Athener Tagebuch, 30.7.2015 (Rückflug)

Vierfüßige Schlangen

Während der Pressekonferenz zur Gründung der HELLAS FILMBOX BERLIN fragte gestern im Außenministerium eine junge Journalistin den deutschen Kultur-Presse-Attaché, welchen griechischen Lieblingsfilm er habe. Er antwortet: „My Big Fat Greek Wedding“. Woraufhin der griechische Kulturminister erwiderte: „Im Gegensatz zu unseren deutschen Freunden, die – wie es sich herausstellt – keine griechischen Filme kennen, kenne ich alle Filme von Schlöndorff, Wenders, von Trotta, Herzog, Fassbinder etc. Diese Filme haben mir geholfen, die deutsche Realität und die deutsche Mentalität zu begreifen. Unsere deutschen Freunde jedoch wissen offensichtlich gar nichts über uns … außer einigen touristischen Allgemeinplätzen. Vielleicht hilft die Hellas Filmbox Berlin, dieses griechische Filmfestival in der deutschen Hauptstadt, das zu ändern.“

Jemand erzählte mir im Flugzeug, es habe in der so genannten Urzeit vierfüßige Schlangen gegeben. „Schlangen mit Füßen?“, fragte ich. „Wozu Füße?“ Sie lebten unter der Erde, so die Erklärung, in Höhlen, und gruben sich an die Erdoberfläche vor. Ein grässliches, sechzehnfüßiges Reptil schlief bis eben hinter dem Imithos-Berg. Kavafis hat in seinem Gedicht davon erzählt: Manchmal, alle paar Jahrhunderte, erwacht es und zuckt kurz mit dem Lid, dann schläft es weiter. Diesmal nicht. Diesmal behält es die Augen etwas länger offen, spürt seinen Hunger, richtet sich auf, öffnet seinen Rachen und rollt seine Zungen aus. Es muss kein Feuer speien. Es muss nicht brüllen. Keine Kraftverschwendung. Nur die Zungen ausrollen und sich holen, was zu holen ist. Häuser, Wohnungen, Gärten und was die Menschen sonst noch haben. Die Ersparnisse von den Konten werden langsam abgeräumt. Das Reptil hat keine Eile. In Grenzregionen bringen sie das Geld nach Bulgarien. Den Zungen des Reptils sind Grenzen einerlei.

Morgen werd ich im Babylon stehen und sagen „DANCE FIGHT LOVE DIE – Unterwegs mit Mikis“. Ja, ich will ertrinken in meinen Bildern. Absichtlich. Bevor die Zungen des Reptils uns holen. Aus 39 Grad in Athen stürze ich runter auf 16 Grad in Berlin oder rauf. Je nachdem, wie man das verstehen möchte.

© Asteris Kutulas, 17.7.2015

(Athens Photos © by  Ina Kutulas)