimmern, in Bussen und Lokalen, auf Ausflügen und während privater Treffen.
Das zwischen 1987 und 2017 gefilmte Material bildet einen umfangreichen Fundus von etwa 600 Stunden. Aufgenommen wurde es in Berlin, Athen, St. Petersburg, Verona, Santiago de Chile, Sydney, Tel Aviv, Budapest, Wien, Kopenhagen, Malmö, Pretoria, Çeşme, Amsterdam, Montreal, London, Brüssel, Luxemburg, Barcelona, Zürich, Oslo, Paris, auf den griechischen Inseln Chios, Kreta und Syros usw. usf.

SATELLITE CLIPS – Das ungenutzte Filmmaterial
Die „Satellite Clips“ umkreisen den Hauptfilm DANCE FIGHT LOVE DIE, der ihnen als Heimatplanet gilt. Die Formel lautet: Satellite-Clips = aus dem für den Hauptfilm nicht genutzter 600-Stunden-mit-Mikis-Fundus + Fiction- und Making-of-Material, das während der Shootings mit den Schauspielern und den jungen Musikern zwischen 2014 und 2017 entstanden ist.
Diese Clips, die als Trailer für den Hauptfilm fungieren, werden in den nächsten Monaten bis zur Premiere des Hauptfilms nach und nach im Internet veröffentlicht. Sie tragen den Namen des an der Entstehung des jeweiligen Clips maßgeblich beteiligten Künstlers bzw. Mitarbeiters des Regisseur. Die ersten beiden „Satellite Clips“ mit dem Titel STELLA und MELENTINI verbinden die „Berliner Ästhetik“ des Regisseurs mit der „Universellen Harmonie“ von Mikis Theodorakis und sind in Zusammenarbeit mit der jungen Filmemacherin Stella Kalafati produziert worden, die während der Entstehung des Hauptfilms als Regieassistentin gearbeitet hat.

DANCE FIGHT LOVE DIE – With Mikis On The Road (Der Film)
Docufiction von Asteris Kutulas – mit Mikis Theodorakis, Sandra von Ruffin, Stathis Papadopoulos und vielen anderen (in Postproduktion, Fertigstellung: voraussichtlich Ende 2017)

Aus dem während dreier Jahrzehnte entstandenen Fundus mit mehr als 600 Stunden unveröffentlichten Film-Materials wird ein 90minütiger hybrider Film-Essay, der den Zuschauer spannende, überraschende, skurrile, mysteriöse, aber auch sehr typische Augenblicke aus dem On-the-Road-Leben eines unverwechselbaren und charismatischen Künstlers miterleben lässt. Augenblicke, die einen umfassenden und originären Einblick in die „Agenda des geistigen Anarchisten“ Theodorakis erlauben. Kutulas verschmilzt in seinem Film sehr persönliche Momente mit historischem Material, dokumentarische Aufnahmen mit humorvoll-grotesker, teilweise verstörender Fiktion, und er macht erlebbar, welchen Widerhall Theodorakis’ Musik in den Arrangements junger Künstler findet – u.a. als Rock-, Klassik-, Electro- oder Rap-Version. Im fiktionalen Parallel-Universum des Films (inspiriert vom autobiographischen Roman des Komponisten „Die Wege des Erzengels“) erscheint die „Liebe“ als Chimäre, der „Tanz“ als Verzweiflungstat, der „Tod“ als Kontrastprogramm, der „Kampf“ als verführerischer Widergänger, der uns immer aufs Neue gegenübertritt und prüft.

Sofia Stavrianidou

With Mikis on the Road | Interview in Greek (doctv.gr story)

 Ταξιδεύοντας με τον Μίκη (Ένα φιλμικό τρίπτυχο του Αστέρη Κούτουλα στο doctv.gr)

Mikis Theodorakis Asteris Kutulas DOCTV Interview
Mikis Theodorakis & Asteris Kutulas, Leipzig 1983 (at Moritzbastei) – Photo © by Privatier/Asti Music

2.000 ώρες με τον Μίκη (Interview with doctv.gr)

Mikis Theodorakis Asteris Kutulas DOCTV Interview
Mikis Theodorakis & Asteris Kutulas, East Berlin 1985 (Rehearsal of „Canto General“) – Photo © by Privatier/Asti Music

Ο σκηνοθέτης Αστέρης Κούτουλας, μιλά με αφορμή το project Dance, Fight, Love, Die – With Mikis On The Road

ΧΡΥΣΟΣΤΟΜΑΚΗΣ ΛΑΚΤΑΡΙΔΗΣ, laktaridis@doctv.gr, 28 Μαρτίου 2017

Χ. Λακταρίδης: Η μουσική σας οδήγησε στον κινηματογράφο ή το αντίστροφο; Πώς προέκυψε η διοργάνωση συναυλιών και ποια ήταν η ανταπόκριση του κόσμου σε αυτές και στα cd στα οποία υπήρξατε παραγωγός;

Αστέρης Κούτουλας: Καταρχάς, πρέπει να πω πως όταν ήμουνα στο Λύκειο, στη Δρέσδη, το 1976, ήταν η πρώτη φορά που τότε στο πλαίσιο του λεγόμενου Φεστιβάλ Πολιτικού Τραγουδιού στο Βερολίνο, είχα πάρει μια πρωτοβουλία και είχαμε καλέσει τον Νότη Μαυρουδή και τη Μαρία Δημητριάδη. Αυτή ήταν η πρώτη παραγωγή που έπαιξα κάποιο αποφασιστικό ρόλο να φέρουμε Έλληνες μουσικούς και συνθέτες στην τότε Ανατολική Γερμανία. Μετά ήμουν αναμεμιγμένος σε μια παράσταση της Μαρίας Φαραντούρη το 1978 στο Berliner Ensemble, όπου τραγούδησε τραγούδια του Bertolt Brecht μαζί με τον Eckehard Schall. Ακολούθησε η πρώτη φορά που ήρθε ο Μίκης Θεοδωράκης στην Ανατολική Γερμανία –γιατί ήταν απαγορευμένος κατά την περίοδο 1971, περίπου, μέχρι το 1980. Το 1980 μπόρεσε να έρθει ξανά στην Ανατολική Γερμανία. Τότε εγώ ήμουν κοντά του πρώτα ως διερμηνέας, μετά συμμετείχα ενεργά στην οργάνωση πολλών συναυλιών που είχαμε κάνει στην Ανατολική Γερμανία μέχρι το 1989, ιδιαίτερα με τα συμφωνικά του έργα: „Δεύτερη Συμφωνία“, „Τρίτη Συμφωνία“, „Έβδομη Συμφωνία“, „Κατά Σαδδουκαίων Πάθη“, „CantoGeneral“, „Λειτουργία Αρ. 2“, καθώς και τη γερμανική εκδοχή τού „Άξιον Εστί“.

Επίσης, είχα φέρει κι άλλους καλλιτέχνες στην Ανατολική Γερμανία, όπως τον Θάνο Μικρούτσικο το 1981, τη Δήμητρα Γαλάνη, το συγκρότημα Iskra, αργότερα την Έλλη Πασπαλά κλπ. Όμως, από τα μέσα της δεκαετίας του ’80 έκανα και το tour management για τον Μίκη και από τότε είχα και την κάμερά μου και είχα αρχίσει να βιντεοσκοπώ όλες αυτές τις συναυλίες και τις περιοδείες που κάναμε για προσωπικούς λόγους.

Ταυτόχρονα είχα ασχοληθεί και με το φιλμ και συνεργαζόμουν με σκηνοθέτες τού τότε πολύ καλού DEFA στούντιο για documentary film της Ανατολικής Γερμανίας και είχα συνεργαστεί ως σεναριογράφος σε δύο φιλμ: το ένα ήταν η κοινή, ας πούμε, ιστορία τού Πάμπλο Νερούδα και του Μίκη Θεοδωράκη πάνω στο έργο „Canto General“ (1982) και το άλλο ήταν ένα μεγάλο ντοκιμαντέρ για τη γερμανική τηλεόραση για τον Γιάννη Ρίτσο (1984), όπου είχα γνωρίσει και είχα πάρει συνεντεύξεις κι από τον Τάσο Λειβαδίτη, την Έλλη Αλεξίου, τον Μάνο Κατράκη και πολλούς άλλους. Συνεπώς, τα περισσότερα φιλμ στα οποία είχα συνεργαστεί είχαν σχέση με τη μουσική. Αυτό σημαίνει ότι έρχομαι και από τη μουσική και από το φιλμ, όμως αυτά τα δύο τα συνδέω, και σε όλα τα κινηματογραφικά μου έργα, όπως, για παράδειγμα, στο „Ανακυκλώνοντας τη Μήδεια“, όπως και σε άλλα ντοκιμαντέρ που έχω κάνει για την ARTE, όπως, „Ο Ήλιος κι ο Χρόνος“ (2000) ή „Μίκης Θεοδωράκης. Συνθέτης“ (2010) και άλλα. Το ίδιο συμβαίνει και με την ταινία „Dance Fight Love Die“ που προετοιμάζουμε τώρα και τα βίντεο κλιπ που πρωτοπαρουσιάζονται μέσα από το DOCTV και στα οποία συνεργάστηκα με δύο νέες καλλιτέχνιδες, την Στέλλα Καλαφάτη και την καταπληκτική Μελεντίνη Τοϊλά.

Χ. Λακταρίδης: Ποια είναι τα χαρακτηριστικά της λεγόμενης βερολινέζικης αισθητικής και σε τι διαφέρει, αν διαφέρει, από την υπόλοιπη γερμανική αισθητική;

Αστέρης Κούτουλας: Πρώτα απ’ όλα, το Βερολίνο είναι πρωτεύουσα της Γερμανίας, για την οποία πάρα πολλοί λένε ότι αυτή τη στιγμή είναι η πρωτεύουσα της Ευρώπης. Το Βερολίνο, για όλους εμάς εδώ που ζούσαμε πολλά χρόνια, ήταν για πολλές δεκαετίες πρωτεύουσα του Ψυχρού Πολέμου και ταυτόχρονα η πρωτεύουσα του Τείχους. Δεν υπήρχε σ’ όλη την Ευρώπη άλλη πόλη κομμένη στη μέση. Εμείς ζήσαμε το καθεστώς του Τείχους με φίλους να πηγαίνουν φυλακή, ν’ αυτοκτονούν, να προσπαθούν να περάσουν το Τείχος με κάθε τρόπο. Σ’ αυτή την πόλη φαινόταν πιο ξεκάθαρα από παντού ότι η μεγάλη ουτοπία του κομουνισμού, που ήταν ουτοπία της ελευθερίας του ανθρώπου, είχε ναυαγήσει εντελώς. Και ας μην ξεχνάμε ότι το 1989 το Τείχος έπεσε εδώ, κι εμείς το ζήσαμε αυτό. Ήταν ένα, ενεργειακό ξέσπασμα, όπως θα έλεγε ο Joseph Beuys.

Σε καμία άλλη γερμανική πόλη δεν υπάρχει αυτό το αμάλγαμα από Δύση και Ανατολή, Σοσιαλισμό και Καπιταλισμό, ελευθερία και καταπίεση και, ταυτόχρονα, μέσα στην καταπίεση τόση ελευθερία και μέσα στην ελευθερία τόση καταπίεση. Επίσης, στα 3,5 εκατομμύρια κατοίκους του Βερολίνου, περίπου 500.000 είναι ξένοι ή με ξένες ρίζεςˑ ζούν άνθρωποι από 189 χώρες και με 200.000 Τούρκους, έχουμε τη μεγαλύτερη τουρκική κοινότητα εκτός Τουρκίας. Ας μην ξεχνάμε επίσης ότι για πολλούς λόγους στο Δυτικό Βερολίνο τότε, και τώρα σε όλο το Βερολίνο, μαζεύτηκε η μεγαλύτερη gay κοινότητα της Ευρώπης.

Για να πάμε λίγο στα πιο καλλιτεχνικά, ταυτόχρονα σ’ αυτή την πόλη υπάρχει η μεγαλύτερη techno κοινότητα του κόσμου, με τα πιο γνωστά techno clubs παγκοσμίως. Και από την άλλη, ταυτόχρονα, είναι η μόνη πόλη που έχει τρεις μεγάλες κρατικές όπερες. Και σ’ αυτό φαίνεται το μεγάλο φάσμα τού τι γίνεται στο Βερολίνο.

Μαζί μ’ αυτά, είναι και η ιστορία της Γερμανίας: ο Β΄ Παγκόσμιος Πόλεμος από εδώ ξεκίνησε, εδώ αυτοκτόνησε ο Χίτλερ, εδώ ήταν η πρωτεύουσα του Holocaust. Όλα αυτά δημιουργούν σήμερα ενός τύπου, ενεργειακό πλάνο, για να μείνουμε στον Joseph Beuys, που είναι μοναδικό όχι μόνο στη Γερμανία αλλά σε όλη την Ευρώπη. Και όλα αυτά θα έλεγα ότι δημιουργούν μια συγκεκριμένη άποψη για τη ζωή και για την τέχνη, που θα βρείτε μόνο εδώ. Πιστεύω ότι αυτό φαίνεται στη δουλειά πολλών καλλιτεχνών στο Βερολίνο –και στη δική μου: μπήκανε μέσα στην καθημερινή άποψη για τη ζωή και την τέχνη όλων μας. Κι αυτά είναι όντως μοναδικά.

Χ. Λακταρίδης: Πότε γεννήθηκε η ιδέα για το project; Από την δεκαετία του ’80, όταν ξεκινήσατε να κινηματογραφείτε τον Μίκη, ή προέκυψε στην πορεία;

Αστέρης Κούτουλας: Η ιδέα για το project αυτό γεννήθηκε πριν από περίπου 15 χρόνια, όμως όχι για την ταινία αλλά για την έκθεση. Τότε είχα δει μια μεγάλη έκθεση του Joseph Beuys και συνειδητοποιώντας ότι είχε μαζευτεί πάρα πολύ φιλμικό υλικό σκέφτηκα, γύρω στο 2003, να υλοποιήσω ένα ενεργειακό πλάνο, όπως το ονόμασε εκείνος, πάνω σ’ αυτό το υλικό. Ανέπτυξα, λοιπόν, την ιδέα μιας έκθεσης, στην οποία ο επισκέπτης θα βρίσκεται μέσα σε μιαν αίθουσα από κινούμενες εικόνες –από πάνω, απ’ τα πλάγια, από κάτω– να είναι μέσα σ’ αυτόν τον ενεργειακό παλμό, όπου θα χρησιμοποιηθεί το αυτούσιο υλικό που είχα τραβήξει επί δεκαετίες. Μ’ αυτόν τον τρόπο ήθελα μιαν απάντηση, ανεξάρτητα από τον συγκεκριμένο καλλιτέχνη, του, τι είναι τέχνη; ‚H τι είναι ο καλλιτέχνης; Οπωσδήποτε, ο Μίκης προσφερόταν πάρα πολύ για την απάντηση αυτής της ερώτησης, μιας που ήταν, ας πούμε, ένας rock & roller on the road, έτσι όπως τον είχα ζήσει εγώ. Η ιδέα τελικά να γίνει η ταινία ήρθε από την γυναίκα μου η οποία είναι συγγραφέας και σεναριογράφος. Πριν από 5 περίπου χρόνια, η γυναίκα μου είχε ανακαλύψει όλο αυτό το υλικό και είπε ότι θα έπρεπε κάτι να το κάνω. Όμως, είχα ένα μεγάλο πρόβλημα αισθητικής: πώς θα αντιμετωπίσεις 600 ώρες φιλμικό υλικό και να το κάνεις μια ώρα ταινία; Ύστερα από κάποιες σκέψεις πού διήρκεσαν ένα χρόνο, βρήκα μια αισθητική λύση και η Ίνα, η γυναίκα μου, έκανε το loging της ταινίας, δηλαδή χρειάστηκε, πιστεύω, περίπου 2000 ώρες, για να δει όλο αυτό το υλικό και να το καταγράψει. Με βάση αυτήν της καταγραφή διαλέξαμε από τις 600 ώρες μία ώρα υλικό, στο οποίο έκανα editing με την Κλεοπάτρα Δημητρίου περίπου έναν χρόνο, και μετά γύρισα καινούργιο υλικό, το fictional part της ταινίας, το οποίο το δούλεψα μετά με τον Γιάννη Σακαρίδη, τον σκηνοθέτη του Amerika Square (Πλατεία Αμερικής). Έτσι, θα είναι έτοιμη σε λίγο αυτή η ταινία που λέγεται Dance, Fight, Love, Die και που είναι ένα roadmovie με τον Μίκη, πάνω στη μουσική τού Μίκη και, ταξιδεύοντας με τη μουσική του.

Χ. Λακταρίδης: Ποια θα είναι η πορεία του project μετά την δημοσιοποίησή του; Πού και πώς θα παρουσιαστεί; Ποια είναι τα επόμενα σχέδια σας;

Αστέρης Κούτουλας: Με τη βοήθεια του DOCTV γίνεται μια δημοσίευση όλου αυτού του project για πρώτη φορά και ελπίζω την ταινία να την προχωρήσουμε τώρα γρήγορα και να είναι έτοιμη το καλοκαίρι. Μετά θα δούμε πώς θα πορευτεί. Είναι μία ειδική ταινία. Ουσιαστικά είναι ένα, ας πούμε, όργιο, εικόνων και μουσικής: είναι 60 ιστορίες βασισμένες πάνω σε 60 εντελώς διαφορετικές μουσικές. Είναι μια ταινία που βγαίνει από το πνεύμα της μουσικής, οπότε θα δούμε τι μπορούμε να την κάνουμε, γιατί είναι, όπως σας είπα, πολύ ιδιότροπη. Όσον αφορά το δεύτερο θέμα, που είναι η έκθεση, ελπίζω να την παρουσιάσουμε για πρώτη φορά στην Αθήνα (που θα το ήθελα πάρα πολύ), στο πλαίσιο της Biennale Athens. Τα βίντεο κλιπ, τα satellite clips, τα πρώτα δύο ήδη τα παρουσιάζουμε, είναι για το διαδίκτυο, και τις επόμενες εβδομάδες ελπίζουμε να παρουσιάσουμε το τρίτο, τέταρτο, πέμπτο, έκτο κ.λπ. Ευχαριστώ πάρα πολύ!

[Πηγή: www.doctv.gr]

A letter from Mikis Theodorakis on the occasion of the German cinema premiere of the film Dance Fight Love Die – With Mikis on the Road in May 2018:
Λυπάμαι πολύ που δεν θα μπορέσω να βρεθώ σήμερα μαζί σας στο Βερολίνο και στο πλευρό του αγαπημένου μου φίλου, του Αστέρη Κούτουλα. Κιόλας μέσα από το πρώτο του έργο, Recycling Medea, διέκρινα την ιδιαίτερη προσωπική του ματιά που πραγματικά ήταν μια ευτυχής έκπληξη για μένα, γιατί μου αποκάλυπτε εντελώς νέους εκφραστικούς τρόπους στη διαχείριση της ζωής και του έργου μου. Σας διαβεβαιώ, ότι αυτή η παραδοχή δεν ήταν εύκολη για μένα λόγω του όγκου του έργου μου και της πολυτάραχης ζωής μου μέσα από τους δύσκολους δρόμους της σύγχρονης ιστορίας μας. Κι ακόμα γιατί ήταν επόμενο να έχω καταλήξει στους δικούς μου προσωπικούς κωδικούς ως προς την φιλοσοφία και την αισθητική, όπως σμιλεύτηκαν μέσα από τις εμπειρίες και τις σκέψεις μου. Αντιθέτως όμως, θα έλεγα ότι αντί να με απωθήσουν οι νέοι ορίζοντες που άνοιγε με στον τομέα της κινηματογραφικής σκηνοθεσίας, με πλούτισαν ψυχικά, πνευματικά και διανοητικά, γιατί με βοήθησαν να δω τον εαυτό μου και το έργο μου με το ανανεωμένο και τολμηρό βλέμμα του σήμερα και του αύριο. Θα ‘λεγα ότι αυτή η προσέγγιση με κάνει να νιώθω νέος ανάμεσά σας, καθώς συντρίβει τα δεκάδες χρόνια με τα οποία με έχει φορτώσει η αδάμαστη ζωή μου. Έτσι θα βρίσκομαι με τη σκέψη μου στο πλευρό του Αστέρη και όλων των συντελεστών του έργου του».
Μίκης Θεοδωράκης, 2.5.2018

„Cinema of Dreams“ Apassionata Show – Video Blinks 2016

Rehearsal Video Blinks Apassionata „Cinema of Dreams“ Show 2016

The Apassionata Video Blinks are a concept art film project, an artificial „video diary“ – my subjective look at details of the Apassionata show that were particularly emotional, particularly exciting and particularly „artistic“ for me. Small kaleidoscopic „snippets“ that make up a huge collage. Each Video Blink is like the verse of a poem – a poem full of melancholy, beauty and dynamics. || I produced in this way 2016 – alongside rehearsal work and when I had time – 4 Video Blinks, that is, 4 video snippets that reveal my view as executive producer and since 2013 as the dramaturg of the show. The 4 video blinks I have shot with my iPhone during the rehearsals of the Apassionata show „Cinema of Dreams“ in Riesa (October 2016). I was involved as a dramaturg and an artistic consultant. 

Postskriptum zu meinen Video-Blinks

Die Apassionata-„Video-Blinks“ sind ein Konzeptkunst-Filmprojekt, eine Art „Video-Tagebuch“ – mein subjektiver Blick auf Details der Apassionata-Show, die für mich besonders emotional, besonders spannend und besonders „künstlerisch“ sind. Ich „erschaffe“ mir meine Ideal-Show in kleinen kaleidoskopartigen „Schnipseln“, die für mich eine riesige Collage ergeben.

Jeder Video-Blink ist wie der Vers eines Gedichts – ein Gedicht voller Melancholie, Schönheit und Dynamik. Hier, bei den Apassionata-Proben schaue ich in die Gesichter der Tänzerinnen und Tänzer, der Reiterinnen und Reiter. Ich habe atmende Menschen vor der Kamera, die nicht nur „funktionieren“, sondern deren Individualität ich durch das Objektiv umso deutlicher sehe.

Der tagelange Prozess, bei dem diese Menschen nicht von der ersten Stunde an ihre Show-Kostüme tragen, sondern deren Körper anfangs ganz anders eins sind mit den Körpern der Pferde und mit dem „Körper“ der Show, mit der Musik. Die Luft, die aufgeladen ist, das Licht, das alles mit seiner Kraft verwandelt, der Augenblick der Transformation, wenn die Requisiten und Kostüme alles zu einer Geschichte machen – diese tagelange Entwicklung von morgens bis nachts nicht nur zu begleiten und mitzugestalten, sondern sie ab und zu mit der Kamera einzufangen, bedeutet auch für mich selbst Verwandlung. Darum produziere ich seit 2014 – neben der Probenarbeit und wenn ich Zeit habe – diese Apassionata „Video-Blinks“, die offenbaren, wie ich als Dramaturg die Apassionata-Show sehe, also seit wir sie – meiner Meinung nach – zu einem eigenständigen „Genre“ gemacht haben. Die Apassionata „Cinema of Dreams“ Video Blinks zeugen auch von diesem Prozess.

Asteris Kutulas

„Im Bann des Spiegels“ Apassionata Show – Video Blinks 2015

https://asti-blog.de/2017/10/31/apassionata-kutulas-diarytagebuch-traum/

Costa-Gavras, Sandra von Ruffin und New Visions …

Hellas Filmbox Berlin, Second Edition: 18.1.-22.1.2017, Babylon
60 Filme, 30 Slots, 20 Q&As, 6 Side Events, 1 Ausstellung //

Griechenland Aktuell sprach mit Asteris Kutulas, dem Filmregisseur, Gründer der Deutsch-Griechischen Kulturassoziation e.V., Festivaldirektor des 1. Festivals und Übersetzer griechischer Literatur, über das Festival HELLAS FILMBOX BERLIN, über Costa-Gavras, über die deutsch-griechischen Beziehungen und die aktuelle Situation in Griechenland.

graktuell.gr: HELLAS FILMBOX BERLIN ist ein griechisches Filmfestival. Es wurde im Frühjahr 2015 gegründet, um das hochaktuelle und künstlerisch äußerst spannende Filmschaffen Griechenlands in den Fokus des deutschen Publikums zu rücken. Möchten Sie uns von Ihrer Initiative als Gründer und auch als Direktor des Festivals erzählen?

Asteris Kutulas: Die Gründung des Festivals HELLAS FILMBOX BERLIN durch Ina und mich und dann offiziell durch die Deutsch-Griechische Kulturassoziation e.V. bedeutete 2015 ein künstlerisches Statement in einer für die Beziehungen beider Länder sehr schwierigen Zeit. Die waren seit dem Zweiten Weltkrieg nicht so schlecht wie zwischen 2010 und 2015. Wir glaubten, dass Anfang 2015 der richtige Moment gekommen war, den deutsch-griechischen Dialog in Gang zu halten und zu beförden.

Bei unserem 1. Festival waren die dort gezeigten 71 Filme etwas wie das Aufleuchten eines sehr reichen Kosmos. Jetzt, beim 2. Festival, wird das nicht anders sein. 60 Filme in fünf Tagen.
Das Medium Film ist unserer Ansicht nach ideal geeignet, Menschen aus Deutschland und Griechenland immer neu miteinander ins Gespräch kommen zu lassen, aber auch, um die Qualität der Filme für sich bzw. für das hohe Niveau des griechischen Filmschaffens und die Kompetenz der griechischen Filmemacher sprechen zu lassen. Besonders diese Künstler sind Seismographen und visuelle Chronisten der Geschehnisse in ihrem Land.

Festivaldirektor war ich beim 1. Mal, als das HELLAS FILMBOX BERLIN Projekt angeschoben war. Mein Ziel war, diese Funktion dann abzugeben. Mit Sandra von Ruffin hat das Festival ab 2016 eine Direktorin bekommen, die Herausforderungen zu begegnen weiß. Und was sie nicht weiß, das bringt sie in Erfahrung. Es ist spannend mitzuerleben, was da zustande kommt und wie das Festival tatsächlich jung bleibt.

graktuell.gr: Costa Gavras ist dieses Jahr der Ehrengast des Filmfestivals. Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?

Asteris Kutulas: Dass Costa-Gavras kommt, ist eine große Ehre für uns. Er hat – zusammen mit Michalis Cacojannis, Nikos Koundouros und einigen anderen – in den Sechzigerjahren den internationalen Durchbruch für den Neuen griechischen Film erzielt und konnte beides gewinnen: die Kritik und ein internationales Publikum.

Bei HELLAS FILMBOX BERLIN lag der Fokus vor allem darauf, die Sicht griechischer Filmemacher auf die Krisensituation ihres Landes erfahrbar zu machen. Deshalb wurden hauptsächlich Filme gezeigt, die in jüngster Zeit entstanden sind, sehr aktuelle Filme. Trotzdem sahen wir von Anfang an, dass die filmische Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen den aktuellen Filmen Werke zugesellt, die Rückblicke ermöglichen und das Jetzt mit dem Vorher verbinden. Griechische Geschichte wird präsent und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit heutigen Ereignissen und Erscheinungen. Erst so kann die aktuelle Situation des Landes in ihrer Vielschichtigkeit erfahren werden. Man wird Griechenland nicht verstehen, wenn man die Kriegsereignisse, den Bürgerkrieg oder die Junta-Zeit außen vorlässt, wenn man die Diaspora nicht mitbetrachtet.

Costa-Gavras ist ein bis heute höchst aufgeschlossener Filmemacher. Wenn so jemand zu HELLAS FILMBOX kommt, dann muss man keinen Roten Teppich ausrollen und keine Orden parat halten, sondern dann ist jemand dabei, der viele Zeiten vereint und deshalb einen einzigen Moment zu etwas Großem und Besonderem werden lässt. Costa-Gavras steht für Vieles, was Griechenland eben auch ausmacht – Internationalität, kritischer Geist, Dialog, Flexibilität, Interesse, Durchhaltevermögen. Es wird in Deutschland etliche Filmemacher geben, für die Costa-Gavras ein Kollege ist, mit dem man sehr gern einen Film zusammen drehen würde. Costa-Gavras bringt diese Energie mit, die sich in Berlin-Mitte sicher wunderbar verbreiten wird. Dass er überhaupt die Zeit gefunden hat … Jedenfalls ist es großartig, dass diese Regisseur-Legende zu unserem Festival kommt.

graktuell.gr: Ein besonderes Anliegen der HELLAS FILMBOX BERLIN ist, mit Sparten wie „Neue Visionen“ außergewöhnliche und neuartige Filme aus den Bereichen Kunst, Animation und Experimental zu zeigen und zu fördern. Was planen Sie noch, und wie reagiert das Berliner Publikum auf das Filmfestival?

Asteris Kutulas: Wir wollten gern Filme einladen, die bei vielen Festivals gar nicht eingereicht werden können, weil sie weder Spielfilm noch Dokumentarfilm sind, also in keiner Sparte verortet werden können. Mit „New Vision“ ist eine Kategorie geschaffen, die Künstlern die Möglichkeit gibt, freiere Formen zu präsentieren. Das wird unserer Meinung nach der Tatsache gerecht, dass Film ein Spiegel des Weltgeschehens ist. In dieser Welt ist inzwischen so vieles miteinander verflochten, in der Kunst und anderswo geht es ständig Cross Over, die Sprachen vermischen sich, neue Medien entstehen, selbst die museale Welt verändert sich usw. usf. Wir fanden es unerlässlich, darauf zu reagieren und Filme zu präsentieren, die um neue Ästhetiken ringen, weil sie die Auseinandersetzung mit sich verändernden Inhalten wagen. Was nirgendwo gezeigt werden könnte, kann bei „New Vision“ zu sehen sein.

Das Publikum hat vom ersten Augenblick an unser Festival angenommen. Es waren beim 1. Festival packende, dramatische und informative Filme zu erleben. Ich glaube übrigens auch, dass gerade „New Vision“ zu Griechenland gut passt. Da zeigt sich etwas, wovon sonst kaum die Rede ist – ein kreativer Geist, der das Publikum sucht, als Dialogpartner, offen für Gegenpositionen, für das Experiment. Eine ganz wesentliche Seite meines Heimatlandes: der Mut zum Risiko, die Neugier, der Funke Hoffnung. Den hat es in Griechenland immer wieder gegeben.

Costa-Gavras ist übrigens auch in dieser Hinsicht von Bedeutung. Ebenso ein gestandener Filmemacher wie Pantelis Voulgaris. Das sind Regisseure der älteren Generation, die dann mit im Publikum sitzen und sich Filme anschauen, die bei „New Vision“ laufen. Ich glaube, das macht die Atmosphäre von HELLAS FILMBOX mit aus, die das Publikum sucht und begeistert. Man kann mit den Filmemachern ins Gespräch kommen, man erlebt so viele Regisseure. Mitten in Berlin ist man mit einem Bein in Griechenland und selbst eine Brücke.
Wir wollten von Anfang an innovativ sein. Deshalb haben wir für die Gewinnerfilme eine Road Show organisiert, die mehrere Filme auch in andere deutsche Städte brachte. Das ist eine großartige Sache. Noch mehr Menschen können aktuelles griechisches Kino erleben. Die Road Show, die nach dem 1. Festival einmal ihre Tour gemacht hat, war ebenfalls gut besucht, also eine gute Idee.

Ich könnte mir vorstellen, dass HELLAS FILMBOX BERLIN noch viel künstlerischer werden könnte. Dass man sich mit einzelnen Regisseurinnen und Regisseuren, mit Schauspielern und Drehbuchschreibern weitergehend beschäftigt – das hat ja gerade erst begonnen. HELLAS FILMBOX ist ein großartiger Rahmen, der sich immer wieder verändert und verändern wird. Zum einen kann man in der Programmgestaltung flexibel bleiben, zum anderen kann man immer wieder neue Räume finden für Side-Events, man kann im Prinzip das ganze Festival auch einfach „auf den Kopf stellen“, neu erfinden, verkleinern, den Charakter ändern und inhaltlich immer wieder andere Schwerpunkte setzen. Also, es macht Spaß. Und darauf kommt es an. Man hat so etwas wie einen Baukasten, und was der enthält, wird immer wieder ausgekippt.

Hellas Filmbox Berlin, Asteris Kutulas
Gäste von Hellas Filmbox Berlin: Costa-Gavrasm Pantelis Voulgaris, Dani Levy, Vicky Leandros, The Boy u.v.a.

graktuell.gr: Wie sehen heute die deutsch-griechischen Beziehungen aus, nachdem sie während der sogenannten Finanzkrise so gelitten haben?

Asteris Kutulas: Im Moment erfährt man in Deutschland darüber wenig. Um Griechenland ist es fast erschreckend still geworden. Mir persönlich kommt es so vor, als ginge es vielen wie nach einer Magenverstimmung. In Griechenland gab es sicher eine fürchterliche Enttäuschung darüber, dass an „den Griechen“ kein gutes Haar mehr gelassen wurde und viele in Deutschland sich an nichts mehr zu erinnern schienen, was ihnen an Griechenland eigentlich doch lieb gewesen war. Beim Geld hörte die Freundschaft sprichwörtlich auf. Das war tatsächlich ein Schock. Dass ein ganzes Volk so einfach über einen Kamm zu scheren war – man hätte nicht annehmen können, dass das in Deutschland möglich wäre.

„Die faulen Griechen“, „die gerissenen Griechen“. Dass mit der Nazi-Keule zurückgeschlagen wurde, war kaum verwunderlich. Das führte auch in Deutschland zu Enttäuschungen. Ich glaube, der Varoufakis-Stinkefinger-Skandal, den Jan Böhmermann mit seinem Fake-Video ausgelöst hatte, brachte eine wichtige Wende. Das warf Fragen danach auf, wie sicher man sich sein konnte, durch die Medien nicht manipuliert zu werden. Wie sehr man selbst in Klischeedenken verfallen war und und und … Erst das verursachte bei vielen ein Innehalten.

Auf einmal wurde die Berichterstattung über Griechenland zunehmend kritisch betrachtet. Einige werden es bedauert haben, eine Zeitlang auch davon überzeugt gewesen zu sein, dass „die Griechen“ faul sind, eigentlich, nichts zustande bringen, von Feta und Fakelakia leben und andere „am Nasenring durch die Manege führen“ zu wollen, wie es die Bundeskanzlerin formulierte. Die Leute sind wieder gern nach Griechenland in den Urlaub gefahren. Allerdings landeten sie in einer noch stärker veränderten Situation.

Zehntausende Flüchtlinge, die über das Mittelmeer gekommen sind und in Griechenland festhängen – das wirkt sich aus. In den Filmen der griechischen Filmemacher ist das ein großes Thema. Es verbindet beide Länder, obwohl in ganz Europa die Grenzen dicht gemacht werden. Und nicht zu vergessen: Die Troika-Institutionen sind noch immer in Griechenland. Wer fragt eigentlich danach? Die Situation vieler Menschen hat sich weiter verschlechtert. Noch immer verlassen Zehntausende jedes Jahr ihre Heimat. Vielleicht sieht man inzwischen, dass Griechenland nicht Deutschlands großes Problem ist. Ich jedenfalls denke, dass das Berliner Publikum u.a. deshalb zum Festival kam und kommt. Letztes Jahr, um eine andere Sicht auf das Land haben zu können als die, die die Medien boten. Dieses Jahr möglicherweise, um mit Griechenland in Kontakt zu bleiben und sich seiner Lebendigkeit zu versichern.

© Asteris Kutulas, 12. Januar 2017

Hellas Filmbox Berlin, Second Edition: 18.1.-22.1.2017, Babylon
60 Filme, 30 Slots, 20 Q&As, 6 Side Events, 1 Ausstellung

Choreographie in einer Liquid Staging Show

Liquid Staging Pferde-Show & Choreographie

Konzeptionelle Gedanken, November 2016

1 | Weil das Zusammenspiel aller Medien über die Qualität und die Emotion der Show entscheidet, muss die Choreographie des Tanzes und der Bewegung auf der Bühne stets die „Gesamt-Choreographie“ aller Gewerke im Blick behalten – vor allem die des Mediums FILM. Das gilt selbstverständlich für alle Shows, ist aber bei einer Liquid Staging Show von ausschlaggebender Bedeutung. Da jeder Bewegungsablauf eingebettet ist in einem – „filmischen“ – Gesamtzusammenhang, muss die Choreographie stets der Gesamtpartitur folgen, als „Baustein“ eines dramaturgischen Regie-Konzepts.

Asteris Kutulas Liquid Staging
Gert Hof Apassionata Show, Neubrandenburg 2008 (Photo by © Sabine Wenzel)

2 | ALLE, die auf der Bühne zu sehen sind, sind „Darsteller“: Reiter, Pferde, Tänzer, Akrobaten, Techniker. Da wir keine Dialog-Situationen, also keine sprechenden, sondern sich „nur“ bewegende Darsteller haben, sind alle Darsteller als „Tänzer“ zu betrachten – im umfassenden Sinn des Wortes –, also als Darsteller, die JEDEN AUGENBLICK auf der Bühne eine „Rolle zu spielen“ haben, die Emotionen hervorbringen soll.

Das charakteristische bei einer Liquid-Staging-Produktion ist, dass die Darsteller auf der Bühne immer wieder zu Protagonisten einer „Filmhandlung“ werden. Sie sind während der Aufführung sowohl Theater- als auch „Filmdarsteller“ und wirken wie das verbindende Element in diesem neuen Liquid-Staging-Erlebnisraum.

Asteris Kutulas Liquid Staging
Gert Hof Apassionata Show, Neubrandenburg 2008 (Photo by © Sabine Wenzel)

3 | Der Umgang mit den Reitern hinsichtlich ihres szenischen Auftritts stellt eine besondere Herausforderung in einer Liquid Staging Show dar. Einerseits muss jeder einzelne Reiter zu einer dem szenischen Auftritt entsprechenden Haltung hingeführt werden. Andererseits muss reiterliches Können im Verlauf der Show immer wieder punktuell „aufleuchten“ und diejenigen „zufrieden stellen“, die „Pferdekenner“ sind oder sich als solche verstehen Das jedoch IMMER eingebettet in den Flow des „Gesamtkunstwerks“. Reiterliche „Dressurkunst“ muss (solange sie noch „moralisch“ vertretbar und zeitgemäß ist) inszeniert und als ein Element der Show dramaturgisch eingesetzt werden. 

Liquid Staging Asteris Kutulas
Gert Hof Apassionata Show, Neubrandenburg 2008 (Photo by © Ralph Larmann)

4 | Auf der Ebene von Reiter und Reitkunst sollte – szenisch gesehen – immer eine „Leichtigkeit“ vorherrschen; das ist eine Erfordernis, die sowohl Auswirkungen auf die Umsetzung der Dressuren als auch auf das Zusammenspiel von Tänzern und Reitern hat – als auch auf die filmische Einbettung der Live-Handlung. Dabei können sowohl die jeweilige Gesamtszenerie (Videocontent & Licht) als auch die von den Choreographen festgelegten Bewegungsabläufe helfen.

„Leichtigkeit“ – das bezieht sich in diesem Zusammenhang auf das Verhältnis Reiter-Pferd und Reiter-Tänzer, nicht auf die jeweilige inhaltliche szenische Umsetzung.

5 | Der szenischen und emotionalen „Entgrenzung“ der Show muss das Gefühl der „Freiheit“ und des „Spiels“ im Umgang der Reiter und der Tänzer mit den Pferden entsprechen – eingebettet in die Geschichte der Liquid Staging Show. Die Choreographie muss dieses Ziel immer vor Augen haben. Genauso wie die Erkenntnis, dass sich die Qualität dieser komplexen Show letztendlich in den „Details“ entscheiden wird (sobald und vorausgesetzt das „große Bild“ stimmt).

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Gert Hof Apassionata Asteris Kutulas
Gert Hof Apassionata-Show „Sehnsucht“ (Photo © Anja Pietsch)

Choreographie im neuen Liquid Staging Show-Format

All diese Bemerkungen führen – zusammenfassend – zur Feststellung: Wir befinden uns in einem neuartigen THEATERRAUM – in den auch jede Arena verwandelt werden müsste. Ausserdem haben wir es mit einer Liquid Staging GESAMTINSZENIERUNG zu tun, bei der die filmische Produktion zumindest denselben Stellenwert hat wie der Live-Anteil der Show.

Unabhängig davon, wie „qualifiziert“ der eine oder andere Reiter oder Tänzer dafür ist, muss sich die Choreographie und die Regie diesem cineastischen ANSPRUCH einer Liquid Staging Show stellen.

Eine „Pferdeshow im Theater“ wird auch für die Reiter eine neue Erfahrung werden, und im besten Fall führt sie das zu einer neuen Form von „Pferde/Reiter-Präsenz“ auf der Bühne. (Den Weg, den „Cavallia“ und „Odysseo“ aber auch „Apassionata“ in dieser Hinsicht gegangen ist, muss berücksichtigt werden, man darf ihm aber nicht in der „Emotion“ folgen: Die Show, die auf einer Liquid-Staging-Ästhetik beruht, hat ein ganz anders geartetes Feeling, eine ganz andere emotionale Ausrichtung.)

Diese Emanzipation von jeglichem bisherigen Vorbild und die damit verbundene Entwicklung eines neuen Show-Formats führen zu einer unikalen Weltklasse-Show: keine Revue (Friedrichstadtpalast), kein Musical (Stage), kein Show-Zirkus (Cirque de Soleil), kein Theater, kein Ballett, keine Oper – viele Aspekte dieser Kunst- und Entertainment-Formate werden einbezogen und mit der Welt des Films und des „Kinos“ verschmolzen.

Gert Hof Apassionata Asteris Kutulas
Gert Hof Apassionata Show, Neubrandenburg November 2008 (Photo © Anja Pietsch)

Überlegungen zu einem Choreographie-Konzept für eine Liquid Staging Show

1) Einsatz ALLER existierenden Tanz-Stile möglich, entsprechend den inhaltlichen Vorgaben eines Liquid Staging Scripts.

2) Entwicklung eines spezifischen Zusammenspiels von Film, Tanz bzw. Bewegung der Tänzer mit den Pferden und Reitern, wie es so nur in einer Liquid Staging Show möglich ist.

3) Inszenierung jeder „Nebenrolle“ vor einem filmischen Hintergrund – insofern wird in einer Liquid Staging Show jede Neben- zu einer Hauptrolle.

4) Haltung, Auftreten, Blick, „Aussehen“ der Reiter – egal ob auf dem Pferd oder begleitend auf dem Boden – sind im Zusammenspiel mit dem parallel laufenden Liquid-Staging-Film in jeder Szene von ausschlaggebender Bedeutung.

5) Mixbilder in der Pferdechoreographie gehen einher mit dem Mixen von Tanz-Stilen innerhalb einer Szene – sowohl real als auch im Film

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Grundlage des Choreographie-Konzeptes vor dem Hintergrund eines Liquid-Staging-Bühnenbildes ist eine leitmotivische Strukturierung der Tanz-Stile/Bewegungsmuster:

• Commedia del Arte (z.B. für Pre- und Nach-Show)

• Comedy-Theater (z.B. leitmotivisch)

• klassischer Tanz-Stil (z.B. leitmotivisch)

• Modern Dance (z.B. leitmotivisch)

• Ausdruckstanz (expressionistisch)

• „freier Stil“ & Tanztheater (z.B. leitmotivisch für Traum-Sequenzen)

• Körperhaltung, Ausstrahlung und Bewegungsmuster 1 (z.B. für Solisten/Musiker)

• Körperhaltung, Ausstrahlung und Bewegungsmuster 2 (z.B. für Reiter, Treiber, Helfer)

Wir sprechen hier – was die Choreographie angeht – durchaus auch über post-dramatische Raum- und Stückkonzeptionen des 21. Jahrhunderts. Allerdings interessiert mich bei der Ausgestaltung einer Liquid Staging Show nicht die abstrakte Technologie, sondern eine Bewegungs-„Philosophie“, die ein emotional geprägtes Gesamtkunstwerk zum Ziel hat.

Für diese Prinzipien und Strukturen habe ich versucht, ein spezifisches Vokabular zu entwickeln und in verschiedenen Konzepten anzuwenden.

Asteris Kutulas, Juni-November 2016

Liquid Staging Manifest (2016)

Recycling History, every day

Nizza, Brexit, Griechenland

Trauer um die Opfer und ihre Angehörigen in Nizza. Der entfesselte Finanz-Kapitalismus gegen den Terrorismus, zwei Brüder im Geiste. Sie brauchen sich und nähren sich gegenseitig und gedeihen prächtig. Die Opfer: Wir alle, egal ob im Nahen Osten, in Europa oder anderswo. Das 21. ist ein dunkles Jahrhundert. Wir haben nichts aus dem 20. gelernt.

Einen Tag nach dem Brexit-Referendum veröffentlichte n-tv einen Artikel von Benjamin Konietzny unter der Überschrift: „Wer hat für den Brexit gestimmt? Arbeitslos, ungebildet, EU-Gegner. Rechtspopulismus hat Erfolgsrezepte, die auch in Großbritannien funktioniert haben.“

Die ignorante Diffamierung der Brexit-Befürworter als „arbeitslos, ungebildet, EU-Gegner“ und rechtspopulistisch – als wären das Bürger Zweiter Klasse – offenbart einen großen Realitätsverlust und öffnet geradewegs Tür und Tor für neofaschistische Rattenfänger.

Vor ein paar Tagen sagte der britische Ex-Außenminister Lord David Owen über die EU: „Das Soziale wird völlig vergessen, die Märkte dominieren alles. Ich bin nicht mehr so überzeugt wie früher, dass in Europa der Gesellschaftsvertrag noch etwas bedeutet. Interessengruppen, Big Business – das ist alles, was zählt … Die EU ist dysfunktional, sie hat ihre Ideale verloren, sie stagniert …“

Die Briten wollen sich nicht von Brüssler Eurokraten regieren lassen, und vielleicht ist der Grund eher der, dass diese – zusammen mit Cameron, Schäuble, Hollande etc. – eben kein Europa der Bürger, sondern ein „Europa der Märkte“ aufgebaut haben. Zum Zweiten könnte es sein, dass die Briten das Gefühl haben, mit den eigenen Politikern eher und direkter „fertig werden zu können“ als mit einer demokratisch nicht legitimierten EU-Kommission im fernen Brüssel, wo zudem die deutschen Wirtschafts-Interessen eine größere Rolle spielen als die britischen.

Und gesellschaftspolitisch gesehen, ist es letztendlich das Verschulden der Sozialdemokratie in ihrer Funktion als linke Volkspartei, dass sie das „EU-Europa“ den „Banken“ übergeben und eine Politik gemacht hat, die sich gegen das Soziale und gegen den Bürger gerichtet hat – und die insgesamt als gescheitert angesehen werden kann. Griechenland ist das erste Opfer dieser Politik gewesen. Die Sozialdemokratie hat den Kampf um eine „gerechtere Gesellschaft“ den Rechtspopulisten überlassen. Das ist vielleicht die größte Schuld, die sie in den letzten zwanzig Jahren auf sich geladen hat.

Der verpasste „Grexit“

Der verpasste GREXIT: Melancholische Gedanken, ein Jahr nach dem OXI-Tag

24.6.2016
Heute vormittag – ich hatte gerade vom Brexit-Votum erfahren und trank darauf einen griechischen Kaffee – rief mich H. aus Paris an: „Sag mal, willst du nicht einen Artikel zum OXI-Tag am 5.7.2015 schreiben?“ An diesem Tag vor genau einem Jahr stimmten 61% der Griechen mit NEIN/OXI gegen das EU-Spardiktat. Und obwohl der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras in den Wochen darauf aus dem NEIN ein JA machte und alles, was aus Brüssel und Berlin kam, unterschrieb und umsetzte – gegen seinen Willen, wie er immer wieder betont –, gingen Verarmung und Verelendung weiter, die Kindersterblichkeitsrate stieg noch mehr, die Arbeitslosigkeit ist immer noch bei 25%, die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50%, die Renten werden weiter gekürzt, die Steuern extrem erhöht, Hunderttausende Griechen ohne Krankenversicherung. Ein fortwährender Niedergangsprozesses, und kein Ende in Sicht. Und das alles nach so vielen EU-„Rettungspaketen“, nach so vielen seit 2011 in Brüssel erlassenen „Reform-Gesetzen“.
Genutzt hat den Griechen das Votum vom 5.7.2015 nichts, obwohl es damals nicht um’s Geld ging. Die 61% NEIN-Stimmen waren das letzte Aufbäumen eines Volkes gegen so etwas wie eine neokoloniale Unterwerfung, die sich damals für die Griechen vor allem in einer Person manifestierte – in der des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble.
Ein alter Freund meines Vaters, ein Kriegs-Veteran, der im Zweiten Weltkrieg gegen die deutsche Wehrmacht gekämpft hatte, brachte die damals herrschende emotionale Agonie in den deutsch-griechischen Verhältnissen auf den Punkt: „Wir Griechen haben doch keinen Weltkrieg angezettelt. Wir haben keinen Genozid betrieben, keine KZs gebaut und die Welt nicht in Schutt und Asche gelegt. Wir haben doch nur uns selbst am meisten geschadet, sonst niemandem.“

Grexit, Asteris Kutulas
Riots in Athens (film still „Recycling Medea“)

 
27.6.2016
Die isländische Fußball-Mannschaft hat die englische besiegt und sie aus dem EM-Turnier geworfen. Wie bitter, drei Tage nur nach dem beschlossenen Brexit. Eine Journalistin, die mich heute aus Athen anrief, sagte: „Warum sind wir letztes Jahr nicht raus – zumindest aus dem Euro? Das OXI am 5.7. war doch so etwas wie ein „Grexit“-Referendum.“ Sie gab sich selbst die Antwort: „Tsipras und seine scheinlinke Partei hatten nicht den Mumm, den richtigen Weg zu gehen.“
Tsipras‘ Geschichte geht so: „Den Aufstand gegen die EU und Deutschland kann sich das kleine, verarmte und „depressive“ Griechenland nicht leisten. Der einzige Weg, um das zu tun, führt über einen Ausstieg aus dem Euro, aber dafür habe ich kein Mandat vom griechischen Volk, also musste ich das furchtbare Abkommen unterzeichnen, um einen noch furchtbareren Staatsbankrott und ein maßloses Elend zu vermeiden.“
Viele Griechen antworten inzwischen darauf: „Dann hättest du in der Opposition bleiben sollen.“

28.6.2016
Hab gerade mit einem Freund aus Thessaloniki telefoniert. Er meinte: „Sei nicht so negativ im Hinblick auf Tsipras. Wir Griechen wollten letztes Jahr nur eins: Die alte, marode, verbrecherische Politikerkaste, die Griechenland in die Katastrophe geführt hatte, endlich abwählen. Es gab doch nur Tsipras, der sich als Alternative anbot. Wir wollten endlich diese Clique Samaras-Mitsotakis- Venizelos-Karamanlis-Simitis weghaben. Das verstehen sie außerhalb Griechenlands nicht.“
Er hat recht. Hinzu kam die unheilige Allianz zwischen Brüssler und Berliner Administration mit diesen durch und durch korrupten Politikern von PASOK und Nea Demokratia, die in den letzten 40 Jahren ein ausgeklügeltes System der Vetternwirtschaft, Steuerhinterziehung und des Klientelismus aufgebaut haben. Durch diese Allianz wurde aus dem innergriechischen Kampf gegen ein kriminelles und reformresistentes Establishment ein Kampf gegen die EU und gegen Deutschland.

3.7.2016
Heute hat Island 2:5 gegen Frankreich verloren. Und mir fällt ein: Als die Isländer erkannt haben, wie Europa mit dem Mitgliedsstaat Griechenland umspringt, haben sie sofort ihren Antrag auf Aufnahme in die EU zurückgezogen; spielen seitdem einen tollen Fussball, und auch wenn sie verlieren: kein Zeichen einer „Depression“.
Heute ein langes Telefonat über den Brexit/Grexit mit Andonis. Er ist verzweifelt: „Wir haben mehrere Probleme in Griechenland. Das größte sind wir Griechen selbst und unsere nicht-existierende Zivilgesellschaft. Das zweite sind die korrupte und mafiöse Macht-Elite und die Oligarchen, die immer noch das Sagen haben, trotz der Tsipras-Regierung. Das dritte unsere niemals stattgefundene Vergangenheitsbewältigung. Und das vierte ist ein Europa, das weder die Interessen Griechenlands, noch die Interessen von uns Bürgern, sondern jene der „Märkte“ und des „Big Business“ im Fokus hat. Was sollen wir tun?“
Auf diese Frage müssen wir zweifellos antworten. Griechenland ist der größte Verlierer innerhalb der EU – und wird es auf Jahrzehnte hinaus bleiben.

Grexit, Asteris Kutulas
Greek TV

 
4.7.2016
Deutschland ist der größte Gewinner innerhalb der Europäischen Union. Von deutschen Mitbürgern höre ich immer wieder zwei Aussagen zur griechischen humanitären Katastophe: 1) „Ihr Griechen seid selber schuld“ und 2) „Hauptsache, wir kriegen unser Geld wieder“. Die erste Aussage beruhigt das eigene Gewissen, die zweite impliziert: „Egal, was ihr durchmachen müsst und egal, wie viele Menschen in Griechenland deswegen sterben. Denn ihr seid ja selber schuld.“ Ein Tanz der Erklärungen im Teufelskreis.
Diese dumme, zutiefst menschenverachtende Haltung offenbart mir, dass nicht nur wir Griechen ein existenzielles Riesenproblem haben, sondern auch Deutschland, das sich sehr verändert hat in den letzten Jahren, und auch diese Europäische Union, die offensichtlich keine Union mehr für ihre Bürger, für Menschen ist. Vielleicht hätte das OXI von vor einem Jahr zu einem GREXIT oder wenigstens zu einem Euro-Exit führen sollen. Dann hätten wir wenigstens eine kleine Chance auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit gehabt … wie die fröhlichen Isländer.

© Asteris Kutulas, 5.7.2016

Nach den Wahlen: vor den Wahlen … ad infinitum

„Im Bann des Spiegels“ Apassionata Show – Video Blinks 2015

Rehearsal Video Blinks „Im Bann des Spiegels“ Show

Video blinks: my view of some rehearsal moments of the Apassionata show in Riesa in October 2015. This show was created and directed by Holger Ehlers. I was involved as dramaturg and artistic consultant. I have shot these blinks with my iPhone during our rehearsals. With Lana, Olena, Joazi, Andreas, Laurent, Giulia, Gilberdan, Maia, Michal, Angelina, Iury and all others from our phantastic Apassionata team.

Asteris Kutulas, Riesa, October 2015

Postskriptum zu meinen Video-Blinks

Die Apassionata-„Video-Blinks“ sind ein Konzeptkunst-Filmprojekt, eine Art „Video-Tagebuch“ – mein subjektiver Blick auf Details der Apassionata-Show, die für mich besonders emotional, besonders spannend und besonders „künstlerisch“ sind. Ich „erschaffe“ mir meine Ideal-Show in kleinen kaleidoskopartigen „Schnipseln“, die für mich eine riesige Collage ergeben.

Jeder Video-Blink ist wie der Vers eines Gedichts – ein Gedicht voller Melancholie, Schönheit und Dynamik. Hier, bei den Apassionata-Proben schaue ich in die Gesichter der Tänzerinnen und Tänzer, der Reiterinnen und Reiter. Ich habe atmende Menschen vor der Kamera, die nicht nur „funktionieren“, sondern deren Individualität ich durch das Objektiv umso deutlicher sehe.

Der tagelange Prozess, bei dem diese Menschen nicht von der ersten Stunde an ihre Show-Kostüme tragen, sondern deren Körper anfangs ganz anders eins sind mit den Körpern der Pferde und mit dem „Körper“ der Show, mit der Musik. Die Luft, die aufgeladen ist, das Licht, das alles mit seiner Kraft verwandelt, der Augenblick der Transformation, wenn die Requisiten und Kostüme alles zu einer Geschichte machen – diese tagelange Entwicklung von morgens bis nachts nicht nur zu begleiten und mitzugestalten, sondern sie ab und zu mit der Kamera einzufangen, bedeutet auch für mich selbst Verwandlung. Darum produziere ich seit 2015 – neben der Probenarbeit und wenn ich Zeit habe – diese Apassionata „Video-Blinks“, die offenbaren, wie ich als Dramaturg die Apassionata-Show sehe, also seit wir sie – meiner Meinung nach – zu einem eigenständigen „Genre“ gemacht haben.

Asteris Kutulas, 29.6.2016

„Cinema of Dreams“ Apassionata Show – Video Blinks

Athen & Rückkehr nach Berlin, 6. & 11.6.2016

Mosche Dajan in Griechenland, Berlin, 11.6.2016

Ich besuchte heute nocheinmal Mikis Theodorakis nach unserer Rückkehr in Athen. Die Kreta-Reise hat ihn verjüngt. Er strahlt. Er spricht und spricht – wie früher:
„Es geht heute natürlich nicht um einen bewaffneten Widerstand, das ist absurd. Aber es geht um die innere Haltung der Menschen. Es geht um unsere nationale Souverenität, die wir längst verloren haben. Es sind neue Arten von Diktaturen, auf die wir uns jetzt einstellen müssen. Wie überlebt Demokratie unter solchen Umständen, denen wir jetzt ausgesetzt sind? Während der Diktatur zwischen 1967 und 174 waren die Dinge eindeutig. Als die Obristen am 21. April 1967 in Griechenland putschten, war das eine Militärdiktatur nach altem Muster, die errichtet wurde. Ich erinnere mich, dass Mosche Dajan, der damals in Athen war, einen Tag nach dem Putsch meine Frau aufsuchte und sie bat, ein Treffen mit mir möglich zu machen. Ich lebte in der Illegalität, war untergetaucht. Zwei Tage später kam es zu diesem Treffen, und Mosche Dajan (der einige Wochen später als Verteidigungsminister in Israel den Sechstagekrieg entscheiden sollte) sagte zu mir: ‘Mikis, lass uns zusammen den Widerstand gegen die Junta in Griechenland aufbauen! Du übernimmst die politische Arbeit, und ich werde den militärischen Flügel der Befreiungsorganisation PAM leiten.’ Ich erwiderte: ‘Mosche, das ist keine gute Idee. Wenn das bekannt wird, haben wir alle Geheimdienste der Welt am Hals. Ich bleibe hier in der Illegalität, und du gehst zurück nach Israel und machst Druck gegen die griechische Junta in der israelischen Öffentlichkeit und bei der Regierung.’ Damals waren die Dinge klarer. Das Feindbild war klarer. Heute gleiten wir in einer ‘verschwommenen Situation’ in die Diktatur hinein bzw. aus der Demokratie heraus.“

© Asteris Kutulas

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Rhythmus und Klang, Athen, 6.6.2016

In einem Spiegel-Artikel lese ich gerade die Aussage einer Studentin: „Allein kann man viel mehr bewegen als mit einem störenden Apparat im Hintergrund“. Und weiter der Reporter: „Sie wolle sich eben nicht als Parteimitglied engagieren, sondern als Mensch… Die alten Feindbilder, die strengen Lagergrenzen zwischen links und rechts hätten ausgedient – und deswegen auch das Interesse, an Wahlen teilzunehmen…“ Mikis verhielt sich irgendwie immer „wie die Jugend von heute“.
Ich höre, es ist frisch in Chania. Aus Deutschland haben sich die Unwetter verzogen, die Europameisterschaft hat begonnen. Es wird Sommer. In ein paar Wochen hat Theodorakis wieder Geburtstag. Widerstand ist eine Sache von Rhythmus und Klang einer „Mantinada“. Das erfährt man, wenn man auf Kreta ist.

© Asteris Kutulas

Kreta-Tagebuch, 4. & 5.6.2016

Licht in dunklen Tagen
(Mit Mikis Theodorakis unterwegs in Kreta, 4.6.2016)

Das Theodorakis-Museum in Galatas ist noch lange nicht fertig. Heute zeigt sich, dass bisher nur die Arbeiten an der äußeren Hülle so weit fortgeschritten sind, dass man sagen kann: In Ordnung. Aber sowohl die Stadt Chania als auch der griechische Komponist wollen ein Zeichen setzen für die Zukunft. Der Bürgermeister von Chania erklärt: Wie Salzburg die Stadt Mozarts und Bayreuth die Stadt Richard Wagners ist, so soll Chania die Stadt Mikis Theodorakis’ werden. Chania legt am heutigen Tag ihrem berühmtesten Sohn alles zu Füßen, was sie hat: Ehrenbürgerschaften, Auszeichnungen der Präfektur, Auszeichnungen der Universitäten Kretas, Ehrendoktorwürde.

 

Mikis dankt mit einer Rede. Ganz langsam, Satz für Satz, liest er aus Perkikles’ (in Thukydides’ Geschichte des Peloponnesischen Krieges überlieferte) Gefallenenrede. Über Demokratie. Über Freiheit. Über Bürgerrechte. Zu jedem Absatz macht Mikis eine Anmerkung im Hinblick auf die gegenwärtige Situation. Bei dem Satz: „Männern, die sich durch ihre Taten ausgezeichnet haben, sollte man auch durch Taten die letzte Ehre erweisen“ hält er inne, und sagt: „Wir sind Kreter. Ich erzähle Euch etwas über meine Vorfahren… 1915, während des 1. Weltkriegs, versuchten mein Vater, der damals 15 war, und sein Bruder, der damals 17 war, an die Front zu kommen, heimlich, weil sie Angst hatten, mein Großvater hätte sie niemals gehen lassen. Der war ein Hüne, mit einem riesigen Schnauzbart. Die beiden kamen tatsächlich bis zum Hafen von Suda und versteckten sich im Laderaum eines Schiffes. Plötzlich stand ihr Vater an Deck, irgendwo über ihnen, schaute zu ihnen hinunter und rief ihnen zu: Hier, nehmt dieses Brot mit und auch diese Taler. Ihr werdet sie auf dem Weg an die Front brauchen. Und noch eins: Kämpft, und macht uns keine Schande!“

Das Publikum im übervollen Saal absolut still. Mikis fährt fort: „Als ich 1967 gefangen genommen wurde, hielt man mich 60 Tage in Einzelhaft fest, in der Sicherheitszentrale von Bouboulinas, und kurz vor dem Tribunal durfte ich meinen Vater sehen, wovon man sich erhoffte, dass er mich zur Raison bringen würde. Ich sollte mich ‘einsichtig’ zeigen und meinen Überzeugungen abschwören. Als man uns beide zusammenbrachte, sagte der zuständige Offizier zu meinem Vater: ‘Herr Theodorakis, Ihr Sohn wird angeklagt nach dem Paragraphen 447 des Kriegsrechts.’ Mein Vater: ‘Können Sie mir das bitte bringen?’ Er schlug die entsprechende Seite langsam auf, sah mich an und sagte: ‘Mein Sohn, das ist ein Kriegsrechtsgesetz, und es steht mit roter Tinte darunter: Kann zur Verurteilung zum Tode führen.’ Er schaute den Offizier an. Dann, wieder mir zugewandt: ‘Du hast meinen Segen.’“

Er sieht seinen Zuhörern in die Augen: „Haben wir heute Demokratie in unserem Land? Nein. Verhalten wir uns gastfreundlich gegenüber den Fremden? Nein.“ Mikis kommt zu einem Thema, das in ganz Europa so aktuell ist wie noch nie zuvor. Wie wehrhaft ist unsere Demokratie? Wie weit kann oder muss man gehen, um sie zu verteidigen? Und seine Botschaften an die Zuschauer im Saal sind zwei: “ Sie haben euch eure Unabhängigkeit genommen. Sie haben euch eure Demokratie genommen. Sie haben euch euer Geld genommen. Und was macht ihr? Ihr geht zum Strand, trinkt einen Kaffee und vergnügt euch.“ Und in Anlehnung an Perikles’ Aussagen, dass die Athener „Kampf und Tod für besser hielten als Unterwerfung und Leben“ sagt er: „Ich verfluche meine Beine, weil sie mich nicht mehr tragen können und weil ich keine ‘Kalaschnikow’ mehr halten kann, um mich zu verteidigen. Ihr müßt Widerstand leisten. Ihr müßt wieder das verbotene Wort Revolution denken.“ Im Saal wird es noch stiller. Vor genau 75 Jahren, Ende Mai 1941, fand die Luftlandeschlacht um Kreta statt. Wer auf Kreta lebt, lebt schon immer im Widerstand, vor 1941 und danach. Bevor deutsche Fallschirmjäger kamen und danach.

Nach etwa fünfzig Minuten beendet Theodorakis seine Rede. Im Saal braust Beifall auf, und die Kulturbeauftragte der Stadt Chania schluchzt ins Mikrophon: „Danke, Mikis, für dein Licht in diesen dunklen Tagen.“

© Asteris Kutulas

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Bürgerkriegsland
(Mit Mikis Theodorakis unterwegs in Kreta, 5.6.2016)

Im Auto, unterwegs zu einem großen Konzert zu Ehren von Theodorakis am Fuße des Weißen Gebirges, meinte Stathis: „Wir hier auf Kreta haben alles. Selbst der Menschenschlag ist ein anderer hier Wir könnten unser eigenes Ding machen.“ Giorgos widerspricht: „Quatsch! Wir sind Griechen. Wir gehören zu Griechenland.“ Und zu mir gewandt: „Das Problem, das viele Griechen mit Mikis haben, offenbart das ganze Dilemma Griechenlands. Er gehört seit den 50er Jahren zu den wenigen – und manchmal war er auch der Einzige –, die die Entzweiung unseres Volkes in die Bürgerkriegsparteien, in Linke und Rechte, niemals hinnehmen wollten. Parteigrenzen waren ihm egal. Er wollte, dass die Griechen sich vereinigen, unabhängig davon, ob sie links oder rechts sind, um ein demokratisches und unabhängiges Land aufzubauen. Aber das war über Jahrzehnte das Schlimmste, was man in Griechenland denken und äußern konnte. Griechenland ist bis heute ein Bürgerkriegsland geblieben.”

© Asteris Kutulas

Kreta-Tagebuch, 3.6.2016

Kreta, eigentlich
(Mit Mikis Theodorakis unterwegs in Kreta)

Das Flugzeug von Athen nach Chania ist voll. Mein Sitznachbar zur Rechten, der ein offenbar großes Redebedürfnis hat, erklärt mir: „Kreta gehört eigentlich nicht zu Griechenland. Kreta ist das eigentliche Griechenland.“ Links neben mir sitzt Anastassia, eine griechische Lyrikerin, die aus dem selben Grund wie ich nach Kreta fliegt. Sie meint: „Vielleicht ist das seine letzte Reise. Da muss man dabei sein.“ Vorn in der ersten Reihe der fast 91jährige Mikis Theodorakis mit seiner Tochter Margarita und seiner Assistentin Rena. Das ist vielleicht tatsächlich seine letzte Reise. Am Telefon hatte er mir gesagt: „Ich muss checken, ob sie mein Grab richtig bemessen haben. Ich bin 1,97 groß, und ich will nicht, dass sich während meiner Beerdigung plötzlich herausstellt, dass das Grab zu kurz ist.“ Die griechische Ikone Theodorakis fliegt nach Kreta, in das Land seiner Vorfahren, um in Galatas, dem Vorort von Chania, das zukünftige Theodorakis-Museum zu besichtigen, das im Haus seiner Eltern eingerichtet wird.

Gleich nach meiner Ankunft besuchte ich Stelios Lainakis. Einer der bedeutendsten Erforscher kretischer Musik. Der Taxifahrer, der mich zu ihm hinbringt, fragt mich: „Kannst Du auf die Quittung verzichten? Dann verdiene ich wenigstens was. Die Mehrwertsteuer ist auf 24% erhöht worden, Benzin ist teurer geworden und auch die Wartung. Weisst Du, wieviel hängenbleibt bei mir als Fahrer von den 25 Euro? 3,50 Euro! Davon kann man nicht leben, nur langsam sterben, und hoffen, dass man nicht krank wird. Mit meinen 55 Jahren und bei der Arbeitslosigkeit habe ich keine Chance. Komme mir inzwischen wie ein Bettler vor. Die Krise frisst uns alle auf.“

Stelios Lainakis zeigte mir die Instrumente, die er entweder geerbt oder selbst gebaut hatte: Laute, Bouzouki, Saz, Bulgari, Gitarren. Dann holte er seinen Sohn Leonidas, der wie er Instrumentenbauer und Musiker ist, und sie spielten mir eine Mantinada, ein kretisches Volkslied, für Mikis vor. „Du nimmst das jetzt auf und spielst ihm das vor. Ist das klar?“ Als sie fertig waren, sagte er zu mir: „Diese Mantinada hat einer unserer Onkel geschrieben, der wie Mikis erst gegen die deutsche Wehrmacht und dann im Bürgerkrieg Ende der 40ern gegen die Engländer gekämpft hat. Also genau wie Mikis. Er wird jedes Wort des Liedtextes verstehen.“ Und dann voller Stolz: „Weißt du, was Mikis auf der Todes-Insel Makronisos seinen Folterern entgegnete, als er die Reueerklärung unterschreiben sollte? Er hat nicht gesagt: Ich unterschreibe nicht, weil ich Kommunist bin. Sondern er hat gesagt: Ich unterschreibe nicht, weil ich Kreter bin.“

© Asteris Kutulas

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