Liquid Staging Pferde-Show & Choreographie
Konzeptionelle Gedanken, November 2016
1 | Weil das Zusammenspiel aller Medien über die Qualität und die Emotion der Show entscheidet, muss die Choreographie des Tanzes und der Bewegung auf der Bühne stets die „Gesamt-Choreographie“ aller Gewerke im Blick behalten – vor allem die des Mediums FILM. Das gilt selbstverständlich für alle Shows, ist aber bei einer Liquid Staging Show von ausschlaggebender Bedeutung. Da jeder Bewegungsablauf eingebettet ist in einem – „filmischen“ – Gesamtzusammenhang, muss die Choreographie stets der Gesamtpartitur folgen, als „Baustein“ eines dramaturgischen Regie-Konzepts.
2 | ALLE, die auf der Bühne zu sehen sind, sind „Darsteller“: Reiter, Pferde, Tänzer, Akrobaten, Techniker. Da wir keine Dialog-Situationen, also keine sprechenden, sondern sich „nur“ bewegende Darsteller haben, sind alle Darsteller als „Tänzer“ zu betrachten – im umfassenden Sinn des Wortes –, also als Darsteller, die JEDEN AUGENBLICK auf der Bühne eine „Rolle zu spielen“ haben, die Emotionen hervorbringen soll.
Das charakteristische bei einer Liquid-Staging-Produktion ist, dass die Darsteller auf der Bühne immer wieder zu Protagonisten einer „Filmhandlung“ werden. Sie sind während der Aufführung sowohl Theater- als auch „Filmdarsteller“ und wirken wie das verbindende Element in diesem neuen Liquid-Staging-Erlebnisraum.
3 | Der Umgang mit den Reitern hinsichtlich ihres szenischen Auftritts stellt eine besondere Herausforderung in einer Liquid Staging Show dar. Einerseits muss jeder einzelne Reiter zu einer dem szenischen Auftritt entsprechenden Haltung hingeführt werden. Andererseits muss reiterliches Können im Verlauf der Show immer wieder punktuell „aufleuchten“ und diejenigen „zufrieden stellen“, die „Pferdekenner“ sind oder sich als solche verstehen Das jedoch IMMER eingebettet in den Flow des „Gesamtkunstwerks“. Reiterliche „Dressurkunst“ muss (solange sie noch „moralisch“ vertretbar und zeitgemäß ist) inszeniert und als ein Element der Show dramaturgisch eingesetzt werden.
4 | Auf der Ebene von Reiter und Reitkunst sollte – szenisch gesehen – immer eine „Leichtigkeit“ vorherrschen; das ist eine Erfordernis, die sowohl Auswirkungen auf die Umsetzung der Dressuren als auch auf das Zusammenspiel von Tänzern und Reitern hat – als auch auf die filmische Einbettung der Live-Handlung. Dabei können sowohl die jeweilige Gesamtszenerie (Videocontent & Licht) als auch die von den Choreographen festgelegten Bewegungsabläufe helfen.
„Leichtigkeit“ – das bezieht sich in diesem Zusammenhang auf das Verhältnis Reiter-Pferd und Reiter-Tänzer, nicht auf die jeweilige inhaltliche szenische Umsetzung.
5 | Der szenischen und emotionalen „Entgrenzung“ der Show muss das Gefühl der „Freiheit“ und des „Spiels“ im Umgang der Reiter und der Tänzer mit den Pferden entsprechen – eingebettet in die Geschichte der Liquid Staging Show. Die Choreographie muss dieses Ziel immer vor Augen haben. Genauso wie die Erkenntnis, dass sich die Qualität dieser komplexen Show letztendlich in den „Details“ entscheiden wird (sobald und vorausgesetzt das „große Bild“ stimmt).
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Choreographie im neuen Liquid Staging Show-Format
All diese Bemerkungen führen – zusammenfassend – zur Feststellung: Wir befinden uns in einem neuartigen THEATERRAUM – in den auch jede Arena verwandelt werden müsste. Ausserdem haben wir es mit einer Liquid Staging GESAMTINSZENIERUNG zu tun, bei der die filmische Produktion zumindest denselben Stellenwert hat wie der Live-Anteil der Show.
Unabhängig davon, wie „qualifiziert“ der eine oder andere Reiter oder Tänzer dafür ist, muss sich die Choreographie und die Regie diesem cineastischen ANSPRUCH einer Liquid Staging Show stellen.
Eine „Pferdeshow im Theater“ wird auch für die Reiter eine neue Erfahrung werden, und im besten Fall führt sie das zu einer neuen Form von „Pferde/Reiter-Präsenz“ auf der Bühne. (Den Weg, den „Cavallia“ und „Odysseo“ aber auch „Apassionata“ in dieser Hinsicht gegangen ist, muss berücksichtigt werden, man darf ihm aber nicht in der „Emotion“ folgen: Die Show, die auf einer Liquid-Staging-Ästhetik beruht, hat ein ganz anders geartetes Feeling, eine ganz andere emotionale Ausrichtung.)
Diese Emanzipation von jeglichem bisherigen Vorbild und die damit verbundene Entwicklung eines neuen Show-Formats führen zu einer unikalen Weltklasse-Show: keine Revue (Friedrichstadtpalast), kein Musical (Stage), kein Show-Zirkus (Cirque de Soleil), kein Theater, kein Ballett, keine Oper – viele Aspekte dieser Kunst- und Entertainment-Formate werden einbezogen und mit der Welt des Films und des „Kinos“ verschmolzen.
Überlegungen zu einem Choreographie-Konzept für eine Liquid Staging Show
1) Einsatz ALLER existierenden Tanz-Stile möglich, entsprechend den inhaltlichen Vorgaben eines Liquid Staging Scripts.
2) Entwicklung eines spezifischen Zusammenspiels von Film, Tanz bzw. Bewegung der Tänzer mit den Pferden und Reitern, wie es so nur in einer Liquid Staging Show möglich ist.
3) Inszenierung jeder „Nebenrolle“ vor einem filmischen Hintergrund – insofern wird in einer Liquid Staging Show jede Neben- zu einer Hauptrolle.
4) Haltung, Auftreten, Blick, „Aussehen“ der Reiter – egal ob auf dem Pferd oder begleitend auf dem Boden – sind im Zusammenspiel mit dem parallel laufenden Liquid-Staging-Film in jeder Szene von ausschlaggebender Bedeutung.
5) Mixbilder in der Pferdechoreographie gehen einher mit dem Mixen von Tanz-Stilen innerhalb einer Szene – sowohl real als auch im Film
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Grundlage des Choreographie-Konzeptes vor dem Hintergrund eines Liquid-Staging-Bühnenbildes ist eine leitmotivische Strukturierung der Tanz-Stile/Bewegungsmuster:
• Commedia del Arte (z.B. für Pre- und Nach-Show)
• Comedy-Theater (z.B. leitmotivisch)
• klassischer Tanz-Stil (z.B. leitmotivisch)
• Modern Dance (z.B. leitmotivisch)
• Ausdruckstanz (expressionistisch)
• „freier Stil“ & Tanztheater (z.B. leitmotivisch für Traum-Sequenzen)
• Körperhaltung, Ausstrahlung und Bewegungsmuster 1 (z.B. für Solisten/Musiker)
• Körperhaltung, Ausstrahlung und Bewegungsmuster 2 (z.B. für Reiter, Treiber, Helfer)
Wir sprechen hier – was die Choreographie angeht – durchaus auch über post-dramatische Raum- und Stückkonzeptionen des 21. Jahrhunderts. Allerdings interessiert mich bei der Ausgestaltung einer Liquid Staging Show nicht die abstrakte Technologie, sondern eine Bewegungs-„Philosophie“, die ein emotional geprägtes Gesamtkunstwerk zum Ziel hat.
Für diese Prinzipien und Strukturen habe ich versucht, ein spezifisches Vokabular zu entwickeln und in verschiedenen Konzepten anzuwenden.
Asteris Kutulas, Juni-November 2016