Seine Laufbahn als Komponist begann Mikis Theodorakis Anfang der 40er Jahre in der arkadischen Stadt Tripolis als Hymnenschreiber für die griechisch-orthodoxe Sonntagsliturgie in der Kirche „Agia Triada“. Seine zwei wichtigsten Werke der damaligen Zeit waren die „Hymne an Gott“ sowie die Liturgie „Kassiani“. Genauso wie seine etwa 30 anderen liturgischen Kantaten aus jener Zeit beruhten diese auf Texten griechisch-orthodoxer Kirchenväter bzw. der Priesterin Kassiani.
Der vorliegende Artikel wurde in einer gekürzten Fassung in der Zeitschrift exandas veröffentlicht.
1943 geht Theodorakis als 18jähriger ans Athener Konservatorium und hat im Gepäck seine „1. Sinfonie“, ein Oratorium, dessen Worte er selbst verfasste. Darin bricht er seine religiös inspirierte Suche nach Gott in eine Dualität auf, was sich darin zeigt, dass er eine gleichberechtigte Ansprache formuliert – auf der einen Seite an das Licht und auf der anderen Seite an das Dunkel.
Seine zwei Hauptwerke auf dem Gebiet der Kirchenkomposition entstanden viel später in den 80er Jahren, als Theodorakis schon beinah 60 war. Es sind die „Totenmesse“ und das „Requiem“, die beide auf Texten zweier Kirchenväter aus dem 4. und 5. Jahrhundert basieren. Für Theodorakis gehören die Verse des „Requiem“, geschrieben von Johannes Damaskinos im 6. Jahrhundert zu den schönsten griechischen Texten überhaupt. Unter anderem vertonte er 1982 folgenden Abschnitt:
„Lasst uns heraus kommen und in den Gräbern wahrnehmen, dass der Mensch nur das ist: Knochen, Fraß für die Würmer und Gestank. Lasst uns erkennen, was Reichtum, Schönheit, Kraft und Anstand wirklich sind.“
Der vorliegende Artikel wurde in einer gekürzten Fassung in der Zeitschrift exandas veröffentlicht.
In Tripolis hatte Theodorakis als Gymnasiast die Seminare von Evangelos Papanoutsos besucht, des damals bedeutendsten griechischen Philosophen. Und während der Zeit bei ihm wurde für den jungen Theodorakis das zur Passion, was ihn zeitlebens begleitete: seine tiefe Liebe zu den Schriften der antiken Autoren.
Das Altgriechische perfekt beherrschend, verschlang der 15- bis 17-jährige Theodorakis alles, was die Antike an Schriftgut zu bieten hatte. Nicht nur die Tragiker, sondern auch alle Philosophen, Mathematiker und Astronomen. Beim Pythagoräer Philolaos las Theodorakis, dass die Entfernungen zwischen den Planeten gemessen werden können im Verhältnis zum „zentralen Feuer“, also dem Feuerkern des Alls, den Philolaos auch als „Mutter der Götter“ oder auch als „Altar“ und „Ordnung“ der Natur apostrophiert hatte, um den herum sich zyklisch drehten: die Anti-Erde, die Erde, der Mond, die Sonne, die Planeten und schließlich, in der äußeren Sphäre des Alls, die „unsteten Sternenhimmel“. Für den Vorsokratiker Philolaos ist das Feuer der Ursprung des Lichts und die absolute Quelle der Energie des Absoluten. Und laut Philolaos sind Feuer und Musik Geschenke an die Menschen.
Die Musik als Ausdruck des planetarischen Klangs auf Erden bringe einen Widerhall des Universums hervor, und dieser Widerhall versetze den Menschen in einen rein geistigen Zustand, genauso wie andererseits das Feuer auf der materiellen Ebene zu Reinheit in unseren irdischen Sphären führe.
Diese Gedanken inspirierten Theodorakis und bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Theorie von der Universellen Harmonie.
Seine Liebe zu den Vorsokratikern und ihrer Musik- und Zahlentheorie hatte ihren Ursprung gehabt in den Nächten unter freiem Himmel, die der fünfjährige Mikis auf der Ägäis-Insel Chios mit seinem Vater verbrachte, der ihm stundenlang – und das über Monate – den Sternenhimmel erklärte. Diese himmlische Ordnung prägte sich dem Kind ein und ließ es den Widerspruch zwischen dem Makrokosmos und dem Mikrokosmos, zwischen Harmonie und Chaos schon sehr früh erkennen. Im Kreis der Familie die heile Welt, außerhalb der Familie Gefahr und Leid. Und später dann: Ruhe im Innern, Tod und Folter im Außen.
Der vorliegende Artikel wurde in einer gekürzten Fassung in der Zeitschrift exandas veröffentlicht.
Theodorakis, der als Komponist seit seiner Kindheit, wie er schrieb, den „Klang“ als Auslöser musikalischer Schöpfung erfuhr, machte in einem Aufsatz vom November 2006 darauf aufmerksam, dass es nur ein kleiner Schritt sei von dem Gedanken der Vorsokratiker bezüglich der Harmonie und der Musik der Sphären bis zu seinem eigenen Gefühl, in sich einen überwältigenden Klang zu hören, bevor dieser die Gestalt der Musik annahm. Diese beiden Dinge seien nur zwei Seiten derselben Medaille – wobei die zweite nur eine Widerspiegelung der ersten bedeuten kann: irdische Musik also als Widerspiegelung des Klangs des Universums.
Viel später, Ende der 90er Jahre, bei seiner Auseinandersetzung mit dem Antigone-Stoff erkannte Theodorakis, dass der Widerspruch zwischen Chaos und Harmonie sich im Zyklus von Theben widerspiegelt: Iokaste als Mutter des Chaos, die das antinomische Paar Eteokles und Polineikes zur Welt bringt, deren Einander-Bekämpfen schließlich zu Iokastes Tod führt, das heißt zum Tod des Chaos. Aus ihm heraus entsteht eine neue Harmonie, die abermals ein neues Chaos hervorbringt: in Gestalt von Kreon. Was einen weiteren Konflikt auslöst und schließlich durch Antigones Tod zu einer neuen Harmonie mit Ödipus in Kolonos führt.
Ödipus, den Sophokles im heiligen Wald von Kolonos verschwinden lässt, als wollte er die Erlösung von Ödipus als eine endgültige festschreiben, also als die schöne Illusion: dass hinsichtlich des menschlichen Schicksals ein harmonisches und endgültiges Finale existieren könnte. Theodorakis weist darauf hin, dass diese finale Harmonie allerdings nur als Wunsch des Dichters Sophokles zum Ausdruck kommt, der einen versöhnlichen Schluss gestalten wollte, angesichts seines bevorstehenden Todes und in Erwartung einer ewigen Ruhe, die nach Theodorakis’ Meinung aber niemals auf Erden zu haben ist.
Und Theodorakis stützt sich bei der Komposition seiner drei Opern auf das dialektische Prinzip von These, Antithese und Synthese, ohne einen Schlusspunkt setzen zu wollen, und er lässt die Begriffspaare Macht und Gewalt, die sich mit dem Chaos verbinden, entgegenstehen dem Begriffspaar der Liebe und der Pflicht, wobei dieser Antagonismus zur Opferung des Lebens und nur dadurch zu einer neuen Harmonie führen kann. In dieser Weise verdeutlicht er in seinen Opern, als Teil seiner philosophischen und politischen Weltanschauung, wie eng die Beziehung zwischen Himmel und Erde, zwischen universellem Chaos und universeller Harmonie und zwischen all diesen und dem Schicksal des Menschen ist.
Der Roman „Einheit 18“ ist ein Actionthriller im realen Umfeld des Nahostkonflikts. Militär- und Geheimdienstoperationen, Verfolgungsjagden, Terroranschläge, menschliche Beziehungsdramen, Sex zu Spionagezwecken und wahre Liebesgeschichten laufen wie in einem Film ab, der spannender nicht sein könnte. Der Autor fördert Geschehnisse ans Licht, die den Top Secret-Akten des Mossad, der CIA und des GRU entnommen sein könnten, wird dabei in der Sprache aber immer literarischen Ansprüchen gerecht. Die fast unglaublichen Ereignisse finden in Israel, im Gazastreifen, dem Libanon, in Syrien, im Iran, in Russland und den USA, in die Tiefen des Atlantiks und des Mittelmeers und am Himmel darüber statt. Bis zum Schluss folgen sie einem unerwarteten, aber logischen Handlungsablauf.
Skizzenhaft lässt Alexander Günsberg die Biografien fast aller Romanfiguren einfließen, die oftmals über mehrere Generationen hinweg verfolgt werden. Diese Fäden kreuzen, aber verwirren sich nicht. Der Autor behält sie alle in der Hand. Er erzählt von der Besonderheit einer jeden Begegnung und davon, was daraus entsteht. Und er erschafft zugleich, wie nebenbei, ein faszinierendes Kompendium jüdischer Geschichte, Bräuche, Denkungsart und Kultur.
Die Helden des Romans sind Mitglieder der Jechida 18, einer kleinen Elitetruppe der legendären Aufklärungs-Einheit Sayeret Matkal innerhalb der israelischen Armee. Sie werden als Kriegshelden dargestellt, allerdings als solche, die nicht nur siegen, lachen und tanzen, sondern auch leiden und sterben können. Eines lassen sie jedoch nicht zu: dass ihre Heimat Israel tödlich getroffen wird. Die Gefahr der völligen Vernichtung, in der sich der Staat Israel befindet, schwebt wie ein Damoklesschwert über der Handlung. Alexander Günsberg verwebt auf existenzialistische Art die romanhafte Fiktion eines Kampfes auf Leben und Tod mit der blutigen und gnadenlosen Realität des Nahostkonflikts, bei dem es jeden Tag um Sein oder Nicht-Sein geht.
Der Roman erzählt vom permanenten Überlebenskampf Israels, der Heimat nicht nur des jüdischen Volkes, sondern – und das führt der Roman dem Leser wiederholt vor Augen – aller Israelis, gleichgültig ob es Juden, Araber, Christen oder Moslems sind. Aus diesem Buch spricht sowohl die Liebe des Autors zu dieser HEIMAT Israel als auch des Autors Bewunderung für diejenigen, die dieses Land schützen. Zionismus, schreibt Alexander Günsberg, „ist der Wunsch der Juden, in die Heimat zurückzukehren“, und diese Heimat Israel strahlt „auch in höchster Bedrängnis als Licht von Menschliebe, Toleranz und Gleichberechtigung durch die Finsternis der Welt“. Alexander Günsberg offenbart durch sein Buch, dass gerade aus diesem humanistischen und demokratischen Grundansatz heraus die Kraft, die Zuversicht und die Lebensfreude der Verteidiger Israels erwächst.
Als mir klar geworden war, dass „Einheit 18“ nicht nur ein Action-Thriller, sondern vor allem ein Anti-Hass-Buch ist, erinnerte ich mich an den Festakt zum 50. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen am 7. Mai 1995. Tausende Menschen, unter ihnen viele Überlebende mit ihren Familien, waren zum Appellplatz gekommen, wo Mikis Theodorakis seine Mauthausen-Kantate für sie dirigierte, gesungen von Maria Farantouri, live übertragen vom österreichischen Fernsehen. Neben Mikis stand Simon Wiesenthal, der in seiner Rede unmittelbar vor dem Konzert sagte: „Der Nationalsozialismus, der die Welt beherrschen und versklaven wollte, bestand de facto aus einer Komposition aus Hass und Technologie. Hass ist etwas Furchtbares. Hass ging dem millionenfachen nationalsozialistischen Verbrechen voraus. Wir müssen diese Verbrecher verachten, nicht nur, weil sie unsere Familien hingemordet haben, sondern weil sie die Würde des Menschen zertreten haben und damit auch die Würde Gottes, der die Menschen nach seinem Ebenbild erschuf.“
Diese Sätze berührten mich zutiefst, und ich konnte nicht umhin, Simon Wiesenthal nach dem Konzert zu fragen, warum er in seiner Rede den Hass noch über das Verbrechen des Tötens gestellt hat. Seinen durchdringenden Blick werde ich nicht vergessen, ebenso nicht seine Antwort: „Mit dem Hass fängt es an. Er frisst sich in die Seele des Menschen und macht aus ihnen Verbrecher.“
Weil es im Roman von Alexander Günsberg um die Bewahrung genau dieser Würde des Menschen und zugleich um den Kampf gegen den Hass im Inneren wie im Äußeren geht, rufe ich dem Autor in griechisch-jüdischer Verbundenheit zu: Am Jisrael chaj!
Verlagsnotiz zum Buch: Israels tödlichster Krieg. Nur die Geheimdienste wissen von ihm.
Die gefährlichsten Militäroperationen gegen seine, von den iranischen Mullahs gesteuerten Todfeinde führen die israelische Elitetruppe Sayeret Matkal nach Gaza, Teheran, Beirut, Ramallah, New York und auf eine U-Boot-Fahrt durch den Nordatlantik und das Mittelmeer, bei der sich ein Unterwasserkrieg mit Russland entwickelt. Durch die Kämpfe schimmert die Geschichte Israels und seines unglaublich anmutenden Erfolgs. Aus der Asche von 6 Millionen Ermordeten im Holocaust entstand eine Nation, die nichts und niemanden mehr zu fürchten braucht. Hinter der Härte der Männer und Frauen der Einheit 18 aber kommen Menschen zum Vorschein, die leben und lieben wollen.
(Ich danke der Online-Plattform GRIECHENLAND AKTUELL, dem Griechischen Aussenministerium und Thanassis Lambrou für dieses Interview. A.K.)
Thanassis Lambrou von Griechenland Aktuell sprach mit Asteris Kutulas über seine Pläne und die laufenden Projekte.
Griechenland Aktuell: [Als Sohn griechischer politischer Flüchtlinge wurde Asteris Kutulas in Rumänien geboren und zog später mit seiner Familie in die DDR. Er studierte Germanistik und Philosophiegeschichte an der Universität Leipzig, übersetzte zahlreiche Werke bedeutender griechischer Autoren ins Deutsche, so z.B. von Konstantinos Kavafis, Giorgos Seferis, Jannis Ritsos und Odysseas Elytis, sowie die Autobiographie, verschiedene Schriften und Gedichte von Mikis Theodorakis.
1980 begann Asteris Kutulas seine Zusammenarbeit mit dem Komponisten Mikis Theodorakis, für den er weltweit Konzerte organisierteund über 30 Alben produzierte.
Als Regisseur war er zunächst im Dokumentarfilmbereich tätig und schlug dann einen ganz eigenständigen Weg ein mit den hybriden Filmen „Recycling Medea“ und „Dance Fight Love Die – With Mikis on the Road“. Asteris Kutulas‘ Filmschaffen hat einen direkten Bezug zu Griechenland und wendet sich an ein internationales Publikum.
2015 initiierte Asteris Kutulas zusammen mit Ina Kutulas das Filmfestival „Hellas Filmbox Berlin“.
Basierend auf einem reichen Erfahrungsschatz aus der Zeit seiner Zusammenarbeit mit dem Lichtarchitekten Gert Hof und aus seiner dramaturgischen Tätigkeit im Entertainment-Bereich entwickelte Asteris Kutulas mit Liquid Staging eine neue Eventform und reagiert so auf die Bedürfnisse und Sehgewohnheiten jüngerer Generationen. Seine Film-Raum-Installationen sind allerdings Erlebnisfelder für ein Mehrgenerationen-Publikum.] – Griechenland Aktuell
GR Aktuell: Erzählen Sie uns von Ihren jüngsten Projekten ELECTRA 21 und MEDEA 21.
Asteris Kutulas: Diese beiden Projekte vereinen auf sehr moderne Weise Musik, Tanz, Lyrics, Film und Installation. Stellen Sie sich das so vor: Das Publikum in der Mitte, vier große Leinwände drum herum. Bei anderen Produktionen könnten es mehr oder auch weniger Screens sein. Bei den Hofer Filmtagen habe ich das zusammen mit meinem Team bereits zweimal realisiert. Also: In einem großen Raum vier Leinwände, auf jeder ein Film, alles gleichzeitig, absolut synchron zur Elektra- bzw. zur Medea-Musik von Mikis Theodorakis. Ich wollte mit diesem neuen Show-Format die Geschichten der beiden faszinierenden Frauengestalten neu und anders erzählen, wobei die Zahl 21 für das 21. Jahrhundert steht.
Wir haben 2011 die Ballettaufführung der „Medea“ und 2018 die der „Electra“ mit der fantastischen Musik von Mikis Theodorakis und der großartigen Choreografie von Renato Zanella im Apollo-Theater auf Syros gefilmt. Maria Kousouni als Medea und Sofia Pintzou als Elektra sind Weltklasse, und sie tanzen „auf Leben und Tod“. Das muss man einfach gesehen haben … auch wie unsere Cinematographer Michalis Geranios die Medea und James Chressanthis (ASC) die Elektra gefilmt haben.
2021 und 2022 verschmolz ich das „Electra“- und das „Medea“-Filmmaterial mit meinem Liquid-Staging-Konzept, und so entstanden ELECTRA 21 (63 Minuten) und MEDEA 21 (45 Minuten): Da das Publikum bei jedem der beiden Projekte jeweils vier verschiedene Filme gleichzeitig erlebt, sieht jeder Zuschauer einen anderen Film, weil jeder jeden Augenblick entscheidet, wohin er schaut und welchen „Film“ er sieht. Jeder im Publikum macht im Kopf seinen eigenen Filmschnitt. Am Schluss hat kein Zuschauer dasselbe gesehen. Es ist ein neues, ein „polydimensionales Sehen“. Ein immersives Kino-Erlebnis.
GR Aktuell: Sie gehören zu den Schöpfern des innovativen Kinos und benutzen dabei Themen aus antiken Dramen. Warum sind diese Stoffe für Sie immer noch interessant?
Asteris Kutulas: Für mich sind sie aktuell, relevant, brisant. Die Storyline des Sophokles-Thrillers „Elektra“: Es geht um Macht. Agamemnon, der Vater, opfert seine Tochter Iphigenie, um in den Krieg gegen Troja ziehen zu können. Seine Ehefrau erschlägt ihn darum zehn Jahre später. Ihre beiden Kinder Elektra und Orest töten wiederum viele Jahre danach die Mutter. Ein Kreis des Hasses und der Rache, der zur Vernichtung der Institution der Familie führt. Ein zeitloses Thema.
Bei der „Medea“ von Euripides führt derselbe Teufelskreis zur Vernichtung jeder Hoffnung auf Zukunft. Auch das hochaktuell. Aus Liebe zu Jason verrät Medea ihre Familie, erschlägt ihren Bruder und flieht aus der Heimat. Sie und Jason haben bald zwei Söhne, aber Jason bleibt nicht bei Medea, die in seinem Land eine Fremde ist. Glauke, die Tochter des Königs, ist eine wesentlich bessere Partie. Medea will sich mit Jason nicht arrangieren; sie tötet aus Rache ihre Rivalin Glauke, und dann tötet sie ihre beiden Söhne, um Jason auf ewig leiden zu lassen. Medea, die ihren Status verlor – eine Kindsmörderin. Wäre sie „einfach vernünftig“ geblieben, wäre das alles nicht passiert. Jason, der Ehemann und Vater, ebenfalls in einem Macht- und Dreieckskonflikt gefangen.
Schließlich die Kinder, die von der eigenen Mutter erschlagen werden – die unschuldigen Opfer der ungelösten Erwachsenen-Konflikte. Genauso wie die Elterngeneration von heute ihre Kinder und Enkel nicht in die Klubs zum Feiern, sondern auf das Schlachtfeld zum Sterben schickt.
Wie in vielen Netflix-Serien handeln „Medea 21“ und „Electra 21“ von Hass, Tod, Verlust der Identitäten, von Heimat, Liebe, Familie und Gemeinschaftlichkeit. Das Zerstörerische tritt immer deutlicher zutage. Wir alle erfahren dies heute weltweit in vielen Krisen und Kriegen. Diese Geschichten zeigen wir in „Medea 21“ und „Electra 21“ auf neue Art und Weise. Durch die Liquid-Staging-Ästhetik ist ein viel spannenderes und emotionaleres Storytelling möglich, das zudem dem „neuen Sehen“ der jüngeren Generationen entspricht, desillusioniert und dynamisch.
Die Zuschauer müssen sich orientieren: Wo läuft welcher Film? Welcher „Film“ läuft insgesamt ab? Mehrere in einem Raum parallel ablaufende visuelle Erzählstränge, die ein neues cineastisches Erlebnis schaffen, fordernd und überwältigend zugleich. Ich empfinde das als der dramatischen Gegenwartssituation mit ihren vielen Umbrüchen angemessen. Ich habe Schwierigkeiten, in einem Sessel zu sitzen und auf einen Bildschirm zu schauen. Ich bin nicht so drauf in diesen Zeiten. Ich will sie anders packen.
GR Aktuell: Mikis Theodorakis ist vor einem Jahr gestorben. Wann haben Sie ihn kennengelernt? Wie konnte Ihre Freundschaft und Zusammenarbeit so lange dauern?
Asteris Kutulas: Ich habe Mikis 1980 kennengelernt, als ich Germanistik und Geschichte der Philosophie in Leipzig studierte. Ich traf auf einen Mikis Theodorakis – durch und durch Künstler. Wach, genial, belesen, humorvoll, total offen, neugierig. Von ihm ging eine unbändige Energie aus – das hat mich an ihm am meisten fasziniert. Dieses Pulsierende, Lebendige, Anarchische. In seiner Gesellschaft tankte ich ununterbrochen „Poesie“ und atmete das existentielle „Gefühl von Freiheit“. Es traf auf das, was ich studierte und wofür ich mich interessierte. Es war eine Art von Doping.
Unsere langjährige Freundschaft und Zusammenarbeit beruhten darauf, dass Mikis Theodorakis mich von Anfang an als „Künstlerkollegen“ akzeptierte, obwohl uns 35 Jahre Altersunterschied trennten und ich noch am Anfang stand. Das war eine seiner faszinierenden und beglückenden Grundeigenschaften: Mikis hatte diese Offenheit, dieses starke Interesse. Für ihn war das Leben ein permanenter Workshop. Wir kooperierten künstlerisch und tauschten uns aus über Dichtung, Philosophie, Musik, Politik, bildende Kunst, Film, Tanz. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden viele Bücher, einzigartige Alben, Filme, Interviews, Konzept-Touren, exklusive Musik-Produktionen, Ausstellungen und vieles mehr.
GR Aktuell: Welche Zukunftspläne haben Sie noch im Hinblick auf all das, was Theodorakis‘ als vielfältiges und überreiches Werk hinterlassen hat?
Asteris Kutulas: Ich kannte Mikis Theodorakis als einen sehr authentischen, wirklichkeitsnahen Menschen, sehr „bodenständig“, wie man im Deutschen sagt. Das blieb er bis ins hohe Alter hinein. Er sagte: „Das Alter muss gezeigt werden, filme, fotografiere mich so, wie ich bin.“ Und so stellte er sich auch vor „sein“ Publikum, im Rollstuhl, ohne Angst und Eitelkeit, konzentriert auf die Musik, die ihn in diesen Momenten zusammen sein ließ mit den tausenden Menschen, die da waren. Das war so etwas wie die „Honigpumpe“ von Beuys – ein sehr alter Mann in einem Rollstuhl, aber es geht nicht darum, sondern man ist im Lied, in der Melodie, im Text, in etwas, zu dem man sagt: Ich komme von da. Mikis ist aus der Lyrik gekommen, und dann hat der Klang ihn eingeholt.
Als ich in den Neunzigerjahren Mikis‘ drei „Lyrischen Tragödien“ – wie Mikis seine Opern nannte – „Medea“, „Electra“, „Antigone“ hörte, beschloss ich, eine „Thanatos-Trilogie“ zu machen: Über „Killing the Children“ in Medea, „Killing the Parents“ in Electra und „Killing Democracy“ in Antigone. Zusammen mit meiner Ko-Autorin und Ko-Produzentin Ina Kutulas arbeiten wir seit 2018 an diesem Konzept, das Mikis sehr gefallen und unterstützt hat. Dieses Konzept haben wir „in verschiedene Formate gegossen“. Ein Format ist das Liquid-Staging-Kino-Format. Ein weiteres Format ist eine Live-Bühnen-Version: Zusammen mit Renato Zanella und Ina Kutulas habe ich eine Ballett-Tetralogie entwickelt. Der Titel: „Thanatos Trilogy + Epilogue: Make Love not War“. Das bedeutet: Medea – Electra – Antigone – Lysistrata in einem Tanz-Film-Event. Mikis‘ Musik in diesen vier Werken ist sehr cineastisch, sehr modern. Rhythmisch, dramatisch, lyrisch – und dann diese Theodorakis-Melodien, die einfach einzigartig sind.
Aktuell arbeiten wir mit Achilleas Gatsopoulos, Michalis Argyrou, Ina Kutulas und weiteren Künstlern am SATELLITE CLIPS PROJECT, das auf innovative und spezifische Weise bildende Kunst und Film miteinander verbindet. Es zeigt, wie man durch einen dramaturgischen Ansatz aus einer Reihe von Video-Clips und grafischen Kunstwerken, die zu Film-Grafiken wurden, ein immersives Show-Format entwickeln kann. Wie bei den anderen hier beschriebenen Projekten ist das ein Schritt hin zum polydimensionalen Sehen, zum Kino 2.0.
LIQUID STAGING – The „spatialisation of film“ as a basis of new show creations and new show and event formats
Foreword
Ever since the advent of film, it has been incorporated in theatre and musical productions as well as many other types of shows, from Erwin Piscator in the 1920s and the “Laterna Magica” project of the late 1950s all the way up to the latest phantastic stage and concert productions. Yet until very recently, film has never been considered or used as a medium to blend and unite disparate design components (stage, acting, dance, acrobatics, music, sound, light etc.), i. e. as a medium that keeps changing its role and remains in constant flux and transformation. Most of all, it has never been used to encompass and control the entire theatre’s interior architecture.
Such a simultaneous and equal development and production of stage and film action generates a new symbiosis, a new “osmotic performance genre” that is far more than the mere sum of what’s happening on stage and the corresponding stage or film set.
Liquid Staging translates film to theatre spaces and auditoriums, enabling an entirely novel kind of show – “show” denoting all performance types, from theatre, ballet and opera to concerts, musicals, performances, events and exhibitions.
The Liquid Staging concept creates the scope for an “analogue 3-D show”, one that places the guests truly “center stage”. It serves as the basis for creating a deeply emotional and all-encompassing theatre illusion. The audience no longer needs special glasses or viewing aids to delve deep into another world. Liquid Staging thrusts them straight into an “experience space” with exciting scope for the realization of a brand-new type of performance with the options of 21st century technology and aesthetics.
Liquid Staging paves the way for spatial stage aesthetics that focus on triggering a new kind of dramatic emotionality, i. e. on addressing the audience’s “heart” and “senses” in a different way. An approach that is less about content and more about an entirely new mode and format since – over the years – I had noticed how all established show traditions not only seemed somewhat “cold” and “abstract” (these terms are not meant to be judgmental), but also strangely staid and outdated:
– The Revue format, evolved from late 19th century French cabaret, reached its peak in the 1920s and continues to be copied ad infinitum, especially in Paris (Moulin Rouge, Lido) and Berlin (Friedrichstadtpalast).
– Musicals had their heyday between 1930 and 1950. The virtually unchanged format continues to enjoy great success, most of all in its two hubs, London and New York City.
– Cirque de Soleil’s fantastic show circus was developed in the 1980s by Guy Laliberté in Canada and its unique show format keeps going from strength to strength, both internationally and in Las Vegas as a one-of-a-kind theatre production.
– In theatre, the cult of design formalism (something Apple continues to market in a different arena and with extreme and lasting success) culminated in the exceptional productions of Robert Wilson and many others since the 1990s.
– Opera, circus, variety, rock concerts etc. tend to follow traditional, almost “set in stone” performance formats. Some of these have reached an obvious aesthetic cul-de-sac and need to reinvent themselves sooner or later – which invariably happens when new stage ideas capture the zeitgeist. For prime examples, look no further than the iconic productions of André Heller, Pink Floyd, U2, Roger Water’s „The Wall“ or Rammstein’s seminal 1998 live-from-Berlin gig, not to mention their later concert projects.
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Liquid Staging champions the aesthetics of “unshackled theatre”, of a modular, structured production style that splices epic and dramatic theatre with film; a spatial staging method that – besides empathy (imitation and identification) also leaves room for the abstract (reflection and alienation). Yet Liquid Staging principles could also be used and employed in entirely different ways. In any case, this “spatialization of film” translates to new challenges for directors, costume designers, composers, light designers, and stage technicians. And it completely redefines the role and tasks of the stage designer/art director who now needs to become the show’s scenographer, film director, and motion graphics artist in one. At the same time, Liquid Staging also rewrites the role of the “author” – he becomes a blend of scriptwriter, dramaturge, choreographer, and playwright.
When implementing this concept, you quickly hit the limits of what is currently feasible in terms of aesthetics, production technology and budgets. After all, such a “real stage movie”, precisely choreographed to sound, light, movement and costumes from the very first second, requires entirely new approaches to work and truly exploit the sheer emotional potential of cinema for a stage production. It’s an enormous challenge – and a fitting one for today’s creative explorations and emotional-creative cravings. The result promises to be a truly unique show as it has never been seen – or experienced – before.
Liquid Staging mood-film by Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos
LIQUID STAGING MANIFESTO
Liquid Staging … is the basis for new, innovative, spatial show and event formats … satisfies the emotional and mental needs of our digital age … allows for „hybrid Gesamtkunstwerke“ (hybrid total works of art), based on the latest technological achievements of the 21st century
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The „Liquid Stage Design“ is a hybrid „medium“ that unites all design components. These components include film, stage, acting, dance, gaming, music, sound, lighting, design, architecture, digital art, virtual reality, etc.
The „Liquid Stage Design“ is a constantly evolving and constantly changing „medium“.
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The „Liquid Stage Design“ is a „film“ that is composed from the first to the last second of the show or event.
The „Liquid Stage Design“ not only plays on the stage background, but also on the entire floor area, the ceiling area of the stage space, the side walls, and, depending on the storyboard, the entire audience area.
The „Liquid Stage Design“ incorporates the architecture of the „theatre“ interior and, if necessary, the „theatre exterior facade“ and „redefines“ it.
With the „Liquid Stage Design,“ a „hybrid experiential space“ is created in which a new „osmotic“ form of performance can be realized with the technical-digital possibilities of the 21st century. („Hybrid“ here always means the inseparable connection of filmic-visual/digital and real action.)
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Liquid Staging completely overcomes the boundaries between „stage“ and „film“.
The „Liquid Stage Design“ opens up new, cross-genre uses of film and establishes a new type of show production. In this context, „show“ refers to all possible forms of performance (e.g., event, theatre, concert, ballet, opera, musical, performance, exhibition, keynote, product presentation, fashion show, etc.).
Liquid Staging introduces many novel options and opportunities just waiting to be tried or rediscovered for future productions. The following aspects are key:
We are dealing with a constantly changing stage design that can switch from static to cinematic to embedded to interactive in an instant according to need.
Time and again, the cinematic illusion replaces the theatrical illusion (according to storyboard directions), only to disappear behind the latter and then return to the fore again – an ongoing, dynamic process that shapes the entire show. During certain phases, the stage design morphs into a movie and vice versa.
The actors on stage also frequently transform into protagonists of a film scene. Throughout the entire performance, they serve as both theatre and movie actors – or a vital linking medium for this new creative space.
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The medium of film can be used in at least four ways as the most important element of the „Liquid Stage Design“:
as an embedded „Moving Stage Design“ (with varying dynamics, narrative form, aesthetics, etc., depending on the storyline and music)
as a large narrative „cinema“ (e.g., individual film sequences, scene transitions)
as a medium interacting with the performers and various stage elements and props (mapping effects, etc.)
as a medium that can involve the audience in the show
The „Liquid-Staging-Film,“ which corresponds to music, light, movement, text, props, costumes, etc. from the first to the last second, requires completely new approaches in order to „work“ and for the emotional possibilities that „cinema“ offers to be used in live performances.
The concept of „spatialization of film“ inevitably leads to a completely new definition of professional roles:
The author – a screenwriter, playwright, dramaturge, and choreographer in one
The director – who must master both theater and show, dance, gaming, and film direction
The set designer – who should also be a film director, art director, scenographer, and motion graphics artist
The projection artist and lighting designer – whose different areas of work merge with those of the Liquid-Stage-Designer
As a result of the Liquid-Staging aesthetic, the scope and methodology of tasks in costume design, music/sound composition and production, prop development and production, etc. are also changing.
Liquid Staging also represents a new challenge for all the involved technical professions.
The „Liquid Stage Design“ implies a new philosophy for shows and events.
But the #liquidstaging aesthetic would never have developed as far as it did without the input of Ina Kutulas, Achilleas Gatsopoulos, Gerd Helinski, Alexander Strizhak, Ross Ashton, Michalis Argyrou, James Chressanthis, Alto Metzger & the PRG: Germany team, Lars Krückeberg and the Graft Architects, the PIXOMONDO creatives, and the BLACKSPACE team. My thanks also go to Apassionata World GmbH for their support from 2015 to 2017. And of course to the master & light architect Gert Hof.
Finally, my thanks go to Thorsten Schaumann and the International Hofer Filmtage for the world premiere of our Liquid Staging installation Electra 21 and the awarding of the Hans-Vogt-Filmpreis.
MEDEA 21 – 1 Soundtrack. 4 Filme auf 4 Screens gleichzeitig. Die Zuschauer mittendrin. Polydimensionales Sehen als neues Show-Format. Ein immersives „Kino 2.0“ Erlebnis für das 21. Jahrhundert.
Eine Liquid Staging Installation von Asteris Kutulas zu einem Soundtrack von Mikis Theodorakis
MEDEA 21 Verlust von Heimat und Identität. Liebe, Eifersucht, Mord. Die Mutter tötet ihre Kinder. Verstörende Schönheit. Keine Zukunfts-Perspektive. Rebellierende Jugendliche.
MEDEA 21 (Synopsis) Out of love for Jason, Medea betrays her family, slays her brother, and flees her homeland. She and Jason soon have two sons, but Jason does not marry Medea, who is a stranger in his country. He takes as his wife Glauke, the daughter of the king. Medea kills Glauke and the king in revenge, and then she kills her two sons to make Jason suffer forever eternally.
Aus Liebe zu Jason verrät Medea ihre Familie, erschlägt ihren Bruder und flieht aus der Heimat. Sie und Jason haben bald zwei Söhne, aber Jason heiratet nicht Medea, die in seinem Land eine Fremde ist. Er nimmt Glauke zur Frau, die Tochter des Königs. Medea tötet aus Rache Glauke und den König, und dann tötet sie ihre beiden Söhne, um Jason auf ewig leiden zu lassen. Medea – ein zeitloser Thriller, neu erzählt in vier parallellaufenden Filmen, alle vier absolut synchron zur Soundtrack-Musik von Mikis Theodorakis.
Film 1: Liebe, Eifersucht, Mord. Die Mutter tötet ihre Kinder. Ein Tanzfilm – die Aufführung des MEDEA-Balletts von Renato Zanella im „Apollo“-Theater in Hermoupolis auf Syros mit der extraordinären Maria Kousouni als Medea. Eine Mischung aus klassischem Ballett und modernem Ausdruckstanz.
Screen 1: Love, jealousy, murder.The mother kills her children. A dance film – the performance of the MEDEA ballet by Renato Zanella at the „Apollo“ theater in Hermoupolis on Syros with the extraordinary Maria Kousouni as Medea. A mixture of classical ballet and modern expressive dance.
Film 2: Verstörende Schönheit. Die 15-jährige Bella in einer „heilen Welt“ – wie nicht von dieser Welt –, verstörend idyllisch, verstörend schön. Beinahe unwirklich erscheint sie, eine Fiktion. Keine Fiktion dagegen das Buch, das sie gerade liest, die Worte der 1944 in einem Amsterdamer Hinterhaus-Versteck untergetauchten Anne Frank.
Screen 2: Disturbing beauty. 15-year-old Bella in an „ideal world“ – as if not of this world – disturbingly idyllic, disturbingly beautiful. It seems almost unreal, a fiction. Not a fiction, however, is the book she is reading, the words of Anne Frank, who went into hiding in a backhouse in Amsterdam in 1944.
Film 3: Energie und Freiheit des Schöpferischen. Der Dokfilm zum Tanzfilm – die spannenden Proben für die Ballett-Aufführung mit den Tänzern und dem Choreografen Renato Zanella.
Screen 3: Energy and freedom of the creative. Making-of for the dance film – the exciting rehearsals for the ballet performance with the dancers and the choreographer Renato Zanella.
Film 4:Keine Zukunfts-Perspektive. Rebellierende Jugendliche. Die Jugendaufstände zwischen 2010 und 2014 in Griechenland als Sinnbild des Widerstands der jungen Generation gegen eine gewalttätige und menschenverachtende Gesellschaft. Mittendrin in diesen Aufständen auch der über achtzigjährige Komponist Mikis Theodorakis. Jugendliche, voller Wut und Verzweiflung. Gestalten aus einer anderen, trostlosen und traumatischen Welt, die sich der Alltagsrealität bemächtigt hat.
Screen 4: No future perspective. Rebellious youth. The youth uprisings between 2010 and 2014 in Greece as a symbol of the resistance of the young generation against a violent and inhuman policy. The composer Mikis Theodorakis, who is over eighty years old, is also in the midst of these uprisings. Young people, full of rage and despair. Figures from another, bleak and traumatic world that have taken over everyday reality.
Director’s Statement Die Präsentation der Liquid-Staging-Werke 2022 bei den 56. Hofer Filmtagen bietet einen Ansatz, über „Kino 2.0“ sowohl in der realen Welt als auch im Metaversum nachzudenken. MEDEA 21, ELECTRA 21 und das SATELLITE CLIPS PROJECT – hier ist der Wechsel hin zum polydimensionalen Sehen vollzogen, das in der hybriden Lebenswelt der jüngeren „postmodernen“ Generationen längst stattfindet. Medea, Jason, Bella und Anne Frank, der Komponist Theodorakis, die Tänzer, die rebellierenden vermummten Jugendlichen, vorrückende vermummte Polizisten, der Choreograph Renato Zanella – sie alle sind die Akteure, freiwillige und unfreiwillige, in dieser komplexen, zeitübergreifenden Tragödie „Medea“. Theodorakis‘ dramatische Musik, die packend elementare Choreografie von Renato Zanella, die fulminante Tanzkunst von Maria Kousouni und Sofia Pintzou, die kinematografische Meisterschaft von James Chressanthis und Mike Geranios sowie der künstlerische Input aller an diesem Projekt beteiligten Künstler machen aus unserer Liquid-Staging-Produktionen ELECTRA 21 und MEDEA 21 innovative und hochemotionale Werke. Asteris Kutulas, Oktober 2022
Composer’s Statement zum Medea-Projekt von Asteris Kutulas aus Anlass der Fertigstellung der ersten Filmfassung 2014 (Recycling Medea) Das tragische Element in der Musik hat mich von Anfang an stärker in seinen Bann gezogen als jedes andere. Zweifellos entspricht es meinem Charakter. Es war also nur zu natürlich, dass ich mich dem antiken Drama zugewendet habe, zuerst als ein Liebhaber dieser Kunstgattung, dann als Komponist. Ich begann, Theater- und Filmmusik zu antiken Tragödien zu schreiben, um letztendlich zur Lyrischen Tragödie, also zu meinen Opern, zu kommen. Renato Zanella entdeckte für sich die Musik meiner Lyrischen Tragödie “Medea”, und sie wurde die Basis seiner gleichnamigen Ballett-Choreografie. Und dann kommt Asteris Kutulas und erschafft ein neues Kunstwerk, das sich seinerseits auf alles soeben von mir Genannte stützt. Aber er filmt das Ballett nicht einfach ab, sondern er kreiert etwas vollkommen Neues und verleiht dem Ganzen dadurch eine zutiefst gesellschaftliche und politische Dimension. … Ich denke, wir haben es hier mit einem wahren Kunstwerk zu tun, das dazu auffordert, Verantwortung zu übernehmen. Ein Werk, das zugleich eine Hymne ist für den Kampf der Menschen und Völker für deren Unabhängigkeit und Freiheit. Mikis Theodorakis
Music Credits „Medea“ (Opera in two acts, dedicated to Giuseppe Verdi) Composed by Mikis Theodorakis | Text by Euripides Published by Schott Music | CD Published on WERGO Recorded digitally at the Capella Concert Hall St. Petersburg by Gerhard Tsess and Alexandros Karozas | Music Edited by Mikis Theodorakis and Alexandros Karozas Emilia Titarenko (Medea) | Nikolai Ostrofsky (Jason) | Peter Migounov (Aegeus) | Wladimir Feljaer (Creon) | Irina Liogkaja (Nurse) | Eugeni Witshnewski (Messenger) | Daria Rybakova (Coryphaea) | Juri Worobiow (Paedagogus) St. Petersburg State Academic Capella Orchestra & Choir Conducted by Mikis Theodorakis
Ballet Credits Choreography by Renato Zanella Maria Kousouni as Medea | Danilo Zeka as Jason | Franziska Hollinek-Wallner as Glauce | Eno Peci as Aegeus | Sofia Pintzou as Coryphaea | Nicky Vanoppen as Creon Lighting Design by Vinicio Cheli | Assistant Choreographer by Alessandra Pasquali | Chorus Choreographer Angeliki Sigourou | Musical Assistant Jiri Novak Akropoditi Dance Theater | Anna Vaptisma, Pigi Lobotesi, Maria Mavri, Filia Milidaki, Anna Ouzounidou, Eleni Pagkalia, Nadia Palaiologou, Adamantia Papandreou, Vivi Sklia, Georgia Stamatopoulou, Antigone Choundri Ballet performances filmed at the „Apollo“ Theater of Hermoupolis (Syros) International Festival of the Aegean | Presented by MidAmerica Productions of New York and the Municipality of Syros-Hermoupolis | General & Artistic Director Peter Tiboris | Festival Production Coordinator Dimitris Yolassis | Stage Manager Lena Chatzigrigoriou
Film Installation Credits Featuring Maria Kousouni & Bella Oelmann Music by Mikis Theodorakis Choreography by Renato Zanella Cinematography by Mike Geranios Edited by Babette Rosenbaum & Asteris Kutulas Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas Art Direction by Achilleas Gatsopoulos Scenography & Production by Georgios Kolios Executive Producers Brigit Mulders & Christopher Kikis Co-Produced by Schott Music, Klaus Salge & Rafaela Wilde Written & Produced by Asteris & Ina Kutulas Created & Directed by Asteris Kutulas
Featuring Bella Oelmann Special guest André Hennicke Nicolaus Kausch, Kat Voltage, Rosa Merino Claros, Inka Neumann, Marie-Sophie Brugsch, Michelle Pais, Lois Christmann, Lara Schlesinger, Victor Kausch, Benedict Fritsche, Alexander von Jost, Alessandra Oelmann, Tatjana Schenk, Stella Kalafati, Cyra and Kyra Casting Director & Assistant Film Director Marcia Tzivara Sound Recording by Klaus Salge Sound Editing by Sebo Lilge Graphic Design by Frank Wonneberg Text Design by Tino Deus Colorist Antonia Gogin Online Editor Neil Reynolds Assistant Online Editor Felix Bester Gaffer Vassilis Dimitriadis Make Up Artist Saretta Rosa Production coordination in Greece by Dimitris Koutoulas Additional Photography by Stefanos Vidalis, VROST, Lefteris Eleftheriadis, Ioannis Myronidis, Vasilis Nousis, Zafeiris Haitidis, James Chressanthis (ASC) Second camera (ballet) & additional photography by Asteris Kutulas Textes & Artistic Consultancy by Ina Kutulas
Special thanks to Strecker Stiftung, Internationale Hofer Filmtage, Rafaela Wilde, Dimitris Koutoulas, Dr. Tim Dowdall, Rena Parmenidou, Margarita Theodorakis, George Theodorakis, Thorsten Schaumann, Nana Trandou, Nikos Vlachakis, Jan Perray and many others
With the kind support of Peter Hanser-Strecker, Angelika Oelmann, Andreas Rothenaicher, John Hansen, Florian Staerk, Katrin Zillinger and Optix Berlin GmbH Anita & Uwe Förster, Mousse T., Peter Tiboris, Alexandros Tsoupras, Tino Deus, Katharina Krist, Daniel Höferlin & The Asphalt Club Berlin Team
Many thanks to Nina Hof, Guy Wagner, Peter Zacher, Alexander Koutoulas, Barbara Eldridge, Ingo Rehnert, Janek Siegele, Jessica Schmidt, Silke Spalony, Christopher Wohlers, Marcus Lenz, Frauke Sandig, Eric Black, Rainer Schulz, Nicolaus Kausch, Marie-Sophie Brugsch, Michelle Pais, Lois Christmann, Lara Schlesinger, Victor Kausch, Benedict Fritsche, Alexander von Jost, Alessandra Oelmann, Fotis Geranios, Velissarios Kossivakis, Eva Kekou, Michalis Adam, Wassilis Aswestopoulos, Tzeni Foundoulaki, Alexandros Karamalikis, Stefanos Kyriakopoulos, Nikos Tzimas, Caroline Auret, James Chressanthis
Eine Liquid Staging Bewegtbild-Ausstellung Part I von Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos
Das SATELLITE CLIPS PROJECT (Part I) verbindet auf innovative und spezifische Weise bildende Kunst und Film miteinander. Es zeigt modellhaft, wie man durch einen dramaturgischen Ansatz (Liquid Staging) aus einer Reihe von Video-Clips und grafischen Kunstwerken, die zu Film-Grafiken wurden, ein immersives Show-Format entwickeln kann. Wie bei den Projekten MEDEA 21 und ELECTRA 21 wird auch mit dem SATELLITE CLIPS PROJECT ein Schritt hin zum polydimensionalen Sehen, zum Kino 2.0 vollzogen.
SATELLITE CLIPS PROJECT Musik von Mikis Theodorakis + 10 Videoclips von Asteris Kutulas & Co. + 10 Digitalgrafiken von Achilleas Gatsopoulos + Liquid Staging Show-Format
SOUNDTRACK | Die Musik aller Videoclips stammt von Mikis Theodorakis, hier vorwiegend in diversen Interpretationen und Arrangements junger MusikerInnen (u.a. als Ethno-, Jazz-, Rock-, Klassik- und Electro-Version).
+ VIDEO CLIPS | Die 10 Satellite Clips entstanden als Zusammenarbeit von etwa 20 KünstlerInnen aus sechs Nationen. Die vor allem Jüngeren unter ihnen (Grafiker, Musiker, Filmemacher, Modedesigner, Kostümbildner, Tänzer, Maler, Choreografen, Autoren, Videokünstler, DJs, Schauspieler, Regisseure, Sänger, Komponisten) haben bei der Gestaltung vieler der Video-Clips ihre eigene Ästhetik eingebracht. Zusammengehalten wird das Ganze durch den gesamtkünstlerischen Ansatz des Berliner Konzept-Künstlers und Filmemachers Asteris Kutulas.
+ FILM-GRAFIKEN | Die auf den Leinwänden 2/3/4 gezeigten 10 x 3 Film-Grafiken von Achilleas Gatsopoulos sind bearbeitete Still-Frames aus dem Filmmaterial der SATELLITE CLIPS. Achilleas Gatsopoulos hat die zehn Grafiken gestaltet, anschließend digitalisiert und filmkünstlerisch umgesetzt.
+ LIQUID STAGING | Beim Satellite Clips Projekt laufen auf dem Hauptscreen (Leinwand 1) nacheinander 10 Videoclips (die Satellite Clips) und auf den anderen 3 Screens (Leinwände 2/3/4) filmische Umsetzungen von 10 grafischen Werken, wobei die Gestaltung des jeweiligen grafischen Werks von Screen zu Screen variiert. 10 Satellite Clips + 10 x 3 filmgrafische Umsetzungen ergeben 40 Clips. Die Länge der Clips variiert zwischen 30 Sekunden und 3 Minuten. Die Gesamtlänge des Satellite Clips Project Part I beträgt ca. 13 Minuten.
4 Filme auf 4 Screens gleichzeitig. Die Zuschauer mittendrin.
Satellite Clips Project – Das Konzept Das ungenutzte Musik- und Filmmaterial
Der in Berlin lebende Autor, Produzent und Konzept-Künstler Asteris Kutulas entwickelte die Idee zu den Satellite Clips (2014-2022), als er zusammen mit Ina Kutulas 2014 das Drehbuch zum Film „DANCE FIGHT LOVE DIE – With Mikis on the Road“ schrieb, der 2017 bei den Hofer Filmtagen Weltpremiere hatte.
Basis für die Satellite Clips war das für DFLD nicht genutzte Filmmaterial von ca. 600 Stunden aus 30 Jahren sowie das Fiction- und Making-of-Material, das während der Shootings mit den SchauspielerInnen und den jungen MusikerInnen zwischen 2014 und 2018 entstand.
So wurden aus dem für den Hauptfilm DANCE FIGHT LOVE DIE nicht genutzten Material bislang über 30 Satellite Clips produziert, die um den „DFLD-Mutterfilm-Planeten“ kreisen.
Die Satellite Clips tragen die Namen der an der Entstehung des jeweiligen Clips maßgeblich beteiligten KünstlerInnen bzw. der MitarbeiterInnen des Regisseurs, weshalb die Titel der Clips oft den Namen der Co-Kreateure entsprechen: z.B. „Stella“, „Alexia“, „Cleopatra“, „Sandra“, „Melentini“ etc.
Satellite Clips Project – Das historische Filmmaterial 30 Jahre. 40 Länder. 4 Kontinente. 600 Stunden Film. 54.000.000 Frames.
Asteris Kutulas hat den griechischen Komponisten Mikis Theodorakis zwischen 1987 und 2021 sehr häufig besucht, er begleitete ihn regelmäßig auf Tourneen und ließ dabei seine Videokamera laufen.
Kutulas filmte Theodorakis bei Konzerten, während diverser Proben mit Orchestern, Solisten, Chören, Bands, on Stage und Backstage, bei CD-Aufnahmen in Studios, bei Opern- und Ballett-Produktionen, in Hotellobbys und auf Hotelzimmern, in Bussen und Lokalen, meist in mehreren Städten nacheinander, aber auch bei einzelnen Veranstaltungen, auf Ausflügen und während privater Treffen.
Das in all diesen Situationen aufgezeichnete Material bildet einen umfangreichen Fundus von etwa 600 Stunden. Aufgenommen wurde es in Berlin, Athen, St. Petersburg, Verona, Santiago de Chile, Sydney, Tel Aviv, Budapest, Wien, Kopenhagen, Malmö, Pretoria, Çeşme, Amsterdam, Montreal, London, Brüssel, Luxemburg, Barcelona, Zürich, Oslo, Paris, Jerusalem, auf den griechischen Inseln Chios, Kreta und Syros und und und …
Poster artwork by Achilleas Gatsopoulos
ASTI MUSIC & HYPNAGOGIA present an Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos production with the music of Mikis Theodorakis
A Liquid Staging Installation film art exhibition of four movies by Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos with Mikis Theodorakis, Air Cushion Finish, Alexia, Rosa Merino Claros, Stella Kalafati, Maria Kousouni, Johanna Krumin, Ilze Liepa, Melentini, Eltion Merja, Sofia Pintzou, Henning Schmiedt, Jocelyn B. Smith, Renato Zanella a.o.
Artistic Consultancy by Ina Kutulas Edited by Cleopatra Dimitriou, Achilleas Gatsopoulos, Antonia Gogin, Stella Kalafati, Asteris Kutulas Filmed by Achilleas Gatsopoulos, Mike Geranios, Stella Kalafati, Asteris Kutulas Scenography & Production by Georgios Kolios Art Direction by Achilleas Gatsopoulos Music Editing & Mastering by Alexandros Karozas Co-Produced by Schott Music
Music by Mikis Theodorakis Directed by Asteris Kutulas & Achilleas Gatsopoulos Created by Asteris Kutulas
Achilleas Gatsopoulos (www.hypnagogia.com) Coming from a Fine Arts background, Greek born Achilleas Gatsopoulos moved to the UK to study VFX and Production Design for Film, finishing with distinction in both degrees. Achilleas worked in the Art Department of films such as the upcoming Knives Out 2, The Lost Daughter, Harry Potter III, Charlie and the Chocolate Factory, Two Faces of January etc while simultaneously creating stage and motion design for big events in London and Germany. Clients include Mercedes Benz, Volkswagen, Stolichnaya, Vodafone, Warner Bros, Dom Perignon and Absolut. Achilleas has been directing videos since 2002 for artists such as Pet Shop Boys, James Blunt, Solomun, Steven Wilson, FAUN, Erick Morillo & SKIN (Skunk Anansie) to name a few. His work has also been screened & awarded at international film festivals.
DANCE FIGHT LOVE DIE, Gert Hof, ELECTRA 21 und das „Neue Sehen“
Ein Gespräch von Thorsten Schaumann (Künstlerische Leitung Internationale Hofer Filmtage) und Asteris Kutulas (Autor, Filmemacher und Produzent)
Thorsten Schaumann: Asteris, dir wurde bei den 55. Internationalen Hofer Filmtagen der Hans-Vogt-Filmpreis verliehen. Hans Vogt war entscheidend an der Erfindung des Tonfilms beteiligt und sorgte damit für eine absolut neue Ära nicht nur in der Geschichte des Kinos. Er kam aus Rehau bei Hof und war einer der treibenden Entdecker, die diese Gegend geprägt haben. Damit dieser Mann geehrt wird, vergeben wir gemeinsam mit der Stadt Rehau den Hans-Vogt-Filmpreis an Filmschaffende, die innovativ und sorgfältig im Ausdruck und Qualität ihres Filmtones arbeiten. 2021 hast Du diesen wichtigen Preis, unter anderem für dein Liquid-Staging-Projekt ELECTRA 21 bekommen. Die Musik, die bei ELECTRA 21 zu hören ist, stammt von der Komponisten-Legende Mikis Theodorakis.
Bereits vor vier Jahren, 2017, konnten wir hier bei den Internationalen Hofer Filmtagen die Weltpremiere deines Films „DANCE FIGHT LOVE DIE – With Mikis on the Road“ feiern. Mikis Theodorakis ist eine unglaubliche Persönlichkeit, die ich durch deinen Film noch mal neu für mich entdeckt habe. Wie bist du auf dieses sehr spannende Konzept von DANCE FIGHT LOVE DIE gekommen?
Asteris Kutulas: Ich habe drei Jahrzehnte lang mit verschiedenen Amateur-Kameras – ohne jemals an eine Filmproduktion zu denken – sehr viele Situationen mit Mikis auf Reisen, während der Konzerte, während seiner Bühnenauftritte, viele Augenblicke hinter der Bühne etc. auf allen Kontinenten als Video-Tagebuch festgehalten. Insgesamt rund 600 Stunden in etwa 30 Jahren.
Ina Kutulas, meine Ko-Autorin und Ko-Produzentin, hat mich 2015 mehrfach gedrängt, daraus einen Film zu machen. Hier mussten zwei Dinge zusammengebracht werden. Es ging um den riesigen vielfältigen, musikalischen Kosmos von Theodorakis, den er als die Persönlichkeit mit einem so bewegten, dramatischen Leben in die Welt trug. Mikis suchte den Dialog mit dem Publikum, das gemeinsame Erleben, eine Art von Zusammensein beim Hören der Sinfonien, der Opern, beim Singen während der Konzerte. Mich begeisterte schließlich die Idee, diese Energie durch einen Film miterlebbar zu machen. Und sah mich zugleich vor die Herausforderung gestellt, eine Struktur dafür zu entwickeln. Als ich dafür die Lösung gefunden hatte, konnte der Film gemacht werden.
Ich habe dann später auch einige fiktionale Szenen gedreht, mit Sandra von Ruffin und Stathis Papadopoulos als Hauptdarsteller. Für mich und Ina gehörte das unbedingt dazu, denn in Theodorakis‘ Autobiografie z.B. tauchen immer wieder Passagen voller Fantastik auf. Grotesk, bizarr, dramatisch, schräg, kurios. Alles zusammen ergab schließlich 60 Stories auf 60 verschiedene Musiken in 87 Minuten. Für mich war das „die Geburt des Films aus dem Geiste der Musik“.
Thorsten Schaumann: Ihr habt mit Mikis Theodorakis zahlreiche verschiedene Produktionen realisiert, Konzerte, Filme, Opern und auch Ballette. Das konnte man sehr gut in DANCE FIGHT LOVE DIE miterleben, wo Tanz eine große Rolle, wie schon aus dem Titel zu erfahren ist. Das künstlerische Material wiederum für dein Projekt ELECTRA 21, das 2021 bei den Hofer Filmtagen Weltpremiere hatte, kommt größtenteils von einer ELECTRA-Ballettaufführung. Du hast dich offenbar sehr viel mit der Verschmelzung von Tanz und Film beschäftigt.
Asteris Kutulas: Ich war in unterschiedlicher Funktion bei vielen Ballett-Produktionen von Mikis Theodorakis dabei, beim „Zorbas“ in der Arena di Verona, im australischen Perth bei der Weltpremiere des „Axion Esti“-Balletts, bei der Tanz-Version des „Canto General“ in Berlin, an der Moskauer Bolschoi-Oper bei einer Zusammenarbeit mit Vladimir Vassiliev und Ilse Liepa – und dann natürlich ab 2011, bei meiner Zusammenarbeit mit Renato Zanella …
Thorsten Schaumann: … dem italienischen Choreografen …
Asteris Kutulas: … ja, Renato Zanella gehört zu den bekanntesten Choreografen in Europa. Er hat 2011 das „Medea“-Ballett choreografiert, und das habe ich aufgenommen und meinen ersten „Ballett-Film“ RECYCLING MEDEA realisiert, der im Oktober 2022 in die deutschen Kinos kommt.
Electra, Medea, Antigone. Geplant ist eine Film-Tetralogie, zu der RECYCLING MEDEA, ELECTRA’S REVENGE und LOST ANTIGONE gehören, sowie – als cineastisches „Satyrspiel“ nach antikem Vorbild – DANCE FIGHT LOVE DIE. Man hat bereits im antiken Griechenland das „Serien“-Prinzip gehabt: An einem Tag wurden hintereinander drei Tragödien und eine Komödie gespielt. Da in den drei Tragödien gemordet und geschändet wurde, vergleichbar mit den heutigen Horror-Thrillern, zeigte man abschließend eine Polit-Komödie, damit die Zuschauer „entspannt“ nach Hause gehen und schlafen konnten …
Thorsten Schaumann: Und du bist von einem Film-Projekt, also von ELECTRA’S REVENGE, auf diese innovative Kino-Installation ELECTRA 21 gekommen. Wie war das?
Asteris Kutulas: Ich habe 2018 mit James Chressanthis als DOP die Ballettaufführung „Electra“ in der Choreografie von Renato Zanella auf Syros gefilmt. Eigentlich wollten wir Ende 2021 den Film ELECTRA’S REVENGE als zweiten Teil der Tetralogie fertigstellen. Als ich aber im Juli 2021 den 96jährigen Mikis Theodorakis in Athen besuchte, ging es ihm gesundheitlich so schlecht, dass ich spontan beschloss, ihm noch ein „letztes Geschenk“ als Künstler zu machen, das zukunftsgerichtet sein sollte.
Innerhalb von drei Tagen entwickelte ich ELECTRA 21, wobei ich das Electra-Filmmaterial mit meinem Liquid-Staging-Konzept verschmolz: Vier Filme spielen gleichzeitig auf vier verschiedenen Leinwänden, absolut synchron zum Electra-Soundtrack.
Ich stellte Mikis dieses Konzept vor. Er bat mich, ihm am nächsten Tag meine Musikauswahl zu erläutern, denn aus dem musikalischen Material der 2,5-stündigen Oper hatte ich ja „nur“ eine Stunde Musik ausgewählt – ELECTRA 21 hat eine Dauer von 63 Minuten. Nachdem sich Mikis meinen Soundtrack angehört hatte, wollte er ganz genau wissen, warum ich wo welche Schnitte gemacht hatte, warum ich welchen Teil aus der Opernmusik ausgewählt hatte und wie ich das Material dann einsetzen wollte. Er wollte eine genaue Vorstellung davon bekommen. Als er sich vergewissert hatte, dass meiner Vision für dieses Film-Raum-Projekt ein ganz klares Konzept zugrunde lag, gab er mir dafür grünes Licht, nicht, ohne sich vorher im Detail auch darüber zu informieren, wie ich die vier gleichzeitig laufenden Filme gestalten wollte und wie das Ganze aussehen sollte. Mikis war wahrhaftig ein KÜNSTLER, bis zum letzten Augenblick. Er war bei unseren letzten Treffen Ende Juli 2021 schon sehr schwach und trotzdem total neugierig zu erfahren, was künstlerisch entstehen würde. Er starb sechs Wochen später, am 2. September.
Thorsten Schaumann: Das ist eine unfassbare und sehr berührende Geschichte …
So stand das filmische Konzept: „Electra“, das Ballett mit der Musik von Mikis Theodorakis und in der Choreografie von Renato Zanella, gefilmt 2018. Dann hast du daraus 2021 eine Liquid-Staging-Produktion gemacht. Man könnte von einer „fließenden Bühne“ sprechen: vier Kino-Leinwände, die locker an verschiedenen Stellen im Raum drapiert sind, vier Leinwände, die das Publikum, das im Raum ist, umgeben, so dass das Publikum vier verschiedene Filme gleichzeitig erlebt …
Asteris Kutulas: So ist es. Du kannst dich, wenn du willst, auch auf nur einen Film konzentrieren, wobei jeder der vier Filme absolut synchron zum selben Soundtrack ist. Du entscheidest dich als Zuschauer jeden Augenblick, welchen „Film“ du siehst, je nachdem wie du dich bewegst, den Kopf drehst, was du vom Ganzen erfassen willst, erfassen kannst. Das Partizipationslevel ist dadurch sehr hoch, weil du jede Sekunde deinen eigenen „Schnitt“ machen kannst. Am Schluss hat kein Zuschauer dasselbe gesehen, was ich sehr spannend finde.
Thorsten Schaumann: Du hast bei deiner Liquid-Staging-Masterclass im Oktober 2021 in Hof gesagt, dass du das „eindimensionale Sehen“ durch ein „polydimensionales Sehen“ ablösen willst.
Asteris Kutulas: Das „eindimensionale Sehen“ – also, dass man sich hinsetzt und nach vorn auf eine Handlung schaut –, dieses Zuschauen, wie es das seit der Antike gibt und das sich seit dem 18./19. Jahrhundert etablierte, hat meiner Meinung nach kaum noch etwas mit den Seh- und Lebensgewohnheiten der postmodernen Generationen zu tun. In zwei, drei Jahren wird sich durch die Mixed-Reality-Brillen und durch neue virtuelle Produktionen ohnehin ein ganz anderes „Sehen“ herausbilden. Außerdem kommt es zu einer totalen Verschmelzung von Live-Erlebnis und digitaler Welt, was sich z.B. für die Generation Alpha in ihrem TikTok-Universum bereits tagtäglich abspielt.
Thorsten Schaumann: Was passiert dann mit den traditionellen Entertainment-Formaten, was passiert mit dem Kino?
Asteris Kutulas: Theater, Oper, Kino, Konzert etc., also all diese traditionellen Live-Formate, die wird es weiterhin geben. Aber mit der Zeit werden sie immer „musealer“ und „nischiger“, was nichts Schlechtes ist, sondern schlicht der Lauf der Zeit. Jede Epoche bringt nun mal ihre eigenen Formate hervor.
Mit meinem Liquid-Staging-Konzept – wobei ELECTRA 21 ein spontanes „Nebenprodukt“ darstellt – mache ich ein Angebot für polydimensionales Sehen als Alternative zum bislang herrschenden eindimensionalen Sehen. Zugleich könnte es ein Konzept für das „Kino 2.0“ sein.
Thorsten Schaumann: ELECTRA 21 war für mich eine sehr spannende und neue Erfahrung. Ich stehe in einem Raum, umgeben von diesen vier Leinwänden. Die Musik setzt ein. Schon die ist was Besonderes. Du fragst dich sofort: Was ist das für Musik? Dann muss man sich umschauen: Wo sitze ich denn gerade? Viele verschiedene Eindrücke prasseln auf dich ein. Du versuchst erstmal zu sortieren: Wo läuft welcher Film? Beziehungsweise: Welcher „Film“ läuft insgesamt ab? Schon das ist packend. Und in gewisser Weise auch sehr lustig. Dann drehst du dich weiter herum. Wer ist hinter mir, wer ist vor mir … Lara, Christian, Asteris … Ich schau von einem Film zum anderen. Dann entscheidet man sich manchmal länger für eine Leinwand, um dann wieder hin und her zu switchen.
Es ist auf alle Fälle ein neues Erlebnis, sehr fordernd und zugleich sehr mitreißend. Etwas, das in Erinnerung bleibt … Für mich haben sich viele Eindrücke nach der Vorführung sortiert, da man nicht auf alle vier Leinwände gleichzeitig schauen kann.
Asteris Kutulas: Nein, das geht nicht. Das muss man auch nicht … Man kann sich einfach „fallen lassen“ in diesen „Raum“ und genießen, sich dem hingeben. Man kann aber auch aktiv werden und sich sagen: Ich experimentiere jetzt, wo ich diese Möglichkeit habe, ich schaue hin und her, mal sehen, was mit mir passiert … So entsteht eine lebhafte Collage im Kopf oder Chaos oder eine strenge Struktur. Vielleicht erlebt man Überraschungen. Du bist umzingelt von Filmen, die alle zu einer Musik passen und thematisch stringent sind …
Thorsten Schaumann: Die fünfte Ebene, die der Musik, ist sehr wichtig. Hinzu kommt der Raum, das Raumempfinden: Wer sitzt neben mir? Wo passiert gerade was? Ich liebe solche Sachen und bin sehr glücklich, dass wir hier in Hof die Weltpremiere feiern durften! Wir haben viele begeisterte Reaktionen gehabt. Das ist das Wichtigste, denn diese Installation ist fürs Publikum gemacht, ein Angebot an das Publikum.
Asteris Kutulas: Ja, es ist ein Angebot an das Publikum. Und nur eine Möglichkeit, wie man das Liquid-Staging-Konzept anwenden kann. ELECTRA 21 ist ganz spontan entstanden, weil ich, wie schon erwähnt, Mikis ein Geschenk machen wollte, das er noch erleben sollte. Er hatte mir zwar bereits im Juli schon gesagt: „Wenn du im September wiederkommst, werde ich nicht mehr da sein“, aber ich hatte gehofft, dass wir es vielleicht noch schaffen und ihm das Werk präsentieren könnten.
Thorsten Schaumann: Wie bist du eigentlich auf dieses neue Liquid-Staging-Show-Format gekommen?
Asteris Kutulas: Ich habe zusammen mit dem Künstler Gert Hof – angefangen mit dem Millennium-Event in Berlin – zwischen 1999 bis 2010 weltweit über 40 große Produktionen gemacht. 1999 haben wir die Outdoor-Lichtshow erfunden und waren dadurch gewissermaßen zu Pionieren einer neuen Art von Events geworden. Vor 1999 gab es das nicht, weil nichtmal die Hardware dafür existierte.
Thorsten Schaumann: Wer war Gert Hof, fast schon ein richtungsweisender Nachname für den Ort der Weltpremiere Deines Projektes …?
Asteris Kutulas:Gert Hof kam vom Brecht-Theater und hatte sich intensiv mit dem Medium Licht und mit Musik beschäftigt, u.a. inszenierte er viele Rammstein-Shows.
Gert hatte 1998 die Vision, die Konzert- und Theaterbühne zu verlassen und Lichtarchitektur am Himmel zu machen, um Hunderttausende Menschen mit „Art in Heaven“ zu entertainen. Genau das taten wir. Ich war Gerts Partner und Produzent. Gert starb 2012 an Krebs.
Ich beschäftigte mich also zwölf Jahre lang mit den visuellen Medien des Entertainments, mit Pyro-Kunst, Video-Content, Nebel-Ästhetik, Laser, Licht, Aerials, Projektionen etc. In dieser Zeit habe ich sehr viel gelernt und mit großartigen Künstlern zusammengearbeitet wie z.B. mit dem Projektionskünstler Ross Ashton aus London.
Dann war ich bis 2019 zehn Jahre lang bei der Pferdshow „Apassionata“, zuerst Executive Producer und dann Dramaturg, was eine ganz andere Schule bedeutete.
Ich habe versucht, angeregt durch all diese Erfahrungen, die Welt der „Hochkultur“ mit der Welt des „Show-Entertainments“ zusammenzuführen. Daraus resultierte für mich permanent die Frage nach neuen Showformaten fürs 21. Jahrhundert. Und so entwickelte ich vor etwa 10 Jahren mein Liquid Staging Konzept. Das beinhaltet für mich auch ein räumliches Produzieren für ein räumliches Sehen. Für mich war das immer – und zwar bis heute – auch ein Prozess der Forschung.
Thorsten Schaumann: Stillstand ist das Ende. Natürlich soll man auch innehalten, um sich bewusst zu werden: Was mache ich gerade? Wie geht es mir damit? Das ist wichtig, um wieder Kraft zu schöpfen, weiterzugehen und Neues zu vollbringen. Es braucht beides. Das ist unser Prinzip bei den Internationalen Hofer Filmtagen: Wir sind stets bestrebt, neue Dinge auszuprobieren, neue Formate zu entwickeln, technisch neue Wege zu gehen. Darum fand ich dieses Kino-Erlebnis beim Liquid Staging Projekt ELRCTRA 21 so interessant. Es gibt den klassischen Raum und während der Vorführung entscheidet jede Person im Publikum spontan, ob und wann sie ihre Aufmerksamkeit auf welchen der vier Screens richtet. Die Änderung des Blickwinkels kann beliebig oft erfolgen. Somit sieht niemand im Publikum den gleichen Film. Das ist eine neue Art des „Sehens“, eine neue Art von „Kino“.
Danke Thorsten Schaumann für dieses Gespräch und danke Internationale Hofer Filmtage für die Inspiration und die Unterstützung!
I first met Gert in 1998 at a Mikis Theodorakis project in Berlin.At the time he seemed both aloof and down to earth, arrogant, an earthy labourer, unfriendly, persuasive, very strict in his ideas, a bit of a prima donna, a genius.
Gert impressed me with his inimitable talent for analysis and his consistent thought structures.He turned out to be a control freak, a seismograph for human behavioural patterns.No matter if it was negotiations with our various partners or the planning of an upcoming event – he taught me to clearly recognise the panoply of human inadequacies, and especially my own.His persistent and merciless questions on each and every detail, his analytical brain soon revealed the true abilities – and particularly inabilities – of many of our partners.I hated him for this bluntness and soon got used to being thrown back on myself in my work.The air in the world we were about to conquer, I soon realised, was very thin indeed.
Spurred on by Gert I made many decisions that would change my later life.During the first few months of our collaboration I often thought of him as a megalomaniac – until I made his megalomania into my own.I literally surrendered to the creative potential of his anguished brain and its architectural visions of light.
„Millennium Bells“ in Berlin with Mike Oldfield (Dec 1999)
The invitation to stage the Berlin millennium celebration came out of the blue and at very short notice.For us the period between September and December 1999 became a baptism of fire, especially on an interpersonal level.I physically found out that success is married to war, separation and complete exhaustion – and all of this right up to the limits of endurance.Gert behaved as if he cherished this grey area, as if he meant to take on the whole wide world.He directed his pent-up anger – most of the time unfairly – at anyone around him and often himself.But at the same time he managed to inspire complete dedication in everyone working on the event.
In Mike Oldfield I found the ideal musician for the project who, after intensive work together with Gert, composed the „Millennium Bell“ – a suitable musical backbone for our mega event.This was the birth of a new form of art from the spirit of Light.
The international press named both the Berlin event and our simultaneous New Year’s extravaganza on the Acropolis in Athens as two of the global Top 5 millennial events.
Mike Oldfield live in Berlin, New Years Eve 1999/2000
Millennium Event, Berlin, December 31st 1999 Music composed & performed by Mike Oldfield Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof | Event General Management & Production by Asteris Kutulas | Produced by Achim Perleberg & Egon Banghardt
Acropolis Millennium Event (New Years Eve 2000)
At the same time as the Berlin millennium celebration, our second mega-event was taking place on the Acropolis, Europe’s most important historical edifice.I had received this commission after many months of negotiations with the Greek Government.Greece wanted to make a statement both nationally and internationally – in this respect hiring a German director and me as a Greek producer from Berlin was both a courageous and, for those politically responsible, „risky“ decision.But this wasn’t the only reason why the Acropolis posed a very special challenge for Gert and for me.We had the greatest respect for what the Parthenon symbolised for European civilisation, we wanted to create something truly special and unique.
Gert had „moved“ the Acropolis, showing it in a new light while at the same time paying homage to it.I remember how, two months before the event, he said to me on the holy hill: „here one has to practice humility.“For months we were working day and night.The exertions were about to pay off: during the event the Acropolis was like a giant ship, gliding through a huge, dark Athens and time itself.Gert’s and my vision – our vision – had become reality.
Acropolis, December 31st 1999 Music composed and conducted by Mikis Theodorakis Light & Pyro Design Gert Hof | Artistic Direction by Gert Hof & Asteris Kutulas | Produced by Asteris Kutulas for the Greek Ministry of Culture & the Municipality of Athens
Ferropolis – City of Steel (Opening Event, July 2000)
Ferropolis, Gert and Mikis:The best possible combination.This city of iron, this tiny island within a huge landscape torn apart by gigantic diggers, perfectly reflected the aesthetic and philosophical background of Mikis Theodorakis and Gert Hof.On our first visit Gert was absorbed by Ferropolis, it was like an addiction that kept drawing him back to prepare the event.Here he had found something he had not experienced during the other events: He felt at home.Rusty monsters of steel, ubiquitous traces of hard human labour, the location’s East German history, an all-pervasive melancholy, the fleeting loneliness – in July 2000 landscape, music and light formed an unrivalled unity.
Ferropolis, July 16th 2000 Music composed and conducted by Mikis Theodorakis Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof | Produced by Asteris Kutulas for the Expo 2000 Sachsen-Anhalt GmbH & the Government of Sachsen-Anhalt
1000 Years of Hungary Millennium Event (August 2000)
Gert was immediately fascinated by Budapest, the Danube and the Parliament. In early 2000 we flew to Hungary for initial discussions and I noticed how, from day one, Gert began to „see“ images.I was woken by his call at 2am and soon I was sitting in his hotel room, looking down onto the Chain Bridge and listening to his description of the future event.In moments like these Gert is lost in another world, until his „longing for prison“ manifests itself again, this dark strife for a soothing yet painful loneliness.It is in moments like these that I think of something Mikis once said: „Somehow, we were freer in prison than we are now in our bourgeois everyday lives“.But such moods – hidden, invisible – never alter Gert’s approach, characterized by strict discipline and a resolute rejection of compromise. Even if it seems to be a contradiction in terms: Gert Hof is a hermit who teaches the „art of warfare“.
It turned out to be a long and winding road until the contract was finally signed with the Hungarian government.Diplomatic snares wherever we turned. The conflicts of interest overwhelming.We, the „foreigners“, were constantly confronted with distrust, envy and scepticism.For on the 20th of August 2000 Hungary not only celebrated the turn of the millennium but also 1000 years since the inauguration of their first ever king – a millennium show twice over, in a way.Gert saw the event as a sign for Hungary’s cultural entry into the European Union, symbolized by a Chain Bridge shrouded in blue neon light – a striking image that went all around the world.
Budapest, August 20th 2000 Music by Robert Erdesz Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof | Event General Management & Production by Asteris Kutulas | Produced by Asteris Kutulas, Happy End Kft. & Art in Heaven GmbH for the Government of Hungary
China Millennium Event (Beijing, Dec 2000)
To us, China was a foreign world, and we were a foreign world to China.The Chinese experience was that of a „positive nightmare“.Our Chinese partners had to learn to overcome their yes-to-everything attitude, we our stubborn negativity.In the Chinese language „no“ does not exist, and most high-level functionaries could not even fathom the idea of refusal.But China was on the verge of opening up, it wanted to get into the WTO and to stage the Summer Olympics 2008.Well, it has accomplished both.Our event was one of those „declarations of openness“.Our collaboration was therefore similar to an arranged marriage, but I had the impression that the Chinese had to try a lot harder than us – which, in the end, they did, and I think they even did it gladly.
In China Gert suffered because he constantly had to adjust to changing circumstances.We often had to react quickly to new realities.It then paid off that Gert had managed to convey this pitiless yearning deep inside himself to his closest employees.I noticed that they possessed that little bit more than their usual professional motivation which enabled them to master such extreme situations as in China.
Klaus Schulze (the former member of Tangerine Dream) wrote the music for our production.The Chinese delegates accepted the Schulze-Soundtrack without further ado.This was important to Gert because he kept an eye on his cooperation with the „official China“, but I think he also acknowledged the complete artistic freedom he had been given and considered himself a living proof of the world’s largest country’s will to finally open up.After the Chinese event I realised that we had accomplished something that no-one had expected to work out and that had only existed in the back of our mind. The birth of an entirely new event format from the spirit of Light.
Beijing, January 1st 2001 Music by Klaus Schulze Artistic Direction, Light & Pyro Design by Gert Hof Event General Management & Production by Asteris Kutulas | Produced by Beijing Gehua Cultural Development Co., Beijing Television, Shanghai Eastern Television, Art in Heaven GmbH & Asteris Kutulas for the Chinese Government
Centrum Modernes Griechenland & Freie Universität Berlin präsentieren: CeMoG-Newsletter vom 17.11.2021
CeMoG-Editorial: Im Gespräch mit Bart Soethaert geht Asteris Kutulas als beteiligter Akteur und Zeitzeuge näher ein auf die Produktions-, Wahrnehmungs- und Rezeptionsbedingungen für die Musik von Theodorakis, insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren in der DDR.
Das Gefühl der Freiheit. Mikis Theodorakis und die DDR: eine Annäherung
Bart Soethaert: In seinem Nachruf auf Theodorakis für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (02.09.2021) schrieb Gerhard R. Koch, dass dessen Erfolg und anhaltende Wirkung einer „quasi Dreizack-Ästhetik von elaborierter Komposition, aktivem gesellschaftlichem Widerstand und überaus erfolgreicher Popularisierung“ zu verdanken ist. Herr Kutulas, Sie haben als Produzent und Freund über viele Jahre sehr eng mit Theodorakis zusammengearbeitet. In welchem Sinn stellt er für Sie einen „Ausnahmekünstler“ dar?
Asteris Kutulas: Zunächst gilt festzuhalten, dass Mikis Theodorakis ein unglaubliches Talent hatte. Die Musik floss aus ihm als brausender Strom heraus – und das bis 2009, als er seine letzte Komposition „Andalusia“ für Alt und Sinfonieorchester fertigstellte.
Zudem war er ein Energiebündel. Sein umfangreiches Werkschaffen ergab sich aus diesem musikalischen Talent und daraus, dass er ständig arbeitete, ständig komponierte, arrangierte, dirigierte, auf der Bühne stand, bei Aufnahmen in Studios war und so weiter und so fort. Theodorakis wirkte auf mich immer wie ein schöpferisch pulsierender Künstler.
Ein weiteres Element, das sein Wesen ausmachte, war – und das mag anfangs vielleicht banal klingen – dass er alle Menschen bedingungslos liebte, sozusagen mit „Haut und Haar“. Diese positive emotionale Grundeinstellung gegenüber anderen Menschen traf bei Theodorakis mit einer ausgesprochen libertären Gesinnung zusammen. Er war ein Freigeist, ein absoluter Anti-Opportunist, der mit keinen Dogmen – politischen, moralischen, religiösen usw. – zurechtkommen konnte.
Den dritten Aspekt hat, so meine ich, der Künstler Joseph Beuys am besten auf den Punkt gebracht, als er über Theodorakis sagte, dieser sei für ihn eine „soziale Plastik“.
Theodorakis wurde zu dem, der er mit seiner Musik und seiner Persönlichkeit für Griechenland und die Welt geworden ist, weil er aus diesen Grundzügen heraus als personifiziertes „Gesamtkunstwerk“ gesellschaftlich agieren und auf die jeweiligen Verhältnisse einwirken konnte.
Bart Soethaert: Worin sehen Sie die soziokulturelle Leistung der Musik von Theodorakis in der griechischen Nachkriegsgesellschaft?
Asteris Kutulas: Weil durch den Bürgerkrieg eine „unnatürliche Entzweiung des griechischen Volkes“ – dieser Ausdruck stammt von Theodorakis selbst – erfolgte, sah er als Komponist und Künstlerpersönlichkeit seine Rolle darin, über die Musik eine Verständigung der sich feindlich gegenüberstehenden politischen Lager herbeizuführen. Dieses Anliegen wird bereits in der Widmung seiner Ersten Sinfonie deutlich. Die Komposition begann er während seiner Verbannung und Haft auf Ikaria und Makronisos 1948, mitten im griechischen Bürgerkrieg, und er beendete sie einige Zeit danach. 1955 wurde die Erste Sinfonie in Athen uraufgeführt. Theodorakis hatte das Werk zwei Freunden gewidmet, Makis Karlis und Vassilis Zannos, die im Bürgerkrieg auf der jeweils anderen Seite – „gegeneinander“ – kämpften und 1948 kurz nacheinander umgekommen waren.
Auch seine Liedkompositionen der 1960er Jahre bewirkten in dieser Hinsicht sehr viel. Er vertonte nicht nur Gedichte des Kommunisten Jannis Ritsos, dessen Werke 20 Jahre lang verbotene Lektüre waren, sondern z.B. auch von Giorgos Seferis, zur selben Zeit Diplomat im Staatsdienst. Es fasziniert mich, dass durch Theodorakis‘ Vertonungen nicht nur die hehre Poesie alsbald in aller Munde war und von den Menschen verinnerlicht wurde, sondern dass Theodorakis darüber hinaus seine Liedkompositionen als ein gesellschaftspolitisches Mittel der Verständigung einzusetzen vermochte. Dieses Engagement zur Aussöhnung der Bürgerkriegsparteien hat ihm stets – jahrzehntelang – Kritik von beiden Seiten eingebracht.
Bart Soethaert: Ihre Familie siedelte 1968 aus Rumänien in die DDR über. In welchem Kontext entstand Ihr Interesse an Mikis Theodorakis? Wie kamen Sie mit seiner Musik in Berührung?
Asteris Kutulas: Ich war mit den Schallplatten von Theodorakis aufgewachsen; seine Musik gehörte seit den 1960er Jahren zu unserem Familienleben, Werke wie z.B. Axion Esti haben meine Eltern und ich „rauf und runter“ gehört.
Dadurch hat es mich 1980 einfach mitgerissen, als ich als Zwanzigjähriger Theodorakis zum ersten Mal im Berliner Palast der Republik begegnet bin. Die Erstaufführung des Canto General in der DDR, das war für mich ein sehr besonderer Abend: Theodorakis stand da ganz in meiner Nähe als Dirigent. Ich war damals Dolmetscher für die Sängerin Maria Farantouri. 1981 kam er wieder, um die endgültige Fassung des „Großen Gesang“, basierend auf den Texten von Pablo Neruda, aufzuführen, wo ich dann als sein Dolmetscher arbeitete. Wir freundeten uns an und unsere Zusammenarbeit begann.
Immer, wenn man mit ihm zusammen war und an seiner Energie teilhaben konnte, lebte man wie in einer pulsierenden Wolke aus Musik, Poesie, Philosophie, Geschichte, Politik, darstellender Kunst und einem unbändigen Gefühl von Freiheit. Ich wollte aus dieser Energiewolke nicht mehr raus. Dieses künstlerisch-anarchistische Leben wollte ich unbedingt führen.
Sie müssen wissen, ich bin ein Kind der „politischen“ Diaspora, die aufgrund des Bürgerkriegs (1946-49) ab 1950 auch in der DDR entstand. In diesem Kontext hatte Theodorakis für mich „gesellschaftspolitische Relevanz“, und zwar vor allem durch diese Verbindung, ein Linker und zugleich ein Freigeist zu sein, was die Linken sehr oft irritierte.
Bahnbrechend war für mich darüber hinaus, dass Mikis als „ernster Komponist“ Lieder geschrieben hat, deren Melodien sich mit der höchsten Dichtung der literarischen Moderne Griechenlands verbanden, wobei sich die Popularität dieser Lyrik in Griechenland und auch die internationale Bekanntheit bis heute erhalten haben. Die Trias seiner Ästhetik – Musik, Poesie und Freiheitsanspruch – ist so wirksam, weil sie eine Synthese darstellt.
Mikis Theodorakis Werkverzeichnis/Catalogue of Works by Asteris Kutulas, Livanis Edition 1997
Bart Soethaert: Die Aufführung des Canto General 1980 in Berlin-Ost markierte einen Neubeginn für Theodorakis in der DDR, nachdem seine Musik zehn Jahre (1970-1980) nicht mehr im Rundfunk gespielt werden durfte und die in den Lagerbeständen noch vorhandenen Theodorakis-Schallplatten auf Befehl der DDR-Führung zerstört worden waren. Wie kam es dann dazu, dass die DDR in den Achtzigerjahren weder Zeit noch Mühe scheute, Theodorakis eine Bühne zu geben? Er ist einige Jahre lang immer wieder zu Arbeitsaufenthalten in die DDR eingeladen worden, konnte mit den besten Chören, Orchestern und Dirigenten arbeiten und seine Werke aufführen.
Asteris Kutulas: Dass Theodorakis ab 1980 in der DDR wieder präsent war, dass wieder Werke von ihm auf Schallplatte veröffentlicht wurden, dass es zu den ersten Theodorakis-Konzerten überhaupt in der DDR kam, das alles war der Hartnäckigkeit und dem Engagement von Peter Zacher zu verdanken, einem angesehenen Musikkritiker aus Dresden, der stark in die Singe- und Folklorebewegung der DDR involviert war. Peter hatte sich seit 1975 unermüdlich um eine Aufführung des Oratoriums „Canto General“ in der DDR bemüht. Das wurde erst 1980 möglich, als Theodorakis als Parteiloser wieder mit der Kommunistischen Partei Griechenlands kooperierte. Da hob man in einigen sozialistischen Ländern, wie z.B. in der DDR, das Verdikt gegen ihn auf. Peter Zacher konnte dann 1980 die Aufführung des „Canto General“ im Palast der Republik bewirken und später durch seine Vernetzung mit der Musikwelt der DDR u.a. mit Persönlichkeiten wie Herbert Kegel, Kurt Masur, Udo Zimmermann sowie mit Institutionen wie den Dresdner Musikfestspielen, der Halleschen Philharmonie und dem Dresdner Kreuzchor weitere Aufführungen von Theodorakis-Werken initiieren. Auf Vermittlung von Peter Zacher kam es zu den Uraufführungen u.a. der Liturgie Nr. 2, der Frühlingssinfonie, der Sadduzäer-Passion und der 3. Sinfonie. Wenn Peter Zacher nicht gewesen wäre, hätte es das alles nicht gegeben. 1986 haben Peter Zacher und ich auch den Band mit Schriften, Essays und Interviews von Theodorakis gemeinsam übersetzt und bei Reclam herausgegeben. [Mikis Theodorakis, Meine Stellung in der Musikszene, erschienen 1986 in Reclams Universal-Bibliothek]
Kennengelernt hatte ich Peter Zacher 1976, als ich an der Dresdner Kreuzschule – heute heisst sie Kreuzgymnasium – Schüler war, weil zu dieser Schule seit dem 15. Jahrhundert auch der weltberühmte Kreuzchor gehörte, und Peter Zacher hat mit dem Kreuzchor zusammengearbeitet. Mit der Musik von Theodorakis war er Mitte der sechziger Jahre in Berührung gekommen, weil im nahen Radebeul seit dem Ende des griechischen Bürgerkriegs 1949 eine griechische Gemeinde existierte. Ab 1966 und bis in die 1970er Jahre betreute Peter Zacher an der TU Dresden (TUD) ein Ensemble junger Musiker, die zu den griechischen Emigranten gehörten, und diese hatten auch viele Theodorakis-Lieder im Repertoire.
In der Zeit, als Theodorakis in der DDR von offizieller Seite totgeschwiegen wurde, brachte 1975 ein junger Dresdner Grieche, Nikos Kasakis, das Theodorakis-Doppelalbum „Canto General“ aus Griechenland mit und lieh es Peter Zacher. Der war schon länger ein Bewunderer von Maria Farantouri, und als er dann den „Canto General“ hörte, verliebte er sich sofort auch in dieses Werk und wollte es unbedingt in die DDR holen. Von da an hat er das wieder und wieder versucht, bis dann schließlich 1980 Theodorakis zum ersten Mal nach Berlin-Ost kommen konnte und mit dem „Canto General“ im Palast der Republik sein erstes Konzert in der DDR gab. Bis dahin hatte es schon hunderte Theodorakis-Konzerte in der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Jetzt begann sich auch in der DDR eine Fangemeinde zu bilden.
Bart Soethaert: Maria Farantouri, Heiner Vogt und der Rundfunkchor Berlin interpretierten an dem Abend im Rahmen des 10. Festivals des politischen Liedes die sieben bis dahin vorliegenden Sätze des Canto General. Bei dieser Gelegenheit lernten Sie, wie vorhin schon erwähnt, Mikis Theodorakis persönlich kennen. Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an diesen Abend zurückdenken, nach dem Theodorakis in der DDR dann wieder in aller Munde war? Was vermittelte der „Canto General“ im vollen Saal im Palast der Republik?
Asteris Kutulas: Der „Canto General“ offenbart einen unikalen melodischen Fingerabdruck; er zeugt von kompositorischer Größe und ist eines der schönsten Chorwerke des 20. Jahrhunderts. Hinzu kommt diese spanischsprachige, meisterhafte Poesie Nerudas! Kurz gesagt: An diesem Abend, im geteilten Berlin, in der DDR, in der es keine Reisefreiheit gab, aus der die meisten Bürger also nie rauskamen, atmete die Aufführung das, was hinter der Grenze lag: „Welt“. Dass Theodorakis‘ und Nerudas Werk – die Werke zweier utopischer Kommunisten – so im Palast der Republik zusammenkamen, das war für viele junge Menschen und Intellektuelle in der DDR ein Glücksfall sowie ein Zeichen der Hoffnung im Hinblick darauf, dass das Ideal eines humanistischen Kommunismus‘, also eines Ideals von Freiheit, Würde und Naturverbundenheit, zumindest gedacht und geträumt werden konnte.
Bart Soethaert: Es ist eine ironische Wendung der Rezeptionsgeschichte, dass Theodorakis erst 1980, am selben Abend im Palast der Republik, die Urkunde der Ehrenmitgliedschaft der Akademie der Künste der DDR – eine Ehrenmitgliedschaft, die ihm bereits 1968 zugesagt worden war – feierlich überreicht worden ist. Wie war es dazu gekommen, dass Theodorakis 1967-1970 in der DDR außerordentlich große Bekanntheit erlangt hatte?
Asteris Kutulas: Als sich im April 1967 in Griechenland das brutale Militärregime an die Macht putschte, musste Theodorakis in die Illegalität gehen; er wurde im August desselben Jahres verhaftet. Am 1. Juni 1967 trat ein Armeebefehl in Kraft, der das Hören, die Wiedergabe oder das Spielen von Theodorakis‘ Liedern und sogar den Besitz von Tonträgern mit Theodorakis-Liedern verbot.
International bekannte Persönlichkeiten wie z.B. Arthur Miller, Harry Belafonte und Dmitri Schostakowitsch gründeten ein Komitee und forderten seine Freilassung.
In der DDR hat sich Mitte November 1967 der Schriftsteller Hermann Kant mit einem Aufruf in der Zeitung Neues Deutschland an alle Kinder der Republik gewandt, Theodorakis auf Postkarten gemalte bunte Blumen zu schicken. Angela Merkel berichtete in einem Interview, dass auch sie damals eine Blume mit dem Aufruf „Freiheit für Theodorakis“ an das Gefängnis Averof in Athen geschickt hatte.
Der Druck der gewaltigen internationale Solidaritätswelle führte dazu, dass Theodorakis aus der Haft entlassen wurde und im April 1970 nach Paris ausreisen konnte.
Bart Soethaert: Aus dem Dezember 1967 stammt auch das Sonderheft Mikis Theodorakis mit einer Auswahl von Gedichten von Giannis Ritsos in der deutschen Nachdichtung von Bernd Jentzsch und Klaus-Dieter Sommer und mit Liedtexten, inklusive Noten, von Theodorakis. Das Sonderheft erschien in einer Auflage von 50.000 Exemplaren in der ebenfalls 1967 gegründeten und sehr populären Lyrikreihe Poesiealbum beim Berliner Verlag Neues Leben, dem Verlag der DDR-Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ). Im Verlagsgutachten, das zusammen mit dem Manuskript zur Erlangung einer Druckgenehmigung bei der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im DDR-Ministerium für Kultur eingereicht wurde, begründete der Lektor Klaus-Dieter Sommer u.a., dass diese Sonderausgabe nicht nur „unsere Solidarität mit den griechischen Patrioten bekundet“, sondern insbesondere auch „Jugendlichen, vor allem den Singeklubs, ein gutes Material in die Hände gibt“, denn Theodorakis hat mit seinen „außerordentlich einprägsamen, leicht sangbaren Vertonungen“ und „volkstümlichen Kompositionen ein Beispiel dafür geschaffen, wie man mit Liedern, mit politischen Liedern, breite Schichten erreichen kann“. Was sagt aus Ihrer Sicht die Argumentation über den Versuch aus, den Komponisten zu vereinnahmen?
Asteris Kutulas: Es wird hier deutlich, dass Theodorakis’ Musik das Publikum der DDR in mehreren Wellen erreichte und dass die erste Popularitätswelle in der DDR (1967-1970) qualitativ differenzierter zu betrachten ist als die Situation ab 1980. Das Verlagsgutachten macht m.E. klar, wie in der ersten Welle die Aussage der Texte und der Freiheitsanspruch an zweiter Stelle standen und an erster Stelle die etwas unbeholfen als „volkstümliche Kompositionen“ bezeichneten Melodien. Diese – politisch bedingte – „einseitige“ Theodorakis-Rezeption war bereits der Vorbote dessen, dass die DDR-Staatsführung den Komponisten und seine Musik bereits zwei Jahre später schon wieder verboten hat.
Während Theodorakis‘ Lieder im Westen immer wieder zu Hits wurden und die Charts stürmten, wurde in sehr vielen sozialistischen Ländern seine Musik überhaupt nicht gespielt.
Wie vorhin ausgeführt, änderte sich das 1980. Die DDR-Politiker haben in den 80er Jahren zwar nicht direkt etwas für Theodorakis‘ Werk getan, aber sie haben es zumindest nicht mehr blockiert, denn die ideologische Haltung war etwas lockerer geworden. Außerdem haben sie stets versucht, Theodorakis’ Präsenz in der DDR propagandistisch für sich zu nutzen. Theodorakis war allerdings nur schwer zu vereinnahmen – das wussten die DDR-Oberen, und sie waren ihm gegenüber auch stets vorsichtig. Sie misstrauten ihm bis zum Schluss.
Hermann Axen war Mitglied des Politbüros der SED, galt als sehr gebildet, er sprach Französisch, war von den Nazis verfolgt worden, nach Paris geflohen, da hatte er mit Theodorakis einen Berührungspunkt, Paris als Exil; er lud im Januar 1989 Theodorakis zu einem Essen ein. Kaum hatte Mikis eine DDR-kritische Frage zur Inhaftierung von jugendlichen Demonstranten gestellt, fing Herr Axen über alles mögliche zu reden und hörte nicht mehr auf, bis das Treffen beendet war. Zu einem weiteren Treffen kam es nie mehr.
Es gab immer mehr Fans in der DDR, die Theodorakis sprechen wollten, die ihn im Konzert erleben wollten oder denen es teilweise Spaß machte, ihm eine Zigarre zu besorgen oder ihm Fotos zu schenken, Bilder, Grafiken, Texte etc. Das waren die Leute, für die Theodorakis in die DDR kam, diese jungen Leute, die sich dachten: „Die Gedanken sind frei …“ Und dann waren da noch die Leute, die sich aus kompositorisch-musikalischer Sicht für seine Werke begeisterten wie z.B. Günter Mayer, Udo Zimmermann und etliche andere. Dazu gehörte auch Konrad Wolf, der damals den Plan hatte, einen großen Film über die REVOLUTION zu machen auf der Grundlage des Soundtracks von „Canto General“. Es gab mehrere diesbezügliche Gespräche zwischen Theodorakis und Wolf, bei denen ich dolmetschte. Konrad Wolf ist früh gestorben. Das hätte ein interessanter Film werden können. Konrad Wolf war völlig klar, dass Mikis nichts mehr beweisen muss und dass diese Musik, diese Poesie, dieser Freigeist für viele vor allem Inspiration bedeutete, Hoffnung, Energie, und darauf kam es an.
Bart Soethaert: Während in Paris andere prominente Exilanten wie Melina Mercouri, Maria Farantouri und Costa-Gavras auf Theodorakis warteten, um mit ihm vereint den Kampf für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit fortzuführen und es zwischen 1970 und 1974 allein schon in West-Europa hunderte von anti-diktatorischen Konzerten gab, wurde es in der DDR 1970 still um Theodorakis. Was war passiert?
Asteris Kutulas: 1970 war erstmal Schluss, weil Theodorakis sich öffentlich gegen den Einmarsch der Sowjetunion in die Tschechoslowakei aussprach und sich zum Euro-Kommunismus bekannte, der sich vom Moskauer Führungsanspruch lossagte und für die Kommunistischen Parteien in mehreren westeuropäischen Ländern politische und ideologische Selbstständigkeit beanspruchte.
1972 wurde Theodorakis in die Sowjetunion nach Jalta eingeladen, und dort hat Leonid Breschnew ihm angeboten – so erzählte mir Theodorakis –, der nächste Generalsekretär der Kommunistischen Partei Griechenlands zu werden. Theodorakis lehnte ab, weil er die Entscheidung darüber, wer die Führungsperson der griechischen KP sein wird, nicht in der Zuständigkeit des Moskauer Politbüros sah. Außerdem ist Theodorakis zu dieser Zeit nicht Mitglied der KP gewesen; er war aus der Partei ausgetreten. Innerhalb von Stunden musste Theodorakis in Jalta das Hotel wechseln und am Tag darauf die Sowjetunion verlassen.
Drei Jahre, nachdem in der DDR Paul Dessau den vorhin erwähnten Armeebefehl Nr. 13, der „die Wiedergabe oder das Spielen der Musik des Komponisten Mikis Theodorakis“ verbot, zu Ehren von Theodorakis für Sprecher, gemischten Chor und neun Instrumente musikalisch umgesetzt hatte, um in der Deutschen Demokratischen Republik diese Maßnahme des Militärregimes zu verdeutlichen, die u.a. das Ende der Freiheit der Musik bedeutete, wurde Theodorakis auch in der DDR zur persona non grata.
Mikis Theodorakis, Meine Stellung in der Musikszene. Schriften, Essays, Interviews 1952–1984, hrsg. und übersetzt durch Asteris Kutulas und Peter Zacher, Leipzig, Verlag Philipp Reclam jun., 1986.
Asteris Kutulas ist Autor, Filmemacher, Übersetzer, Musik- und Eventproduzent. Sein neuestes Werk Electra 21feierte bei den 55. Internationalen Hofer Filmtagen am 30. Oktober 2021 Weltpremiere.
Bart Soethaert ist Neogräzist und Postdoc am Exzellenzcluster 2020 „Temporal Communities“ der Freien Universität Berlin. Derzeit erforscht er die Rezeption der Romane von Nikos Kazantzakis in globaler Perspektive (1946–1988).
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Nachtrag: Mikis Theodorakis zu Peter Zacher
„In Ost-Berlin lernte ich 1980 Peter Zacher aus Dresden kennen, der sich während der ganzen Zeit, als ich in der DDR verboten war, für mich und mein Werk und vor allem für den „Canto General“ eingesetzt hatte. Schließlich wurde der „Canto General“ 1980 in Berlin im „Palast der Republik“ aufgeführt. Das Konzert war so ein Riesenerfolg, dass ich danach gleich einen Auftrag für ein sinfonisches Werk bekam. So kehrte ich nach Paris zurück und legte los. Die „2. Sinfonie“ entstand. Sie basierte auf dem Material aus der Pariser Zeit der 50er Jahre. Ich brauchte nicht immer noch mehr und mehr zu schreiben, denn ich hatte bereits einen ganzen Koffer voll fertiger Sachen, so dass ich gar nicht wusste, was ich damit zuerst machen sollte; und so verarbeitete ich dieses Material u.a. in der „2. Sinfonie“. Sogar aus den 40er Jahren, als ich in den Verbannungslagern gewesen war, gab es noch genügend Material.“ (Mikis Theodorakis)
Electra 21 Four movies. One Soundtrack. No happy end.
ELECTRA 21, a Liquid Staging show consisting of four films running synchronously to one soundtrack with the music of Mikis Theodorakis. In the center, the audience.
4 films, played simultaneously on 4 different screens that are placed around the audience area
ELECTRA 21 – An immersive cinematic experience of the 21st century.
Director’s Statement
For a long time, I’ve had a vision of combining the worlds of cinema, ballet and show – in a work of art for the 21st century. Hence the title ELECTRA 21.
The Liquid Staging project, ELECTRA 21, consists of four films, played simultaneously on four different screens that are placed around the audience area, showing different dance scenes, rehearsals, and fantasies based on the Electra ballet performance by choreographer Renato Zanella.
The four films are played synchronously to the same musical recording of the Electra opera by Mikis Theodorakis.
This cinematic show installation moves away from the one-dimensional view of the 19th century and offers the audience the polydimensional perspective, which corresponds far better to the complexity of our epoch.
I was extraordinarily lucky to be able to use the phenomenal music of Mikis Theodorakis as the basis for ELECTRA 21, and to work with him personally on the soundtrack in July 2021.
The music of Mikis Theodorakis, the gripping elemental choreography of Renato Zanella, the fantastic dance artistry of Sofia Pintzou, the mastery of the cinematographer James Chressanthis (ASC) and the artistic input of Achilleas Gatsopoulos and of all the other artists involved in this project, make our liquid staging production, ELECTRA 21, an impressive, highly emotional and innovative work.
The father sacrifices his eldest daughter for power and fame. Years later, his wife takes revenge and slays him. Their children, Electra and Orestes, kill her to avenge their father. A circle of hatred and destruction. No happy ending.
Mikis Theodorakis on Electra & Clytemnestra
Agamemnon kills his daughter Iphigenia: in doing so, he violates the law of universal harmony; Clytemnestra kills her husband Agamemnon in revenge: she also violates this law; their children Electra and Orestes ostensibly follow this law, but when they kill their mother Clytemnestra, this continues the act of tragic entanglement and begins a new cycle of criminal action.
Electra is a young girl, beautiful but lonely, a princess who has „married“ the shadow of her father Agamemnon, the daughter who loves her murdered father above all else. As a result, there is something magical about this character.
Electra hates her mother Clytemnestra, and this hatred is something unnatural.
Electra loves her father’s shadow, she loves her brother Orestes, the liberator, but she is also an example of harshness and bloodshed. Orestes has returned out of love for his sister and for his father, whom he wants to avenge; but by actually doing so, he himself becomes a victim.
But one must also understand Clytemnestra. She was a witness when her husband murdered Iphigenia, the youngest daughter. There is a lot of talk about Clytemnestra, but there is silence about Cassandra. Agamemnon is in Troy for ten years, waging war. And when he finally returns to Mycenae, he brings Cassandra with him to the palace as his mistress.
For me, Electra or Clytemnestra are not characters from a time two thousand years ago; rather, they represent our world, the torn world of today. The feelings that moved Elektra or Orestes have moved people at all times; their dramas are the same as those that take place today.
Presented are four simultaneously running films, all based on the same musical recording of the Electra opera by Mikis Theodorakis.
Precisely synchronized with this ELECTRA 21 music, the four films representing the following four levels (layers) of the complete work, ELECTRA 21, will be shown on four screens:
Screen 1: ballet film | the (cinematic) recorded ballet performance, ELECTRA, in the „Apollo“ theater in Ermoupolis on Syros
Screen 2: genesis of the ballet, rehearsals | recording of the rehearsals for this ballet performance at different locations in Austria and in Greece, with the dancers and the choreographer Renato Zanella
Screen 3: genesis of the text & associations | „fictional scenes“ with the people involved in this ballet production, combined with graphically designed insertions of the Sophocles text passages, each of which can be seen synchronously with the music feed
Screen 4: genesis of the music and the recording | Mikis Theodorakis conducts the musical recording of the opera, ELECTRA, in the studio in St. Petersburg, which was used as the basis for the Electra ballet performance. These film recordings are mixed with video clips of young conductors conducting the 22 scenes of the ELECTRA 21 soundtrack.
Different versions of built up of the 4 screens for the ELECTRA 21 show by Giorgos Kolios & Asteris Kutulas
Polymedial vision as a new show format for Cinema 2.0. ELECTRA 21 redefines the audience experience. Visitors can decide at any moment what they want to see and where to focus their attention. In the process, the viewer will always perceive more than one thing at once, and no two people see the same thing.
Electra 21 outdoor installation set in Chania, Crete
ELECTRA 21 CREDITS (INSTALLATION)
A Liquid Staging Installation by Asteris Kutulas on the Music by Mikis Theodorakis
Choreography by Renato Zanella | Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC | Art Direction by Achilleas Gatsopoulos | Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Scenography & Production by Georgios Kolios | Associated Producer Christopher Kikis | Co-Produced by Schott Music | Concept & Produced by Asteris & Ina Kutulas | Created & Directed by Asteris Kutulas
Featuring Sofia Pintzou, Alexandra Gravilescu, Tamara Alves Dornelas Souza, Eltion Merja, Valentin Stoica, Florient Cador
Special appearance by Katherina Markowskaya, Maria Zlatani, Lefteris Veniadis, Phaidra Giannelou, Clément Nonciaux, Leandros Zotos, Ariadne Koutoulas
Special thanks to Peter Hanser-Strecker, Tim Dowdall, Rafaela Wilde, Thorsten Schaumann, Oliver Schulze & Frank Wunderatsch
Interview mit dem Choreographen Renato Zanella zum Ballettfilm „Recycling Medea“
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RECYCLING MEDEA | Medea tötet ihre Söhne. Auf Euripides’ Theaterwerk beruht die Ballett-Story von der Ermordung zweier Kinder durch die eigene Mutter, die Musik stammt von Mikis Theodorakis, die Choreographie von Renato Zanella. Text, Musik und Tanz vereint in einem Film, der die Trostlosigkeit einer Gesellschaft reflektiert, die tagtäglich ihre Kinder zu denen gemacht hat, die zur Verlorenen Generation von heute gehören.
RECYCLING MEDEA | Liebe, Eifersucht, Mord. Verstörende Schönheit, rebellierende Jugendliche, Tanz und Musik. Ein Ballett-Film.
Asteris Kutulas: Renato, warum tötet Medea ihre eigenen Kinder?
Renato Zanella: Für Medea ist das der Schritt, den sie machen muss, um danach überhaupt noch weiterleben zu können. Dem voraus geht die Phase, da sie zu ihrem Mann sagt: „Verlass mich doch! Aber du hast Kinder. Du hast Kinder – du kannst mich nicht verlassen, wenn du Kinder hast.“ Für mich ist das eine Schlüssel-Szene: „Willst du frei sein?! Gut, dann verlierst du deine Kinder.“ Medea sieht das als die einzige Lösung für sich und ist der Überzeugung, so handeln zu müssen. Ich würde sagen, auf ihre Art war sie sehr konsequent. Ja, und dann hat sie das durchgezogen. Wie auch immer man das beurteilen mag …, sie hat das wegen des Mannes getan, der ihr alles bedeutete. Das Wichtigste in ihrem Leben drohte sie zu verlieren. Wie wir wissen, trifft Medea eine brutale Entscheidung: Sie wird diejenigen töten, die sie am meisten liebt – ihre eigenen Kinder. Aber sie sah darin die einzige Möglichkeit, seelisch zutiefst verwundet, am Leben bleiben zu können, jeden Tag konfrontiert mit der grausamen Demütigung, die ihr Mann ihr zufügte, der ihr sein Leben und seinen Erfolg zu verdanken hatte, seinerseits die Partnerschaft aber später beenden wollte.
Asteris Kutulas: Warum tötet sie nicht ihren Mann? Warum tötet sie ihre beiden Söhne?
Renato Zanella: Ja, das ist eine gute Frage … Ich glaube, die Rache ist wahrscheinlich das Einzige, was bleibt, wenn man so geliebt hat und so verletzt wurde. Ihren Mann umzubringen …, das wäre auch eine Lösung gewesen. Aber wahrscheinlich hätte das auch Medeas Ende bedeutet, vermutlich wäre dann auch sie gestorben. Medea wäre daran zugrunde gegangen, wenn dieser Mann nicht mehr existiert hätte. Sein Leben auszulöschen, zog sie wahrscheinlich gar nicht in Erwägung. Medea sah in Jason den Mann, der sein Leben lebt, aber mit einer anderen. Daher beschäftigte sie vielmehr die Frage: ‚Wie soll ich in dieser unerträglichen Situation weiterleben?’ Medea gebraucht das Wort „Rache“ recht häufig. Sie operiert damit. Sie findet, der Mann müsse büßen und sein ganzes Leben an diesem Schmerz leiden. So zumindest stellte sie auch sicher, dass er jeden Tag an sie denken würde. Und schließlich hat sie ihr Vorhaben dann in die Tat umgesetzt.
Ich wollte diese Tragödie in die heutige Zeit herüber holen, ich wollte, dass sich das in der Gegenwart abspielt, damit man sich mit diesen Fragen auseinander setzt: Wenn so etwas heute passiert – wie … warum geschieht das?
„Nein, das hab ich nicht getan.“
Würde man „Medea“ als ein Zuschauer sehen, der ein Stück aus weit zurückliegender Zeit anschaut, da ginge einem dieses und jenes durch den Kopf. Wie waren die Verhältnisse damals? Und so weiter und so fort. Aber wenn man das wahrnimmt als ein Geschehnis, das in der heutigen Zeit Brisanz hat, dann ist uns das viel näher, wir bekommen unmittelbar damit zu tun und reagieren unmittelbar darauf, weil es uns etwas angeht.
Heute bringen Mütter ihre Kinder um, und diese Mütter vergessen, blenden aus, verdrängen. Das ist eine unglaubliche psychologische Situation. Für eine Mutter ist es oft sehr schwer anzuerkennen, was sie getan hat. Vor der Tat gibt es keinen Zweifel mehr. Sie ist davon überzeugt: „Ich muss das tun. Ich weiß, ich muss das tun.“ Und nach der Tat kann sie sich an nichts mehr erinnern. Sie wird immer sagen: „Nein, das hab ich nicht getan.“
Asteris Kutulas: Was denkst du – hat Medea eine Wahl? Muss sie das wirklich tun? Muss sie ihre eigenen Kinder töten?
Renato Zanella: Sie hat keine Wahl. Für sie ist das, was Jason ihr anbietet, keine Alternative. Weiterzuleben ohne den Mann, den sie über alles liebt … das ist für sie unvorstellbar. Für Medea gibt es nur eine Lösung: „Dann muss ich jetzt so handeln.“ So hat Theodorakis Euripides’ Medea-Stoff aufgefasst. Für diese Frau war das die einzige Lösung, die sie sah. Dieser Mann bedeutete ihr alles. Sie hatte sogar einige Jahre zuvor für ihn getötet. Und dabei war Medea kein Killer, sondern sie war eine Prinzessin, die Tochter des Herrschers. Sie fühlte sich sehr hohen moralischen Werten verpflichtet. Sie war bestrebt, Leben zu retten. Und diese Frau trifft dann so eine Entscheidung.
Das war die „Storyline“ aus alter Antike. Die Verhältnisse waren damals so. Wenn man diese Geschichte jetzt aber herüberholt in die Gegenwart und sich damit auseinandersetzt, dann ist das ein hochaktuelles Thema.
Für mich war diese Erkenntnis sehr wichtig für meine Arbeit mit den Tänzern. Ich sagte mir: Ich muss von etwas „erzählen“, das konkret, das Teil unserer heutigen Realität ist, so dass man sich angesprochen fühlt, dass man von dieser Tragödie ergriffen wird und sich zu fragen beginnt: „War ich selbst schon einmal in so einer Situation? Hab ich selbst schon einmal jemanden so sehr gehasst, dass ich beinah auch so reagiert hätte?“ Ich wollte erreichen, dass man sich diese Frage stellt: „Wie wäre es mir ergangen? Wie hätte meine Entscheidung ausgesehen?“
Für mich waren dieser Mythos und dessen musikalische Umsetzung viel mehr als eine dramatische Geschichte, die man erzählt bekommt und wo man sich sagt: Okay, das und das hat Euripides sich einfallen lassen und so und so hat Theodorakis das musikalisch verarbeitet. Ich habe mich gefragt, wie ich mit meinen künstlerischen Mitteln, mit den Ausdrucksmitteln des Tanzes erreichen kann, dass das Publikum an diesen Punkt kommt, sich diese Frage zu stellen: „Wie hätte ich mich verhalten? Was hätte ich getan in so einer Situation?“ Das macht diese Sache so lebendig, so hochaktuell, so real.
Asteris Kutulas: Diese Musik … der Tanz … Euripides, die Antike, die Moderne … Wie bringst du das alles zusammen?
Dancing Medea: Emotion und Minimalismus
Renato Zanella: Es war eigentlich eher die Frage, wie diese Welt der Kunst und das Publikum zusammenkommen. Als Choreograph stehen mir mein Können und mein Fachwissen zur Verfügung, aber auch das, was mich innerlich bewegt, meine Gefühle – eine breite Palette an Möglichkeiten, mit denen ich arbeiten kann, um meine künstlerische Vision sichtbar werden zu lassen. In diesem Ballett steckt ungeheuer viel, und gleichzeitig gibt es da auch den Minimalismus.
Es ist ja nicht einfach eine Art musikalische Untermalung oder Begleitung, was man da hört. Es ist eine Oper. Ein sehr reiches melodisches Material. Hochdramatisch. Da sind die Bewegungen ab und zu dann sehr minimal. In solchen Augenblicken ist die Singstimme das Wichtigste, und die Aufmerksamkeit gilt vor allem ihr. In anderen Momenten ist es so, als laufe die Musik im Hintergrund und als erzeuge sie dadurch eine bestimmte Stimmung, eine spannungsvolle Situation, in der sich der Konflikt entspinnt. Und an wieder anderen Stellen ist die Choreographie zum Beispiel exakt auf das Wort abgestimmt, und der Text tritt in den Vordergrund.
Asteris Kutulas: Warum dieser Stoff? Was und wen wolltest du erreichen mit diesem Ballett?
Renato Zanella: Ich fühlte bei der Arbeit eine enorme Freiheit. Wie jemand, der ein Buch liest, das ihn begeistert, und der die Handlung vor dem inneren Augen ablaufen sieht, der sich also beim Lesen seine eigene Vorstellung vom Geschehen macht. Ich sah in diesem Mythos etwas ungeheuer Aktuelles. Das wollte ich den Menschen nahe bringen. Ich kann ganz sicher die Theatergeschichte nicht umschreiben.
Ein mythologischer Stoff wird immer als ein solcher wahrgenommen werden. Es wird immer wieder so sein, dass man seinen Blick auf die Vergangenheit richtet, wenn man es mit solch einem Material zu tun hat. Trotzdem – das war in diesem Fall nicht mein Anliegen. Ich habe versucht, das zusammenzubringen, eine Überleitung zu schaffen, also etwas weit Zurückliegendes in die Gegenwart zu holen … oder es sich in der Gegenwart offenbaren zu lassen. Ich glaube, man muss heute außerdem wieder den Mut haben, sich diese Freiheit zu nehmen: sich nicht ewig zu fragen und vornehmlich damit zu beschäftigen, wie, in welcher Art und Weise man ein Thema am idealsten umsetzt, sondern es vor allem endlich zu tun.
Asteris Kutulas: Ausgangspunkt deiner Arbeit ist natürlich die Musik. In diesem Falle die Opernmusik von Mikis Theodorakis zu „Medea“.
Renato Zanella: Theodorakis’ musikalische Vorlage ist sensationell. Die Ouvertüre zum Beispiel, die ich gewählt habe – die hat etwas sehr Hymnisches, sie trägt die Dimension von etwas Unermesslichem, Unerreichbarem in sich, die Dimension des Unendlichen. Als entfalte sich ein Universum, ein Himmel voller Sterne. Und dann plötzlich diese Rhythmen, diese ethnischen Motive, dieses Erdennahe, Akzentuierte, Metrische, das uns Zeit und Raum ermessen, erfahren, erleben lässt. Das empfindet man als Tänzer extrem stark. Der Körper bewegt sich wie von allein. Dieses Werk ist enorm poetisch. Gigantisch – dieser Theodorakis. Seine Musik gestattet einem alle Freiheiten, derer man bedarf, um dieses Material zu ergreifen, damit zu arbeiten, die Botschaft, die es enthält, zu entschlüsseln und zu überbringen. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden ich diese Musik gehört habe, aber jedes Mal hat sie mich erreicht. Sie hat etwas transportiert, in mir ausgelöst und mich mitgerissen.
Diese Komposition gab mir „grünes Licht“, ich fühlte mich frei genug, in jede Richtung gehen zu können, die ich einschlagen wollte. Ich habe den Impuls bekommen und wusste: Das muss gemacht werden.
Asteris Kutulas: Und jenseits der Musik? Wie ist es zu diesem „leeren“ Bühnenraum gekommen?
Renato Zanella: Manche Mittel habe ich bewusst sparsam eingesetzt. Das Boot auf der Bühne zum Beispiel. Das haben wir auf einem Müllplatz gefunden. Für mich war das symbolisch. Und zugleich war das Boot selbst ein Symbol. Ebenso der leere Raum. Wo sich eine Wüste ausbreiten könnte, Niemandsland, das Nichts, ein riesiger Freiraum.
Wir fangen bei Null an, und das, was zunächst aufsteigt und anwächst, das sind vor allem die Emotionen und die Beziehungen, die sich ergeben zwischen der Musik und den Tänzern. Zwischen der Musik und der Geschichte. Zwischen den Tänzern und der Geschichte. Zwischen Vergangenheit und Heute. Das war für mich wirklich faszinierend. Mich hat das sehr begeistert. Ich hoffe, dass das Werk das Publikum erreicht … Es braucht nur einen einzigen Moment, da etwas die Zuschauer berührt, und sie fühlen sich auf einmal als ein Teil dieses Stücks und denken: „Das könnte mir auch passieren. Auch ich könnte Medea oder Jason oder Glauke sein. Ohhh, ich versteh das, ja!“ Wenn das passiert, hab ich als Choreograph das Ziel erreicht.
A film by Asteris Kutulas | Music by Mikis Theodorakis | Choreography by Renato Zanella | Written by Asteris & Ina Kutulas | With Maria Kousouni as Medea
pma Magazin – Sonderheft Theatertechnik 2021 | Liquid Staging Top Story
Liebe Leserinnen und Leser, … In dieser Ausgabe der pma, die sich wie gewohnt ausgiebig dem Thema der Theaterwelt widmet, stellen wir Ihnen die Wirklichkeit gewordene Vision eines Liquiden Bühnenbildes, des interdisziplinären Kreativschaffenden Asteris Kutulas vor. Der einstige Weggefährte der 2012 verstorbenen Lichtgestalt Gert Hof hat das seiner Zeit gemeinsam begonnene Konzept des Liquid Staging weiterentwickelt und gibt der pma als erster Fachpublikation Einblicke in die Materie … Ihre pma-Redaktion | Prisca Roß & Ray Finkenberger-Lewin
pma Magazin – Liquid Staging Top Story
TOP-STORY Liquid Staging – Bühnenbild 4.0 (Einleitung der Redaktion)
„Das Liquide Bühnenbild ist ein alle gestalterischen Komponenten vereinigendes hybrides Medium.“ Was sich hinter dieser formelhaften Erklärung verbirgt, präsentiert Asteris Kutulas, seit vielen Jahren erfolgreich interdisziplinär und weltweit Kreativschaffender und langjähriger Weggefährte des Lichtkünstlers Gert Hof.
Wer sich mit der Thematik des Liquid Staging befassen will, kommt an Event- und Musikproduzent, Publizist, Filmemacher und Autor Asteris Kutulas nicht vorbei. Der gebürtige Grieche arbeitet seit mehr als 15 Jahren an der Entwicklung zukunftsweisender Darstellungsformen für Veranstaltungsformate.
Geprägt von den Einflüssen und Erfahrungen, die er auf seinem Wege mit der Lichtgestalt Gert Hof auf internationalen Großprojekten, Events und nicht zuletzt der langjährigen Zusammenarbeit mit dem griechischen Komponisten Mikis Theodorakis erlebt hat, weiß Asteris Kutulas um die technischen Möglichkeiten und das Potential des Machbaren, die er über die letzten Jahre in sein Konzept des Liquid Staging integriert hat.
Zu diesen Komponenten gehören Film, Bühne, Schauspiel, Tanz, Gaming, Musik, Sound, Licht, Design, Architektur, digitale Kunst und die virtuelle Realität.
Das „Liquide Bühnenbild“ ist ein sich ständig wandelndes und unablässig seine Rolle wechselndes „Medium“. Es ist ein von der ersten bis zur letzten Sekunde der Show, des Events durchkomponierter „Film“. Das „Liquide Bühnenbild“ bespielt nicht nur den Bühnenhintergrund, sondern auch die gesamte Bodenfläche, die Bühnenraum-Deckenfläche, die Seitenwände und, je nach Storyboard, auch den gesamten Zuschauerraum.
Das „Liquide Bühnenbild“ bezieht dabei die komplette Innenarchitektur des Theaterbaus mit ein, kann darüber hinaus, je nach Inszenierung, auch Außenfassade des Gebäudes einbeziehen.
Mit dem „Liquiden Bühnenbild“ entsteht ein hybrider – unauflösbarer Verbund filmisch-visueller und realer Handlung – Erlebnisraum, in dem sich eine neue „osmotische“ Aufführungsform mit den technisch-digitalen Möglichkeiten des 21.Jahrhunderts realisieren lässt.
Asteris Kutulas, der in wenigen Tagen den renommierten Hans-Vogt-Filmpreis, anlässlich der Hofer Filmfestspiele verliehen bekommen wird, leitet aus besagtem Anlass zur Thematik Liquid Staging eine Masterclass und erwartet wenige Tage später die Weltpremiere seines Werkes „Electra 21“, einer Liquid Staging-Installation. Kurz vor diesen Ereignissen hatten wir Gelegenheit ausgiebig mit ihm über seine Arbeit und Projekt zu sprechen. – Ray Finkenberger-Lewin
production manager (pma) Magazin | Liquid Staging Top Story (Interview mit Asteris Kutulas)
pma: Um das Konzept des Liquid Staging umsetzen zu können, müssen Bühnenbild und Projektion ineinandergreifen als bisweilen auch deckungsgleich funktionieren. Die Herausforderung dabei dürfte jedoch darin bestehen, diesen visuellen Eindruck von jedem Sitzplatz bzw. Standort des Zuschauers zu ermöglichen. Wie muss man das technisch verstehen?
Asteris Kutulas: Bevor ich zu der technischen Herausforderung komme: „Liquid Staging“ ist zunächst einmal ein dramaturgischer Denkansatz, eine „Methode“, mit deren Hilfe man neue Showformate entwickeln kann. Zum andern kann man Liquid Staging auch als eine Art praktischer Anleitung benutzen, als eine theoretische Blaupause, um „Bühnenbild“ im hybriden Zeitalter des Videos und des Smartphones völlig neu zu denken.
Diese Klarstellung ist wichtig, weil die Anwendung von Liquid Staging nicht zwangsläufig zu der von Ihnen genannten „Herausforderung“ führt, wie zwei völlig gegensätzliche Beispiele zeigen: Weder beim Olympiacos Stadion-Event (2020) noch beim Electra-Ballett (2018) war diese Fragestellung relevant. Im ersten Fall habe ich die Liquid-Staging-Ästhetik benutzt, um quasi drei parallellaufende „Filme“ in einem spannenden Gesamtbild für die TV-Ausstrahlung zusammenzufassen.
Und beim Electra-Ballett verhalf mir der Liquid-Staging-Ansatz, eine visuelle Lösung für den inneren Disput zu finden, den Elektra mit sich selbst führt – ob sie ihre Mutter töten soll oder nicht – durch ein Pas de deux mit ihrer eigenen Person. Ich filmte zunächst die Tänzerin und projizierte diese Aufnahmen dann zum Zeitpunkt der Aufführung auf eine Schleiernessel-Leinwand. So konnte die Elektra-Figur dort live „mit sich selbst“ nach der festgelegten Choreografie von Renato Zanella tanzen.
Übrigens: Die Produktion für Olympiacos FC wurde in einem riesigen Fußballstadion realisiert, aber schnell, effektiv und mit einem sehr überschaubaren Budget, das Electra-Ballett dagegen in einem kleinen Theater, fast ohne Budget.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Das Problem mit den unterschiedlichen Sichtachsen tritt immer dann auf, wenn eine Liquid-Staging-Show in einem mehr oder weniger konventionellen Theater umgesetzt werden soll. Das betraf zum Beispiel die „Traum“-Produktion für den Show-Palast München, die wir 2016/17 im Auftrag der Apassionata World GmbH produzierten. Auf der Grundlage einer Storyidee von Holger Ehlers konzipierte ich auf über 130 Seiten eine umfassende Liquid-Staging-Dramaturgie, die den Video-Content – also das „Bewegte Bühnenbild“ –, die Motion Grafik, die Choreografie, das Lichtdesign, die Soundeffekte etc. sekundengenau definierte. Wir entwickelten gemeinsam mit Thilo Ewers, Felix Haas und Sebastian Meszmann von „Pixomondo“ (Stuttgart) in mehrmonatiger Arbeit die Bildwelt für das „Liquide Bühnenbild“.
Liquid Staging Bühnendesign von Asteris Kutulas & Pixomondo für die Apassionata World GmbH, 2016
Die Realisierung der „bewegten Bühnenbilder“ im Raum erfolgte beim Kreativlabel BLACKSPACE in München durch das Team um Jens-Oliver Gasde, Marion Grünsteidl und Marc Ziegler, die ihrerseits den Oscarpreisträger Simone de Salvatore dazuholten.
Liquid Staging Bühnendesign von Simone De Salvatore/Blackspace & Asteris Kutulas für die Apassionata World GmbH, 2016
Insgesamt wurden über 4 Terabyte an Projekdaten mit filmischen Sequenzen in einer 12K-Auflösung für das „Liquide Bühnenbild“ verwendet. Das BLACKSPACE-Team arbeitete von Anfang an „im Raum“ und übertrug die zweidimensionalen Bildwelten in eine „räumliche Inszenierung“.
Um eine Simulierung dieser neuartigen Theater-Illusion zu ermöglichen, wurden u.a. auch VR-Headsets verwendet, so dass wir die Show von jedem Sitz des Theaters aus „sehen“ und kontrollieren konnten. Dadurch war es möglich, unseren Content für jeden Zuschauer perfekt abzustimmen – was einfach klingt, aber eine Meisterleistung darstellte, sowohl hinsichtlich der audiovisuellen Produktion als auch der technischen Umsetzung.
Die technische Planung lag in den Händen unseres langjährigen Partners PRG unter der Leitung von Gerd Helinski: Der Videocontent von BLACKSPACE wurde speziell für die 9 Projektionsebenen eines ca. 4.000 Quadratmeter großen „Screen-Universums“ per Video-Mapping programmiert. Um auch das von Ihnen beschriebene Problem zu lösen, mussten wir die 17 animierten Bühnenbild-Sequenzen über 62 Video-Beamer verteilen. Das Ganze war eine Pionierleistung.
Allerdings haben mich damals die technischen Details bei der Entwicklung dieser Liquid-Staging-Show nicht so sehr interessiert, einerseits weil ich rein schöpferisch als Künstler und Filmemacher funktionierte, und andererseits, weil ich mit dem PRG-Team um Gerd Helinski und dem Blackspace-Team um Jens-Oliver Gasde und Marc Ziegler Partner hatte, die von diesem neuen Show-Format so begeistert waren, dass sie mich immerzu drängten, weiterzumachen … und sie kümmerten sich um die Umsetzung und die technischen Details.
Aber Ihre Frage zielt auch auf einen anderen – für mich äußerst spannenden – Aspekt: In der Konsequenz verlangen die veränderte hybride Welt und das neue Publikum von heute und von morgen nicht nur neue Denkansätze, neue Ideen und neue Showformate, sondern tatsächlich auch eine neue Art von Location bzw. von „Theater“. Das neue „digitale Zeitalter“ verlangt also auch nach neuen Formen, nach neuen „Hüllen“. Das ist die eigentliche Herausforderung.
pma Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story
pma: Untrennbar mit dem visuellen Eindruck ist auch die akustische Wahrnehmung verbunden, die dabei nicht zurückstehen darf. Bei vielen klassischen Werken (wie beispielsweise „Elektra“) halten die Puristen unter den Regisseuren, Intendanten und vor allem auch unter den Zuschauern den unverstärkten Gesang für das einzig Wahre. Ist Liquid Staging somit nur etwas für das neue Zeitalter?
Asteris Kutulas: Klar, den „Puristen“ gehören die Tempel der Vergangenheit, und wir kümmern uns um die Bedürfnisse der Menschen von heute und von morgen. Spaß beiseite: Liquid Staging ist ein möglicher Denkansatz, der durch meine „Kodifizierung“ zu einem Instrument wird, das man neben allen anderen Instrumenten, die uns heute für die Konzeptionierung und Produktion von Shows und Events zur Verfügung stehen, benutzen kann.
Desweiteren kann Liquid Staging als eine Art „Gebrauchsanweisung“ verwendet werden, um neue Live-Show-Formate zu entwickeln, die allerdings in ihrer Mehrzahl – da haben Sie Recht – Musik zur Grundlage haben bzw. Musik als ein wichtiges Element beinhalten. In den meisten Fällen holen sich die meisten Shows einen Großteil ihrer Emotionalität aus der Musik bzw. dem Klangerlebnis – insofern spielt die Einheit von Visuellem und Akustischem, also die sekundengenaue Synchronität eine ausschlaggebende Rolle.
Liquid Staging Showformate
Wenn Richard Wagner das Medium Film zur Verfügung gehabt hätte, dann hätte er zweifellos zur Realisierung seiner Gesamtkunstwerke die modernste Timecode-gesteuerte audiovisuelle Technologie benutzt, inklusive High Fidelity und Atmos. Insofern würde ich Ihre Frage so beantworten, dass Oper und Theater Showformate des 19. Jahrhunderts sind, also ins „Museum“ gehören, das wir allerdings hegen und pflegen sollten. Liquid Staging ist ein Instrument zur Entwicklung von Show-Formaten für die heute agierenden postmodernen Generationen, die mit Spotify, TikTok und Netflix aufwachsen.
TON & SOUND | Aber natürlich hat Liquid Staging auch auf die Kreation von Ton und Sound bedeutende Auswirkungen. Für die Umsetzung des oben beschriebenen Apassionata-Projekts im Showpalast München z.B. hatte Martin Hildebrand von PRG ein Tonsystem entwickelt, das die filmische Verräumlichung des „Bildes“ mit einer entsprechenden Verräumlichung des Klanges verband. Musik und Sound sollten dadurch „im Raum“, aus allen Richtungen kommend, wahrnehmbar sein, damit sich der Zuschauer als ein in das Klanggeschehen einbezogenes Individuum empfinden kann. Das Soundkonzept von Martin ermöglichte es in idealer Weise, Musik, Effekte, Licht, Videocontent und Szene miteinander zu verschmelzen. Das gesamte Beschallungssystem wurde durch ein spezielles Audio-Playbacksystem mit über 80 Ausspielwegen gemanagt, welches jeden der 80 im Theater-Zuschauerraum angeordneten Meyer-Sound-Lautsprecher individuell ansteuern konnte. Das System war über ein Netzwerk mit den 10 Video-Medienservern verbunden, die über Timecode synchronisiert wurden.
pma: Ein derart enormer technischer und personeller Aufwand verlangt nach entsprechend hohen Investitionen. Kann sich der geneigte Zuschauer eine Eintrittskarte zu einem derart aufwändigen Event überhaupt noch leisten?
Asteris Kutulas: Die Show „O“ von Cirque du Soleil (Las Vegas) hat ungefähr 180 Millionen gekostet und „Ka“ etwas weniger. In beiden Fällen, weil hierfür eine neue Art von „Bühne“ gebaut werden musste. Aber auch die laufenden Tour-Shows von Cirque du Soleil kosten etwa 60 Millionen. Selbst die Show-Produktion im neuen mehr!-Theater in Hamburg, in deren Story es um den Sohn von Harry Potter geht, hat laut „Spiegel“ über 45 Millionen Euro gekostet. Mit all diesen Shows wird Gewinn gemacht. Bei den von mir konzipierten Liquid Staging Produktionen sprechen wir von einem Bruchteil dieser Kosten.
Liquid Staging Bühnenräume
Ich wiederhole nochmal: Es geht bei der Anwendung von Liquid Staging nicht ums Geld, sondern um Ideen. Es geht darum, wie wir den neuen Lebens- und Sehgewohnheiten der jüngeren Generation entgegenkommen, die fast ausschließlich Bewegtbilder konsumiert, und was wir dieser Generation an neuen Showformaten für die Zukunft anbieten. Man kann „Liquid Staging“ in einem kleinen Theater oder als Outdoor-Show, auf einer Konzert-Tour, bei Ausstellungsprojekten etc. anwenden. Wenn man Liquid Staging als eine Möglichkeit sieht, Shows zu entwickeln und diese Möglichkeit mit anderen dramaturgischen Instrumenten verbindet, dann kann man zielgenau auf jedes Budget hin neue – und im besten Fall unikale – Show-Ideen entwickeln und umsetzen.
Ein Beispiel: Als ich 2010 Executive Producer bei der Family-Entertainment-Show „Apassionata“ wurde, befasste ich mich intensivst mit der Frage, wie man den „Bühnenraum“ erheblich erweitern und „spannender“ gestalten kann. Denn bei „Bühnenräumen“, wie es Arena-Locations sind, handelt es sich um nüchterne Zweckbauten für Sport- und Großveranstaltungen, wo man es zunächst mit einer sehr „kalten“ Atmosphäre zu tun hat, die völlig verändert werden muss. Zur Apassionata-Show kamen vor allem Kinder, also das härteste und gnadenloseste Publikum überhaupt, mit ihren Eltern und Großeltern – Menschen im Alter zwischen 6 und 80.
Das iPhone war 2007 auf den Markt gekommen und verbreitete sich damals rasant. Mir war klar, dass wir bald mit dieser größten Bühne des 21. Jahrhunderts, die in jede Hosentasche passte und 24 Stunden verfügbar war, konkurrieren mussten. Strategisch gesehen waren wir also gezwungen, das visuelle Erlebnis immer spannender und emotionaler zu gestalten. Gert Hof hatte sich in der Apassionata „Sehnsucht“-Show von 2008 die Arena mit einer Armada von Lichtequipment erobert – aber zu einem zu hohen Preis für diese Produktion.
Ich wollte es anders und Budget-gerechter machen, und so entwickelte ich mit meinen Partnern von PRG in Hamburg 2010 das Konzept der Bodenprojektion für den ganzen Arena-Boden. Es gab also nicht mehr nur die Darsteller in der Arena und einen großen Screen hinten, auf dem Filmeinspielungen zu sehen waren, sondern es gab auch Projektionen, die über das Backdrop hinausgingen und den Arena-Boden und teilweise auch Zuschauerreihen und Publikum mit einbezogen. Der zu produzierende Liquid-Staging-Film – der sekundengenau der Bühnenhandlung folgte und mit dieser interagierte – sollte live eine visuelle „Fließ-Situation“ erzeugen und der „Kälte der Halle“ optisch entgegenwirken. Es wäre zu der Zeit etwas vollkommen Neues zu einem fantastischen Preis-Leistungsverhältnis gewesen. 2019, also neun Jahre später, habe ich dieses Konzept der liquiden Arena-Bühne mit so einer Bodenprojektion sehr konsequent umgesetzt gesehen in der „Toruk“-Show von Cirque du Soleil. Das war sehr beeindruckend.
pma Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story
pma: Einer der Vorteile des Liquid Staging ist u.a. die freie Wahl der Veranstaltungslocation, da es die Technik ermöglicht, sich der Kulturstätte beliebig anzupassen. Ist damit zu rechnen, dass man aus wirtschaftlicher Sicht dann vorwiegend auf Venues mit hohem Zuschauerpotential setzt, um bei gestiegenen Investitionen auch den finanziellen Erfolg zu steigern?
Die Anpassungsfähigkeit einer Show durch Liquid Staging ist sicher ein sehr großer Vorteil. Ihre Feststellung führt uns jedoch zu einer für mich zentralen Frage, nämlich inwiefern die traditionellen Locations für Live-Shows mit den neuen Lebens- und Sehgewohnheiten unserer digitalen Welt noch konform gehen. Bereits Richard Wagner war mit den Guckkasten-Theaterbühnen des 19. Jahrhunderts, die zum Teil bis heute die Theater-, Konzert- und Opernwelt beherrschen, nicht mehr zufrieden und baute mit dem Bayreuther Festspielhaus eine neue revolutionäre amphitheatralische Bühne, die seinen Visionen entsprach. Ein anderes Beispiel für die Entstehung eines neuen Showformats ist das Live-Konzert aus der Rock- und Pop-Branche, das sich Mitte der 1960er Jahre entwickelte. Oder das der Festivals, das mit Woodstock 1969 entstand und eine Hervorbringung der Flower-Power-Jugendbewegung war.
Polydimensionales Totaltheater
Wir erkennen an diesen Beispielen, dass bestehende Showformate sich überleben und von neuen Formaten abgelöst werden. Wir sollten uns also die Frage stellen, wie die Showformate und auch, wie die Locations des 21. Jahrhunderts aussehen könnten. Beides hängt zusammen, und ich erinnere an Friedrich Schiller, der es auf den Punkt brachte: „Die Form verschlingt den Inhalt“. Das ist absolut so. Das Ideal wäre für mich also eine Liquid-Staging-Show in einem Totaltheater-Bau, wo es möglich sein müsste, das „eindimensionale Sehen“ des 19. Jahrhunderts durch das „polydimensionale Sehen“ unseres hybriden Zeitalters zu ersetzen. Es müsste zweitens möglich sein, sich auf der Basis der neusten technologischen Errungenschaften von den baulichen und technischen Fesseln, die heute existieren, zu befreien und uns Regisseuren, Produzenten, Kreativdirektoren, Dramaturgen und Autoren der Show- und Werbebranche neue Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen und uns absolute Freiheit für die Verwirklichung all unserer Visionen zu geben. Um es ganz banal auszudrücken: Eine Location, die mobil und modular ist und bei der ich die Rigging Points, die ich brauche, selbst festlegen kann. Diesen Traum haben wir uns dank Liquid Staging erfüllt.
Zusammen mit Alexander Strizhak aus Riga habe ich in den letzten Jahren so ein Gebäude entwickelt, dem wir den Namen „Flexodrom“ gegeben haben und das genau diese Möglichkeiten bietet. Die Notwendigkeit dafür erwuchs aus einem Projekt, das wir 2009 zusammen mit Gert Hof unter dem Namen „Metropolis“ begonnen hatten und mit dem ich mich 2013 wieder zu beschäftigen begann. Es war damals unmöglich, eine passende Location für das neuartige Liquid-Staging-Konzept zu finden, zumal ich eine Location mit drei unterschiedlichen Bühnen brauchte, auf denen drei parallellaufende Handlungsstränge spielen.
Außerdem sollte der gesamte Show-Raum aus mehreren „bewegten Bühnenbildern“ bestehen und eine Kapazität von ca. 3.000 Zuschauern haben. Zusammen mit Alexander Strizhak, Lars Krückeberg von GRAFT Architects und mit dem Grafiker und Filmemacher Achilleas Gatsopoulos haben wir mit unserem Metropolis-Projekt sowohl künstlerisch als auch baulich eine fantastische und innovative Lösung gefunden, die wir dem Markt 2022 präsentieren werden.
pma Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story
pma: Wie sehr ist eine solche Produktionsweise tourtauglich, bzw. dürfte der Vorproduktionsaufwand nicht deutlich höher werden? Gilt es doch, die Veranstaltungshäuser bereits im Vorfeld genauestens zu vermessen. Gibt es dazu bereits Erfahrungswerte?
Asteris Kutulas: Ein wichtiger Grund, Liquid Staging einzusetzen, ist der, dass dieser innovative Denkansatz inhaltlich neue Ideen und optisch neue Resultate hervorbringen kann – und das zu einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis. Ein Beispiel: Als Künstler habe ich ein Problem mit der Starrheit und Künstlichkeit von LEDs, aber auch von geriggten Plastik-Screens. Die Lösung fand ich in den „natürlichen“ Schleiernessel-Projektionsstoffen, die leicht, preiswert, brandschutzkonform und überall relativ einfach anzubringen sind. Außerdem kann man Projektoren inzwischen unkompliziert und schnell installieren, und sie bieten Kino-Qualität. Der andere riesengroße Vorteil einer solchen Lösung ist, dass man z.B. ganze Arenen durch Liquid Staging in phantasmagorische Bühnen verwandeln kann. Dafür muss man natürlich den dafür notwendigen Inhalt generieren.
Voraussetzung dafür ist, wie in meinem Liquid Staging Manifest ausgeführt, „Show“ neu zu denken, das Publikum stets in seine Überlegung mit einzubeziehen und Emotionen zu produzieren. Man muss also Film, Bühnenregie, Design und Choreografie zusammenbringen, sie von Anfang an zusammen denken, damit etwas wunderbar Neues entstehen kann.
pma: Wäre mit Liquid Staging auch ein 360° Event denkbar, in welchem der Zuschauer mit im Zentrum des Bühnengeschehens sitzt?
Asteris Kutulas: 360-Grad-Erlebnisse gibt es schon seit Jahrzehnten, und sie gehören inzwischen – durch Virtual Reality, Mixed Reality und durch Gaming – zum Alltag. Das wird sich weiterentwickeln, und wir müssen jene Elemente aus diesen Trends für uns nutzen, die bei Live-Shows Sinn machen und unser jeweiliges Zielpublikum begeistern.
Electra 21
Ein Liquid-Staging-Projekt, mit dem ich so einen anderen Weg gehe, ist ELECTRA 21, das – pandemiebedingt zunächst in kleinerem Rahmen – bei den 55. Internationalen Hofer Filmfesttagen am 30. Oktober 2021 Premiere hatte. Bei diesem Projekt laufen vier unterschiedliche Filme – vorn, links, rechts, hinten – absolut synchron zu einem einzigen Soundtrack. Der Zuschauer entscheidet jeden Augenblick, was er sieht bzw. in welchem Wechsel er welche Filmkonstellation im Blickfeld hat. Damit erreiche ich zwei Dinge: Erstens, ich offeriere dem Zuschauer die Möglichkeit zum polydimensionalen Sehen, und zweitens hebe ich das Partizipationslevel des Zuschauers auf eine extrem hohe Stufe.
Dieses modulare Projekt lässt sich in kleinen bzw. kleineren Räumen umsetzen, ist aber eigentlich konzipiert als Outdoor-Showformat, bei dem diese vier Filme gekoppelt werden mit der Aktion zweier Live-Percussionisten und einer Tänzerin – in dieser Form soll es im Jahr 2023 in Athen und später weltweit aufgeführt werden.
Wenn man die Möglichkeiten erkennt, die sich aus diesem und den anderen Beispielen ergeben, dann wird einem, glaube ich, sehr schnell klar, was für eine unendliche Vielfalt an Gestaltungsformen durch Liquid Staging möglich ist – und zwar unabhängig davon, ob es sich um klassische Musik, eine Modenschau, ein Musical, eine Produktpräsentation oder ein Konzerterlebnis handelt.
pma Magazin – Sonderheft 2021 | Liquid Staging Top Story
pma: Bis dato haben wir jetzt vorwiegend über einzelne klassische Aufführungen und Entertainment Shows gesprochen. Wie sehr ist Liquid Staging in seinem ganzen Potential bereits für alle Live-Unterhaltungsformate geeignet und wie intensiv sind Sie persönlich bereits in die Verbreitung dieses Formates involviert?
Asteris Kutulas: Die erste Idee zur „Verräumlichung des Films“ hatte ich um die Jahrtausendwende, als ich mit Gert Hof unsere Mega- und Special-Events weltweit realisierte. Dabei arbeiteten wir auch mehrmals mit dem Projektions-Künstler Ross Ashton aus London. 2007 entwickelte ich dann zusammen mit Ross, mit dem Filmemacher James Chressanthis aus Los Angeles sowie dem Bühnendesigner Michalis Argyrou aus Athen die „Paths of Passion“-Produktion für das Epidaurus-Theater. Das war die erste Liquid-Staging-Show, an der ich mitwirkte.
Liquid Staging Epidaurus Entwurf von James Chressanthis, Ross Ashton & Asteris Kutulas, 2009Liquid Staging Epidaurus Entwurf von Michalis Argyrou, 2009
Zwei Jahre später arbeitete ich im Auftrag von Apassionata an einem Theaterbau für eine Pferdeshow in Dubai zusammen mit Lars Krückeberg von Graft Architects. Lars und sein Team setzten den Liquid-Staging-Theaterinnenraum, den ich konzipiert hatte, in großartiger Art und Weise um.
Hippodrom Arabia Entwurf von GRAFT & Asteris KutulasHippodrom Arabia Querschnitt von GRAFT & Asteris KutulasHippodrom Arabia Theater (Entwurf) von Asteris Kutulas und GRAFT
Damals benutzte ich auch zum ersten Mal den Namen „Liquid Staging“ für dieses Konzept. 2016 schrieb ich das Liquid-Staging-Manifest und entwickelte zusammen mit Ina und mit Achilleas Gatsopoulos während der Corona-Zeit mehrere Liquid-Staging-Projekte, die wir jetzt nach und nach diversen Produzenten anbieten werden.
Leider hat Corona im Jahr 2020 drei Liquid-Staging-Umsetzungen verhindert, nämlich die Inszenierung von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ in Wien, das Opening-Event des Digital Summit der EU und der Balkanländer in Tirana und die Premiere des Antigone-Ballets in Trento, Italien. Das sind fertig konzipierte Projekte, von denen ich hoffe, dass sie 2022 bzw. 2023 nachgeholt werden. Aber ich konnte im Sommer 2020 den „Lights of Hope“ Stadion-Event als Liquid-Staging-Produktion fürs TV realisieren. Und mein „Electra 21“ Projekt, also meine Electra für das 21. Jahrhundert, wird am 11.12.2021 in Chania auf Kreta mit Hilfe des Goethe-Instituts griechische Premiere haben.
pma: Gibt es bereits Aufführung außerhalb Ihres Schaffenskreises, denen Sie den Status eines perfekt inszenierten Liquid Staging bescheinigen würden? Welche Events sind das und was genau zeichnet diese im konkreten Falle aus?
Asteris Kutulas: Eine perfekt inszenierte Liquid-Staging-Produktion ist die bereits von mir erwähnte „Toruk“-Show von Cirque du Soleil, wo der gesamte Arena-Boden vom ersten bis zum letzten Augenblick der Show mit Film bespielt wird, was absolut synchron mit dem Bühnengeschehen funktioniert. Eine andere großartige Liquid-Staging-Show war für mich „The Wall“ von Roger Waters, die ich 2013 im Olympia-Stadion gesehen hatte, und ich bin sehr gespannt auf Roger Waters‘ neueste Produktion, die für 2022 angekündigt ist.
Es gibt viele fantastische Beispiele aus unserer Branche, vor allem aus dem Konzert- und Theaterbereich, aber was ich sehr spannend finde, ist auch, was seit einem Jahr in der Filmindustrie passiert. Bei der Produktion des „Mandalorian“-Films waren die meisten Hintergründe gefilmt und fungierten im Studio als realer Background für die Schauspieler. Auf diese Weise wurde 50 Prozent der Disney-Serie gedreht, wobei eine große LED-Wand am Set die verschiedenen Umgebungen in Echtzeit dargestellt hat. Innerhalb weniger Augenblicke konnte eine Wüsten- zu einer Stadtlandschaft werden etc.
Das Liquid-Staging-Produktionsprinzip wird sich also nicht nur im Live-Entertainment und in der Event-Branche, sondern auch in der Filmindustrie immer mehr durchsetzen. Vor einem Monat habe ich wohl auch aus diesem Grund vom Lehrstuhlinhaber des Audiovisuellen Departments der Ionian University das Angebot bekommen, eine Dissertation zu meiner Liquid-Staging-Theorie zu schreiben, was ich tatsächlich in den nächsten Jahren sehr gern tun werde.
Fragen von Ray Finkenberger-Lewin (pma Magazin), Oktober 2021 (Liquid Staging Top Story)
Apassionata „Der Traum“ Liquid Staging Film von Asteris Kutulas & BlackSpace für die Apassionata World GmbH, 2016
Statement von Marc Ziegler aus der Zeit der Zusammenarbeit bei der Apassionata-Showproduktion „Der Traum“ (2017)
„Normalerweise verhelfen wir Marken, emotional erlebbar zu werden. Bei Apassionata war es anders. Hier hat das Emotionale unsere Arbeit bestimmt. Bestehend aus Kulisse, Bühne, Schauspiel und Licht, bestimmt heute noch vorranging das Analoge die Theaterwelt. Doch durch Künstler wie Asteris Kutulas und durch Projekte wie Apassionata 2.0 hat ein Wandel eingesetzt. Und an genau diesem Wandel sind wir interessiert: Wie wird sich der Wandel auf die Architektur und den Raum im Theater auswirken? Das liquide Bühnenbild von Asteris Kutulas verändert alles. Vor allem das Raum- und Zeiterlebnis.“
Announcement by the Municipality Chania, the Goethe Institute & the Chania Culture KAM
ELECTRA 21 Greek Premiere: Liquid Staging Installation to the music of Mikis Theodorakis – Chania 10th and 11th December
This Liquid Staging Installation by Asteris Kutulas to the music of Mikis Theodorakis is an absolutely new kind of live experience!
WHEN: 10th and 11th December WHERE: Mikis Theodorakis Theatre, Venetian Harbour, Chania
With Jannis Papatzanis live on percussion
The Liquid Staging experience of ELECTRA 21 consists of the overall experience of the music, four documentaries running simultaneously and an installation. The audience decides for itself: Visitors can direct their attention in each case to whatever captivates them at the moment. In doing so, everyone perceives more than one thing at the same time.
This Liquid Staging show installation moves away from the one-dimensional seeing of the 19th century and offers the audience the polydimensional seeing, which corresponds much more to the complexity of our epoch. A new kind of live experience.
Electra, a timeless thriller. The father sacrifices the eldest daughter for power and fame. His wife slays him for it years later. Their children Electra and Orest kill her to avenge the father. A circle of hatred and destruction. No happy ending.
ELECTRA 21 | A musical recording, a ballet performance, a film production, a liquid staging installation
Credits ELECTRA 21 installation
Music by Mikis Theodorakis Choreography by Renato Zanella | Electra: Sofia Pintzou Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC Art Direction by Achilleas Gatsopoulos Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas Scenography by Georgios Kolios Concept by Asteris & Ina Kutulas Created & Directed by Asteris Kutulas
On the music of Mikis Theodorakis „In general, Theodorakis understands the meaning and concept of setting to music differently from most opera composers: the text does not consist in an alternation of recitatives and arias, but in a classification of almost every vocal part into a continuous melismatic fabric, which is of course interrupted by choral parts and some orchestra introductions. Theodorakis sets to music by literally painting characters, emotions, situations, even contents with sounds.“ (Ilias Giannopoulos)
The ELECTRA storyline The story begins early in the morning (where we experience Electra bemoaning her fate) and ends the same evening with Clytemnestra’s and Aigisthos‘ death, murdered by Orestes and his cousin Pylades.
Shortly after sunrise two strange men appear (but in fact it is Orestes and Pylades who have disguised themselves) and inform Queen Clytemnestra that her son Orestes has died in exile in a chariot race. Clytemnestra, who together with her lover Aigisthos has killed her husband Agamemnon and therefore fears that her son Orestes, although he fled years ago, could still be dangerous to her, is delighted to learn of his death. Now Clytemnestra sends a messenger to invite the two men to the palace to celebrate this positive news in the evening. When her daughter Electra learns of her brother Orestes‘ fatal accident, she tries in vain to persuade her sister Chrysothemis to revenge their father’s death. Electra is convinced that the mother and her lover must finally die, because they murdered Agamemnon and thus took from the children their father. Now believing that Orestes has been killed in an accident, Electra and Chrysothemis, the two daughters, are to carry out the act of revenge. The „strangers“, Orestes and Pylades, reveal their true identity to Electra, whereupon she instigates her brother to murder Clytemnestra. Orestes finally enters the palace, kills Clytemnestra and then, when he appears, her lover, Aigisthos.
Film Credits (4 movies)
Music by Mikis Theodorakis | Ballet Choreography by Renato Zanella | Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC | Editing by Yannis Sakaridis, Asteris Kutulas & Stella Kalafati | Music Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Art Direction by Achilleas Gatsopoulos | Cameras by Vasilios Sfinarolakis, Mike Geranios, Zoe Chressanthis, Hara Kolaiti, Dionissia Kopana, Stella Kalafati, Asteris Kutulas | Additional filming with Katherina Markowskaya by Sarah Scherer | Sound by Klaus Salge | Assistance to James Chressanthis by Hara Kolaiti | Still photography by Robin Becker | Production Management by Vassilis Dimitriadis | Associated Producer Christopher Kikis
Written & produced by Asteris & Ina Kutulas | Directed by Asteris Kutulas
Music Edition by Schott Music | Special thanks to Peter Hanser-Strecker & Margarita Theodorakis
Cameras provided by Alternative Digital Cinema, Los Angeles & Canon, USA | Special thanks to Joe Lomba & Tim Smith
Soundtrack with kind permission of Mikis Theodorakis & SCHOTT MUSIC, Mainz
Special thanks for the support to the Strecker-Stiftung, Frank Wunderatsch, Internationale Hofer Filmtage, Rafaela Wilde, Dimitris Koutoulas, Tim Dowdall, Gerd Helinski, Rena Parmenidou, Jörg Krause, Christian Jansen, Nana Trandou, Nikos Vlachakis, Jan Perray, Oliver Schulze, Lefteris Veniadis, Alexander Kutulas, Rafika Chawish, Hofer Filmtage Team & Thorsten Schaumann
taz: „Begriffe ohne Anschauung sind leer. Anschauungen ohne Begriffe sind blind“, Asteris, was sagt Dir dieses Zitat heute?
Asteris Kutulas: Darüber könnte ich eine ganze Vorlesung halten. Aber als erstes denke ich da an die „Frage“, die der Roman „Zorbas“ von Nikos Kazantzakis stellt: Was ist wichtiger im Leben: Das Buch oder der Tanz?
taz: Der Satz stammt aus der Erkenntnistheorie des Philosophen Immanuel Kant. Wir haben in den 1980er Jahren gemeinsam in Leipzig Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie gehört. Weil wir uns in Studienzeiten kennengelernt haben, möchte ich dich im taz-Interview duzen. Du hast, so finde ich, damals die Symbiose von begrifflichem und anschaulichem Denken, die Kant für die Philosophie vollzogen hat, gelebt: In Lehrveranstaltungen bist Du gern über Metaebenen geklettert. Nebenher hast Du Künstler von Weltruhm aus dem Griechischen übersetzt, beispielsweise die Lyriker Jannis Ritsos, Giorgos Seferis und Odysseas Elytis, aber auch Texte des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis. Du hast Dich dann später beruflich für das Anschauliche entschieden, Du bist Künstler und Produzent geworden. Hast Du auch einmal mit einer wissenschaftlichen Laufbahn geliebäugelt?
Asteris Kutulas: Das wäre für mich sicherlich spannend gewesen. Aber ich bin schon als Student in den Sog der Lyrik und Musik geraten. Persönlichkeiten wie Jannis Ritsos, Mikis Theodorakis und später der Lichtkünstler Gert Hof haben mich 40 Jahre lang geprägt. Ich habe in einer Welt gelebt, die voll von Literatur, Musik, Kunst, Film, Politik, Geschichte und Philosophie war. Diese Welt wollte ich niemals verlassen. Das war und ist mein Leben.
Ich habe aber gerade angefangen, eine Dissertation zu schreiben. Darin geht es um meine „Liquid Staging“ Ästhetik, die sich mit der „Verräumlichung des Films“ als Basis für neue Show-Formate im 21. Jahrhundert auseinandersetzt.
taz: Was ich als Studentin nicht wusste: Du wurdest in Rumänien geboren. Wie hat es Deine Eltern dorthin verschlagen?
Asteris Kutulas: In Griechenland tobte nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 1945 und 1949 ein schrecklicher und blutiger Bürgerkrieg. Die „linken Partisanen“ verloren diesen Krieg, und etwa 60.000 von ihnen, darunter auch mein Vater und die Familie meiner Mutter, flohen über die albanische, die jugoslawische und bulgarische Grenze in die sozialistischen Staaten. Ihr Schicksal wurde besiegelt durch Entscheidungen, die fernab ihrer Heimat getroffen wurden – von Menschen, die sie nur dem Namen nach kannten: Churchill, Stalin, Truman, Tito. So landeten unsere Eltern in der „kommunistischen Diaspora“, irgendwo in Osteuropa, in fernen, ihnen unbekannten Dörfern oder Städten mit für sie exotischen Namen: Radebeul, Bratislava, Taschkent, Zgorzelec. Meine Eltern trafen sich in der rumänischen Stadt Oradea, nahe der ungarischen Grenze. Dort kam ich 1960 in einem Flüchtlingslager zur Welt. Ein paar Jahre später zog meine Familie nach Bukarest, als mein Vater Redakteur bei Neos Kosmos wurde, der theoretischen Zeitschrift der Kommunistischen Partei Griechenlands.
taz: Und unter welchen Umständen kam Deine Familie dann 1968 in die DDR?
Asteris Kutulas: Sitz der Parteiführung der seit 1946 in Griechenland verbotenen Kommunistischen Partei war Bukarest. 1968 gab es eine Spaltung der KPG. Mein Vater gehörte zu der moskautreuen Fraktion, und die wurde von Rumäniens Staatschef Nicolae Ceausescu ausgewiesen – das war eine völlig bizarre und surreale Situation. Die „moskautreuen“ sozialistischen Länder beschlossen daraufhin, den Sitz der Zeitschrift-Redaktion, bei der mein Vater arbeitete, nach Dresden zu verlegen. So zog meine Familie im Sommer 1968 ins „Tal der Ahnungslosen“, wie Dresden damals genannt wurde, weil es die einzige Stadt in der DDR war, in der Westfernsehen nicht empfangen werden konnte.
taz: Als Du in Dresden eingeschult wurdest, warst Du vermutlich der einzige Schüler mit Migrationsgeschichte …
Nein, es gab seit 1950 in Dresden, vor allem in Radebeul, eine große Gemeinde von ca. 600 griechischen Bürgerkriegs-ExilantInnen. Es gab griechischen Sprachunterricht an einzelnen Schulen. Wir haben griechische Feste gefeiert. Richtig ist, dass es darüber hinaus damals noch keine weiteren Zuwanderer und Zuwanderinnen gab. Die ChilenInnen und die VertragsarbeiterInnen kamen später.
taz: Hast Du Rassismus erlebt?
Asteris Kutulas: Überhaupt nicht.
taz: Du hast in der DDR mit einer griechischen Staatsbürgerschaft gelebt …
Asteris Kutulas: Die habe ich erst 1978 erhalten, vier Jahre nach dem Sturz der Militärdiktatur. Vorher hatte ich nur einen Fremdenpass, war staatenlos. Ab 1975 durfte ich einmal pro Jahr meine Heimat besuchen …
taz: Du sprichst von Griechenland als Deiner Heimat? Du warst doch vor 1975 niemals dort …
Asteris Kutulas: Bei uns zu Hause wurde nur Griechisch gesprochen, griechische Musik gehört – vor allem Theodorakis –, es wurden griechische Bücher gelesen. „Heimat“ bedeutete für mich wie für viele andere Diaspora-Griechen zwei Dinge: die griechische Sprache und die griechische Kultur. In den sechziger Jahren stießen wir zu Silvester stets mit dem Spruch an: „Und nächstes Jahr in der Heimat!“
Bis zum Sturz der Junta 1974 durften wir ja nicht in Griechenland einreisen. Ich habe bis heute nur einen griechischen Pass, obwohl ich seit den siebziger Jahren in diesem Dualismus lebe – zwischen meinem deutschen Geist und meiner griechischen Seele.
taz: Warum bist Du eigentlich nie nach Griechenland gezogen?
Asteris Kutulas: Das stimmt so nicht. Wir haben von 1992 bis 1996 in Athen gelebt, immerhin vier Jahre. Dann zogen wir wieder zurück nach Berlin.
Aber es war eigentlich der Plan, nach meinem Studium 1985 nach Griechenland zu ziehen. Aber 1983 lernte ich Ina kennen, die Liebe meines Lebens. So blieb ich bei ihr in der DDR. Wir fuhren allerdings jeden Sommer für vier Wochen nach Griechenland. Tatsächlich haben wir uns seit Ende 1988 aus politischen Gründen mit dem Gedanken befasst, nach Athen umzuziehen. Die Wende kam dazwischen.
taz: Welche Vor- und Nachteile hatte es in der DDR, mit der griechischen Staatsangehörigkeit zu leben?
Asteris Kutulas: Die Möglichkeit, nach Griechenland zu reisen, war schon ein fundamentaler Vorteil. Später durfte ich auch auf Einladung hin auf Lesereise gehen, um meine Bücher, die in Luxemburg oder in der BRD erschienen, im Westen vorzustellen. Ich muss aber sagen, dass die West-Reisen in meinem Umfeld nicht so ins Gewicht fielen: Meine Gymnasialzeit zwischen 1975 und 1979 verbrachte ich an der Dresdner Kreuzschule. Die Hälfte der Jungen in meiner Klasse sang im Kreuzchor und war auf Konzertreisen im Westen unterwegs. In den achtziger Jahren durften dann auch immer mehr DDR-Künstlerkollegen in den Westen, um bei den Eröffnungsveranstaltungen der Ausstellungen mit ihren Werken und bei den Premieren ihrer Theaterstücke dabei zu sein oder eben Lesungen zu machen.
Und Nachteile als Grieche in Dresden? Mir fällt kein Nachteil ein. Es war eine für mich inspirierende und sehr spannende Zeit.
taz: Ein Vorteil war sicher auch, dass Dir als Grieche der Militärdienst in der NVA erspart blieb …
Asteris Kutulas: Da ich nie die deutsche Staatsangehörigkeit hatte, tangierte mich dieses Thema zu keiner Zeit. Allerdings tat ich alles, um einer Einberufung in die damals sehr faschistisch geprägte griechische Armee zu entgehen.
taz: Kulturell hast Du Dich schon damals als Vermittler zwischen beiden Kulturen engagiert. Dafür stehen nicht nur Deine Nachdichtungen bedeutender griechischer Autoren. Ich erinnere mich auch an Deine Veranstaltungen zum „Canto General“ von Pablo Neruda und Theodorakis im Leipziger Studentenclub Moritzbastei. Warum war es Dir wichtig, griechische Kultur in der DDR bekannt zu machen?
Asteris Kutulas: Der Zufall wollte es, dass ich 1980 drei Persönlichkeiten kennenlernte, die mit ihrer zutiefst humanistischen Haltung mein Leben prägten: durch sein Poem „Canto General“ den bereits verstorbenen chilenischen Dichter Pablo Neruda sowie Mikis Theodorakis und Jannis Ritsos, denen ich 1980 erstmals auch real begegnete. Ihnen gemeinsam war, dass sie einen utopischen Kommunismus vertraten, dessen Mittelpunkt die absolute Freiheit des Einzelnen in einer basisdemokratischen Gesellschaft war. Das deckte sich damals mit meinem Ideal und stand damit im Gegensatz zur sozialistischen Staatsdoktrin der DDR, die ein diktatorisches und kleinbürgerliches System aufgebaut hatte. Auch das hat mich veranlasst, ihre Kunst in der DDR bekanntzumachen. Das mag heute etwas schräg klingen, war aber damals für mich so etwas wie ein Akt des Widerstands.
taz: Gab es eigentlich politische Grenzen, die Dir in der DDR gesteckt wurden, Grenzen, die Du nicht überschreiten konntest?
Asteris Kutulas: (überlegt) Als ich als Schüler 1976 von einer Griechenlandreise in die DDR zurückfuhr, wurde mir bei einer Grenzkontrolle aus meinem Reisegepäck das Buch „Der Archipel Gulag“ des sowjetischen Dissidenten Alexander Solschenizyn abgenommen. Ich habe nicht eingesehen, warum diese DDR-Polizeibeamten das Recht hatten, zu entscheiden, was ich lesen durfte und was nicht.
Ab 1987 habe ich gemeinsam mit meiner Frau Ina Kutulas die Buchreihe „Bizarre Städte“ im Selbstverlag herausgegeben. Wir durften nach DDR-Recht maximal 100 Exemplare pro Buch drucken. Immerhin schafften wir uns dadurch eine eigene kleine Öffentlichkeit, da es keine große gab. Aber selbst diese kleinen „Öffentlichkeiten“, derer es in der DDR einige gab, versuchte die Stasi zu kontrollieren und in ihrem Sinn zu beeinflussen. Ein beliebtes Mittel war es, über jeden das Gerücht zu streuen, er sei Mitarbeiter der Stasi. Wir haben schließlich beschlossen, uns davon nicht beeinflussen zu lassen.
Die Situation war allerdings 1987 schon „liberaler“ als Jahre zuvor. Es gab Zugeständnisse der Staatsmacht an Intellektuelle – auch wegen Gorbatschows Perestroika-Politik und weil bereits sehr viele aus der DDR ausgereist waren.
taz: Kommen wir zurück auf Mikis Theodorakis. Du warst ihm in mehrfacher Hinsicht ein Begleiter: als sein Dolmetscher, sein Manager, Produzent, sein Freund, Du hast sein Werkverzeichnis herausgegeben. Wann bist Du ihm zum ersten Mal persönlich begegnet?
Asteris Kutulas: 1980 in Berlin. Im Palast der Republik wurde sein „Canto General“ aufgeführt. Es war sein erster Besuch in der DDR, und ich war Dolmetscher von Maria Farantouri, der Interpretin des Werkes. Ein Jahr später wurde ich sein Dolmetscher und ab da war ich auch in allen organisatorischen und künstlerischen Belangen dutzender Konzerte und Tourneen involviert. Ab 1987 habe ich zusammen mit Mikis viele künstlerische Konzepte entwickelt und umgesetzt. Ab 2010 haben wir dann als „Künstler-Kollegen“ zusammengearbeitet, was für mich der Höhepunkt dieser Beziehung darstellte. Ich begann als Regisseur und Autor (zusammen mit Ina) meine Film-Tetralogie zu produzieren und parallel dazu mit dem Choreographen Renato Zanella – auf der Grundlage der gleichnamigen Opern-Musik von Mikis – an den Ballett-Filmen „Medea“ (2011), „Electra“ (2018) und „Antigone“ (2022) zu arbeiten.
taz: Wäre es übertrieben zu sagen, dass Mikis Theodorakis DIE prägende Erfahrung Deines Lebens wurde?
Asteris Kutulas: So ist es. Hättest Du mir die Frage in den 1980ern gestellt, hätte ich wahrscheinlich Jannis Ritsos genannt, der für mich ein Seelenverwandter war. Aber Mikis Theodorakis hat mich 40 Jahre lang mit seinem anarchischen Geist und seinem kompromisslosen Künstlertum inspiriert und tief geprägt. Ich fühle mich gesegnet, mit ihm bei so vielen Projekten zusammengearbeitet zu haben. In den letzten 15 Jahren sind wir uns als Künstler begegnet, wir haben gemeinsam Ballette, Filme und Installationsprojekte entwickelt und vieles davon umgesetzt.
ELECTRA 21
Noch im Juli, also sechs Wochen vor seinem Tod, habe ich mit Mikis an „Electra 21“ gearbeitet, einem neuen „Liquid Staging“ Show-Format für das 21. Jahrhundert, in dem vier Filme, die auf derselben Musik synchronisiert wurden, parallel laufen und so ein polydimensionales Sehen ermöglichen. Weltpremiere von „Electra 21“ wird am 30.10.2021 bei den 55. Internationalen Hofer Filmtagen sein. Mikis hatte im Juli vorausgesagt, dass er die Uraufführung nicht mehr erleben würde und hatte sich mit den Worten von mir verabschiedet: „Ich werde den besten Platz haben und Euch von oben zusehen.“
taz: In der DDR war Mikis Theodorakis in den 1970er Jahren verboten. In den 1980er Jahren fanden dort hingegen mehrere Welturaufführungen seiner Werke statt. Einige wurden auch auf Tonträger produziert und international vertrieben. Welches Verhältnis hatte er zur DDR?
Asteris Kutulas: Seine „Karriere“ in der DDR hat Mikis dem Engagement des Musikkritikers Peter Zacher zu verdanken. Dieser hatte seit 1975 versucht, den Canto General in der DDR aufführen zu lassen und hatte 1980 endlich damit Erfolg. Durch sein Netzwerk innerhalb der Musikszene zu Institutionen wie die Dresdner Philharmoniker, die Hallesche Philharmonie, das Orchester der Komischen Oper Berlin sowie zu Dirigenten wie Kurt Masur und Herbert Kegel kamen in der DDR die Uraufführungen der 2., 3. und 7. Sinfonie, der Sadduzäer-Passion oder die Liturgie Nr. 2 für den Dresdner Kreuzchor zustande.
Mikis Theodorakis hatte ein ambivalentes Verhältnis zur DDR. Als wir 1981 im Café des Gewandhauses in Leipzig saßen, fragte er mich auf den Kopf zu: „Asteris, wie kannst Du in diesem Land leben?“ Ich war völlig überrascht, und er sagte: „Ich wäre hier entweder im Gefängnis oder tot.“
Auf der anderen Seite liebte Mikis das großartige Publikum in der DDR. Und er schätzte es sehr, mit den fantastischen Orchestern, Solisten und Dirigenten in der DDR zusammenzuarbeiten.
taz: Ein ganz anders Thema: Du hast 2003 für den späteren US-Präsidenten Donald Trump ein Lichtkunstevent in Atlantic City produziert. Wie kam es dazu?
Das Licht, Albert Speer und Donald Trump
Asteris Kutulas: Ich habe ab 1999 mit dem Licht-Architekten Gert Hof ein heute etabliertes, aber damals völlig neues Show-Format erfunden, die Outdoor-Lichtshow. Entertainment durch Lichtarchitektur am Himmel oder „Art in Heaven“ wie wir es nannten. Gert Hof war der Künstler, ich der Produzent. Die erste Show machten wir zur Millenniumsfeier an der Berliner Siegessäule mit Mike Oldfield und der Staatskapelle St. Petersburg auf der Bühne.
taz: Ich erinnere mich. Es gab damals Kritik wegen Ähnlichkeiten zu Albert Speer.
Asteris Kutulas: Aber nur im Vorfeld! Nach unserem Event hat das überhaupt keine Rolle gespielt. Das zeigt auch, wie dumm diese „Sorge“ war.
taz: So abwegig ist der Vergleich nicht: Eine Massenveranstaltung mit Licht ausgerechnet an der Siegessäule. Auch wenn ich Dir nicht unterstelle, ein Anhänger von Albert Speer zu sein, der Vergleich liegt nahe.
Asteris Kutulas: Weil Herr Speer etwas benutzt hat, darf man es die nächsten tausend Jahre nicht mehr benutzen? Warum sollen wir den Nazis die Kunst-Form LICHT schenken?
Die deutschen Lyriker sind auch nicht der „Aufforderung“ von Theodor W. Adorno gefolgt „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“, sondern haben gesagt, „wir glauben, dass Gedichte überhaupt erst jetzt wieder möglich sind …“. Hinzu kommt, dass Gert seine Idee von der Licht-Architektur am Himmel von den Bauhaus-Pionieren übernommen hatte – er war ein absoluter Bauhaus-Fan und hatte sich u.a. vom Metropolis-Film zu seiner Lichtarchitektur inspirieren lassen.
Wir haben mit unseren Events das Medium LICHT den Nazis weggenommen und es der Kunst und der Menschheit wieder geschenkt. Wie erfolgreich wir darin waren, siehst Du daran, dass inzwischen die „Strahlen-Ästhetik“ von Gert Hof in jeder Fernsehsendung und in jedem Pop/Rock-Konzert zu sehen ist.
taz: Aber wie kam es zu dem Auftritt bei Donald Trump?
Asteris Kutulas: Wir hatten durch unser neues Show-Format eine neue Art von Entertainment für Hunderttausende von Menschen geschaffen. Die PR-Verantwortliche der Trump Organization hatte von unseren Lichtshows in Berlin, Athen, Peking und an vielen anderen Orten gehört und fragten uns an. Wir haben in Atlantic City eine ganze Woche jeden Abend eine Mega-Lichtshow für die ganze Stadt auf Bruce Springsteen Musik gemacht und damit mehrere Trump-Ressorts miteinander verbunden. Die Amis sind total darauf abgefahren.
taz: Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Trump?
Asteris Kutulas: Die gab es mit ihm persönlich gar nicht. Er kam mit seinem Hubschrauber aus New York geflogen, war ziemlich beeindruckt von dem Ganzen und hat sich sehr amüsiert. Damals war Trump auch mehr ein Entertainer und politisch noch nicht in Erscheinung getreten. Und er mischte sich überhaupt nicht künstlerisch ein – er akzeptierte Gert als jemanden, der wusste, was er tat. Ich hatte das Gefühl, dass er das gut fand. Die Zusammenarbeit mit seinem Büro lief professionell ab, obwohl sie mit sehr harten Bandagen verhandelt haben. Das war diesbezüglich eine meiner schwierigsten Produktionen.
taz: Als Wahlberliner bringst Du regelmäßig griechische Kultur nach Berlin, beispielsweise bei dem alljährlichen Filmfestival „Hellas Filmbox Berlin“ im Babylon. Wo ist Deine Kunst demnächst zu sehen?
Dance Fight Love Die, Liquid Staging & andere Projekte
Asteris Kutulas: Im Januar kommt mein Film „Recycling Medea“ in die Kinos. Ich habe Regie geführt und zusammen mit meiner Frau das Drehbuch geschrieben. In der ARTE-Mediathek kann man noch bis Dezember unseren Film „Mikis Theodorakis – Komponist“ sehen. Unser Film „Dance Fight Love Die“ ist auf Amazon und vielen anderen Streaming-Plattformen zu sehen. Dieser Film entstand, weil ich Mikis seit 1987 mit meiner Kamera begleitet habe und ziemlich viel aufgenommen habe, in ganz Europa, den USA, Chile, Israel, Türkei, Südafrika, Australien usw. Ich habe das eher für mich getan, um die künstlerische Energie festzuhalten, die mich umgab. Meine Frau Ina hat mich später davon überzeugt, aus diesem Material einen Film zu machen.
Ansonsten arbeite ich mit Ina seit drei Jahren an für uns atemberaubenden Projekten: an einer Family-Entertainment-Show namens „Spheros“ und an einem „Meta-Musical“, in dem Marlene Dietrich im Mittelpunkt steht. Zusammen mit unserem Künstler-Kollegen Achilleas Gatsopoulos entwickeln wir eine revolutionäre Liquid-Staging-Show. In einem halben Jahr werden wir das Flexodrom dem Markt anbieten – das ist ein modularer und mobiler Theaterbau, den ich zusammen mit Alexander Strizhak aus Riga entwickelt habe.
Außerdem schreibe ich zusammen mit Ina einen autobiografisch angelegten Roman über das Leben eines griechischen Studenten in der DDR zwischen 1979 und 1989.
taz: Du erwähntest Deine Kamera. Ich habe den Eindruck, sie ist sehr wichtig für Dich?
Asteris Kutulas: Ja. Ich habe sie 1989 gekauft. Sie hat mein Denken visualisiert. Ursprünglich habe ich Tagebuch und Gedichte geschrieben, Übersetzungen gefertigt. Durch die Kamera habe ich ganz anders Sehen gelernt, habe zum Film und zur Konzeptkunst gefunden. Und sie hat mich schließlich zu dieser neuen Theorie des „Liquid Staging“ geführt, die ich im November 2021 im pma-Magazin veröffentlichen werde.
taz: Ich komme zum Schluss noch einmal auf die Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie zurück, die wir gemeinsam gehört haben. Philosophie gilt gemeinhin als brotlos. Hast Du Dein Philosophie-Wissen in Deiner beruflichen Tätigkeit produktiv machen können?
Asteris Kutulas: Ja, sehr. Ich habe 40 Bücher herausgegeben und übersetzt, darunter viele Essaybände. Wenn ich beispielsweise an den 1989 in der DDR und 1990 in der Bundesrepublik herausgegebenen Essay-Band des Literaturnobelpreisträgers Giorgos Seferis „Alles voller Götter“ denke – ohne vorher die Vorlesungen zur antiken griechischen Philosophie bei Helmut Seidel erlebt und mich damit auseinandergesetzt zu haben, hätte ich mich da wohl nie herangetraut.
Giorgos Segeris, Alles voller Götter, Herausgegeben und übersetzt von Asteris Kutulas
Zum andern hat mir dieses Studium geholfen, nicht nur Literatur, sondern auch meinen Künstler- und Produzenten-Alltag ohne „ideologische“ Brille zu betrachten und Strukturen zu durchschauen. Dadurch vermag ich auch als Konzept-Künstler, „leere Begriffe“ und „blinde Anschauungen“ zu vermeiden.
taz Interview mit Asteris Kutulas, befragt von Marina Mai, veröffentlicht in der Wochenendausgabe der taz vom 6./7.11.2021 sowie auf der Internet-Seite der taz am 9.11.2021 (Fotos in den taz-Ausgaben: Doro Zinn)
(Danke taz, Marina Mai, Doro Zinn und Ina Kutulas.)
ELECTRA 21 | A musical recording, a ballet performance, a film production, a liquid staging installation
– created and directed by Asteris Kutulas to the music of Mikis Theodorakis
Electra, a timeless thriller. The father sacrifices the eldest daughter for power and fame. His wife slays him for it years later. Their children Electra and Orest kill her to avenge the father. A circle of hatred and destruction. No happy ending.
The live experience of ELECTRA 21 consists of the overall experience of the music, four documentaries running simultaneously, some of them hybrid, and an installation. The audience decides for itself: Visitors can move, sit or stand in this liquid staging installation and direct their attention in each case to whatever captivates them at the moment. In doing so, everyone perceives more than one thing at the same time.
This show installation moves away from the one-dimensional seeing of the 19th century and offers the audience the polydimensional seeing, which corresponds much more to the complexity of our epoch. A new kind of live experience.
Electra 21 poster (Photo by Loukia Roussou | Artwork by Achilleas Gatsopoulos)
ELECTRA 21 | Eine Musikaufnahme, eine Ballettaufführung, eine Filmproduktion, eine Liquid Staging Installation
– von Asteris Kutulas zur Musik von Mikis Theodorakis
Electra, ein zeitloser Thriller. Der Vater opfert die älteste Tochter für Macht und Ruhm. Seine Ehefrau erschlägt ihn dafür Jahre später. Ihre Kinder Electra und Orest töten sie, um den Vater zu rächen. Ein Kreis des Hasses und der Vernichtung. Kein Happy End.
Das Live-Erlebnis ELECTRA 21 Produktion besteht aus dem Gesamt-Erlebnis der Musik, vier zeitgleich ablaufenden – zum Teil hybriden – Dokumentarfilmen und einer Installation. Das Publikum entscheidet selbst: Die Besucher*innen können sich in dieser Liquid-Staging-Installation bewegen, sitzen oder stehen und ihre Aufmerksamkeit jeweils auf das richten, was sie gerade fesselt. Dabei nimmt jede*r immer mehreres zugleich wahr.
Diese Show-Installation bewegt sich weg vom eindimensionalen Sehen des 19. Jahrhunderts und offeriert dem Publikum das polydimensionale Sehen, das der Komplexität unserer Epoche viel mehr entspricht. Ein neuartiges Live-Erlebnis.
Electra 21 team after the world premiere in Hof (Foto: Andreas Rau)
ELECTRA 21 CREDITS
A Liquid Staging Installation by Asteris Kutulas on the Music by Mikis Theodorakis
Choreography by Renato Zanella with Sofia Pintzou as Electra | Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC | Art Direction by Achilleas Gatsopoulos | Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Scenography & Production by Georgios Kolios | Concept & Produced by Asteris & Ina Kutulas | Created & Directed by Asteris Kutulas
Special appearance by Katherina Markowskaya & Maria Zlatani | With the music directors Phaidra Giannelou, Andrianna Neamoniti, Clément Nonciaux, Lefteris Veniadis | With special thanks to Frank Wunderatsch
Sofia Pintzou (Foto: Andreas Rau)
Ballet Credits
Music by Mikis Theodorakis (from his opera „Electra“) | Choreography by Renato Zanella | Film sequences by James Chressanthis ASC, GSC | Music Editing by Alexandros Karozas | Lighting Design by Uwe Niesig | Costumes by Olgica Gjorgieva | Concept & Direction by Asteris Kutulas & Renato Zanella
In cooperation with Europaballett St.Pölten | Ballet performances filmed at the „Apollo“ Theater of Hermoupolis (Syros) | International Festival of the Aegean | Presented by MidAmerica Productions of New York and the Municipality of Syros-Hermoupolis | General & Artistic Director Peter Tiboris
St. Petersburg State Academic Capella Orchestra & Choir | Directed by Mikis Theodorakis | Music Production, Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Produced by Alexandros Karozas & Asteris Kutulas | Music Edition by Schott Music & Romanos
Film Credits (4 movies)
Music by Mikis Theodorakis | Ballet Choreography by Renato Zanella | Cinematography by James Chressanthis ASC, GSC | Editing by Yannis Sakaridis, Asteris Kutulas & Stella Kalafati | Music Editing & Mastering by Alexandros Karozas | Art Direction by Achilleas Gatsopoulos | Cameras by Vasilios Sfinarolakis, Mike Geranios, Zoe Chressanthis, Hara Kolaiti, Dionissia Kopana, Stella Kalafati, Asteris Kutulas | Additional filming with Katherina Markowskaya by Sarah Scherer | Sound by Klaus Salge | Assistance to James Chressanthis by Hara Kolaiti | Still photography by Robin Becker | Production Management by Vassilis Dimitriadis
Written & produced by Ina & Asteris Kutulas | Directed by Asteris Kutulas
Music Edition by Schott Music & Romanos | Special thanks to Peter Hanser-Strecker & Margarita Theodorakis
Cameras provided by Alternative Digital Cinema, Los Angeles & Canon, USA | Special thanks to Joe Lomba & Tim Smith
Soundtrack with kind permission of SCHOTT MUSIC, Mainz & Romanos
Foto: Andreas Rau
Special thanks for the support to the Strecker-Stiftung, Frank Wunderatsch, Internationale Hofer Filmtage, Rafaela Wilde, Dimitris Koutoulas, Tim Dowdall, Gerd Helinski, Rena Parmenidou, Jörg Krause, Christian Jansen, Nana Trandou, Nikos Vlachakis, Jan Perray, Oliver Schulze, Lefteris Veniadis, Alexander Kutulas, Rafika Chawish, Hofer Filmtage Team & Thorsten Schaumann
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„The public LIQUID STAGING project ELECTRA 21 by Asteris Kutulas provided a preview of a cinema format of the future.“
Announcement by the Hof International Film Festival
THE HANS VOGT AWARD 2021
We are delighted that with the support of our sponsors, we are able to award the HANS VOGT FILM AWARD of the city of Rehau at the 55th Hof International Film Festival. The prize is aimed at filmmakers whose great innovation and diligence have lent a special quality and value to their films, paying particular attention to film music.
This year, the prize goes to author, filmmaker and producer Asteris Kutulas.
Asteris Kutulas published his own works as an author and worked as a film, music and event producer. In 2014 he began with the production of his film project DANCE FIGHT LOVE DIE – WITH MIKIS ON THE ROAD, which celebrated its world premiere at Hof International Film Festival in 2017. At this year’s 55th Hof International Film Festival, he is presenting his Liquid Staging installation ELECTRA 21.
„For a long time, I’ve had a vision of combining the world of cinema with the world of ballet and the world of shows – in a work of art for the 21st century.“
The installation consists of four films running simultaneously, all based on the same musical recording of the Electra opera music by Mikis Theodorakis. Absolutely synchronously, the four films are played on four screens, showing different ballet scenes and orchestra rehearsals.
The Hans Vogt Film Prize was established to commemorate the pioneering work of Hans Vogt, an engineer born in the Rehau district in 1890, who played a decisive role in the invention of sound film and brought about a new era in the history of cinema.
Previous award winners: Edgar Reitz, Wim Wenders, Michael Verhoeven, Doris Dörrie, Dominik Graf, Veit Helmer, Caroline Link, Emily Atef
HANS-VOGT-FILMPREIS 2021
Wir freuen wir uns sehr, dass wir bei den 55. Internationalen Hofer Filmtagen 2021 auch in diesem Jahr, mit der Unterstützung unserer Sponsoren, den HANS-VOGT-FILMPREIS der Stadt Rehau vergeben können. Der Preis ist an Filmschaffende gerichtet, die mit Innovation und Sorgfalt ihren Filmen besondere Qualität und Wertigkeit mit auf den Weg gegeben haben und dabei besonders auf ihre Filmmusik achten.
In diesem Jahr geht der Preis an den Autor, Filmemacher und Produzenten Asteris Kutulas.
Asteris Kutulas wurde am 5. April 1960 in Oradea, Rumänien als Sohn griechischer Emigranten geboren. Nach dem Umzug seiner Familie in die DDR ging Kutulas in Dresden zur Schule und absolvierte dann ein Studium in Germanistik und Geschichte der Philosophie in Leipzig. Er war lange als Übersetzer tätig und bearbeitete dabei unter anderem diverse Schriften von Mikis Theodorakis. Im Laufe der Zeit veröffentlichte er als Autor eigene Werke und arbeitete als Musik- und Eventproduzent sowie als Manager. 2014 begann er mit der Produktion seines Filmprojekts „Dance Fight Love Die – Unterwegs mit Mikis“, welches 2017 Weltpremiere bei den Internationalen Hofer Filmtagen feierte.
Asteris Kutulas nach der Preisverleihung mit dem Hans Vogt Filmpreis
Bei den diesjährigen 55. Internationalen Hofer Filmtagen präsentiert Asteris Kutulas seine Liquid-Staging-Installation ELECTRA 21. „Schon lange hatte ich die Vision, die Welt des Kinos mit der Welt des Balletts und der Show-Welt zu verbinden: in einem Kunstwerk für das 21. Jahrhundert.“ Die Installation besteht aus vier gleichzeitig laufenden Filmen, die alle auf derselben Musik-Aufnahme derselben Electra-Opern-Musik von Mikis Theodorakis basieren. Absolut synchron werden dazu auf vier Leinwänden vier Filme abgespielt, die verschiedene Ballett-Szenen und Orchester-Proben zeigen.
Mit dem Hans-Vogt-Filmpreis soll an die Pionierleistung des 1890 im Rehauer Ortsteil Wurlitz geborenen Ingenieurs Hans Vogt erinnert werden, der entscheidend an der Erfindung des Tonfilms beteiligt war und für eine neue Ära in der Geschichte des Kinos sorgte.
Bisherige Preisträger: Edgar Reitz, Wim Wenders, Michael Verhoeven, Doris Dörrie, Dominik Graf, Veit Helmer, Caroline Link, Emily Atef
Asteris Kutulas is active as an author, filmmaker, polymedial artist, creative director, event and music producer. Liquid Staging is, among other things, an answer to the outdated and „museum-like“ form of many show formats, which no longer correspond to the reception habits of the younger postmodern generations.
In his masterclass, Asteris Kutulas will present – with the help of many examples – the Liquid Staging technology as a new way of thinking for the digital age and what role the medium of film plays in this. Followed by a discussion with the audience.
über die „Verräumlichung des Films“ als Basis zur Entwicklung neuer Show-Formate
Apple, TikTok, Netflix und Co. haben in einem rasanten Tempo das Freizeitverhalten, die Entertainment-Industrie, unsere gesamte Gesellschaft verändert. Die neu entstandene hybride Welt wird bestimmt vom Internet und vom Smartphone. Mit dem Smartphone wurde die kleinste zur größten Bühne des 21. Jahrhunderts. Alles wird beherrscht vom bewegten Bild.
Liquid Staging ist u.a. eine Antwort auf die überholte und „museale“ Form vieler Show-Formate, die nicht mehr den Rezeptionsgewohnheiten der jüngeren postmodernen Generationen entsprechen.
Welches sind die neuen Show-Formate des 21. Jahrhunderts, eines Jahrhunderts, das sich in rasanter digitaler Transformation befindet? Kann Liquid Staging als Denk-Ansatz dienen, um innovative Event- und Showformate sowie eine modulare und „hybride“ Inszenierungsform zu entwickeln?
Asteris Kutulas präsentiert in seiner Masterclass – anhand von vielen Beispielen – die Liquid-Staging-Technologie als einen neuen Denkansatz für das digitale Zeitalter und welche Rolle dabei das Medium Film spielt. Anschließende Diskussion mit dem Publikum.
55. Internationale Hofer Filmtage 2021 | Masterclasses
Mit unserem Format halten wir uns an die gleichnamige, amerikanische Lernplattform, und bieten Zuschauer*Innen, Filminteressierten, und auch Filmschaffenden eine einzigartige Möglichkeit des Austausches. Mit „Master Class“ bieten wir die Chance auf einen Einblick in die kreativen Köpfe der Vortragenden. Welche Tipps und Kniffe verraten sie uns? Alle Geheimnisse rund um die Welt der Kunst, des Films und Theaters werden enthüllt, wenn wir einladen … zur Master Class. Kommt vorbei und lasst euch inspirieren.
ASTERIS KUTULAS MASTERCLASS am Mittwoch, 27.10., 16 Uhr
ABEL FERRARA MASTERCLASS am Freitag, 29.10, 11 Uhr
Master Class mit Asteris Kutulas. Foto: Andreas Rau
Der Künstler Asteris Kutulas führt uns ein in die Kino-, Ballett- und Show-Welt durch eine Installation auf der Basis von Mikis Theodorakis‘ ELECTRA Opern-Musik.
Das Live-Erlebnis besteht aus dem Gesamt-Erlebnis der Musik, vier zeitgleich ablaufenden – zum Teil hybriden – Dokumentarfilmen, die in einer Liquid-Staging-Installation. Das Publikum entscheidet selbst: Die Besucher*innen können sich in dieser Liquid-Staging-Installation bewegen, sitzen oder stehen und ihre Aufmerksamkeit jeweils auf das richten, was sie gerade fesselt. Dabei nimmt jede*r immer mehreres zugleich wahr. Diese Show-Installation bewegt sich weg vom eindimensionalen Sehen des 19. Jahrhunderts und offeriert dem Publikum das polydimensionale Sehen, das der Komplexität unserer Epoche viel mehr entspricht. Ein neuartiges Live-Erlebnis.
Heute ist es wieder soweit, die neue CAVALLUNA-Show „CELEBRATION!“ hat in Riesa Premiere. Auf den Tag genau vor zwei Jahren, am 23.10.2019, hatte ich begonnen, den 4. Teil meiner Apassionata-Story zu veröffentlichen, der das Ende der Massine-Ehlers-Apassionata beschrieb. Damals ahnte ich noch nicht, dass sehr bald eine Corona-Pandemie die Welt von Grund auf verändern würde: Ich studierte gerade die „Antigone“ von Sophokles für unser neues Ballett-Projekt mit Renato Zanella in Trento (Italien) und konzipierte meine erste Liquid-Staging-Inszenierung einer Oper für den Juli 2020 in Wien, nämlich Richard Wagners „Der fliegende Holländer“. Doch auch diesen „Flug“, wie so viele andere, cancelte Corona.
Zur selben Zeit schickte sich die neue Pferdeshow „Mondwind – Der Zaubermantel“ an, mit Manfred Hertlein als Veranstalter, der mächtigen Cavalluna/Apassionata Konkurrenz zu machen. Aber wegen der Corona-Pandemie werden die zwei „Kontrahenten“ ihre Schwerter erst Ende 2022 kreuzen. Dann wird man sehen, was die beiden künstlerischen Direktoren Klaus Hillebrecht (Cavalluna/Apassionata World GmbH) und Holger Ehlers (Mondwind/Manfred Hertlein Veranstaltungs GmbH) dem Publikum – im direkten Vergleich – präsentieren werden. Die Mondwind Entertainment GmbH, die mit Unterstützung des ehemaligen Apassionata-Eigentümers Peter Massine am 30.4.2019 gegründet wurde, hat Holger Ehlers als Geschäftsführer sowie dessen Ehefrau Katrin Ehlers (mit 75% Anteil) und den Finanzberater Jens Grimm (mit 25% Anteil) als Gesellschafter. Beide Shows – Cavalluna & Mondwind – entstanden aus dem Korpus der 2019 untergegangenen Apassionata.
Apassionata – Das Nachspiel
Da mich in den letzten beiden Jahren viele Fragen über den weiteren Verlauf der Causa „Apassionata & Mondwind“ erreichten, werde ich in diesem journalistisch recherchierten Blog-Artikel aufzeigen, was seitdem passierte. Ich finde das Ganze jedoch nicht nur unter journalistischem Blickwinkel äußerst spannend – immerhin kannten über 70% der Menschen in Deutschland die Apassionata-Show –, sondern mich interessiert das Ganze auch um zu sehen, wie die Berliner Justiz mit solch einem Fall umgeht, bei dem eine Handvoll Menschen viele Millionen „verdient“, und zwar auf dem Rücken dutzender ehemaliger Kollegen, Mitarbeiter und Partner, die einen finanziellen Schaden von insgesamt über 13 Millionen Euro erleiden. Immerhin verbergen sich hinter diesen „13 Millionen“ zum Teil sehr tragische Einzelschicksale. Für einige ehemalige Apassionata-Mitarbeiter waren die finanziellen und psychischen Folgen der Apassionata-Liquidation verheerend und existenzvernichtend.
31.12.2021, mittags
Der letzte Tag des Jahres 2021. Nach einem sehr kreativen und ereignisreichen Jahr ist jetzt etwas Ruhe eingekehrt, und ich kann meine Apassionata-Aufzeichnungen vom Oktober 2021 endlich vervollständigen, die man allerdings nur ganz versteht, wenn man meinen Artikel vom Oktober 2019 kennt. Hier folgt nun die Fortsetzung dieser Geschichte und vor allem die Veröffentlichung neuer Fakten in der Causa „Apassionata/Mondwind“.
Zur Erinnerung: Peter Massine war Mitbegründer und bis 2019 Produzent der Pferde-Show „Apassionata“. Holger Ehlers war seit 2009 Autor, Regisseur und – laut eigenen Angaben – „Komponist“ aller Apassionata-Produktionen bis zur letzten Show „Der magische Traum“ in der Saison 2018/19. Seit 2017 war Holger Ehlers auch Executive Producer der beiden letzten Shows „Der Traum“ (2017-18) und „Der magische Traum“ (2018-19). Peter Massine und Holger Ehlers bestimmten als Hauptakteure nicht nur die geschäftliche und die künstlerische Entwicklung der „Apassionata“ der letzten zehn Jahre, sondern sie verantworteten durch ihre Handlungen und Entscheidungen auch das dramatische und abrupte Ende derselben.
Apassionata-Wirtschaftskrimi
Nach dem Bankrott sämtlicher Apassionata-Firmen von Peter Massine im Jahr 2019 haben die Insolvenzverwalter und einige Gläubiger mithilfe ihrer Rechtsanwälte recherchiert und viele Fakten und Zeugenaussagen zusammengetragen, die ich teilweise bereits in meinem Artikel vom Oktober 2019 festgehalten hatte. Diese Recherchen, an denen ich vor allem aus journalistischem Interesse heraus beteiligt war, liefen bis zum Herbst 2021 weiter, und sie brachten eine Menge neuer Fakten ans Tageslicht. Eine Kollegin von mir, die als investigative Journalistin arbeitet und sich für die „Causa Apassionata/Mondwind“ interessiert und dazu recherchiert hat, gab mir einige Dokumente, die viele offene Fragen beantworteten und Licht ins Apassionata/Mondwind-Dunkel brachten.
Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass Peter Massine 2019 zahlreiche seiner Gesellschaften in eine geplante und systematisch vorbereitete Insolvenz geführt und dabei Gläubiger mit Tabellenforderungen in Höhe von insgesamt über 13,1 Millionen Euro bei einer Gesamtmasse von ca. 25.000 Euro zurückgelassen hat. Der Begriff „Tabellenforderungen“ bedeutet, dass sich die 13,1 Millionen nur aus sogenannten „angemeldeten“ Forderungen zusammensetzen, was nichts anderes heißt, als dass der Schaden, den Peter Massine hinterlassen hat, noch viel höher ist – um einige Millionen höher –, da viele Gläubiger ihre Forderungen nach der Insolvenz gar nicht angemeldet, sondern „abgeschrieben“ haben. Zu diesen 13,1 Millionen Euro kommen noch Forderungen vom Finanzamt in noch unbekannter Höhe hinzu. Bei den uns bekannten insolventen Massine-Gesellschaften – es gibt derer noch mehr – handelt es sich um folgende:
Ein Wirtschaftsanwalt kommentierte diese Tabelle wie folgt:
„Das krasse Missverhältnis von Insolvenzverbindlichkeiten i.H. von 13,1 Millionen Euro und „Freier Masse“ i.H. von 25.000 Euro in der Zusammenschau mit dem Inhalt der vier Insolvenzgutachten und dem aus ca. 25 verschiedenen Gesellschaften bestehenden Firmengeflecht des Herrn Peter Massine in Deutschland, Österreich und auf Malta sowie einer österreichischen Privatstiftung liefert den Beweis des ersten Anscheins, dass Herr Massine und seine Helfer mit hoher krimineller Energie zu ihrem eigenen Vorteil und zum Nachteil der betroffenen Gläubiger gehandelt haben.“
Das Firmengeflecht von Peter Massine: 25 Firmen in 5 Ländern für 1 Apassionata-Show
Im Oktober 2019 sind wir noch von 15 Gesellschaften in 3 Ländern ausgegangen, tatsächlich umfasste das Firmen-Netzwerk von Peter Massine insgesamt ca. 25 Unternehmen in 5 Ländern (Deutschland, Österreich, Malta, Ungarn, China).
Hier kommen jedoch noch zwei weitere Firmen ins Spiel, die offensichtlich das „Überleben“ von Peter Massine nach dem Apassionata-Aus garantieren sollten: die im April 2019 mit seiner Hilfe neu gegründete Mondwind Entertainment GmbH von Katrin Ehlers (75%) und Jens Grimm (25%) als Gesellschafter und mit Holger Ehlers als Geschäftsführer sowie die key4talent GmbH.
Das Unternehmen key4talent GmbH soll bis 2017 Softwarelösungen für die Analyse von Arbeitskräften entwickelt haben, wobei die letzten veröffentlichten Abschlüsse auf eine chronische Überschuldung hindeuten. 2017 hatte Peter Massine die key4talent GmbH „stillgelegt“, um sie im April 2019 als „Zwischenstation“ für die Verschiebung der ersten Tranche i.H. von 2,7 Mio Euro aus dem Apassionata-Asset-Deal mit Hongkun zu verwenden, obwohl die key4talent GmbH gar nichts mit der Apassionata und dem Hongkun-Vertrag zu tun hatte. Diese Transaktion wird durch mehrere Insolvenzverwalter und Gläubiger vor Gericht angefochten. Holger Ehlers war – nach eigenen Angaben – in genau dieser Zeit als „Berater“ für die key4talent GmbH tätig, was nichts anderes bedeutet, als dass er an dieser zwielichtigen Transaktion beteiligt war, zumal die key4talent GmbH 2019 keine andere Tätigkeit ausser dieser finanziellen Verschiebung von 2,7 Millionen Euro aus der Apassionata-Schatulle nachweisen kann.
Ticket-Verkaufsseite (5.-18.7.2019) mit der Apassionata-Show „The Magic Dream“ in Jeddah
Dieses verwirrend „komplexe“ Massine-Firmengeflecht wurde aber auch von Holger Ehlers, Katrin Ehlers, Jens Grimm und ihrer Mondwind Entertainment GmbH als „Tarnung“ genutzt, um mit der fertig produzierten Show „Apassionata – Der magische Traum“ und der vorproduzierten Show „Apassionata – Der Zaubermantel“ ein neues Geschäft und in Saudi-Arabien mit „Der magische Traum“ einen hohen Profit von ca. 1 Million Euro zu generieren – ohne aber vorher die Rechte an diesen Produktionen zu erwerben und auch ohne die Schulden zu begleichen, die die APASSIONATA-Produktionen „Der Traum“ (2017/18), „Der magische Traum“ (2018/19) sowie „Der Zaubermantel“ bei der SenseUp Entertainment GmbH und der Apassionata GmbH (Wickberg) hinterlassen hatten.
„Tarnung“ deshalb, weil aufgrund dieses hochkomplexen Firmennetzwerks nur schwerlich nachvollziehbar ist, welche Rechte und Anlagegüter aus den unzähligen Massine-Firmen auf der Grundlage welcher Rechtsgeschäfte in die Mondwind Entertainment GmbH transferiert worden sind und ob sie überhaupt rechtsgeschäftlich transferiert wurden, oder ob die Mondwind GmbH sich die Assets und Rechte nur rechtswidrig angeeignet und genutzt hat – was sich eindeutig aus den uns vorliegenden Beweismitteln ergibt.
Das Ergebnis der „Apassionata“-Liquidation: etwa 100 Gläubiger „verlieren“ mindestens 13 Millionen Euro und 4 Personen „verdienen“ 7,5 Millionen Euro, „geschützt“ vor Strafverfolgung durch ein Firmengeflecht von 25 Unternehmen in 5 Ländern
Die „Causa Apassionata“ erklärt in 5 Sekunden: folge dem Geld
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Hier eine Auswahl der Massine/Apassionata-Unternehmen außerhalb Deutschlands:
In China
In den Unterlagen der Wibbeltstein GmbH taucht ein „Darlehen“ an eine Massine Group Asia Ltd. auf. Ein unterschriebener Joint Venture Vertrag vom 28.01.2016 offenbart zwei weitere Peter-Massine-Firmen in China: die Massine Asia Ltd. sowie die Beijing Massine Apassionata Entertainment Company Ltd. Und nicht zu vergessen die Hongkun International Holdings Ltd. (Hong Kong), den Investor von Peter Massine und Eigentümer der Apassionata World GmbH (inklusive der Cavalluna Show und des Cavalluna-Parks in München).
In Ungarn
Diverse Massine-Apassionata-Firmen kooperierten mit den ungarischen Gesellschaften Rivalda bzw. Experidance, Ko-Produzenten der Apassionata-Shows, über die mehrere Millionen Euro an Steuer-Vergünstigungen vom ungarischen Staat flossen.
Auf Malta
Marken-, Lizenz- und Urheberrechtseinnahmen (letztere offiziell: für Holger Ehlers‘ Musikrechte von auskunftsgemäß jährlich über 1,5 Millionen Euro) flossen in Peter Massines Taschen über seine maltesischen Firmen: – DaVinci Publishing Limited – Tyrell Corporation Limited – St. George Edition Limited – Bel Brand Entertainment Limited – Bright Stone Holding Limited
Aus der Apassionata-Präsentation von Peter Massine vom 4.5.2017 (in rot 4 der 5 Malta-Gesellschaften von Peter Massine)
In Österreich
An der Spitze der Firmenpyramide standen Peter Massine und die in Innsbruck (Österreich) angesiedelte „Peter und Karen Massine Privatstiftung“, deren Verbindung zu seinen anderen Firmen er in der Präsentation vom 25.9.2018 mit dem Titel „APASSIONATA Der magische Traum – Darstellung der Rahmenbedingungen für eine Finanzierung“ wie folgt skizzierte:
Bei der Massine Group GmbH (Innsbruck), inzwischen firmierend als Brockdorff GmbH i.L., handelt es sich – trotz der Namensgleichheit – nicht um die Massine Group GmbH (Berlin) – inzwischen firmierend als Holt GmbH.
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Die insgesamt ca. 25 Massine-Firmen hatten ein einziges – und, unternehmerisch gesehen, sehr überschaubares – Produkt, welches Umsatz und Gewinn generierte, nämlich die Pferdeshow Apassionata und deren Auswertung als Live-Show und als Merchandising-Umsatz. (Und dafür hätte ein kleines Büro mit einer Handvoll von Mitarbeitern gereicht, wie jeder Profi aus der Unterhaltungsbranche weiß. Peter Massine brauchte dieses Firmen-Monstrum offenbar aus ganz anderen Gründen.)
Insolvenz-Tsunami (reduced)
2019 führte Peter Massine allein in Deutschland folgende 13 seiner 25 Firmen innerhalb von 4 Monaten in die Insolvenz (weitere folgten etwas später):
SenseUp Entertainment GmbH am 15.02.2019
Holt GmbH (vormals MassineBoecker GmbH) am 31.03.2019
– Massine Company GmbH
– Peter Massine Productions GmbH
– 12 Mnkys
– fbtk GmbH
– Massine Group GmbH (gegr. 2016, vormals Massine Holding GmbH)
Wibbeltstein GmbH (vormals Apassionata Massine GmbH) am 20.06.2019
Die Schulden, die Peter Massine mit diesem Insolvenz-Tsunami innerhalb von vier Monaten hinterließ, belaufen sich (wie aus der Tabelle oben ersichtlich) auf mindestens 13,1 Millionen Euro . Dieses Ergebnis ist – laut Finanzexperten – ohne Insolvenzstraftaten überhaupt nicht möglich.
Peter Massine „reduzierte“ sehr kreativ aber auch die Anzahlseiner Insolvenzen: Er meldete in Deutschland für 4 Gesellschaften zwischen Februar und Juni 2019 Insolvenz an:
1) SenseUp GmbH am 15.02.2019
2) Holt GmbH am 31.03.2019
3) Wickberg GmbH am 18.06.2019
4) Wibbeltstein GmbH am 20.06.2019
Tatsächlich führte er jedoch – wie oben beschrieben – 13 Gesellschaften innerhalb dieser vier Monate in den Konkurs, die allesamt plötzlich weder seinen Namen noch den von „Apassionata“ trugen.
Peter Massine macht sich „unsichtbar“
Peter Massine tilgte nicht nur systematisch und jeweils unmittelbar vor der jeweiligen Insolvenz-Anmeldung die Bezeichnungen „Apassionata“ und „Massine“ aus allen diesbezüglichen Firmennamen, sondern einige dieser Gesellschaften wurden zudem teilweise mit „betriebsfremden“ Firmen verschmolzen. Auch diese neu entstandenen Firmen wurden allesamt umfirmiert und erhielten völlig neue Namen, um sie – nur Wochen später – in die Insolvenz zu schicken. So geschehen mit:
– Peter Massine Productions GmbH … zu Holt GmbH – Massine & Company GmbH … zu Holt GmbH – MassineBoecker GmbH … zu Holt GmbH – Massine Group GmbH, Berlin … zu Holt GmbH – Massine Group GmbH, Innsbruck … zu Brockdorff GmbH – Apassionata Massine GmbH … zu Wibbeltstein GmbH – Apassionata GmbH … zu Apassionata Produktions GmbH … zu Wickberg GmbH – Apassionata München GmbH … zu Futurecom Service GmbH … zu
CleanSmartSolutionsGermany GmbH
Diese Gesellschaften, die sich allesamt in der Liquidation befinden, gehörten zwar Peter Massine, aber durch die Umfirmierungen ging „offiziell“ keine einzige „Massine“- oder „Apassionata“-Firma Konkurs.
Peter Massine wollte offensichtlich seinen „Namen“ und auch den seiner „Apassionata“ für zukünftige Geschäfte „reinhalten“ und sich selbst durch diverse Umfirmierungen und Verschmelzungen kurz vor Insolvenz-Anmeldung „unsichtbar“ und „unverfolgbar“ machen.
Betrug als „Kunstwerk“ & als Sinn des Lebens
Peter Massine erzeugte durch diese von langer Hand vorbereitete und ausgeklügelte „Exit-Strategie“ – nach seinem 6-Millionen-Deal mit Hongkun am 1.3.2019 – eine extrem komplexe firmenübergreifende Insolvenz-Konstruktion. Undurchschaubar für Behörden, Staatsanwaltschaft, die Insolvenzverwalter und Gläubiger.
Der Insolvenzverwalter der Apassionata Massine GmbH (2019 umfirmiert in Wibbeltstein GmbH) stellt z.B. in seinem Insolvenzgutachten 12 Darlehens-Forderungen von 11 verschiedenen Massine-Gesellschaften fest:
1 Apassionata-Show, 25 Firmen & „Darlehen“ ohne Ende
Wie man an diesem Beispiel sieht, ließ Peter Massine viele Gelder als „Darlehen“ über sein Firmengeflecht „versickern“, indem er je nach Bedarf Darlehen zwischen seinen Firmen hin und her schob.
Ein weiteres Zeugnis dieses „systemischen Verwirrspiels“ ist die Antwort der Direktorin der Malteser Verlage von Peter Massine und Holger Ehlers vom 29.01.2019 auf Nachfrage von Jens Grimm, dem Finanzberater von Peter Massine und dem Partner von Holger Ehlers, über die Zahl-Ströme diverser Massine-Firmen auf Malta:
For year 2016 we need bills amounting to € 900k For year 2017 please note that we have a deferred income from the previous year of€ 1.9mil and have invoiced a further € 2.5mil, bills for these amounts should also beissued asap Payments in 2017 from Mendelsohn as follows Peter Massine Productions € 565,036 Apassionata Massine GmbH € 2,665,156 Apassionata Munich GmbH € 690,032 Payments in 2017 from Tyrell as follows Peter Massine payment for BSH shares € 45,000 Massine Group Austria € 30,995 Peter Massine Productions € 167,012 Apassionata München GmbH € 195,000
Diese Darlehens-Strategie diente u.a. dazu – „erfolgreich“ – die Zahlungsunfähigkeit und den Bankrott vieler Massine Firmen über Jahre zu verschleiern und viele Mitarbeiter sowie Geschäfts-Partner zu täuschen. Dabei war die einzige Einnahme-Quelle all dieser Firmen stets nur die jeweils laufende Apassionata-Show, in unserem Fall „Der Traum“ (2017-18) und „Der magische Traum“ (2018-19).
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Dieses undurchsichtige und komplexe Firmengeflecht ermöglichte es Peter Massine, diverse Rechte, Anlagegüter, Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen all diesen – längst insolventen – Gesellschaften nach gerade „aktuellem Bedarf“ hin- und herzuschieben sowie beliebig „Darlehen“ untereinander zu vergeben, Gelder „versickern“ zu lassen und im Nachhinein rückdatierte Vereinbarungen aufzusetzen etc. etc.
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Wenn man sich ansieht, wie „liebevoll“ und bis ins letzte Detail diese Firmen-Architektur von Peter Massine und seinen Helfern entworfen und umgesetzt wurde, wieviel Zeit, Energie und Knowhow sich in dieser „Betrugs-Sinfonie“ bündelt, dann kann man schon von einem wahren Gesamt-Kunstwerk sprechen.
Ich erinnerte mich, dass ich als Germanistik- und Philosophie-Student Anfang der achtziger Jahre eine Buchkritik über den Erzählband „Alle meine Hotel-Leben“ von Fritz-Rudolf Fries schreiben musste. Ich bin mir sicher, dass Peter Massine, der allein zwischen 2016 und 2019 in über 100 Gerichtsverfahren verwickelt war, seine Autobiografie unter dem Titel „Alle meine Gerichts-Leben“ veröffentlichen könnte. Aus gut informierter Quelle weiss ich, dass die beiden Parteien (Peter Massine und Hongkun) in diesen vier Jahren die astronomische Summe von über 10 Millionen Euro an Anwalts- und Gerichtskosten aufbringen „mussten“.
Ab 2007 – und bis zum heutigen Tag – hat Peter Massine seinen Freund und Partner Holger Ehlers in diesen Gerichts-Strudel von „Recht und Unrecht“ mit hineingezogen, wie u.a. im Artikel von Stephan Handel in der Süddeutschen Zeitung vom 13.6.2018 nachzulesen und in unzähligen Gerichtsprozessen, die die beiden Männer Seite an Seite ausgefochten haben, nachzuvollziehen ist. 2019 nahm Holger Ehlers dann auch seinen Finanzberater und Managing Director Jens Grimm, seine Ehefrau Katrin Ehlers und seinen neuen Partner Manfred Hertlein mit auf eine neue gemeinsame „Mondwind-Reise“ mit Peter Massine. Die Fakten und die Umstände dieser abenteuerlichen Road-Show werden hier in meinem Blog bald zu lesen sein. Sobald ich wieder Zeit dafür finde. Und sobald die neuen Recherchen zur Causa „Mondwind“, die gerade laufen, abgeschlossen sind.
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Persönlicher Nachtrag, Silvester 2021
Als ich im Oktober 2019 anfing, über das Ende der Apassionata zu recherchieren und zu schreiben, war ich gerade von einer großen Produktion aus Südkorea zurückgekehrt und bereitete als künstlerischer Direktor die „Songs for Humanity“ Welttournee vor, die dem 75. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager gewidmet war – allerdings unterbrach die Pandemie im März 2020 jäh diese Tour mit Maria Farantouri aus Griechenland und Assaf Kacholi aus Israel. Wir mussten die Konzerte in Australien, Österreich und in den USA absagen. Die Beschäftigung mit der Apassionata/Mondwind-Causa parallel zu diesen wunderbaren Projekten war zwar sehr ärgerlich, aber da einige meiner alten Apassionata-Kollegen, die brutal betrogen worden waren, mich um Hilfe gebeten hatten, wollte ich sie nicht hängen lassen.
Zwei Jahre später, im Oktober 2021, wiederholte sich das Ganze. Unser Projekt ELECTRA 21 – vier parallel laufende Filme zu einem Soundtrack – hatte Weltpremiere bei den Hofer Filmtagen, und das Goethe-Institut veranstaltete die griechische Uraufführung dieses Werks in Chania auf Kreta am 11. und 12.12.2021. Im November 2021 veröffentlichte das Production Manager (pma) Magazin erstmals in Deutschland mein Liquid Staging Konzept als Titelstory. Genau in dieser Zeit erhielt ich von Journalisten-Kollegen weiteres aufschlussreiches Material und neue Fakten über die Apassionata-Liquidation und die Umstände der Gründung der Mondwind Entertainment GmbH – und wieder beschäftigte uns diese Angelegenheit für eine Weile. Das Ergebnis habe ich in diesem Blog-Beitrag zusammengefasst.
[Liquid Staging – „Film spatialization“ as a basis for new forms of performances and spectacles | | Asteris Kutulas Masterclass & Lecture || On the genesis of Liquid Staging aesthetics through various examples and visions. How Liquid Staging changes the way to develop and produce a live show. || 11.10.2021 || INNOVATHENS || TECHNOUPOLIS || ATHENS]
LIQUID STAGING
Μια διαφορετική βάση για νέες μορφές παραστάσεων και θεαμάτων (Liquid Staging Masterclass Greece)
Η Ρευστή Σκηνογραφία έρχεται ως απάντηση-πρόταση στη σημερινή, παρωχημένη και «μουσειακή» μορφή θεαμάτων που δεν ανταποκρίνεται πια στους τρόπους πρόσληψης ερεθισμάτων των ανερχόμενων Post-Millenial γενεών.
Ο Αστέρης Κούτουλας θα αναδείξει μέσα από την παρουσίασή του τις νέες προοπτικές που ανοίγονται μπροστά μας και θα μας ξεναγήσει στη γένεση, το παρόν και το μέλλον της Liquid Staging αισθητικής. Στην παρουσίαση και συζήτηση με τον Πάρι Κωνσταντινίδη, ο Αστέρης Κούτουλας θα αναλύσει πώς πρέπει να αλλάξουν οι live παραστάσεις στη νέα ψηφιακή εποχή. Τα σύγχρονα θεάματα θα πρέπει πλέον να συμβαδίζουν με τον τρόπο ζωής και τις αντιλήψεις των σημερινών νέων και των μελλοντικών γενεών αλλά και της παρατηρούμενης δυσκολίας να κερδίσει κανείς την προσοχή τους (βλ. τη συζήτηση για το «Attention Economy»), δεδομένης της ριζικής αλλαγής συμπεριφοράς που επέφεραν οι πλατφόρμες κοινωνικής δικτύωσης όπως το TikTok, το YouTube, το Instagram κλπ.
Η χρήση μυθοπλαστικών τεχνικών που διευρύνουν τη σκηνή σε κάθε δυνατή επιφάνεια, η διάσπαση της γραμμικής αφήγησης, το ξεπέρασμα των ορίων μεταξύ ζωντανού και μαγνητοσκοπημένου, δημιουργούν ένα υβριδικό, συνολικό έργο τέχνης που φιλοδοξεί να διασώσει τα ζωντανά θεάματα στον 21ο αιώνα.
INNOVATHENS: Κόμβος Καινοτομίας & Επιχειρηματικότητας της Τεχνόπολης Δήμου Αθηναίων, Δευτέρα 11 Οκτωβρίου 2021, 5 μ.μ.
Asteris Kutulas: Liquid Staging Manifesto (Greek)
Η «χωροποίηση του φιλμ» ως βάση για νέες μορφές παραστάσεων και θεαμάτων
Η Ρευστή Σκηνογραφία
Αποτελεί βάση για νέες, καινοτόμες μορφές event και θεαμάτων. ———
Υπηρετεί τις συναισθηματικές και πνευματικές ανάγκες της ψηφιακής μας εποχής. ———
Καθιστά δυνατή τη δημιουργία υβριδικών «συνολικών έργων τέχνης», βασιζόμενη στην αιχμή των τεχνολογικών επιτευγμάτων του 21ου αιώνα.
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Η «ρευστή σκηνογραφία» αποτελεί ένα υβριδικό «μέσο» που ενώνει όλα τα στοιχεία που συνδημιουργούν μία παράσταση. Αυτά τα στοιχεία μπορούν να είναι ο κινηματογράφος, το θέατρο, ο χορός, η μουσική, ο ήχος, ο φωτισμός, η θεατρική σκηνή, το design, η αρχιτεκτονική, η ψηφιακή τέχνη, το gaming, η Augmented Reality τεχνολογία και όχι μόνο.
Η «ρευστή σκηνογραφία» αποτελεί ένα διαρκώς μεταβαλλόμενο «μέσο» που αλλάζει ακατάπαυστα τον ρόλο του.
Η «ρευστή σκηνογραφία» αποτελεί μία «κινηματογραφική ταινία» που έχει σχεδιαστεί λεπτομερώς από το πρώτο μέχρι και το τελευταίο δευτερόλεπτο του event ή του θεάματος.
Η «ρευστή σκηνογραφία» δεν περιορίζεται μόνο στην πλάτη του σκηνικού, αλλά επεκτείνεται και σε ολόκληρη τη σκηνή (στο δάπεδο, την οροφή και τους πλαϊνούς τοίχους), ή ακόμα και ― ανάλογα με το σενάριο ― στον χώρο των θεατών.
Με τη «ρευστή σκηνογραφία» δημιουργείται ένας υβριδικός «βιωματικός χώρος», στον οποίο μπορεί να λάβει χώρα μία νέα «οσμωτική» μορφή παράστασης με τις τεχνικές-ψηφιακές δυνατότητες του 21ου αιώνα («υβριδικό» εδώ σημαίνει την πάντοτε άρρηκτη σύνδεση μεταξύ της κινηματογραφικο-οπτικής δράσης και της φυσικής δράσης).
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Το Liquid Staging υπερβαίνει πλήρως τα όρια μεταξύ «σκηνής» και «ταινίας».
Η «ρευστή σκηνογραφία» ανοίγει νέες πολυεπίπεδες δυνατότητες χρήσης του μέσου του κινηματογράφου και φέρνει έναν νέο τρόπο παραγωγής θεαμάτων. Με τον όρο «θέαμα» εδώ εννοούνται όλες οι πιθανές μορφές «παράστασης» (π.χ. event, όπερα, μπαλέτο, μιούζικαλ, συναυλία, θεατρική παράσταση, περφόρμανς, έκθεση, ομιλία, επίδειξη μόδας, παρουσίαση προϊόντων, κτλ).
Η «ρευστή σκηνογραφία» ανοίγει νέες προοπτικές, εκ των οποίων οι παρακάτω είναι οι πλέον καθοριστικές:
——— Η ανά πάσα στιγμή μεταβαλλόμενη «ρευστή σκηνογραφία» μπορεί, ακολουθώντας τη δραματουργία του εκάστοτε θεάματος, να χρησιμοποιηθεί είτε ανεξάρτητα, είτε συγχρονισμένα, στατικά ή/και κινηματογραφικά ή/και ενσωματωμένα ή/και διαδραστικά.
——— Η κινηματογραφική ψευδαίσθηση υποκαθιστά ξανά και ξανά τη θεατρική ψευδαίσθηση (ανάλογα με τις απαιτήσεις του σεναρίου), ώστε στο τέλος να εξαφανιστεί, ώσπου να επανέλθει στο προσκήνιο ―πρόκειται για μία εξελισσόμενη, οργανική διαδικασία καθόλη τη διάρκεια του θεάματος. Με αυτόν τον τόπο το «σκηνικό» μετατρέπεται σταδιακά σε «κινηματογραφική ταινία» κι η «ταινία» ξανά σε «σκηνικό».
——— Οι ηθοποιοί επί σκηνής γίνονται ξανά και ξανά πρωταγωνιστές μιας «κινηματογραφικής πλοκής». Κατά τη διάρκεια του θεάματος δρουν τόσο ως ηθοποιοί μιας θεατρικής παράστασης όσο και μιας κινηματογραφικής ταινίας, και λειτουργούν ως το συνδετικό στοιχείο σε αυτόν τον νέο, βιωματικό χώρο της ρευστής σκηνογραφίας.
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Το μέσο της κινηματογραφικής ταινίας (φιλμ) ― πρόκειται για το σημαντικότερο μέσο της ρευστής σκηνογραφίας, ως προς τη λειτουργία του ― μπορεί να χρησιμοποιηθεί με τουλάχιστον τέσσερις τρόπους:
1) ως μεγάλος αφηγηματικός «κινηματογράφος» (π.χ. μεμονωμένες σεκάνς, μεταβάσεις σκηνών).
2) ως ενσωματωμένη «κινούμενη σκηνογραφία» (με μεταβαλλόμενη δυναμική, αφηγηματική φόρμα, αισθητική, κτλ, σε συνάρτηση με το σενάριο και τη μουσική).
3) ως μέσο που αλληλεπιδρά με τους ερμηνευτές ή με τα διαφορετικά στοιχεία του σκηνικού και της σκηνής (εφέ χαρτογράφησης, κτλ)
4) ως μέσο που έχει τη δυνατότητα να συμπεριλάβει τον χώρο των θεατών στην παράσταση.
Η «ρευστή σκηνογραφία της ταινίας», που από την πρώτη μέχρι και την τελευταία στιγμή αλληλεπιδρά με τη μουσική, το φως, την κίνηση, το κείμενο, τα σκηνικά και τα κοστούμια, χρειάζεται εντελώς νέες προσεγγίσεις, ώστε να μπορέσει να «λειτουργήσει», αλλά και για να μπορέσει να αξιοποιήσει τις δυνατότητες συναισθηματικής επίδρασης που προσφέρει ο «κινηματογράφος» στη σκηνική δράση. Η ιδέα της «χωροποίησης της ταινίας» οδηγεί αναγκαστικά σε έναν αναπροσδιορισμό του ρόλου των παρακάτω δημιουργικών επαγγελμάτων:
——— Συγγραφέας:
πρέπει να μπορεί να συνδυάζει σε ένα πρόσωπο τις ιδιότητες του σεναριογράφου, του θεατρικού συγγραφέα, του δραματουργού και του χορογράφου.
——— Σκηνοθέτης: πρέπει να κατέχει τα μυστικά της σκηνοθεσίας όχι μόνο του θεάτρου, αλλά και του θεάματος, του χορού, του gaming και του κινηματογράφου.
——— Σκηνογράφος: οφείλει να είναι ταυτόχρονα σκηνοθέτης, art director και σχεδιαστής κινούμενων γραφικών.
——— Projection artist και σχεδιαστής φωτισμού: δύο διαφορετικοί ρόλοι που συγχωνεύονται σε αυτόν του Liquid-Stage-Designer
Μέσω της αισθητικής του Liquid Staging επομένως αλλάζει τόσο το εύρος των καθηκόντων όσο και η μεθοδολογία της εργασίας στους τομείς του σχεδιασμού κοστουμιών, της παραγωγής/σύνθεσης ήχου και μουσικής, καθώς και στην ανάπτυξη και δημιουργία σκηνικών.
Το Liquid Staging αποτελεί μία νέα πρόκληση για τους επαγγελματίες του θεάματος.
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Η ρευστή σκηνογραφία σηματοδοτεί μία νέα φιλοσοφία των events και των θεαμάτων.
LIGHTS OF HOPE Olympiacos FC event – Karaiskaki Stadium | Piraeus | Greece | July 19th, 2020
Olympiacos FC Liquid Staging Event 2020 was short listed for the AV Awards 2021 in London in the category: Events and Entertainment Project of the Year – AV magazine
Testimonials
Tim Dowdall
I have had the pleasure to work with Asteris Kutulas over a period of thirty years, starting way back in the 1980s. We cooperated on numerous major productions all over the world often with extraordinary success. I have also witnessed during this time how, in his parallel life, he has realized his many book, film and art projects.
In his „Lights of Hope“ project for Olympiacos FC in the summer of 2020, Asteris Kutulas combined art and sport in a visionary concept, giving Olympiacos Piraeus and the football world a wonderful gift. It became very clear at this event that Asteris Kutulas is not only a very experienced producer, but also an inspired and inspirational filmmaker.
Asteris Kutulas wrote a detailed script for the event, using Ross Ashton’s fantastic projections, Achilleas Gatsopoulos’s and Daniel Brune’s graphic laser projections, and the live act with children’s choir and DJ, to build an emotional work of art celebrating the Olympiacos team and their fans. As the basis for what he calls his „liquid staging concept„, Asteris Kutulas chose music by Marios Joannou Elia that gives the impression of having been created especially for the event. Asteris Kutulas fused all of these elements together with the impressive lighting design of George Tellos. The result is simply sensational.
In addition, I know from my own experience what it means to produce such a project in just two weeks, and moreover under pandemic conditions. For this superhuman effort, my respect goes to Asteris Kutulas and all those involved.
Tim Dowdall, Berlin Impresario | One-time Executive Vice President Live Nation Central and Eastern Europe (2005-2013)
Knut Foeckler: „A digital orchestration – right into the hearts of millions of viewers“
In a time, when pandemic has become another word for limitation and frustration, a team around Asteris Kutulas has created a masterpiece of multifaceted performance bringing joy into the hearts of so many football lovers. When the heroes of Olympiacos, the Piraeus based football club, had won the Greek Super League mid 2020 for the 45th time, they wanted to share their victory with all their fans. But the pandemic got in their way. However, the marketing management of Olympiacos had a spontaneous idea. They called Asteris Kutulas and asked him to do the mission impossible: He was asked to create a breathtaking event that conveyed the electrifying atmosphere of a football stadium – but without audience – and to have it ready to roll within 3 weeks‘ time.
He agreed and created a convincing concept within a few days. He pulled the best of the best together and sweating under their Covid Masks they orchestrated a „liquid staging“, projections, laser motion design, fireworks, live acts, music and much more to finally create „Lights of Hope“. Kutulas directed an international team of top talents to present a masterpiece sending the joy of a victorious football team and a light ray of hope into the world that has been darkened too long by the pandemic.
Knowing Asteris for many years, I was convinced that he would master the mission impossible, when he told me about the project sometime in July 2020. I have seen so many fantastic productions coming out of his experience and creativity. He is a master of show orchestration, music dramaturgy, stage design, concept art, and many other disciplines that make an event a great event. I was very touched when I saw „Lights of Hope“ – a fusion of football enthusiasm, art, and TV show. I hope to see many more of his creations in the future.
Prof. Knut Foeckler, Munich Founding Member & Professor Service Management – Cologne International School of Design | Honorary Professor Cultural and Media Management – Hanns Eisler School of Music Berlin | Former Managing Director Marketing Philip Morris – Munich | Former Executive Vice President Deutsche Telekom AG – Bonn
Production Manager Magazin (pma) – Special Edition 2021 | Top-Story Liquid Staging | Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)
Nana Trandou
I have seen, and see again in “Lights of Hope”, an urgency, a self-sacrificing effort, a focus of the highest degree in Asteris’ work. Yet, it is not this drive or passion which fascinates me, but rather the meanings and concepts that incite such complete focus on giving to others, which must be noted. Asteris is using his mastery in stage-production techniques to share an idea which he holds within himself, making this project of the highest level of Stage- Production and Art simultaneously. Such ideas, having given Asteris meaning, purpose, inspiration etc. now seem to drive him, at all costs, to giving it back to the World.
… In this work, Asteris masterfully assists us in witnessing the Olympiacos team as the present embodiment of the faith and achievement which is the intended result of the mythological messages their emblem boasts. They represent all such message-passing, “Lights of Hope” in any circumstances, and it is the Artist’s job (accomplished superlatively) to guide us to comprehending that truth ourselves; to finding the message implied in the action of the team, and how and why we should do the same …
Nana Trandou, Athens Former CEO of DiDi Music SA | Founder, owner and CEO of High Priority Promotions PC, Greece Concert and Festival Promoter
Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)
Mike Finkelstein
2020 will always be remembered as stumbling block in the sport and music industry.
This year, when the majority of events in sport and music were cancelled or postponed worldwide, the Olympiacos 45th championship ceremony in Piraeus was a surprising and unexpected exception.
When I first watched the video – LIGHTS OF HOPE – I could not believe my eyes. Who would have thought this show could be possible in this very dull and pessimistic 2020 year?
A message transmitted from Piraeus to the Olympiacos FC community and to the world was a message of hope and optimism. LIGHTS OF HOPE – the name of the ceremony – is the exact description of brining this message into the world.
And we see the result – the unforgettable, created in no time, show in the full of art and emotions stadium transmitted to the entire world. I really hope we will see more shows like that created by Asteris Kutulas in the years to come.
Mike Finkelstein, Hadera (Israel) CEO MAFTEX Light & Multimedia Solution
Christian Karembeu & Asteris Kutulas during the Olympiacos FC press conference
Lisa Schaft
In July 2020, the Greek soccer club Olympiakos Piraeus won against local rival AEK Athens and became the Greek champion for the 45th time. The pma magazine reported on this in a nicely edited article in connection with the double event LIGHTS OF HOPE. In this report, it becomes clear how the director and show designer Asteris Kutulas was called to Athens only three weeks before the event and set up a spectacular double event.
Lisa Schaft, Editor for the pma magazine, Germany
Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)
Alexander Strizhak
LIGHTS OF HOPE for Olympiacos Piraeus was a very spectacular event. An effective and impactful use of all technical possibilities, a huge video screen with fantastic projections, unique laser graphics, a very well used light show, impressive pyro and special effects, a children’s choir as a human element. The LIGHTS OF HOPE show created a strong emotional involvement in the action on the stadium field. I have seen many stadium productions before – Asteris Kutulas as an experienced director managed to stage this TV show breathtakingly and to convey the celebration of the victory of the Olympiacos football club in a unique way: he combined tradition, symbolism, music, sport, passion, and a modern staging in the stadium of Olympiacos FC.
Alexander Strizhak Owner and Managing Director JSA Europe / Stage Company Latvia/Riga & Ukraine/L’viv & Kyiv
Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)
Giovanni Broccu
Producing such an event as LIGHTS OF HOPE for Olympiacos Piraeus FC requires not only courage, but also a high level of intelligence, know-how, as well as a great deal of creativity and professionalism. I have had the privilege of working with Asteris Kutulas on various projects, so I know what I am talking about. We concert and tour promoters and festival organizers can often only be compared as „choir boys“ compared to those who realize such events.
Giovanni Broccu Concert Tour Promoter & Festival Organizer Kultur Depot GmbH, Herten, Germany Sardinia Entertainment Srl, Posada, Italy Art & Craft Ltd, London, United Kingdom
Lights of Hope Event, Piraeus (photo by Ralph Larmann)
Hans-Conrad Walter
Johann Wolfgang Goethe already called for „more light“ to make reality more visible. The artist and producer Asteris Kutulas succeeds in doing just that. With his polymedia events, he ignites fireworks of real emotions that inspire thousands of people worldwide. With his individual signature, Asteris Kutulas is without a doubt one of the greats in the entertainment industry and the aesthetics of „Lights of Hope – Olympiacos“ is one of his polymedia masterpieces.
Hans-Conrad Walter Cultural manager and CEO of Causales, Berlin
Choir of Municipal Conservatory of Piraeus with Alexandra Dermati, chormaster Maria Spanou and DJ Antonis Dimitriadis
Gerd Helinski
I got to know Asteris in 1999 as a business partner and producer of the light architect Gert Hof. Since then, I have worked with him as a technical director on over 30 events worldwide. On exciting, large-scale projects, including the Millennium events at the Acropolis in Athens and in Beijing in 2000, but also on the development of a new show format in 2016/17 based on Asteris‘ liquid staging theory.
Asteris has not only worked together with Gert Hof, but also for decades with the Greek composer legend Mikis Theodorakis. He knows both the world of art and the world of production. He incorporated this experience into his „Lights of Hope“ show – a sensational event staged at the stadium of the Olympiacos Piraeus football club to celebrate their 45th title win.
Asteris used the „bridge of music“ as the basis for his show and confidently combined a children’s choir live act with projections, laser graphics, light and pyro designs. In doing so, he put the footballers and especially the very young fans of Olympiacos Piraeus in the centre of attention and simultaneously projected onto the pitch iconically everything that stands for the values of Olympiacos Piraeus. The euphoric feedback from this show proved that the visual combination of closeness and great expanse was superbly successful.
As a filmmaker, Asteris thinks in images. As a show producer, he thinks about the effect of these images on television. I think it is very extraordinary that he has realised the football fiesta of Olympiacos Piraeus in such an artistic and emotional way. The „Lights of Hope“ event at the Piraeus stadium was a great job by both the creative and technical teams.
Gerd Helinski Technical Director at Gert Hof Productions (1999-2010) Senior Account Manager | Special Events at Production Resource Group AG
Alexandra Dermati and DJ Antonis Dimitriadis
LIGHTS OF HOPE
From Olympiacos FC to the World Karaiskaki Stadium | Piraeus | Greece | July 19th, 2020 A Liquid Staging Show
Created & Directed by Asteris Kutulas Music by Marios Joannou Elia
Projection Art: Ross Ashton Laser Motion Design: Achilleas Gatsopoulos Light Design: George Tellos Laser Design: Daniel Brune Pyro Design: Pavlos Nanos Musical Director: DJ Antonis Dimitriadis Choir of Municipal Conservatory of Piraeus Solist: Alexandra Dermati | Chormaster: Maria Spanou
Many thanks to Olympiacos FC & NOVA TV Special thanks to Penny Langka, Alexandros Karozas, Kostas Karapapas, George Mandalos, Dimitris Tsingos, Athina Gkizi, Ina Kutulas, Ralph Larmann, MEGA TV, Dimitris Koutoulas and to many others
[Gert Hof war der „Beethoven des Lichts“, erschuf die Bühnenshows der Band Rammstein – in unserer Titelstory berichten wir in einer Retrospektive über sein Leben und seine Arbeit.] (pma-Magazin 03/2021)
pma: Herr Kutulas, Sie haben ab 1998 gemeinsam mit dem Licht-Künstler Gert Hof gearbeitet. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande? Kannten Sie sich davor schon länger?
Asteris Kutulas: Genauso wie Gert hatte auch ich in der DDR gelebt und so kannte ich ihn als Regisseur seit Ende der 80er Jahre durch seine Theaterinszenierungen und vor allem durch seine Kooperation mit Bands wie Silly, City oder Pankow. 1990 organisierte ich eine Metasinfonik- Europa-Tour mit Mikis Theodorakis, bei der auch zwei Pankow-Musiker mitspielten, nämlich Stefan Dohanetz am Schlagzeug und Rainer Kirchmann am Klavier. Ein paar Jahre später produzierte ich mit Rainer Kirchmann und Jannis Zotos eine neue Version des Liedzyklus‘ „Sonne und Zeit“ von Theodorakis, wobei Rainer Kirchmann die Cover-Versionen anfertigte und neben Maria Farantouri die Songs sang. Als wir im November 1998 für unseren ARTE-Film „Sonne und Zeit“ – bei dem ich zusammen mit Klaus Salge Regie führte – das Konzert aufzeichnen wollten, kam Rainer auf die Idee, dass Gert das Lichtdesign dafür machen sollte.
So lernte ich Gert im September 1998 zum ersten Mal persönlich kennen. Gert, der kurz davor das Wuhlheide-Konzert „Live in Berlin“ von Rammstein inszeniert hatte, entpuppte sich als großer Verehrer der Musik und der Persönlichkeit von Mikis Theodorakis, und so wurde „Sonne und Zeit“ im November 1988 unser erstes gemeinsames Projekt. Da ahnten wir noch nicht, dass wir – wie im „Rausch“ – zwischen 1999 und 2010 ca. 50 Events und Konzertprojekte weltweit realisieren und dabei eine neue Event- Ästhetik und eine neue „Kunstform“ entwickeln würden.
pma: Das Ergebnis Ihrer Zusammenarbeit ist tatsächlich sehr beeindruckend. Was war die Essenz dieser Kooperation?
Asteris Kutulas: Am Anfang war das Wort: Gerts Vision einer Lichtarchitektur am Himmel – „Art in Heaven“, wie wir das Ganze 1999 nannten. Gert sagte mir damals, dass er all seine inszenatorischen und licht-ästhetischen Ideen und Möglichkeiten auf den Theater- und Konzertbühnen ausgeschöpft hatte. Darum wolle er diese „Fesseln“ sprengen und den Himmel als Bühne benutzen.
Um Gerts Vision einer „Kunst am Himmel“ zu verwirklichen, brauchte es zweierlei: Es musste eine neue Inszenierungsphilosophie sowie die technische Grundlage (z.B. eine neue Art von Lichtequipment) geschaffen, und zugleich mussten die Anlässe, die Auftraggeber und die „Himmels-Bühnen“ für solche Events gefunden werden. Es bedurfte also zweier Verrückter, die wirklich daran glaubten, dass das umgesetzt werden kann. Wir hatten uns gefunden: Gert war für die „Kunst“ und das „Artwork“ zuständig und ich für die Vermarktung und die Produktion. Natürlich konnte ich diese Herausforderung nur darum bewältigen, weil ich von Gerts künstlerischer Vision regelrecht durchdrungen war. Das war die Voraussetzung.
pma: Ihr Projekt fing unglaublich furios an: Innerhalb eines Jahres – zwischen dem 31.12.1999 und dem 31.12.2000 – haben Sie vier Millennium-Events gemacht: an der Siegessäule in Berlin, auf der Akropolis in Athen, am China Millennium Monument in Peking und am Ungarischen Parlament zwischen Ketten- und Margareten-Brücke in Budapest. Hinzu kam für die EXPO 2000 der Eröffnungs-Event von Ferropolis bei Dessau. Wie ist das möglich gewesen?
Asteris Kutulas: Durch die Verwirklichung von Gerts Vision entstand eine neue Eventform, die die Chance bot, eine ganze Landschaft mit einzubeziehen und hunderttausende von Menschen live zu entertainen. Gerts Konzept verband auf originelle Weise einen hohen ästhetischen Anspruch mit einer großen Publikumsaffinität. Hinzu kam, dass Gert selbst ein absolutes Unikum war, dem durch seine Zusammenarbeit mit Rammstein, Blixa Bargeld und dem Maler Gottfried Helnwein sowie durch sein kompromissloses und zuweilen schroffes Auftreten stets auch etwas „Skandalöses“ und „Genialisches“ anhaftete.
Dieses flirrende und spektakuläre „Gesamtkunstwerk“ – bestehend aus einem abgefahrenen Künstler und seinem revolutionären Event-Konzept – vermarktete ich über das Netzwerk, das ich mir zuvor in fünfzehn Jahren (u.a. mit Hilfe von Tim Dowdall, dem Vice President von Live Nation für Osteuropa) aufgebaut hatte. Ich agierte dabei nicht wie eine Event-Agentur, derer es ja tausende gab, sondern als Künstler-Agent. Darum beteiligten wir uns nie an einer Ausschreibung: Wir hatten diese neue Eventform erfunden, und wer das Original wollte, der kam direkt zu uns. Ich konnte also damals, 1999, etwas so noch nie Dagewesenes und „Revolutionäres“ anbieten … Unsere Kunden – Regierungen, Institutionen, Konzerne – erkannten das, und sie griffen zu.
pma: Können Sie uns einen Einblick geben, wie es von Anfang bis Ende einer Produktion war, mit Gert Hof zu arbeiten?
Asteris Kutulas: Für Gert waren drei Dinge zu Beginn einer jeden Produktion ausschlaggebend: erstens die Landschaft, also die Event-Location, zweitens der Anlass (das Motto) des Events als Basis für die Storyline und drittens die Musik. Das waren für ihn wichtige Inspirationsquellen.
Ich gebe drei Beispiele zu jedem dieser Aspekte. Die Events, bei denen die Landschaft ausschlaggebend war: die Akropolis in Athen, die Uferhügel in Gallipoli, die Burg Siegmundskron in Bolzano. Wichtige Anlässe fürs Storytelling: „Lights of Freedom” in Atlantic City, das Closing-Event des Jerusalem-Music-Festivals in Israel, „Light from the Arab World” in Oman. Die Musik bzw. die Komponisten als Basis für Gerts Inszenierungen: Roger Waters für das Welcome-Europe- Event auf Malta, Mike Oldfield für die Berlin-Millennium-Show, die Scorpions für den Moskau-Event auf dem Roten Platz und Westbam für den Aida-Diva-Event in Hamburg.
Das Ganze lief wie folgt ab: Gert ließ sich inspirieren von der Landschaft und entwickelte vor Ort sofort seine „Gemälde“, seine Lichtskulpturen und „existenziellen Bilder“. Einige dieser Bilder visualisierten wir, und zugleich schrieb Gert eine Story zu seinem geplanten Event. Parallel dazu klärten wir, welche Musik-Stücke genommen werden bzw. wer die Musik zum Event komponieren würde – eine für Gert äußerst wichtige Frage. Wir sprachen außerdem sehr ausführlich mit unseren potenziellen Auftraggebern. Da wir aber, wie schon erwähnt, nicht als Agentur, sondern als Künstler-Unit auftraten, hatten unsere Auftraggeber kaum die Möglichkeit, ins Konzept einzugreifen oder irgendwelche „Veränderungen“ vorzunehmen. Gert stellte von vornherein immer klar, dass er sich nicht reinreden lassen würde. In gewisser Weise gehörte auch das zu unserem Alleinstellungsmerkmal.
Ich entwickelte parallel dazu das Produktionsdesign entsprechend Gerts Konzept einerseits und andererseits entsprechend den finanziellen und organisatorischen Bedingungen. Es lief fast immer auf die Frage hinaus, was machbar ist und was nicht. Gert reagierte stets sehr realistisch und konstruktiv, obwohl er ein Maximalist und Perfektionist war. Sobald feststand, WAS man von Gerts Ideen unter den konkreten finanziellen und organisatorischen Vorgaben umsetzen konnte, sagten wir zu oder ab.
pma: Gab es im Produktionsablauf auch andere Dinge, die in der Zusammenarbeit mit Gert Hof speziell waren?
Asteris Kutulas: Gert schrieb nach Auftragserteilung auf der Grundlage der Musik eine detaillierte Event-Partitur. Dafür arbeitete er zunächst mit den Komponisten bzw. Musikern zusammen, die die Musik für den Event produzieren sollten oder bereits aufgenommen hatten, um sie seinen Vorstellungen entsprechend zu ändern. Gert wusste ziemlich genau, welchen Charakter und welche Orchestrierung die Musik haben sollte, für wie viel Zeit er musikalische Phrasen brauchte, wann es welche Soundeffekte geben sollte etc.
Mike Oldfield schilderte seine diesbezügliche Zusammenarbeit mit Gert wie folgt: „Ich schrieb eine 14minütige Komposition für sinfonisches Orchester und Rock Band. Gert gab mir einen sehr genauen Ablaufplan und eine sekundengenaue Gliederung seiner Lichtshow. Ich habe einfach meine Musik dementsprechend komponiert.” Da für Gert die Musik mit das Wichtigste war, dauerte dieser Prozess oftmals Wochen oder sogar Monate, weil immer wieder korrigiert und modifiziert wurde.
Mit der Musik als emotionalem Leitfaden legte er dann auf die Sekunde genau alle anderen Medien entsprechend seiner Inszenierungs-Konzeption fest. Das hieß – in den meisten Fällen –, dass eine perfekte Synchronisation von Licht, Pyro, Feuerwerk, Laser etc. erfolgen musste, um genau jene Bilder entstehen zu lassen, die Gert im Kopf hatte. Stellen Sie sich einen „Slowmotion-Film“ vor, in dem ein „Gemälde“ dem anderen folgt – mit einer klaren Dramaturgie. In diesem Prozess musste Gert wiederholt mit den diversen Programmierern bzw. Designern zusammenarbeiten, z.B. mit Sven Asamoa oder Markus Katterle für Pyro und Feuerwerk, mit Jens Probst oder Stephan Aue für das Lichtdesign, mit Daniel Brune für die Programmierung der Laser etc., um nur einige unserer Mitarbeiter zu nennen.
Parallel zu diesem schöpferischen Prozess organisierte ich die gesamte Produktion, verhandelte mit unseren Partnern, schloss Vereinbarungen und unterschrieb die Verträge mit allen Beteiligten. Ich kümmerte mich darum, dass die ganze Maschinerie lief, wobei bei den meisten unserer Projekte Gerd Helinski bzw. technische Direktoren von Procon das Produktionsmanagement übernahmen und Norman Bauer die Logistik. Ohne diese Partner wäre ich aufgeschmissen gewesen.
Sehr speziell war auch der Umstand, dass bei uns, sobald ein Event bestätigt wurde, folgende Überlegung einsetzte: Was können wir tun, um einen Event, für den wir „100 Euro“ zur Verfügung haben, so aussehen zu lassen, als wären es „1.000 Euro“? Da Gert als begnadeter Regisseur wusste, wo man den Hebel ansetzen musste, um die höchstmögliche Wirkung zu erzielen, konnten wir diese Aufgabenstellung sehr oft zu unserer Zufriedenheit – und der unserer Kunden – lösen.
pma: Tatsächlich hatten einige Ihrer Events eine immense mediale Reichweite, wie z. B. der AidaDIVA-Event mit über 2.300 Printmedien-Veröffentlichungen oder der Dresdner Semperoper-Event mit über 400 TV- Beiträgen. Wie erklären Sie das?
Asteris Kutulas: Unser Ziel war es, mit einem exklusiven und „radikalen Kunstwerk“ das Publikum zu begeistern und eine sehr große Öffentlichkeit zu erreichen. So bestand meine wichtigste Aufgabe darin, im ständigen Kontakt mit unseren Auftraggebern und den lokalen Produzenten und Partnern alles so vorzubereiten, dass die Events nicht nur technisch und organisatorisch ohne Probleme abliefen, sondern dass sie auch perfekt und effektiv vermarktet werden konnten. Das heißt, wir sorgten von vornherein dafür, dass ein Event auch medial zum Erfolg wurde.
Basis dafür war Gerts rigoroser Anspruch, seine Ablehnung von Kompromissen und auch, dass er stets am Limit operierte. Hinzu kam, dass Gert als „Starlichtarchitekt“ eine schillernde Persönlichkeit war und jedem Event ganz klar seinen Stempel aufdrückte. Das alles ließ sich sehr gut medial „verkaufen“ und hatte eine eigene Energie – ganz anders, als sehr viele Events von Agenturen, die nach einem gewonnenen Pitch darauf bedacht waren, ihre 20% Gewinnmarge zu sichern. Deren Produktionen waren in der Regel „langweilig“, kraftlos und „anonym“, also in gewisser Weise „beliebig“. Unsere Shows hatten das „Gesicht“ und die Energie von Gert und ließen sich deshalb viel besser vermarkten.
Wir kümmerten uns auch um die richtige Bebilderung unserer Events. Gert hatte von Anfang an Fotografen und Filmemacher an sich gebunden und ihnen bei vielen Treffen über Jahre hinweg seine Ästhetik erklärt: Er machte klar, was ihm wichtig war und was wie fotografisch festgehalten werden sollte. Ich möchte nicht behaupten, dass Gert die „Bilder“ wichtiger waren als der Event selbst. Da wir aber eine neue Event- Form erfunden hatten, kam es ihm sehr darauf an, dass auch deren Abbildung adäquat war. So wurden folgende Fotografen zu einer Art „festem Team“ von Gert: Guido Karp, Ralph Larmann, Anja Pietsch, Jens Rötzsch, Sabine Wenzel, um nur die wichtigsten zu nennen.
Wenn man sich unsere beiden Bücher ansieht, die wir 2003 und 2006 herausgebracht haben, dann erkennt man sofort, dass Gert „seine Bilder“ quasi wie ein Maler entwarf. Er hat in den ersten zwei Jahren, also bis 2003 seinen Stil entwickelt und diesen fortan variiert.
pma: Sie waren lange Zeit der Manager von Gert Hof – wie war die Person Gert Hof als Licht-Künstler?
Asteris Kutulas: Die wichtigste Charakterisierung von Gert Hof als „Licht-Künstler“ ist die, dass er ein visionärer KÜNSTLER war. Gert hat all seine Events als Gesamtkunstwerke inszeniert. Er verwendete u.a. das Medium Licht in all seinen Facetten, um jene Bilder zu produzieren, die er im Kopf hatte.
Wie unkonventionell er „Licht“ als Mittel einer Inszenierung benutzte, erkannte ich bei unseren ersten beiden gemeinsamen Events Ende 1999. Beim Mauthausen-Konzert im Holocaust-Memorial-Museum in Washington verwendete er kein technisches Licht, sondern hunderte Kerzen „für die Ermordeten“. Und einen Monat später beim Millennium-Event auf der Akropolis, wo es nur einen einzigen Großraum-Scheinwerfer gab, benutzte er neben blauen Neon-Röhren fast ausschließlich nur monochromes Pyro und Feuerwerk. Gert ging es immer um Lichtarchitektur in der Bauhaus-Tradition. Flake von Rammstein brachte diese spezifische Licht-Ästhetik von Gert Hof auf den Punkt: „Gert würde nie auf die dumme Idee kommen, eine Band gut auszuleuchten. Deshalb bin ich ein Fan von Gert Hof.“
Der andere wichtige Punkt ist, dass Gert sich von Anfang an für technische Innovationen interessiert hat. Er wusste über jede Lampe, über jeden Scheinwerfer Bescheid, kannte jede Feuerwerksbombe, jeden Nebel- und Pyroeffekt und drängte seit 1999 auf die Weiterentwicklung der Show-Lasertechnologie. In den ersten zwei Jahren unserer Eventtätigkeit setzten wir keinen Laser ein, weil z.B. die langsame Bewegung eines Lasergitters da noch nicht möglich war. Was ich mit alldem sagen will: Gert entwickelte Ideen und verlangte die für deren Umsetzung nötige Hard- und Software, die es zu Beginn unserer Zusammenarbeit nicht gab.
Ich erinnere mich, wie wir 1999 mehrmals zu Bruno Baiardi nach Italien gefahren sind, um Baiardi darin zu unterstützen, aus den zwei Prototypen der 7-kW-Ireos von Space Cannon funktionierende, DMX-gesteuerte Movinglights mit effektiver Lichtausbeute (auch in problematischen Farbspektren) zu machen.
Oder wie Hansgeorg Kehse völlig entgeistert erwiderte: „Das kann ich nicht so machen, das hat noch nie ein Feuerwerker so gemacht!“ – nachdem ihn Gert aufgefordert hatte, die gesamte Akropolis mit monochromem Rot-Pyro zu umgeben und wie sehr Gert sich für monochromes Feuerwerk als sein „Markenzeichen“ engagierte.
All diese technischen und ästhetischen Innovationen waren notwendig, damit die künstlerischen Visionen von Gert umgesetzt werden konnten.