Apassionata und die Kunst vor Gericht, Asteris Kutulas

Berliner Gericht verbietet Künstler, seine Show als „einzigartiges Erlebnis“ zu bezeichnen

Die Causa „Apassionata“ – und kein Ende …

Ein deutsches Gericht hat vor ein paar Tagen einem Berliner Künstler verboten, sein künstlerisches Schaffen als EINZIGARTIG zu bezeichnen. Kein Witz. Das haben deutsche Anwälte tatsächlich einem deutschen Richter verklickern können! Es besteht seit Kurzem eine einstweilige Verfügung gegen den künstlerischen Direktor der Apassionata Holger Ehlers, nach der die Veröffentlichung von – im Übrigen von mir als Apassionata-Dramaturgen bereits 2013 verfassten und damals schon von ihm übernommenen und publizierten – Textpassagen über die eigenen Shows auf seiner Künstler-Homepage verboten wurde! Die Rechtsanwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek PartGmbB, die dieses Verbot erwirkt hat, arbeitet im Auftrag der Apassionata World GmbH – Tochterfirma eines chinesischen Immobilienkonzerns (Hongkun) mit Johannes Mock-O’Hara, Xiongxiong Lin und Weihao Zhao als Geschäftsführer.

Ich habe mich bezüglich des (very dirty) Apassionata-Markenstreits – denn darum geht es im Kern – zwischen Peter Massine und Thomas Bone-Winkel/Hongkun-Konzern die letzten Jahre, so gut ich konnte, zurückgehalten, weil meiner Meinung nach beide Seiten „irrational“, unternehmerisch katastrophal und selbstzerstörerisch gehandelt haben. Wie man so sagt: Da konnte man nix machen. Aber dieses Verbot, dieses Gerichtsurteil betrifft direkt auch mich als Künstler und all meine künstlerisch tätigen Kollegen. 

Apassionata vor Gericht

Der chinesischen Tochterfirma Apassionata World GmbH geht es hier im Kern darum: einen Künstler – der zwischen die Fronten eines Gesellschafterstreits um die Rechte an der Marke APASSIONATA geraten ist – mundtot zu machen und finanziell durch Gerichtsprozesse zu ruinieren. Weil er seine Apassionata-Shows, die er als Musiker seit 2001 betreut sowie als Autor und Regisseur seit 2009 jedes Jahr neu kreiert, weiterhin für Peter Massine – und inzwischen für Live Nation als Veranstalter – produziert. In diesem „Streit“ ist die Ausgangssituation folgende: auf der einen Seite ein chinesischer Milliardenkonzern mit einer der teuersten und größten Anwaltskanzleien Deutschlands, auf der anderen Seite ein Künstler, dem auf Androhung von 250.000 Euro oder 6 Monate Haft verboten wird, auf seiner eigenen Künstler-Homepage zu schreiben:

1) dass seine Shows ein „einzigartiges Erlebnis“ darstellen (obwohl das stimmt),
2) dass seine Shows unerreicht und/oder ohnegleichen und/oder beispiellos seien (obwohl jeder Künstler das Recht haben sollte, das zu behaupten),
3) seine Shows über eine 15jährige Tradition verfügen (obwohl das stimmt),
4) seine Shows ein weltweites Publikum haben (obwohl das stimmt).

Seine Shows heißen: „Apassionata – Cinema of Dreams“, „Apassionata – Der magische Traum“ etc. So sind sie bei den Urheberrechtsgesellschaften etc. seit 2001 fortfolgend angemeldet, so steht es auf allen diesbezüglichen CDs, DVDs, Plakaten, Programmheften und zehntausenden Youtube Videos.

Die Verhältnisse in Deutschland haben sich offensichtlich so verändert, dass ein deutsches Gericht mich zwingen kann, zu beweisen, dass Liechtensteiner und Eskimos in meine Show kommen, und wenn ich es nicht kann und ich es weiterhin behaupte, ich dafür ein halbes Jahr in’s Gefängnis muss … So scheint es, ist der Stand der Dinge. Ich bin mir sicher, Joseph Beuys würde sich im Grabe umdrehen, auferstehen und sich mit einsperren lassen – und ich wäre in diesem Fall sein Coyote: „Ich liebe Deutschland, und Deutschland liebt mich“ … (Wobei … Vielleicht hätte Beuys in Deutschland einen Schäferhund als Begleittier gewählt.)

Eigentlich wollte ich einen sarkastischen Text schreiben, aber der Gedanke, dass ein Künstler für sechs Monate in’s Gefängnis muss, weil er auf seiner eigenen Künstler-Homepage behauptet, seine Show sei einzigartig, hat dazu geführt, dass ich das alles nicht zum Lachen finde.

Die „kreativen“ – auf 25 Seiten festgehaltenen – Spitzfindigkeiten der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek PartGmbB, die es brauchte, damit ein deutsches Gericht quasi an den Grundfesten der Meinungsfreiheit und im gewissen Sinn des Urheberrechts rüttelt, sollten jedoch veröffentlicht und meinen Comedy-Kollegen als Vorlage für ihre nächste Show oder Sendung zur Verfügung gestellt werden. Das hübscheste Argument aus dieser Vorlage, die dazu diente, dem Künstler zu verbieten, auf seiner persönlichen Homepage die von ihm entworfene und als Autor, Komponist und Regisseur realisierte Kunst als EINZIGARTIGES ERLEBNIS zu bezeichnen, lautet sinngemäß (hier von mir „poetisch“ umschrieben): Pink Floyd darf sich nicht „einzigartig“ nennen …, weil es Depeche Mode gibt! 

Ergo: Stefan Raabs Sendung darf sich nicht einzigartig nennen, solange es eine Harald Schmidt-Show gibt. Der Louvre darf sich nicht einzigartig nennen, weil es die Tate Gallery gibt. Die Mona Lisa darf nicht als einzigartig bezeichnet werden, weil es die Sixtinische Madonna gibt. Ein Werk von A.R.Penck ist nicht einzigartig, weil es ebenso ein Werk von Baselitz gibt. Die Lyrik von Ingeborg Bachmann ist nicht einzigartig, weil es auch Lyrik von Sarah Kirsch gibt. Der Reichstag? Ist nicht einzigartig! Kucken Sie sich mal das Planetarium an! Hier eine Kuppel, da eine Kuppel. Beides Halbkugeln.

Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ein Richter allen Ernstes so etwas verfügen könnte.

Es geht immerhin um eine Show, wo für jede Sekunde Musik komponiert und Film produziert wurden, eine Show, die sekundengenau einer nach Drehbuch realisierten Storyline folgt, darin eingebettet Tanz, Artistik und Pferde-Dressur, Kostüm-, Licht- und Bühnen-Design. Ein Gesamtkunstwerk – wie eine „Oper“, in einer Arena halt. Von der es allein schon bei youtube hunderttausende Videos mit über 100 Millionen Views gibt, die in dutzenden Ländern von bislang mehr als 6 Millionen Live-Zuschauern gesehen wurde und deren weltweit vertriebene DVDS 12mal Gold und 3mal Platin erhalten haben, von den CDs ganz zu schweigen. Und jetzt untersagt ein deutscher Richter dem Urheber, auf seiner Homepage feststellen zu dürfen, dass diese Shows einzigartig sind und ein weltweites Publikum haben. Das ist der pure Irrsinn.

Asteris Kutulas, November 2018 (nach dem Besuch einer denkwürdigen und hoch-absurden Gerichtsverhandlung)

Anmerkung
Als ich während der Gerichtsverhandlung den Richter fragte, WAS denn nun der Künstler auf seiner eigenen Homepage schreiben dürfe, um nicht gegen das vermeintliche Wettbewerbsrecht zu verstoßen, antwortete mir dieser, das müßten wir unseren Rechtsanwalt fragen. Auf meine Nachfrage, was wir tun könnten, wenn wir KEIN Geld für einen solchen hätten, zuckte er nur mit der Schulter!  Und ich frage die deutsche Regierung, die für die Einhaltung der Kunst- und Meinungsfreiheit in diesem Land zuständig ist: An welche Instanz muss man sich ab jetzt wenden, um herauszukriegen, ab wann man z.B. von einem „weltweitem Publikum“ seiner Show sprechen darf? Welche Kriterien muss man einhalten: Reichen den Nachweis von zwei Kontinenten dafür aus? Oder ist das Kriterium 10 Länder auf verschiedenen Kontinenten? Was passiert, wenn der Nahe Osten oder Indonesien fehlen? Darf man dann trotzdem von einem „weltweitem Publikum“ sprechen? Muss man grundsätzlich ab jetzt einen Rechtsanwalt konsultieren, um auf diese oder zum Beispiel auf die Frage, ob man sein eigenes Kunstwerk in einer „ein-jährigen“ oder „zehn-jährigen“ Tradition sehen darf, eine Antwort zu erhalten? Und an welche INSTANZ muss man sich wenden, wenn man kein Geld für einen Rechtsanwalt hat? Und die letzte Frage: Was ist das für eine Rechtssprechung und eine Justiz, die für solche „Vergehen“ einen Künstler für 6 Monate ins Gefängnis stecken würde? A.K.