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Hellas Filmbox Berlin – Ein Statement

[Ich muss zunächst vorausschicken, dass ich weder Ahnung habe vom griechischen Film noch jemals daran interessiert war, Festivaldirektor zu werden – darum blieb ich es nur für ein Jahr (2015/16), dann übergab ich die Festival-Direktion an Sandra von Ruffin, die eine Mit-Begründerin von Hellas Filmbox Berlin und im ersten Jahr Vize-Festivaldirektorin war. Ich blieb weiterhin als Berater von Hellas Filmbox tätig und war von 2016 bis 2019 auch Creative Director des Festivals. A.K.] 

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas
Plakat Hellas Filmbox 2017 mit Stathis Papadopoulos, fotografiert von DomQuichotte, Creative Director Asteris Kutulas, Art Director Achilleas Gatsopoulos

Hellas Filmbox Idee

Als Ina Kutulas und ich Anfang 2014 den Gedanken hatten, ein griechisches Filmfestival zu gründen, geschah das aus dem Impuls heraus, zu reagieren auf eine für uns unerträgliche, hysterische Situation in Deutschland. Zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg wurde sowohl von einem Großteil der deutschen Medien als auch von deutschen Politikern und Regierungsmitgliedern nicht die Politik eines anderen Landes, wurden nicht bestimmte politische Entscheidungen oder Parteien eines anderen Landes kritisiert, sondern ein Volk insgesamt stigmatisiert. Dieser Zustand der Herabsetzung und Verteufelung „der Griechen“ dauerte von 2010 bis 2015. Wenn man sich die Verlautbarungen der deutschen Medien und der deutschen Politik aus diesen fünf Jahren ansieht, wird man erschlagen vom Tonfall, aber auch von der Denkungsart, die sich mit diesem „Griechen“-Bashing offenbart.

Wir wollten 2014 mit unseren Mitteln als Künstler darauf reagieren und dem etwas entgegensetzen. Wir beschlossen, das Bild eines „realen“ Griechenland – gesehen durch die Augen griechischer Filmemacher – in der deutschen Hauptstadt zu präsentieren. Ein Jahr später, Anfang 2015, war es soweit: Gemeinsam mit einigen Partnern, Kollegen und Freunden gründeten wir zusammen die Deutsch-Griechische Kulturassoziation e.V. – und Ina Kutulas fand den Namen für das Festival: HELLAS FILMBOX BERLIN. Dann, im Januar 2016, die erste Edition von Hellas Filmbox Berlin. Auf dem Höhepunkt des Griechenland-Bashings machten wir eine klare Aussage: „Die Griechen kommen!“ Und noch ein Slogan, der es in sich hatte: „71 Filme in 4 Tagen – Soviel Griechenland hast du noch nie gesehen“! 

Ich schreibe das, um kenntlich zu machen, warum die Voraussetzungen dieses Festivals im Vergleich zu denen der meisten anderen Festivals so unikal sind und weil das erklärt, warum unser Festival so geworden ist, wie es ist.

Hellas Filmbox Marketing

Um unser Ziel zu erreichen, mussten wir unseren Fokus erstens auf die deutsche Presse und zweitens auf das deutsche Publikum richten. Es würde zu weit führen, hier die Kampagne zu umschreiben, die uns zum Ziel führte, ausserdem habe ich das bereits im Artworking Hellas Filmbox-Text umrissen.

Und die andere wichtige Komponente war, dass wir von vornherein unser Festival als „Event“ und eben nicht als ein „traditionelles Filmfestival“ vermarktet haben. Diese Herangehensweise hatte mehrere Konsequenzen:

Punkt 1: Um das deutsche Publikum und die deutsche Presse überhaupt zu erreichen, mussten wir die Filme deutsch untertiteln. So bekamen von den 132 Filmen, die wir bei den ersten beiden Festivals gezeigt haben, 65 Filme deutsche Untertitel. Wer etwas Einblick hat in den Prozess des Übersetzens und des Untertitelns, ahnt, was das für eine Mammutarbeit und was das für eine kulturelle Leistung war (auch für die deutsch-griechischen Beziehungen).

Punkt 2: Wir mussten Ideen für Home-Stories, Bilder und Slogans entwickeln, die eine Chance hatten, von der deutschen Presse als Text und Bild überhaupt wahrgenommen und veröffentlicht zu werden. Auf diesem Feld waren wir so sehr erfolgreich, dass wir schon durch die ca. 250 Presse-Veröffentlichungen bei jedem Festival der ersten drei Jahre zum größten kulturellen Ereignis außerhalb Griechenlands geworden sind. Zusätzlich haben wir tatsächlich erreicht, das negative Image Griechenlands auszugleichen dadurch, dass wir das positive und kreative Griechenland wieder erfahrbar machen konnten, weil wir diesem Griechenland eine starke Präsenz in Deutschland verschaffen konnten. Wir schafften es – vor allem mit Hilfe von Sandra von Ruffin –, dass in der „Bild“, der damals mit 10 Millionen Lesern auflagenstärksten Zeitung Europas, in der Neujahrsausgabe 2015/16 über HELLAS FILMBOX BERLIN geschrieben wurde. Das war die erste positive Berichterstattung über Griechenland in der „Bild“ seit 2010.

Sandra von Ruffing wurde zum „Gesicht“ des Festivals, seine Botschafterin. Es folgten Veröffentlichungen in „Stern“, „Focus“, „Süddeutsche Zeitung“, „Tagesspiegel“, „TAZ“ und anderen Printmedien sowie in vielen Fernseh- und Radio-Sender, bis hin zu einer ganzen Seite in der „Zeit“ unter der Überschrift „Die kleine griechische Berlinale“. Wer von Werbung eine Ahnung hat, weiß, dass wir hier einen Werbe-Effekt für Griechenland und auch für dessen Filmkunst erzielen konnten, der einem mehreren Millionen-Wert entspricht.

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas
Plakatentwurf von Achilleas Gatsopoulos für das erste Hellas Filmbox Berlin im Januar 2016

Punkt 3: Voraussetzung dafür, dass wir unser Ziel erreichen konnten, viele Menschen ins Kino zu holen und den griechischen Film für ein deutsches Publikum attraktiv zu machen, war es, HELLAS FILMBOX BERLIN nicht als Filmfestival, sondern als ein Event zu vermarkten. HELLAS FILMBOX BERLIN – das war 2016 und 2017 ein kulturpolitisches Statement; wenn man so will: eine „kulturelle Unabhängigkeitserklärung von der Tagespolitik“. In der aufgeheizten Atmosphäre und in Anbetracht des sehr gespannten zwischenstaatlichen Verhältnisses von 2015 lautete der Slogan für das erste HELLAS FILMBOX Festival: „71 griechische Filme an 4 Tagen“. Das war eine klare kulturpolitische Message, die Eindruck machte. Denn über „die Griechen“ wurde damals sehr viel gerichtet, ohne dass sie selbst zu Wort kommen konnten. Das kreative Griechenland existierte nicht mehr in der deutschen Berichterstattung. Dieses kreative Griechenland brachten wir durch HELLAS FILMBOX BERLIN in die deutsche Hauptstadt (zurück).

Hellas Filmbox Berlin

Das Projekt HELLAS FILMBOX BERLIN war so erfolgreich, dass im Januar 2018 unser Partnerkino in Berlin, das „Babylon“, als „Warm up“ zu unserem Festival 30 griechische Filme in 70 Screenings gezeigt hat, also einige Filme mehrmals. Das lässt deutlich werden, dass HELLAS FILMBOX BERLIN den griechischen Film so wettbewerbsfähig in Berlin gemacht hat, dass eine deutsche kulturelle Einrichtung auf eigenes Risiko zahlreiche griechische Filme zeigte. So etwas hat es, meines Wissens nach, in diesem Umfang nirgendwo anders gegeben – vor allem, wenn man bedenkt, dass sich dieser Prozess auf der Grundlage des Interesses eines nicht-griechischen Publikums vollzog.

Basis dieses Erfolgs war und ist das Engagement eines passionierten Teams – und zwar eines Teams, das jahrelang ehrenamtlich und ohne finanzielle Einnahmen gearbeitet hat. Das, was an „Honoraren“ gezahlt werden konnte, waren höchstens Unkostenpauschalen.

Dank

An dieser Stelle möchte ich zwei Institutionen und einem Konzern danken, ohne die es HELLAS FILMBOX BERLIN so nicht gegeben hätte. Wir haben natürlich – wie oben schon erwähnt – auch von einer Vielzahl anderer Personen, Firmen und staatlicher Stellen kleinere Beträge und Unterstützung unterschiedlicher Art bekommen, aber ohne die Zuwendungen der Niarchos Foundation, der Bundeszentrale für politische Bildung (für die Übersetzungen) und von Audi City Berlin hätte das Festival nicht als ein Kultur-Event durchgeführt werden können, das überhaupt irgendeine nennenswerte Aufmerksamkeit erzielt hätte. So aber konnte auf dem Gebiet der Kunst ein deutliches Zeichen für die Verständigung der Menschen aus beiden Ländern gesetzt werden. Allerdings … selbst mit dieser Unterstützung durch die Niarchos Foundation, die Bundeszentrale für politische Bildung, Audi etc.  würde das HELLAS FILMBOX BERLIN Festival nicht bestehen, ohne das Kernteam von etwa zwanzig Engagierten – größtenteils Griechen und einige Deutsche –, ein Team, das Herz und Seele dieses Festivals war und ist. Ihnen gilt mein Dank und mein Respekt.

Asteris Kutulas, 27.1.2018

(Asteris Kutulas initiierte 2014 zusammen mit Ina Kutulas das erste griechische Filmfestival in der deutschen Hauptstadt. 2015 gründete er zusammen mit Ina Kutulas und Sandra von Ruffin Hellas Filmbox Berlin und war Festivaldirektor der 1. Edition im Januar 2016. Von 2015 bis 2019 war er Creative Director des Festivals.) 

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas

 

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas
Artwork Hellas Filmbox 2018, mit Sandra von Ruffin & Friedrich Liechtenstein, fotografiert von DomQuichotte & Achilleas Gatsopoulos, Kostüme Heike Hartmann & Annabell Johannes, Art Director Achilleas Gatsopoulos, Creative Director Asteris Kutulas

Hellas Filmbox Berlin Statement von Asteris Kutulas

 

 

 

Producing, Artworking & Promoting Hellas Filmbox Berlin

Hellas Filmbox Berlin 2016  – Filmmakers‘ Trailer, dedicated to the Festival Team of Hellas Filmbox Berlin by Michael Kastenbaum, Zafeiris Haitidis, Yannis Sakaridis, Anna Rezan a.o.
Hellas Filmbox Berlin
Hellas Filmbox poster 2016 with Annabell Johannes, photo by DomQuichotte

Statement on producing & artworking Hellas Filmbox Berlin

For me, Hellas Filmbox was a conceptual art project from the very beginning. My aim was not to create just another „normal film festival“, but rather an „undogmatic communication model“ that would transcend conventional boundaries. I imagined an institution imbued with creativity and freedom – a vision that initially existed only in my head, but gradually took shape with each successive festival, culminating in the third festival at the Urban Spree location (Berlin-Friedrichshain) in January 2018.

Now, as we – meaning Sandra von Ruffin, Ina and myself – entrust the festival to the capable hands of Sofia Stavrianidou and Elisa Deftos, I have encapsulated and visualised the artistic and political essence of the four festivals (2016-2019) during my tenure as creative director. The artwork we developed and the accompanying marketing materials exude the energy we wanted to convey.

In collaboration with Sandra, Ina, Achilleas Gatsopoulos, Dom Quichotte and many other talented individuals, and with the invaluable support of peppermint and Gero Angreß, we cultivated a distinct „berlinesque“ identity – artistic and unconventional, yet deeply unique.

I would like to thank everyone involved for their fantastic collaboration. Together we have created something extraordinary, unexpected and truly beautiful.

Asteris Kutulas, Co-Founder & Creative Director Hellas Filmbox Berlin (2016-19)

Hellas Filmbox Berlin by Asteris Kutulas
Festival Poster 2016 with Sandra von Ruffin, fotografiert von DomQuichotte

Hard Facts 2016-19

  • 300 screenings with approx. 230 films
  • 65 films translated into German
  • roadshows with 30 Best of films in 15 German cities
  • over 150 Greek directors present at the festival
  • over 15.000 spectators
  • more than 200 German and international filmmakers, artists and professionals present at the festival

Hellas Filmbox Berlin directed by Asteris Kutulas
Festival Poster 2018 by Achilleas Gatsopoulos

Press Quotes

  • „The small Greek Berlinale “ (Zeit online)
  • „…contemporary, daring and creative cinema, as rarely seen before…“ (Goethe Institut)
  • „Look towards Greece! A group of artists are trying to save the image of a nation through art-house cinema.“ (Stern)
  • „Contemporary Greek cinema and its insights into the situation of this land.“ (Tagesspiegel)
  • „The most heartfelt film festival in Berlin!“ (Jüdische Zeitung)
Hellas Filmbox Berlin, Creative Director: Asteris Kutulas
Vorbericht in der BILD über das zweite Filmfestival im Januar 2017 (mit Sandra von Ruffin, fotografiert von DomQuichotte)

Press & Media Impact 2016-19

  • more than 800 articles in the press from Germany, Greece, Switzerland, Russia, Belgium, France, USA, Australia etc.
  • over 26 million media contacts
  • reviews in the most influential media in Germany: ZEIT, STERN, BILD, BUNTE, BZ, TAZ, GALA, FAZ, Deutsche Welle, RBB Berlin, Sat1 etc. as well as in the leading media in Greece
  • Hellas Filmbox’s website had 2,500 visitors per day in the month of January 2018
  • the Facebook page of Hellas Filmbox had 332.600 visits, 79.200 interactions, 46.400 video views in the month of January 2018
 
Hellas Filmbox Berlin, Creative Director: Asteris Kutulas
Box Talk with Oscar winner Volker Schlöndorff & Yannis Sakaridis

 

Hellas Filmbox Berlin, Creative Director: Asteris Kutulas
Festival poster 2017 (with Stathis Papadopoulos, photo © by DomQuichotte)

 

Hellas Filmbox Berlin, directed by Asteris Kutulas
Poster for the side event „Pop-up exhibition HELLAS ARTBOX BERLIN“

 

Hellas Filmbox Cyprus, creative director: Asteris Kutulas
Retrospective – Greek Cypriot Cinema CYPRUS IN A BOX (poster by Achilleas Gatsopoulos)

 

Retrospective – GREEK FEMALE FILMMAKER (poster with Sandra von Ruffin, photo © by DomQuichotte, art work by Achilleas Gatsopoulos)

Hellas Filmbox Berlin

  • was established in 2016 to highlight the current, highly artistic Greek film scene and present it to the German audiences
  • to gives an insight into the current situation of Greece, its people, inner conflicts and secrets
  • to take the German audience on a unique journey into the human soul through the eyes of Greek filmmakers
  • believes in films as an alternative way of thinking and seeing Greece
  • creates a constructive artistic dialogue between Greece and Germany by highlighting the current emotional and political rifts between the two countries
Hellas Filmbox Die Griechen kommen!
Hellas Filmbox poster by Achilleas Gatsopoulos with the Message of 2015/16: „The Greeks come!“

 

More than 350 directors & artists participated at the Hellas Filmbox festival between 2016 and 2019

Guests & Contributors

More than 350 filmmakers, artists and professionals from Greece, Germany, Turkey, the United States, France, etc. participating in …

  • Screenings
  • Panels
  • Exhibitions
  • Workshops
  • Theater productions
  • Concerts
  • Open Discussions etc.
GREEK EROTICA 2018 Hellas Filmbox festival
GREEK EROTICA 2018 Hellas Filmbox festival poster by Achilleas Gatsopoulos

The Festivals from 2016 to 2019

The first festival – the SOUTH: loud, radiant, hot, with nude art, overcrowded, like the first holidays in Greece.

The second festival – the WEST: structured, progressive, international, masculine & feminine, with Oscar winner Costa-Gavras, with Ulrich Tukur, Rolf Hochhut, Dani Levi and many others.

The third festival – the EAST: horny, dirty, honest, with a lot of heart, with a different focus and location, in the Urban Spree – a street art gallery on the „naughty“ district of Friedrichshain.

The fourth festival – the NORTH: more reserved, calm, thoughtful, influenced by the numerous experiences of the previous festivals. Different again! No walls! „More geil!“ (Even cooler!) 30 years after the fall of the Berlin wall.

„No walls! More geil“ – Festival poster series 2019 with Sandra von Ruffin by Achilleas Gatsopoulos & Asteris Kutulas
"No walls! More geil" with Sandra von Ruffin by Achilleas Gatsopoulos & Asteris Kutulas
„No walls! More geil“ – Festival poster series 2019 with Sandra von Ruffin by Achilleas Gatsopoulos & Asteris Kutulas

 

Hellas Filmbox, Asteris Kutulas, Friedrich Liechtenstein
Hellas Filmbox 2018 poster with Annabell Johannes & Friedrich Lichtenstein, photo by DomQuichotte, artwork by Achilleas Gatsopoulos

The Artworkers

Creative Director: Asteris Kutulas // Art Director: Achilleas Gatsopoulos // Photography: DomQuichotte & Achilleas Gatsopoulos // Creative: Ina Kutulas, Sandra von Ruffin, DomQuichotte & Achilleas Gatsopoulos // Body Painting: Johny Dar // Costumes: Heike Hartmann, Annabell Johannes, Ina Kutulas // Models/Actors: Sandra von Ruffin, Annabell Johannes, Friedrich Liechtenstein, Ioanna Kryona, Dimitris Argyriou

Hellas Filmbox poster 2018 with Sandra von Ruffin & Friedrich Lichtenstein, photo by DomQuichotte
Hellas Filmbox poster 2016 with Sandra von Ruffin & Annabell Johannes, photo by DomQuichotte
Statement

Für mich war Hellas Filmbox von Anfang an ein Konzeptkunst-Projekt. Ich wollte kein „normales Filmfestival“ kreieren, sondern ein über sich hinaus weisendes „undogmatisches Kommunikationsmodell“. Eine Institution, die nach Kreativität und Freiheit riecht. Das ist sicherlich etwas, das nur in meinem Kopf existierte, aber ich habe versucht – vor allem mit dem dritten Festival (2018) in der Urban Spree Galerie –, mich dem sehr anzunähern.
Jetzt, da wir – damit meine ich Sandra von Ruffin, Ina und mich – das Festival in die Hände von Sofia Stavrianidou und Elisa Deftos legen, habe ich das künstlerisch-politische Konzept der ersten vier Festivals (2016-2019), bei denen ich auch Creative Director war, zusammengefasst. Dieses von uns entwickelte Artwork und das dazugehörige Marketing offenbaren die Energie, auf die es uns ankam. Zusammen mit den Artworkern Sandra, Ina, Achilleas Gatsopoulos, DomQuichotte und zusammen mit vielen anderen sowie der wunderbaren Unterstützung von peppermint und Gero Angreß haben wir ein sehr eigenes, „berlinerisches“ und gleichzeitig sehr künstlerisches und ungewöhnliches Erscheinungsbild von Hellas Filmbox kreiert.  
Ich danke Euch allen für die phantastische Zusammenarbeit! Wir haben gemeinsam etwas Verrücktes, Überraschendes und sehr Schönes erschaffen.

Asteris Kutulas
Co-Founder & Creative Director Hellas Filmbox Berlin

Hellas Filmbox poster 2018 with Sandra von Ruffin & Annabell Johannes, photo by DomQuichotte

Hellas Filmbox Interview 2016 & Trailer 2019

Hellas Filmbox Berlin 2019 (Official Trailer by Asteris Kutulas)
Hellas Filmbox Berlin 2019 (Film Trailer by Asteris Kutulas)

 Interview für die „tageszeitung“ (TAZ)

… im Dezember 2016 während der Vorbereitung des zweiten Edition von Hellas Filmbox Berlin (im Januar 2017)

Elena Taxidou: Wie entstand bei Ihnen die Idee zur Gründung des Festvals?

Asteris Kutulas: Zwischen März und Juni 2015 gab es wegen der Wahl der linken Tsipras-Regierung (die einen plötzlichen Erdrutsch in der griechischen Parteienlandschaft bedeutete) einen signifikanten Umschwung in der Kommunikation der deutschen Öffentlichkeit im Hinblick auf Griechenland. Die Urteile waren massiv negativ und hauptsächlich undifferenziert, das Klima zwischen beiden Ländern vergiftet von  Schuldzuweisungen, Empörung, Verächtlichkeit, Spott. Diese durchweg „schlechte Stimmung“ gegenüber allem Griechischen und bedauerlicherweise allen Griechen wurde von verächtlichen Stereotypen angeheizt und sowohl von der deutschen Politik als auch von der deutschen Presse ständig reproduziert. Positives und Kreatives war kein Thema mehr.

Die Medienlandschaft in Deutschland zeichnete sich in ihrer Berichterstattung über Griechenland wahrlich nicht durch Differenziertheit und wohlbedachte Worte aus. Wenn man jetzt plötzlich, Ende 2016, von kommunikativen «Echokammern» spricht und sich an diese Zeit erinnert, dann wird man feststellen, dass sich bereits Anfang 2015 beinah ganz Deutschland in solch eine «Echokammer» verwandelt hatte. Erst Jan Böhmermanns Reaktion, der mit seinem Varoufakis-Stinkefinger-Video mehr als überraschte, war ein Appell, der zum Nachdenken aufforderte.

Das Griechenland-Bashing, das 2010 mit dem der griechischen Göttin Aphrodite von einem deutschen Journal aufgesetzten Stinkefinger begonnen hatte, wirkte sich massiv negativ aus, bis hinein in den Alltag Zehntausender Griechen in Deutschland. Es resultierte daraus eine Situation der Feindseligkeit, die sich keiner bis dahin hätte vorstellen können. Deutsche und griechische Künstler und Aktivisten wollten sich auf diesen Prozess der Entfremdung konstruktiv reagieren. Sie gründeten im Frühjahr 2015 die Deutsch-Griechische Kulturassoziation. Deren erstes politisches „künstlerisches Statement“ war die Gründung des griechischen Filmfestivals HELLAS FILMBOX BERLIN, das im Januar 2016 erstmals stattfand.

Hellas Filmbox Berlin Trailer und Interview (2019) mit Asteris Kutulas

Taxidou: Wie war das erste Feedback auf das erste Festival im Januar 2016?

Asteris Kutulas: Wir haben HELLAS FILMBOX BERLIN 2105 mit dem Anliegen initiiert, mit den Mitteln der Kunst Brücken zu bauen zwischen Deutschland und Griechenland in einer für die Beziehung der beiden europäischen Länder schwierigen Zeit. Das ist in eindrucksvoller Weise gelungen. Die im traditionsreichen Kino Babylon gezeigten 71 Filme wurden an 4 Tagen von Tausenden von Zuschauern besucht und das Festival in über 220 Presseberichten in Print, Rundfunk und TV besprochen (u.a. in großen Beiträgen in BILD, DIE ZEIT, STERN, SAT1, in diversen ARD-Medien etc.).

Von den 36 Filmvorführungen (Slots) waren 15 ausverkauft und weitere 10 fast ausverkauft. Ausverkauft waren auch der Opening- und der Closing-Event des Festivals, bei denen u.a. folgende Gäste auftraten: Vicky Leandros, Hans W. Geißendörfer (Köln), James Chressanthis (Los Angeles), Holger Ehlers, André Hennecke, Klaus Hoffmann, Michael Kastenbaum (New York), Kostas Papanastassiou, Anna Rezan (Athen), Melentini, Sarah P., Sandra von Ruffin und viele andere.

Das Festival hat bewiesen, dass HELLAS FILMBOX BERLIN nicht nur ein starkes künstlerisches Statement in der deutschen Hauptstadt ist, sondern dass es zugleich ein breites – und zudem auch jugendliches – Publikum angesprochen hat.

Taxidou: Wie einfach oder wie schwer war es letztendlich aus dem Nichts heraus ein Filmfestival in der deutschen Hauptstadt zu gründen? Und warum hat es vorher kein Griechisches Filmfestival in Berlin gegeben?

Asteris Kutulas: Wir begannen 2015 im April mit der Planung und ab Juni mit den Vorbereitungen für das 1. Festival. Wir haben viele Gespräche geführt und ein Konzept entwickelt, um in Berlin das deutsche Kino-Publikum zu erreichen. Wir haben das Ganze nicht als „Filmfestival“, sondern als „Event“, als „Politikum“ vermarktet. Und wir haben etwa 30 Filme ins Deutsche übersetzt und untertitelt. Das war eine ganz wesentliche Entscheidung. Im Kino haben wir es ja nicht nur mit Bildern, sondern auch mit Sprache zu tun. Sie können, wenn Sie ein breiteres deutsches Publikum für griechische Filme interessieren wollen, diese Filme nicht mit englischen Untertiteln zeigen.

Das größte Problem bestand und besteht weiterhin allerdings darin, dass unser Festival nicht durchfinanziert ist, so dass wir unsere Kosten nicht decken können. Neben der Unterstützung durch die Niarchos Stiftung Athen und die Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn (für die deutschen Übersetzungen) sind wir auf Spenden und Sponsoren-Leistungen von Freunden und Unternehmen angewiesen. Aber auch diese reichen nicht aus, so dass wir unser Festival letztendlich nur durch den immensen Einsatz unseres hochmotivierten und sehr inspirierenden HELLAS FILMBOX-Teams verwirklichen können. Letztendlich entscheidet sich in solch einem Team, ob es dieses Festival gibt bzw. Ob es überleben kann.

Hellas Filmbox Berlin Trailers und Interview (2019) mit Asteris Kutulas

Taxidou: Wie schätzen Sie das deutsche Publikum ein nach den Erfahrungen des ersten Festivals?

Asteris Kutulas: Gernot Wolfram, Professor für Cultural Studies an der Macromedia Hochschule Berlin, charakterisierte das für das deutsche Publikum Interessante an unserem Festival wie folgt: „Griechenland steht bei diesem Festival als Synonym für einen Aufbruch jenseits nationaler Logiken … Statt in langweiligen Eindeutigkeiten zu denken, fordert das HELLAS FILMBOX Festival den Entdeckergeist der Zuschauer heraus.“  Wir haben darauf vertraut, dass die Besucher des Festivals auf diese Realität in den Werken der Filmemacher gespannt sind. Wir waren davon überzeugt, dass es eine Offenheit dafür gibt, auch andere als die in den Leitmedien vermittelte Sichtweisen wahrnehmen zu wollen und sich dazu in Beziehung zu setzen.

Ja, man kann gewiss sagen: Wir Griechen – und zwar wir alle – haben in den vergangenen Jahrzehnten unseren „Job für Griechenland“ nicht gut gemacht. Unser Land ist ruiniert. Griechenland erlebt eine Katastrophe. Behauptungen wie die, dass Griechenland die gesamte Euro-Zone in Gefahr bringt und dass sich sämtliche Griechen auf Kosten des deutschen Steuerzahlers ein schönes Leben machen, befördern allerdings einen Prozess der Verdummung.

Wir glaubten 2015, dass unter diesen Umständen die Notwendigkeit bestand – und sie besteht noch immer –, den deutsch-griechischen „Dialog“ durch künstlerische Aktivität in Gang zu halten und zu erweitern. Mehr denn je halten wir es derzeit für notwendig, kreativ zu bleiben. HELLAS FILMBOX BERLIN ist ein ganz praktisches Beispiel für eine kommunikative Plattform.

Was die schwierige Situation Griechenlands anbelangt, so wollen wir diese beiden Krisen – die „Krise in den bilateralen Beziehungen“ (in die viele Menschen beider Nationen geraten sind) und die „Krise in Griechenland“ – für die Förderung des griechischen Kunstschaffens nutzen und den griechischen Filmemachern in der deutschen Hauptstadt auch im Januar 2017 eine Plattform bieten, dem hiesigen Publikum und der hiesigen Presse ihre neuesten Produktionen vorzustellen. 

Taxidou: Ist tatsächlich ein „Dialog“ durch ein solches Festival, also durch das „Kino“, möglich?

Asteris Kutulas: Kunst ist eine Kommunikationsform, die in bestimmter Art und Weise die Mentalität, die Denkungsart und bestimmte „Handlungsmuster“ einer Nation zum Ausdruck bringt. Das trifft insbesondere auf das Film-Genre zu. Wenn Sie sich zum Beispiel Fassbinder-Filme ansehen, kommen Sie sehr schnell zu einem besseren Verständnis der „deutschen Psyche“ – wie wir Griechen sagen würden. Aber natürlich auch der deutschen Geschichte und des deutschen „Alltags“.

Wenn Sie sich andererseits das griechische Filmschaffen ansehen – von Michalis Cacojannis, Nikos Koundouros, über Costa-Gavras und Pandelis Voulgaris bis hin zu Nikos Perakis, Athina Tsangari und Ektoras Lygizos –, dann stellen Sie fest, dass oft schon die „Form“ und die „Ästhetik“ griechischer Filme viel darüber verraten, wie wir Griechen „ticken“.

Ich will sagen: Wenn man „Film“ als Kommunikationsform ansieht, in gewisser Weise als ein internationales Verständigungsmodul, dann könnte es – neben dem „Vergnügen“ – auch als Medium der Erkenntnis dienen. Erkenntnis darüber,  wie die Griechen „leben“, was sie für Menschen sind, wie ihr Sinn für Humor ist, wie sie Geschichte betrachten, die eigene und die der anderen etc. etc. Wir denken, dass das durch unser Festival „rübergekommen“ ist.

© Asteris Kutulas, 2016

Hellas Filmbox Interview & Trailer.

Hellas Filmbox Interview Trailer

Hellas Filmbox Berlin Trailer 2018 by Asteris Kutulas

Mit der dritten Edition vom Hellas Filmbox Berlin vom Januar 2018 verändern wir das Festival und machen es zu einem umfassenden Kultur-Event. 

HELLAS FILMBOX CHANGE

Die HELLAS FILMBOX BERLIN-Mission: den deutsch-griechischen Dialog in Gang halten und verstärkt anregen durch Kunst und Kultur – insbesondere durch den Film – in einer für die beiden Länder politisch und zwischenmenschlich schwierigen Zeit. Kreative Aktion statt frustrierender Dispute. Einfallsreichtum contra Schuldzuweisung.

Durch die beiden Filmfestival-Editionen im Januar 2016 und Januar 2017 sowie durch die sich an jedes Festival anschließende Film-Roadshow durch Deutschland ist das in außerordentlich spannender Art und Weise gelungen. Das große Interesse des Publikums zeigte: Diese Filme, dieses Griechenland, diese Welt will gesehen werden, dieses Festival in Deutschland will erlebt werden.

HELLAS FILMBOX BERLIN hat innerhalb eines Jahres mehr als 130 griechische (oder griechenlandbezogene) Filme in Deutschland gezeigt, über 60 davon mit eigens dafür neu angefertigten deutschen Untertiteln. 

HELLAS FILMBOX ermöglichte somit einem – vorwiegend deutschen – Live-Publikum von mehr als 10.000 Menschen neue Einblicke, Informationen, Gesprächsstoff, Emotion, Phantasie und Spannung.

HELLAS FILMBOX sorgte in kürzester Zeit für mehr als 500 Presseberichte in deutschen und griechischen Medien (darunter ARD, ZDF, 3Sat, SAT1, BILD, Stern, Focus, ZEIT, Süddeutsche etc.). 

HELLAS FILMBOX brachte innerhalb von 12 Monaten mehr als 200 griechische und deutsche Kreative, vor allem Filmschaffende, zusammen – insbesondere in den Q&A-Sessions, Jurys, Panels, bei Ausstellungen, Partys, Workshops, Theatervorstellungen. 

HELLAS FILMBOX BERLIN wurde ohne längerfristige Vorlaufzeit „aus dem Stand“ zum größten griechischen Kultur-Event außerhalb Griechenlands.

Der große Erfolg des Projekts HELLAS FILMBOX spornt uns an, beim Erreichten nicht stehen zu bleiben, uns nicht mit unseren Erfahrungen einzurichten. Wir möchten die Möglichkeiten, die wir uns erarbeitet haben, für eine neue Form des Dialogs nutzen, uns abermals neu orientieren, die Atmosphäre eines traditionellen, derzeit üblichen Filmfestivals nicht aufkommen lassen, sondern eine neue kulturelle Eventform kreieren.

© Asteris Kutulas

Achilleas Gatsopoulos & Dimitris Argyriou bei der Vorbereitung des Filmfestivals vor dem Urban-Spree-Gelände
URBAN SPREE

Im neuen „Festival-Zentrum“ URBAN SPREE auf dem RAW-Gelände Berlin-Friedrichshain werden nicht nur Filme gezeigt werden, sondern es finden Konzerte, Ausstellungen, Workshops, Diskussionen statt. Außerdem ein Greek Market, ein Café-Shop, ein Food-Track – all das für 5 Tage an einem der angesagtesten Orte Berlins.

HELLAS FILMBOX BOX TALKS

stehen für einen länderübergreifenden, spannenden, emotionalen und publikumsaffinen Kultur-Diskurs mit großartigen Künstlern, Querdenkern, innovativen Filmemachern und begnadeten Individualisten.

Die BOX TALKS sind eine Kombination aus Workshop, Entertainment, Künstlerporträt, Politik-Diskurs. Geplant sind vier solche „Box Talks“, bei denen immer ein deutscher und ein griechischer Filmemacher bzw. Künstler oder Politiker im Mittelpunkt ist. Jeder der Eingeladenen stellt in einem – von einem Moderator geführten – Gespräch sein Werk schlaglichtartig vor, diskutiert darüber und nimmt teil an der kontroversen Debatte über diverse Themen. All das ist möglich und erwünscht: Filmausschnitte. Trailer. Blinks. Thesen. Antithesen. Life-Performances. Dialog. Pamphlete. Manifeste. Konzepte. Happenings.

RETROSPEKTIVE Neues Griechisch-Zyprisches Kino

Das 3. HELLAS FILMBOX BERLIN Festival, das diesmal vom 24. bis zum 28. Januar 2018 im legendären Urban Spree stattfindet, wird sich u.a. dem Neuen Griechisch-Zyprischen Kino widmen und rückt es deshalb als Schwerpunktthema in den Fokus. Mit diesem Programmteil bietet das Festival die Möglichkeit, einen repräsentativen Eindruck von der Filmgeschichte der Mittelmeerinsel zu gewinnen, und zu erfahren, mit welchen Themen und Fragen griechisch-zyprische Künstler sich auseinandersetzen.

ARTIST’S FORUM

Anlässlich der Hommàge an das zyprische Kino wird der griechisch-deutsche Filmemacher und Autor Asteris Kutulas in seiner neu gegründeten Reihe ARTIST’S FORUM den zyprischen Komponisten Marios Elias Ioannou zu dessen „Künstlerischem Credo“ befragen und anschließend die Weltpremiere des Films „Marios Joannou Elia – Sound of Vladivostok“ von Kostis Nikolas präsentieren.

Am 28.1.2018, 11:30 Uhr diskutieren Asteris Kutulas und Nora Ralli mit dem griechischen Filmemacher und Regisseur Stratos Tzitzis über seine Ästhetik. 

Costa-Gavras, Sandra von Ruffin und New Visions …

Hellas Filmbox Berlin, Second Edition: 18.1.-22.1.2017, Babylon
60 Filme, 30 Slots, 20 Q&As, 6 Side Events, 1 Ausstellung //

Griechenland Aktuell sprach mit Asteris Kutulas, dem Filmregisseur, Gründer der Deutsch-Griechischen Kulturassoziation e.V., Festivaldirektor des 1. Festivals und Übersetzer griechischer Literatur, über das Festival HELLAS FILMBOX BERLIN, über Costa-Gavras, über die deutsch-griechischen Beziehungen und die aktuelle Situation in Griechenland.

graktuell.gr: HELLAS FILMBOX BERLIN ist ein griechisches Filmfestival. Es wurde im Frühjahr 2015 gegründet, um das hochaktuelle und künstlerisch äußerst spannende Filmschaffen Griechenlands in den Fokus des deutschen Publikums zu rücken. Möchten Sie uns von Ihrer Initiative als Gründer und auch als Direktor des Festivals erzählen?

Asteris Kutulas: Die Gründung des Festivals HELLAS FILMBOX BERLIN durch Ina und mich und dann offiziell durch die Deutsch-Griechische Kulturassoziation e.V. bedeutete 2015 ein künstlerisches Statement in einer für die Beziehungen beider Länder sehr schwierigen Zeit. Die waren seit dem Zweiten Weltkrieg nicht so schlecht wie zwischen 2010 und 2015. Wir glaubten, dass Anfang 2015 der richtige Moment gekommen war, den deutsch-griechischen Dialog in Gang zu halten und zu beförden.

Bei unserem 1. Festival waren die dort gezeigten 71 Filme etwas wie das Aufleuchten eines sehr reichen Kosmos. Jetzt, beim 2. Festival, wird das nicht anders sein. 60 Filme in fünf Tagen.
Das Medium Film ist unserer Ansicht nach ideal geeignet, Menschen aus Deutschland und Griechenland immer neu miteinander ins Gespräch kommen zu lassen, aber auch, um die Qualität der Filme für sich bzw. für das hohe Niveau des griechischen Filmschaffens und die Kompetenz der griechischen Filmemacher sprechen zu lassen. Besonders diese Künstler sind Seismographen und visuelle Chronisten der Geschehnisse in ihrem Land.

Festivaldirektor war ich beim 1. Mal, als das HELLAS FILMBOX BERLIN Projekt angeschoben war. Mein Ziel war, diese Funktion dann abzugeben. Mit Sandra von Ruffin hat das Festival ab 2016 eine Direktorin bekommen, die Herausforderungen zu begegnen weiß. Und was sie nicht weiß, das bringt sie in Erfahrung. Es ist spannend mitzuerleben, was da zustande kommt und wie das Festival tatsächlich jung bleibt.

graktuell.gr: Costa Gavras ist dieses Jahr der Ehrengast des Filmfestivals. Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?

Asteris Kutulas: Dass Costa-Gavras kommt, ist eine große Ehre für uns. Er hat – zusammen mit Michalis Cacojannis, Nikos Koundouros und einigen anderen – in den Sechzigerjahren den internationalen Durchbruch für den Neuen griechischen Film erzielt und konnte beides gewinnen: die Kritik und ein internationales Publikum.

Bei HELLAS FILMBOX BERLIN lag der Fokus vor allem darauf, die Sicht griechischer Filmemacher auf die Krisensituation ihres Landes erfahrbar zu machen. Deshalb wurden hauptsächlich Filme gezeigt, die in jüngster Zeit entstanden sind, sehr aktuelle Filme. Trotzdem sahen wir von Anfang an, dass die filmische Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen den aktuellen Filmen Werke zugesellt, die Rückblicke ermöglichen und das Jetzt mit dem Vorher verbinden. Griechische Geschichte wird präsent und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit heutigen Ereignissen und Erscheinungen. Erst so kann die aktuelle Situation des Landes in ihrer Vielschichtigkeit erfahren werden. Man wird Griechenland nicht verstehen, wenn man die Kriegsereignisse, den Bürgerkrieg oder die Junta-Zeit außen vorlässt, wenn man die Diaspora nicht mitbetrachtet.

Costa-Gavras ist ein bis heute höchst aufgeschlossener Filmemacher. Wenn so jemand zu HELLAS FILMBOX kommt, dann muss man keinen Roten Teppich ausrollen und keine Orden parat halten, sondern dann ist jemand dabei, der viele Zeiten vereint und deshalb einen einzigen Moment zu etwas Großem und Besonderem werden lässt. Costa-Gavras steht für Vieles, was Griechenland eben auch ausmacht – Internationalität, kritischer Geist, Dialog, Flexibilität, Interesse, Durchhaltevermögen. Es wird in Deutschland etliche Filmemacher geben, für die Costa-Gavras ein Kollege ist, mit dem man sehr gern einen Film zusammen drehen würde. Costa-Gavras bringt diese Energie mit, die sich in Berlin-Mitte sicher wunderbar verbreiten wird. Dass er überhaupt die Zeit gefunden hat … Jedenfalls ist es großartig, dass diese Regisseur-Legende zu unserem Festival kommt.

graktuell.gr: Ein besonderes Anliegen der HELLAS FILMBOX BERLIN ist, mit Sparten wie „Neue Visionen“ außergewöhnliche und neuartige Filme aus den Bereichen Kunst, Animation und Experimental zu zeigen und zu fördern. Was planen Sie noch, und wie reagiert das Berliner Publikum auf das Filmfestival?

Asteris Kutulas: Wir wollten gern Filme einladen, die bei vielen Festivals gar nicht eingereicht werden können, weil sie weder Spielfilm noch Dokumentarfilm sind, also in keiner Sparte verortet werden können. Mit „New Vision“ ist eine Kategorie geschaffen, die Künstlern die Möglichkeit gibt, freiere Formen zu präsentieren. Das wird unserer Meinung nach der Tatsache gerecht, dass Film ein Spiegel des Weltgeschehens ist. In dieser Welt ist inzwischen so vieles miteinander verflochten, in der Kunst und anderswo geht es ständig Cross Over, die Sprachen vermischen sich, neue Medien entstehen, selbst die museale Welt verändert sich usw. usf. Wir fanden es unerlässlich, darauf zu reagieren und Filme zu präsentieren, die um neue Ästhetiken ringen, weil sie die Auseinandersetzung mit sich verändernden Inhalten wagen. Was nirgendwo gezeigt werden könnte, kann bei „New Vision“ zu sehen sein.

Das Publikum hat vom ersten Augenblick an unser Festival angenommen. Es waren beim 1. Festival packende, dramatische und informative Filme zu erleben. Ich glaube übrigens auch, dass gerade „New Vision“ zu Griechenland gut passt. Da zeigt sich etwas, wovon sonst kaum die Rede ist – ein kreativer Geist, der das Publikum sucht, als Dialogpartner, offen für Gegenpositionen, für das Experiment. Eine ganz wesentliche Seite meines Heimatlandes: der Mut zum Risiko, die Neugier, der Funke Hoffnung. Den hat es in Griechenland immer wieder gegeben.

Costa-Gavras ist übrigens auch in dieser Hinsicht von Bedeutung. Ebenso ein gestandener Filmemacher wie Pantelis Voulgaris. Das sind Regisseure der älteren Generation, die dann mit im Publikum sitzen und sich Filme anschauen, die bei „New Vision“ laufen. Ich glaube, das macht die Atmosphäre von HELLAS FILMBOX mit aus, die das Publikum sucht und begeistert. Man kann mit den Filmemachern ins Gespräch kommen, man erlebt so viele Regisseure. Mitten in Berlin ist man mit einem Bein in Griechenland und selbst eine Brücke.
Wir wollten von Anfang an innovativ sein. Deshalb haben wir für die Gewinnerfilme eine Road Show organisiert, die mehrere Filme auch in andere deutsche Städte brachte. Das ist eine großartige Sache. Noch mehr Menschen können aktuelles griechisches Kino erleben. Die Road Show, die nach dem 1. Festival einmal ihre Tour gemacht hat, war ebenfalls gut besucht, also eine gute Idee.

Ich könnte mir vorstellen, dass HELLAS FILMBOX BERLIN noch viel künstlerischer werden könnte. Dass man sich mit einzelnen Regisseurinnen und Regisseuren, mit Schauspielern und Drehbuchschreibern weitergehend beschäftigt – das hat ja gerade erst begonnen. HELLAS FILMBOX ist ein großartiger Rahmen, der sich immer wieder verändert und verändern wird. Zum einen kann man in der Programmgestaltung flexibel bleiben, zum anderen kann man immer wieder neue Räume finden für Side-Events, man kann im Prinzip das ganze Festival auch einfach „auf den Kopf stellen“, neu erfinden, verkleinern, den Charakter ändern und inhaltlich immer wieder andere Schwerpunkte setzen. Also, es macht Spaß. Und darauf kommt es an. Man hat so etwas wie einen Baukasten, und was der enthält, wird immer wieder ausgekippt.

Hellas Filmbox Berlin, Asteris Kutulas
Gäste von Hellas Filmbox Berlin: Costa-Gavrasm Pantelis Voulgaris, Dani Levy, Vicky Leandros, The Boy u.v.a.

graktuell.gr: Wie sehen heute die deutsch-griechischen Beziehungen aus, nachdem sie während der sogenannten Finanzkrise so gelitten haben?

Asteris Kutulas: Im Moment erfährt man in Deutschland darüber wenig. Um Griechenland ist es fast erschreckend still geworden. Mir persönlich kommt es so vor, als ginge es vielen wie nach einer Magenverstimmung. In Griechenland gab es sicher eine fürchterliche Enttäuschung darüber, dass an „den Griechen“ kein gutes Haar mehr gelassen wurde und viele in Deutschland sich an nichts mehr zu erinnern schienen, was ihnen an Griechenland eigentlich doch lieb gewesen war. Beim Geld hörte die Freundschaft sprichwörtlich auf. Das war tatsächlich ein Schock. Dass ein ganzes Volk so einfach über einen Kamm zu scheren war – man hätte nicht annehmen können, dass das in Deutschland möglich wäre.

„Die faulen Griechen“, „die gerissenen Griechen“. Dass mit der Nazi-Keule zurückgeschlagen wurde, war kaum verwunderlich. Das führte auch in Deutschland zu Enttäuschungen. Ich glaube, der Varoufakis-Stinkefinger-Skandal, den Jan Böhmermann mit seinem Fake-Video ausgelöst hatte, brachte eine wichtige Wende. Das warf Fragen danach auf, wie sicher man sich sein konnte, durch die Medien nicht manipuliert zu werden. Wie sehr man selbst in Klischeedenken verfallen war und und und … Erst das verursachte bei vielen ein Innehalten.

Auf einmal wurde die Berichterstattung über Griechenland zunehmend kritisch betrachtet. Einige werden es bedauert haben, eine Zeitlang auch davon überzeugt gewesen zu sein, dass „die Griechen“ faul sind, eigentlich, nichts zustande bringen, von Feta und Fakelakia leben und andere „am Nasenring durch die Manege führen“ zu wollen, wie es die Bundeskanzlerin formulierte. Die Leute sind wieder gern nach Griechenland in den Urlaub gefahren. Allerdings landeten sie in einer noch stärker veränderten Situation.

Zehntausende Flüchtlinge, die über das Mittelmeer gekommen sind und in Griechenland festhängen – das wirkt sich aus. In den Filmen der griechischen Filmemacher ist das ein großes Thema. Es verbindet beide Länder, obwohl in ganz Europa die Grenzen dicht gemacht werden. Und nicht zu vergessen: Die Troika-Institutionen sind noch immer in Griechenland. Wer fragt eigentlich danach? Die Situation vieler Menschen hat sich weiter verschlechtert. Noch immer verlassen Zehntausende jedes Jahr ihre Heimat. Vielleicht sieht man inzwischen, dass Griechenland nicht Deutschlands großes Problem ist. Ich jedenfalls denke, dass das Berliner Publikum u.a. deshalb zum Festival kam und kommt. Letztes Jahr, um eine andere Sicht auf das Land haben zu können als die, die die Medien boten. Dieses Jahr möglicherweise, um mit Griechenland in Kontakt zu bleiben und sich seiner Lebendigkeit zu versichern.

© Asteris Kutulas, 12. Januar 2017

Hellas Filmbox Berlin, Second Edition: 18.1.-22.1.2017, Babylon
60 Filme, 30 Slots, 20 Q&As, 6 Side Events, 1 Ausstellung

Hellas Filmbox Berlin – Strategie und Konzept

Interview mit Festivaldirektor Asteris Kutulas
Von Maria Brand (November 2015)

Hellas Filmbox Berlin, First Edition: 21.1.-24.1.2016, Babylon
71 Filme, 36 Slots, 25 Q&As, 10 Nebenveranstaltungen
Webseite: www.hellasfilmbox.de
Facebook: www.facebook.com/hellasfilmbox

Maria Brand: Welche sind die wichtigsten Faktoren, die man Ihrer Meinung nach beachten muss, wenn man vorhat, ein Besucherfilmfestival auf die Beine zu stellen?

Asteris Kutulas: Es gibt wunderbare Festivals, die es sich leisten können, den rein künstlerischen (oder „avantgardistischen“) Aspekt in den Mittelpunkt zu rücken. Andere Festivals wollen eher ein breites Publikum erreichen, und das gelingt vor allem thematisch. Und dann gibt es die großen Festivals, die beides vereinen können.
Aber bei einem so genannten Publikumsfestival, wie wir es vorhaben, geht es immer darum, eine „Zielgruppe“ zu erreichen und um „Vermarktung“. Und natürlich darum, und vor allem darum, dass die Filme und das Publikum irgendwie „zusammenkommen“ sollten. Das muss man als Festival-Macher im Auge haben und ein strategisches Konzept dafür entwickeln. Es ist also nicht so sehr ein „künstlerischer“, sondern eher ein „kultur-politischer“ Fokus notwendig. Das kann man auch mit „Marketing“-Relevanz umschreiben oder damit, dass man dem Festival einen „Event-Charakter“ (was immer das heißen mag) geben muss.
Es ist wichtig zu begreifen, was das bedeutet: dass es in einer Stadt wie Berlin (und das gilt für andere Metropolen noch mehr) hunderte von Festivals gibt. Denn das wirft sofort die Frage auf: Warum noch eins mehr? Was muss man unternehmen, damit die Presse und das Publikum überhaupt auf dieses eigene, neue Festival reagieren? Von Bedeutung sind bereits im Vorfeld Gespräche mit Pressevertretern, Kulturpolitikern und eventuellen Sponsoren, um von vornherein Entscheidungen treffen und eine Struktur aufbauen zu können, die „Öffentlichkeit“ und Finanzierbarkeit überhaupt realistisch erscheinen lassen.
Und schließlich sollte man ein Team haben – verrückt genug, viel Zeit und Energie in das Projekt zu stecken – und das alles ohne Geld. Voraussetzung dafür ist, dass das Projekt den Machern Spaß macht, dass sie zu 100% hinter dem Projekt stehen und es unbedingt realisieren wollen. Durch diese Energie, das Durchhaltevermögen und zugleich die notwendige Professionalität bekommt das Ganze dann auch eine „Aura“ und eine „Message“ und dadurch wiederum jene Ausstrahlung, die es braucht, um Filmemacher, Journalisten und ein Publikum zu interessieren und schließlich zu begeistern.

Inwiefern kann Ihrer Meinung nach ein Filmfestival des zeitgenössischen griechischen Kinos in der deutschen Gesellschaft ein Umdenken und eine veränderte Auffassung über den „faulen und korrupten Griechen“ bewirken?

Asteris Kutulas: Für viele ist das Medium Film ein zugänglicheres und leichter zu konsumierendes Medium als das Buch, das Gedicht, die Bildende Kunst, das Theater oder anspruchsvollere Musik. Immerhin können an einem Wochenende Tausende von Menschen direkt (und weitere Zehntausende über Presse und Social Media) mit den Welten griechischer (verfilmter) Realität in Kontakt kommen. Unabhängig davon, ob diese als Komödie, Dokfilm, Krimi, Thriller oder Short auf der Bildfläche erscheint, ist diese filmische Realität doch immer ein sehr spezifischer Ausdruck griechischer Lebensweise, Denkungsart, aber auch des Alltags – und sei es, dass sie als eine vollkommen überspitzte Realität zu sehen ist. Das alles hat jedenfalls tatsächlich mit Griechenland und „den Griechen“ zu tun, und nichts mit deutschem Tagesjournalismus.

Sie sprechen über die anti-griechischen Kampagnen in der deutschen Presse?

Asteris Kutulas: Die Medien haben fünf Jahre lang ein Griechenlandbild vorgegeben, wie wenn man auf Griechenland durch einen sehr kleinen Rahmen schaut. Beim Fotografieren wäre das der Sucher, der einen begrenzten Bildausschnitt festlegt. Man hat sich auf das Negative konzentriert und das in den Fokus gerückt. HELLAS FILMBOX BERLIN macht den Rahmen des Suchers und damit den Bildausschnitt viel größer. Bei der „Bild“ z.B. heißt es: „Bild dir deine Meinung“. Es geht also interessanterweise tatsächlich um Bilder: Was haben wir vor dem Inneren Auge? Was haben wir im Blick, wenn wir an Griechenland denken? Ein Bild von etwas macht man sich. Das ist also etwas ganz Aktives. Wenn ich einerseits die Medien in Deutschland sehe, die einseitige Vor-Bilder geliefert haben, dann ist es andererseits die Sache von HELLAS FILMBOX BERLIN, mehr und andere Bilder anzubieten. Und wenn ich vorhin sagte, das Projekt muss den Machern Spaß machen, dann sind die vielen anderen Griechenland-Bilder, die wir zur Verfügung haben, genau das, was dem Team diesen Spaß beschert: ein reicher Fundus statt dieser beschränkte Bild-Ausschnitt.

Hellas Filmbox Berlin Asteris Kutulas

Ist ein solches Projekt mit öffentlicher Förderung finanzierbar?

Asteris Kutulas: Wenn das Projekt aktuell „wichtig“ und ganz offensichtlich in irgendeiner Weise Ausdruck des „Zeitgeists“ ist, und wenn es von einem guten Team konzipiert und gemanagt wird, dann kann es sich auch finanziell über kurz oder lang „durchsetzen“. Egal, ob das mit öffentlicher Förderung, Sponsoring oder über den Ticketverkauf und/oder durch Selbstausbeutung erreicht wird.
Das Interessante an unserem HELLAS FILMBOX BERLIN-Projekt ist, dass wir sowohl sehr künstlerisch als auch sehr „politisch“-aktivistisch daherkommen, was eine Finanzierbarkeit sehr schwierig macht. Wir haben kein Geld und auch keinen Glamour, HELLAS FILMBOX BERLIN ist kein „Roter-Teppich-Event“, sondern ein „Schwarzer-Teppich-Event“.

Was muss ein Kulturmanager mitbringen, der so ein Projekt auf die Beine stellen will?

Asteris Kutulas: Ein Filmfestival kann eigentlich „jeder“ machen – oder eben nur ganz wenige … Je nachdem, wie man’s nimmt. Es ist ganz einfach: Man braucht „nur“ etwas Geld, man sucht sich ein Thema, ein Motto, man lässt sich ein paar Filme schicken, schaut sie sich an, stellt eine Auswahl zusammen, mietet für ein Wochenende ein Kino, verschickt eine Presserklärung und wartet ab, was passiert. So ungefähr – sehr überspitzt gesagt – werden viele Festivals „gemacht“. Das ist keine Negativ-Bewertung meinerseits, sondern ich will damit sagen: Jede „Liebhaberei“ entspringt einer Passion; und von einer Idee dahin zu kommen, dass das Festival tatsächlich stattfindet – das ist immer mit viel Arbeit und Energieaufwand verbunden. Ich habe davor in jedem Fall Respekt.
Neben solchen eher „privat“ motivierten Projekten gibt es die großen kommerziellen Festivals, quasi das Marketing-Instrument der (vor allem US-amerikanischen) Filmindustrie: Sundance, Cannes, Berlinale, Venedig etc. Dazu gehören ein Millionenbudget, große Namen und viel Glamour. Zwischen diesen beiden Polen gibt es Dutzende Arten von Festivals …
Ich denke, die Aufgabe eines Kulturmanagers besteht zuerst darin, seinem Projekt „Leben“ einzuhauchen, ihm ein „Herz“, einen „Puls“ zu geben. Dafür brauchst du eine „Message“, die allerdings eine essentielle und nicht nur eine „behauptete“ ist – und die du gut „verkaufen“ kannst. Zweitens muss ein Kuturmanager eine organisatorisch und finanziell stimmige Strategie erarbeiten und drittens ein gutes, motiviertes Team zusammenstellen können. Viertens braucht er das „Glück“ auf seiner Seite, das man mit viel Arbeit bis zu einem gewissen Grad durchaus heraufbeschwören kann.

Hellas Filmbox Berlin Asteris Kutulas

Könnten Sie sich vorstellen, dass dieses Festival mit einem ähnlichen – auf dem gleichen Charakter basierenden – Festival zusammenwachsen kann? In einer Art Fusion, die die einzelnen Kräfte zu einem Katalysator der Schöpfungskraft und Kreativität zusammenführt? Unter welchen Voraussetzungen?

Asteris Kutulas: Da mich das „Filmfestival“ als eine Institution an sich nicht besonders interessiert und ich persönlich das Ganze „nur“ aus aktivistischen Gründen mache, kann ich diese Frage mit NEIN beantworten. Aber abgesehen davon, würde ich niemals etwas gründen, was von einem anderen bereits gegründet wurde oder was etwas anderem so ähnlich ist, dass man mit diesem anderen fusionieren könnte. Warum sollte ich das tun?

Was macht bei HELLAS FILMBOX BERLIN die Besonderheit aus, die konkreten Unterschiede? Und welche – würden Sie zusammenfassend sagen – sind die Voraussetzungen für ein individuelles Festival?

Asteris Kutulas: Am Anfang stand nicht die Idee, ein künstlerisches oder ein kommerzielles Festival zu machen, sondern hier gab es eine negative, hochproblematische Situation in der Gesellschaft, einen Fanatismus, die Stigmatisierung eines ganzen Volkes – und wir beschlossen, darauf zu reagieren.
Es gab also aktivistische Gründe: Griechenland und seine Menschen wurden in absolut negativer Art und Weise dargestellt. Dialog und Austausch – darum ging es nicht mehr. Darum geht’s aber bei Kunst.
Wo sozusagen alles danach rief, Griechenland den Rücken zu kehren, sich abzuwenden, hatten die Festivalinitiatoren eine andere Intention: hinschauen, sehen, was es gibt, es zu präsentieren, gerade das zu zeigen, was keine Rolle mehr spielte. Im Grunde genommen hatte man den Idealfall: ein Tabu. Und gerade die Jüngeren sind damit aufgewachsen: dass Medien das zum Thema machen, was Tabu ist. Es soll gerade über das intensiv kommuniziert und diskutiert werden, was verschwiegen wird. Und das kreative Leben der Menschen in Griechenland ist genau so etwas.
Mit Griechenland ist hier in Deutschland inzwischen etwas sehr Merkwürdiges passiert: Es ist zu einem plötzlich größtenteils wieder unbekannten, unsichtbaren Land geworden, ein kulturelles No-Go-Areal, das – wie nach einem Vulkanausbruch – unter einer dicken Ascheschicht begraben liegt; und nun geht eine Expeditionsteam daran, es freizulegen. Man entdeckt die Wandmalereien von „Pompej“ wieder. Und nicht nur das. Es stellt sich heraus, an diesem Ort passiert was. Die Vulkanasche ist fruchtbar. Manche Teile sind ganz und gar versunken, wie bei der Insel Santorini, bei der man sich sogar fragt, ob das vielleicht das sagenhafte Atlantis war, also ein verlorener Sehnsuchtsort. Interessanterweise kann man Sehnsuchtsorte mittels seiner Vorstellungskraft rekonstruieren.

Das Gespräch führte Maria Brand im November 2015
(für diablog.eu)

 

Erste Entwürfe für das Hellas-Filmbox-Logo von Ina Kutulas, Frühjahr 2015

Athener Tagebuch, 30.7.2015 (Rückflug)

Vierfüßige Schlangen

Während der Pressekonferenz zur Gründung der HELLAS FILMBOX BERLIN fragte gestern im Außenministerium eine junge Journalistin den deutschen Kultur-Presse-Attaché, welchen griechischen Lieblingsfilm er habe. Er antwortet: „My Big Fat Greek Wedding“. Woraufhin der griechische Kulturminister erwiderte: „Im Gegensatz zu unseren deutschen Freunden, die – wie es sich herausstellt – keine griechischen Filme kennen, kenne ich alle Filme von Schlöndorff, Wenders, von Trotta, Herzog, Fassbinder etc. Diese Filme haben mir geholfen, die deutsche Realität und die deutsche Mentalität zu begreifen. Unsere deutschen Freunde jedoch wissen offensichtlich gar nichts über uns … außer einigen touristischen Allgemeinplätzen. Vielleicht hilft die Hellas Filmbox Berlin, dieses griechische Filmfestival in der deutschen Hauptstadt, das zu ändern.“

Jemand erzählte mir im Flugzeug, es habe in der so genannten Urzeit vierfüßige Schlangen gegeben. „Schlangen mit Füßen?“, fragte ich. „Wozu Füße?“ Sie lebten unter der Erde, so die Erklärung, in Höhlen, und gruben sich an die Erdoberfläche vor. Ein grässliches, sechzehnfüßiges Reptil schlief bis eben hinter dem Imithos-Berg. Kavafis hat in seinem Gedicht davon erzählt: Manchmal, alle paar Jahrhunderte, erwacht es und zuckt kurz mit dem Lid, dann schläft es weiter. Diesmal nicht. Diesmal behält es die Augen etwas länger offen, spürt seinen Hunger, richtet sich auf, öffnet seinen Rachen und rollt seine Zungen aus. Es muss kein Feuer speien. Es muss nicht brüllen. Keine Kraftverschwendung. Nur die Zungen ausrollen und sich holen, was zu holen ist. Häuser, Wohnungen, Gärten und was die Menschen sonst noch haben. Die Ersparnisse von den Konten werden langsam abgeräumt. Das Reptil hat keine Eile. In Grenzregionen bringen sie das Geld nach Bulgarien. Den Zungen des Reptils sind Grenzen einerlei.

Morgen werd ich im Babylon stehen und sagen „DANCE FIGHT LOVE DIE – Unterwegs mit Mikis“. Ja, ich will ertrinken in meinen Bildern. Absichtlich. Bevor die Zungen des Reptils uns holen. Aus 39 Grad in Athen stürze ich runter auf 16 Grad in Berlin oder rauf. Je nachdem, wie man das verstehen möchte.

© Asteris Kutulas, 17.7.2015

(Athens Photos © by  Ina Kutulas)

 

Athener Tagebuch, 23.7.2015

Beim Aussenminister

Heute beim griechischen Außenminister, Nikos Kotzias. Das Gebäude, in dem er arbeitet, gegenüber dem Parlament, gleich am Syndagmaplatz, neoklassizistisch, aus dem 19. Jahrhundert. Im Bewusstsein zu haben, dass das Land bankrott ist, wenn man sich durch die Athener Straßen bewegt, und mit dem Bewusstsein solchen Bewusstseins einen Flur in diesem Gebäude lang zu gehen, umgeben von Prunk und erhabener Anmutung – das macht aus dem Hirn etwas, das man unter der Knochenschale anschwellen fühlt. Und würde in Griechenland das Wort “Anarchie” nicht ohnehin gern in den Mund genommen, man würde es eines Tages in diesem Außenministerium plötzlich vernehmen, wenn es, kaum entstanden, zerbirst und Substanzen abgibt.
Der Außenminister sagt: “… Und man muss sich vorstellen, dieses Gebäude ist damals von Herrn Syngrou nicht etwa dem griechischen Staat vermacht worden, sondern ausdrücklich dem Außenminister Griechenlands.” Ich sehe Nikos Kotzias an und frage: “Das heißt?” Er antwortet: “Das heißt – wenn ich versuchen würde, in ein anderes Gebäude umzuziehen, in ein zweckmäßigeres oder geräumigeres oder schlichteres … in ein wie auch immer anderes eben, dann würde dieses Gebäude als Besitz zurückgehen an die Erben von Herrn Syngrou. Es gehört nur solange dem griechischen Staat, solange es die offizielle Residenz des griechischen Außenministers ist.” Das Innere des Außenministeriums hat den Außenminister in der Mache und umgekehrt erfüllt der Außenminister das Innere des Außenministeriums mit Leben. Auf Gedeih und Verderb. Kein Entkommen. Entweder Herr Syngrou, ein Banker, war Dialektiker aus Vergnügen oder ein Prophet, als er sich diese Bedingung einfallen ließ. Die Syngrou-Allee ist nach ihm benannt. Das Außenministerium-Gebäude war einmal sein Wohnhaus, entworfen von einem deutschen Architekten aus Radebeul in Sachsen, der fast nur in Griechenland gearbeitet hat. Der Außenminister muss jedenfalls ständig nach Ausgleich suchen.
Nikos Kotzias spricht perfekt Deutsch, hat Habermas in Griechenland herausgegeben und selbst mehr als 25 Bücher geschrieben. Er ist kein Syriza-Mitglied, und in der “Zeit” war zu lesen, dass er der einzige griechische Politiker ist, der Frau Merkel versteht.


Ich war heute mit R. in seinem Büro, um ihn zu fragen, ob man uns für die Pressekonferenz der Initiative der Deutsch-Griechischen Kulturassoziation, also für das griechische Filmfestival HELLAS FILMBOX BERLIN, in diesem Außenministerium einen Raum zur Verfügung stellen könnte. Eigentlich wollten wir die Pressekonferenz im Goethe-Institut organisieren, aber das Institut ist ab diesem Wochenende wegen der Sommerferien-Pause geschlossen. Ich sage zum Außenminister: “Sie müssen uns helfen. Die deutsch-griechischen Beziehungen waren seit dem Zweiten Weltkrieg niemals so schlecht wie jetzt, und wir wollen was tun, sie wieder zu verbessern.” Nikos Kotzias schaut zu seinem Assistenten und sagt: “Ok., das Außenministerium unterstützt die HELLAS FILMBOX BERLIN. Ihr könnt den Raum nutzen. Wird geklärt.” Herr Syngrou war wohl beides – Prophet und vergnügter Dialektiker.

© Asteris Kutulas, 23.7.2015

(Photos: © by  Ina Kutulas for Cover photo | © by DomQuichotte for Hellas Filmbox Photo with Sandra von Ruffin, Stathis Papadopoulos & Annabell Johannes)