Seoul ist eine wohlhabende Stadt, in der hohe Gehälter gezahlt werden. Das merkt man überall an den gepfefferten Preisen. Es gibt hier weiße, gelbe und schwarze Taxis. Die Fahrt mit einem schwarzen Taxi kostet dreimal so viel wie die Fahrt mit einem gelben oder weißen Taxi. Als ich gestern mit einem weißen fuhr, erlebte ich etwas Unerwartetes: Im Radio wurde Mozarts „Zauberflöte“ gespielt. Der Taxifahrer, der kein Wort Deutsch oder Englisch verstand, bewegte während der 40minütigen Fahrt seinen Kopf im Takt zu den Arien und Rezitativen. Ganz offensichtlich war er dabei eins mit sich.
Immer und überall diese Höflichkeit in Kombination mit unzureichenden Fremdsprachen-Kenntnissen – das ergibt sehr spezielle Botschaften, Informationen eigener Natur, weshalb man sich ein wenig „wie im falschen Film“ fühlt, nachdem man sie vernommen hat, immer wieder mehr oder weniger stark verunsichert ob des kryptischen Inhalts, den man nur teilweise entschlüsseln kann. Eine kryptische Welt, die auf ihre Entschlüsselung in uns wartet.
Ich begegnete aber auch Menschen, die zumindest teilweise Englisch sprachen. Die Unterhaltungen, die wir führten, offenbarten mir ein Land, das nach seiner zweiten Hälfte verlangt, ein Land, das seine asiatischen Wurzeln verflicht mit der höchst entwickeltsten westlichen Technologie und das ein 5G-Netz hat, während man in Deutschland nur davon träumen kann. Ein kleines Land, das sich gegen seine mächtigen Nachbarn China und Japan durchzusetzen weiß – was an ein Wunder grenzt.
Ein Liedermacher aus Seoul sagte mir: „Ich bin sehr beunruhigt ob der Entwicklung Südkoreas. Das läuft alles in eine völlig falsche Richtung. Ab nächstes Jahr singe ich nicht mehr. Es macht keinen Sinn.“
Ein Professor, der an der Uni von Seoul lehrt: „Wir stehen hier alle sehr unter Druck. Eine ganz andere Leistungserwartung als die in Europa. In Europa arbeitet man, um zu leben. Hier lebt man, um zu arbeiten.“
Mr. Wong, der Unternehmer, eröffnete mir: „Ich glaube an Geister. Sie beherrschen die Welt. Ich habe das Glück, dass sie mir erscheinen, und manchmal kann ich sogar mit ihnen kommunizieren.“
Morgen fliege ich zurück nach Deutschland. Südkorea hat mich beeindruckt. Eine andere Welt, die über ihre Produkte und ihre Wirtschaftsmacht tief in unser europäisches Leben hineinwirkt und in erbitterter Konkurrenz steht mit der anderen Wirtschaftsmacht jenseits des Atlantik, den USA – ihrem gleichzeitig engsten Verbündeten.
Und als „Sahnehäubchen“ Zen-Meister Subul, der erklärt, jeder Einzelne sei Gott und könne eins mit sich sein. Wir können viel von Korea lernen und Korea von uns.
© Asteris Kutulas, Seoul, 24.9.2019
(Photos © by Asteris Kutulas)